WINGbusiness Heft 03 2013

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ISSN 0256-7830; 46. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M

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WING

business

Die Zukunft der Produktion

Industrie 4.0 – Die Produktion der Zukunft 6

Ein Produktionsstandort in Asien 13

Europa, ein Industriestandort mit Zukunft? 19


Jubiläumskongress  Jahre Wirtschaftsingenieure »Erfolgsmodell Wirtschaftsingenieur« .-. Mai  | Graz

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W I N G Die WirtschaftsINGenieure

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Editorial

Die Zukunft der Produktion

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Siegfried Vössner Liebe Leserin, lieber Leser, es vergeht keine Woche, in der nicht von einem österreichischen Unternehmen zu lesen ist, welches seine Produktion ins Ausland verlegt. Meist nach China. Mit den Arbeitsplätzen wandert oft auch die Entwicklung mit. Früher haben die Strategieberater den Unternehmen uneingeschränkt dazu geraten, um ihnen Kostenvorteile und sich selbst satte Einnahmequellen als Gegenleistung für die Begleitung bei der Auslagerung zu verschaffen. Heute, nachdem diese Billiglohnländer sich zu Technologieführern entwickelt haben und bereits Sorgen um den Schutz ihrer eigenen Patentrechte äußern, ist man vorsichtig geworden. Nun ist guter Rat (schon wieder) teuer. Dieselben Berater arbeiten nun an neuen Strategien mit, mit denen der Produktionsstandort Europa noch zu halten wäre. Die Perspektiven sehen leider nicht rosig aus. Bereits 2005 versuchte die amerikanische Wirtschaftsjournalistin Sara Bongiorni in einem Selbstversuch, ein Jahr mit Ihrer Familie ohne zusätzliche (!) Produkte aus China auszukommen und beschreibt in Ihrem Buch „A Year Without „Made in China“: One Family‘s True Life Adventure in the Global Economy“, dass dies fast unmöglich ist. Ein ähnliches Experiment, drei Jahre später, kommt in Deutschland zu demselben Schluß. So ziemlich alle Gegenstände des täglichen Bedarfes und Überflusses kommen aus China oder benachbarten Regionen: Seien es Kleidungsstücke oder Schuhe und andere Modeartikel, Kinderspielzeug, Unterhaltungselektronik oder Knoblauch und „steirische“ Kürbiskerne. Es war nur mehr eine Frage der Zeit bis die internationale Vernetzung begünstigt durch die rasante Entwicklung der Informationstechnologie zu einem Netzwerk von Daten und Informationen wurde. Über dieses „Inter-Net“ hat sich zuerst der Dienstleistungssektor globalisiert: seit Jahren wird in Indien und China programmiert und Kunden auf ihre Serviceanfragen in Billig-Call Centern geantwortet. Der nächste Schritt – vom Internet der Dienste zum Internet der Dinge war ein kurzer und logischer. Seither werden mehr und mehr Waren kreuz und quer durch die Welt transportiert – immer auf der Suche nach dem Kostenminimum. Viele Experten meinen, dass der Zug der Produktion für Europa endgültig abgefahren sei: Nicht einmal die großen Absatzmärkte werden (wenn es so kommt wie sie es voraussagen) in Zukunft mehr in Europa und Amerika sondern in Asien sein. Wenn man sich zudem das Engagement und

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den Eifer dieser neuen Player im internationalen Netzwerk der Dinge (und Produktionsstätten) ansieht und ihren Aufholbedarf was die westliche Konsumgesellschaft anbetrifft, wird einem angst und bange. Welche Chancen haben wir noch? Vielleicht müssen wir wieder zu den gleichen Mitteln greifen wie der Gründer der Technischen Universität Graz, Erzherzog Johann, der vor fast genau 200 Jahren zu einer Reise nach England aufgebrochen ist, um neue Ideen für die wirtschaftliche Zukunft seiner Heimat zu sammeln. Heute würde die Reise wahrscheinlich eher in den Osten als in den Westen gehen. Oder vielleicht gelingt es ja hier neue Konzepte zu entwickeln, die diesen Trend verlangsamen oder umkehren können. Ein sehr ernstes, sehr herausforderndes Thema, dem wir uns besonders als Wirtschaftsingenieure stellen müssen. Darum haben wir dieses Heft unter das Thema „Die Zukunft der Produktion“ gestellt und Experten eingeladen, mit uns dazu ihre Perspektiven zu teilen. Der erste Fachbeitrag mit dem Titel „Industrie 4.0 – Die Produktion der Zukunft“ stammt von Univ.-Prof. Dipl.- Ing. Dr. Christian Ramsauer, Vorstand des Instituts für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung. Danach beschreibt der Produktions- und Supply Chain Experte und ehemalige Leiter der europäischen und asiatischen Supply Chain Practice und Co-Leader der Operations Practice bei McKinsey & Company, Dipl.-Ing. Raimund Diederichs, MBA, Erfolgsfaktoren und Vorgehen für ein erfolgreiches Nutzen des Produktionsstandorts Asien. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Roland Falb, Managing Partner beim Strategieberater Roland Berger Österreich, zeichnet in seinem Beitrag ein differenziertes jedoch positives Bild von der Zukunft Europas als Industriestandort. Den Aspekt des Wettbewerbsvorteils durch schlanke Prozesse bei der Wartung und Reparatur von Flugzeugen beschreiben Dipl.-Ing. Dr. techn. Thomas Stüger, Vorstand Produkte, Services & IT der Lufthansa Technik AG und Christian Langer in ihrem Artikel. Den Abschluss unserer themenbezogenen Fachartikel bildet der Beitrag „Operational Excellence - Für eine nachhaltige Sicherung des Produktionsstandortes Europa“ von Dipl.-Ing. Dr. techn. Rudolf Pichler, International Production Coordinator bei Siemens Österreich. Es freut mich anzumerken, dass bis auf Raimund Diederichs alle Autoren der Fachartikel Wirtschaftsingenieure der TU Graz sind. Ersteren konnten wir als Lektor für die TU Graz gewinnen – was mich besonders freut. Eine weitere und besondere Freude ist es mir, meinem Kollegen und Wirtschaftsingenieur Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Josef Wohinz im Namen des Redaktionsteams zu seinem 70. Geburtstag zu gratulieren. Wir berichten über das zu seinen Ehren abgehaltene industriewissenschaftliche Forum im Heftinneren. Ich hoffe, dass Ihnen die Artikel, die wir in diesem Heft für Sie zusammengestellt haben, gefallen, Denkanstöße geben und wünsche im Namen des Redaktionsteams einen schönen Herbst. Ihr Sieg fried Vössner


TOP-THEMA: Die Zukunft der Produktion Christian Ramsauer

Industrie 4.0 – Die Produktion der Zukunft Raimund Diederichs

Ein Produktionsstandort in Asien

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Für ein Unternehmen eine große Chance, und bei einer guten Planung und detailliertem Vorgehen sind die Risiken kontrollierbar

Roland Falb

Europa, ein Industriestandort mit Zukunft? Thomas Stüger, Christian Langer

Lean im MRO-Betrieb Rudolf Pichler

Operational Excellence

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Für eine nachhaltige Sicherung des Produktionsstandortes Europa

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Inhaltsverzeichnis EDITORIAL

Die Zukunft der Produktion

FACHARTIKEL

Nutzen und Einsatzmöglichkeiten von Interim Management

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LEUTE/KÖPFE

Dipl.-Ing. Dr.techn. Georg Premm

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UNINACHRICHTEN

70. Geburtstag von Prof. Josef W. Wohinz

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Gert Keuschnigg

Recruiting für das „product innovation project 2013/14“ startet jetzt! Mario Kleindienst Lernfabrik am IBL Institut der TU Graz

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WINGregional

Alexander Marchner, Bernd Neuner

Von der Idee zum Druck – Entstehung einer Ausgabe der Kleinen Zeitung

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30. Treffen der Wirtschaftsingenieure von Kärnten und Osttirol 18. Juni 2013, Klagenfurt am Wörthersee und St. Veit an der Glan

WINGnet

ESTIEM Council Meeting Eindhoven

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Das Kongressteam für 2014 stellt sich vor

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Christian Mayrhofer

Daniel Ruckser

TIMES - Tournament in Management and Engineering Skills

Von gleißendem Stahl zu gebündeltem Licht

IMPRESSUM

Impressum

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Exkursion des WINGnet Wien zur Voestalpine und ZKW

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Top-Thema

Foto: Fotolia

Christian Ramsauer

Industrie 4.0 – Die Produktion der Zukunft Outsourcing und Dienstleistung waren um die Jahrtausendwende die Themen schlechthin, heute ist es wieder die Produktion. Der starke Fokus auf Outsourcing und Dienstleistung führt langfristig zur erheblichen Reduktion des Lebensstandards von Industrienationen wie USA, Deutschland aber auch Österreich. Die Auswirkungen sind beispielsweise in England – der Wiege der industriellen Revolution – mit dem Fokus auf Finanzdienstleistung schon zu spüren. Neben Low-Tech Produkten werden zunehmend High-Tech Produkte im fernen Osten produziert. Zeitverzögert wandert auch die Know-How intensive Produktentwicklung dorthin ab. Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 soll den Trend aufhalten und die heimische Produktion in Europa wieder stärken.

1 Einleitung Das Thema „Zukunft der Produktion“ wird derzeit intensiv diskutiert. Es geht dabei vor allem um die Sicherung des Produktionsstandortes und damit der heimischen Arbeitsplätze. Die Gesetzgeber in Westeuropa und den Vereinigten Staaten von Amerika unternehmen verstärkt Anstrengungen, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industriebetriebe zu stärken. Es wurde erkannt, dass ein hohes Maß an Outsourcing und die Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer langfristig auch die Abwanderung der Forschung & Entwicklung zur Folge hat und damit ganze Industrien für immer abwandern. Daraus lässt sich ableiten, dass die physische Nähe von Produktion und Produktentwicklung im Sinne des „Simultaneous Engineering“ für die vgl. Pisano (2012) S. 25

Innovationsfähigkeit eines Landes von großer Bedeutung ist. Noch vor einigen Jahren wurde die Realwirtschaft mit Industrie und Handel als Ökonomie der Vergangenheit angesehen. Outsourcing war um die Jahrtausendwende das weitgehend dominierende Thema. Die Finanzwirtschaft und andere Dienstleistungen wurden als Konjunkturtreiber gesehen. Asien profitierte vom „Outsourcing“Boom der westlichen Länder und hat sogar bei der Produktion von „HighTech“-Produkten kontinuierlich zugelegt. In Europa ist die Handelsbilanz von „High-Tech“-Produkten schon seit langem negativ, allerdings ist die Situation seit dem Jahr 2002 besser als in den USA, der Trend ist aber seit 2002 ebenso negativ. Im Jahr 2011 rief der Präsident der USA, dieses Land ist seit über 100 Jahren der größte Produzent, die sogenannte „Advanced Manufacturing

Partnership“ (AMP) aus. Erklärtes Ziel ist es, die Rückverlagerung der Produktion in die USA durch eine aktive Industriepolitik zu erleichtern und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ein wesentlicher Anstoß für die Initiative der US-Regierung war das oben genannte Absacken der Handelsbilanz von „High-Tech“-Produkten seit 2001. In ihrem Bericht des AMP Steering Committees im Juli 2012 wurden 16 Handlungsempfehlungen vorgeschlagen, zum Beispiel die Gründung eines „National Network of Manufacturing Innovation Institutes“ (NNMII) mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der US-Unternehmen zu steigern. Insgesamt entstehen gerade 15 Institute, die von der US-Regierung mit 1 Milliarde US-Dollar finanziert werden. Im Jahr 2013 stellt die US-Administration ein President‘s Council of Advisors on Science and Technology - PCAST (2012) WINGbusiness 3/2013


Top-Thema im Vergleich zum Vorjahr um nochmals ca. 20 % höheres Budget (2,2 Milliarden US-Dollar) an Fördermitteln für Produktionsforschung zur Verfügung. In Österreich und Deutschland laufen wir Gefahr, unseren Lebensstandard langfristig zu verlieren, wenn es uns nicht gelingt, in die Zukunft unserer Industriebetriebe und damit in die Produktion zu investieren. Man kann Österreich - im Gegensatz zur

2 Industrie 4.0 – Die Produktion der Zukunft? Die Industrie in Deutschland ist nach der Finanzkrise stark wie nie zuvor und verantwortlich dafür, dass das Land als Konjunkturlokomotive Europas gilt. Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung betrug 2012 in Deutschland 26 %, dies ist deutlich höher als im Vergleich zu den USA (17 %) und Großbritannien (16 %). Nur Japan hat unter den etablierten Industrienationen einen ähnlich hohen Anteil.

Die deutsche Bundesregierung hat zur Sicherung und Stärkung der Industrie das Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ im Aktionsplan zur Hightech-Strategie 2020 im November 2011 verabschiedet. „Industrie 4.0“ wurde im Januar 2011 durch die Promotorengruppe „KommunikatiAbbildung 1: Handelsbilanz von „High-Tech“- on“ der Forschungsunion Produkten für einzelne Regionen zwischen Wirtschaft – Wissenschaft 1995 und 20084 initiiert. Als Ergebnis wurden Handlungsempfehhäufigen Volksmeinung - klar als In- lungen an die deutsche Bundesregiedustrieland bezeichnen. rung übergeben. Der Abschlussbericht Ein klares Zeichen setzte auch das des Arbeitskreises „Industrie 4.0“ dient Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie in Wien. Es veröffentlichte am 7. Mai 2013 die neue Initiative „Produktion der Zukunft“ mit einem Fördervolumen von 22 Mio. EUR und stellte fest:

als Grundlage für die „Plattform Industrie 4.0“, die im April 2013 ihre Arbeit in Deutschland aufgenommen hat. Auf den Punkt gebracht bringt die „Industrie 4.0“ aktuelle Trends aus der Welt der Informations- und Kommunikationstechnologie in industrielle Produktionssysteme. Dadurch entsteht ein neues Leitbild für die Industrie. Begonnen hat der Prozess der Industrialisierung mit der Einführung mechanischer Produktionsanlagen nach der Erfindung der Dampfmaschine Ende des 18. Jahrhunderts. Die Massenproduktion von Gütern mittels Fließbandfertigung nach Frederick Taylor, insbesondere mit Hilfe der Elektrizität seit Beginn des 20. Jahrhunderts, stellt die zweite Stufe dar. Die dritte industrielle Revolution wurde vor allem durch den Einsatz von Elektronik, Informationstechnologien und die Automatisierung vorangetrieben. Nun stehen wir am Beginn der vierten Industriellen Revolution. Das Internet der Dinge und Dienste, als Teil von „Smart Factory“ und Treiber dieser Revolution, unterstützt Unternehmen darin, ihre Produktionsanlagen, Materialien, Logistischen Systeme und Produkte als „Cyber-Physical Systems“ (CPS) weltweit zu vernetzen. Das Ziel dieser vierten Revolution ist es, intelligente Maschinen, Logistiksysteme und Betriebsmittel zu schaf-

„Die volkswirt-schaftliche Leistungskraft Österreichs ist maßgeblich von der sachgütererzeugenden Industrie abhängig. Die Fähigkeit, international konkurrenzfähige Produkte herzustellen und Produktivitätssteigerung zu erzielen, ist dabei zentral für das Wirtschaftswachstum eines hoch industrialisierten und wissensbasierten Landes wie Österreich. Darin liegt auch in Zukunft eine unverzichtbare Basis für Wertschöpfung und Beschäftigung“ . vgl. Ramsauer C. (2013), S. 1 President‘s Council of Advisors on Science and Technology - PCAST (2012) vgl. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (2013), S. 4 WINGbusiness 3/2013

Abbildung 2: Die vier Stufen der Industriellen Revolution7

vgl. Oxford Economics in Handelsblatt Nr. 067 (2013), S. 1

Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft (2013), S. 17 vgl. Ramsauer (2009), S. 11-32


Top-Thema Softwaretechnologien mit mechanischen und elektronischen Teilen, die, zum Beispiel über das Internet, mitein-ander kommunizieren. Somit können viele Vorteile geschaffen werden, welche dann unter anderem in der Smart Factory Abbildung 3: Smart Factory als Teil des Internets der 9 genutzt werDinge und Dienste innerhalb der Industrie 4.0 den können. fen, welche untereinander eigenständig Der Einsatz solcher Systeme in der ProInformationen austauschen, geeignete duktion wird dann auch oft als CyberAktionen auslösen und sich gegenseitig Physical Production Systems (CPPS) sogar selbständig steuern können. Der beschrieben. Vorteil wäre natürlich, dass sich industrielle Prozesse in der Produktion, des SMART FACTORY: Beschreibt ein Materialeinsatzes sowie des Lieferket- neues Konzept in der Produktion mit ten- und Lebenszyklusmanagements einer wertschöpfungsorientierten Progrundlegend verbessern lassen. In die- zessgestaltung durch Integration von ser neu entstehenden „Smart Factory“ Informationsmanagement von der Plaherrscht eine völlig neue Produktions- nung bis zur Ergebnisdokumentation, logik: Intelligente Produkte sind iden- unter Anwendung der RFID-Technik. tifizierbar, jederzeit lokalisierbar und Ziel ist es ein transparentes und opkennen ihren aktuellen Zustand sowie timiertes Produktionsressourcenmaalternative Wege zum Ziel. Die „Smart nagement zu realisieren. Factory“ beherrscht Komplexität und ist weniger anfällig auf Störungen.10 SMART PRODUCT: Bezeichnung Insgesamt kann damit unter anderem für physische Produkte, die selbst Daauch die Ressourceneffizienz der Pro- ten für ihr eigenes virtuelles Abbild zur duktion bezüglich Materialeinsatz, En- Verfügung stellen können. Damit wird ergieeinsatz und menschlicher Arbeit der Arbeitsplan zur Fertigung und die deutlich gesteigert werden. Geschichte des Produktes am Produkt selbst gespeichert und abgefragt. Die Abbildung 3 zeigt den Zusammen- Produktionsmaschine weiß beispielshang der Smart Factory mit weiteren weise beim scannen des Produktes welintelligenten Systemen innerhalb des ches CNC-Programm zu starten ist. Internets der Dinge und Dienstleistungen als Basis des „Cyber-Physical SysSMART GRID: Unter Smart Grid tems“ (CPS) für „Industrie 4.0“. versteht man intelligente Stromnetze die eine Vernetzung und Steuerung 3 Internet der Dinge und Dienste von elektrischen Verbrauchern, elektrischen Speichern und StromerzeuCYBER-PHYSICAL SYSTEMS: In sol- gern ermöglichen. Ziel ist es die Enerchen Systemen, die meist sehr komplex gieversorgung effizienter zu gestalten aufgebaut sind, geht es vor allem um und Verbraucherspitzen abzufedern. die Verbindung von Informations- und SMART BUILDINGS: Die „smar Promotorengruppe Kommunikati- te“ Verknüpfung von Schichtplänen on der Forschungsunion Wirtschaft mit der Steuerung von Gebäuden im – Wissenschaft (2013), S. 23 Facility-Management bietet weitere 10 vgl. Promotorengruppe Kommuni- hohe Einsparpotenziale. Dies ist inskation der Forschungsunion Wirtschaft besondere aufgrund der zu erwarteten – Wissenschaft (2013), S.5 und S.23

Steigerung der personalseitigen Kapazitätsflexibilität ein Thema. Derzeit kommunizieren ERP-Systeme mit den Schichtplänen noch selten mit den Gebäudesteuerungen für Lüftung, Klima und Heizung. Hallen werden oft beheizt, obwohl Schichten ausfallen. Energiespitzen entstehen häufig durch beinahe gleichzeitiges Einschalten von vielen Verbrauchern bei Schichtbeginn. Eine intelligente Kommunikation der zukünftigen „Smart Factory“ mit den „Smart Buildings“ ist notwendig und hat enormes Energieeinsparpotenzial. SMART LOGISTICS: Smart Logistics umfasst einerseits Smart Products und andererseits Smart Services innerhalb der Logistik. Sie befreit Personen von Steuerungsaktivitäten, welche direkt an die Produkte weitergegeben werden können. Ein Vorteil ist, dass die Logistik dadurch unsichtbar wird und weniger Arbeitsaufwand für die handelten Personen bedeutet.11 SMART MOBILITY: Smart Mobility wird als ein Angebot definiert, das eine „energieeffiziente“, „emissionsarme“, „sichere“, „komfortable“ und „kostengünstige“ Mobilität ermöglicht und das vom Verkehrsteilnehmer intelligent genutzt wird. Dabei geht es nicht um neue Infrastruktur sondern vielmehr um die Optimierung der Nutzung der vorhandenen Angebote durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT).12 4 Erwartete Potentiale und Handlungsfelder von Industrie 4.0 Die „Smart Factory“ kann individuelle Kundenwünsche berücksichtigen und selbst Einzelstücke rentabel produzieren. Die Produktionsprozesse können dynamisch gestaltet werden und flexibel auf Störungen und Ausfälle reagieren. Ein weiterer Punkt ist die Transparenz, die vor allem dabei unterstützt, gute Entscheidungen zu treffen. Dadurch können mit der „Industrie 4.0“ neue Formen der Wertschöpfung und neuartige Geschäftsmodelle entstehen. Weiteres kann die „Industrie 4.0“ einen Beitrag zur Bewältigung aktueller Herausforderungen, wie zum Beispiel der Ressourcen- und Energieeffizienz 11 Uckelmann D. (2008), S. 276 12 Wollte S. (2012), S. 528 WINGbusiness 3/2013


Top-Thema und des demographischen Wandels, leisten. Ressourcenproduktivität und -effizienz lassen sich in der „Industrie 4.0“ fortlaufend und über das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk hinweg verbessern. Mitarbeiter können sich dank intelligenter Assistenzsysteme auf die kreativen und wertschöpfenden Tätigkeiten konzentrieren und werden bei Routineaufgaben entlastet. Die „Industrie 4.0“ kann die Wettbewerbsfähigkeit von Hochlohnländern als Produktionsstandort stärken und damit den Wohlstand in diesen Ländern sichern. Folgende weitere Handlungsfelder sind im Bericht vom April 2013 explizit angeführt: 13  Ressourceneffizienz  Standardisierung und offene Standards für Referenzarchitektur  Beherrschung komplexer Systeme für die Industrie  Flächendeckende Breitbandinfrastruktur  Sicherheit als erfolgskritischer Faktor für „Industrie 4.0“  Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung im digitalen Industriezeitalter  Aus- und Weiterbildung für „Industrie 4.0“  Rechtliche Rahmenbedingungen 5 Ressourceneffizienz im Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ Die Effizienz („Die Dinge richtig tun“) ist eine Kenngröße des operativen Managements und hat die Einhaltung des Rationalprinzips zum Ziel. Wenn man darauf abzielt, einen möglichst niedrigen Einsatz von Ressourcen bei gegebener Produktionsmenge (Output) zu erreichen, dann spricht man von Ressourceneffizienz (sog. Minimalprinzip).14 Zielt man darauf ab, mit gegebenem Ressourceneinsatz (Input) einen möglichst hohen Produktionsausstoß (Output) zu realisieren, spricht man von Ressourcenproduktivität (sog. Maximalprinzip). Die Materialeinsatzproduktivität, die Arbeitsproduktivität oder die Energieeinsatzproduktivität sind als Beispiele für die Ressourcen 13 Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft (2013), S. 5; S.43-67 14 vgl. Wohinz, J. et al (2010/11) S. 21 WINGbusiness 3/2013

Roh-, Hilfs,- und Betriebsstoffe, Human Ressourcen (menschliche Arbeitskraft) und Energie zu nennen. Die Ressourceneffizienz ist, als wesentlicher Bestandteil des Zukunftsprojektes „Industrie 4.0“, ein bedeutender Faktor zur Erhaltung des Industriestandortes in Europa. Ansteigende Rohstoff- und Energiepreise führen bei oft gleichzeitig sinkender Verfügbarkeit zwangsläufig zu Engpässen in der Produktion. Europa verfügt im Vergleich zu manch anderen Erdteilen über weniger Lagerstätten von Erdöl und Erdgas oder anderen Rohstoffvorkommen wie Eisen oder seltenen Erden und ist daher stärker von anderen Regionen abhängig. Während beispielsweise Chinas Energieversorgung durch enorme Kohlelagerstätten noch lange gesichert bleibt, tragen in den USA die kürzlich entdeckten Schiefergasquellen zur Versorgungssicherheit und der dadurch geringeren Energiepreise klar zum Wettbewerbsvorteil für die USA bei. Die wachsende Weltbevölkerung sowie das sich ändernde Konsumverhalten in Bezug auf Mobilität und Wohnraum, insbesondere in den Schwellenländern, führen zu einer Erhöhung des Ressourcenverbrauchs. Aber auch der Faktor Mensch (Human Ressource) spielt im Umfeld der Ressourceneffizienz eine bedeutende Rolle. Die sogenannten 3 M’s „Mensch, Material und Maschine“ sind maßgebliche Produktionsfaktoren, die Gutenberg schon Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts identifiziert hat. Heute sprechen wir im Wesentlichen von 4 Ressourcen, die innerhalb der Produktion das Objekt für Effizienz darstellen:  Energieressourcen  Materialressourcen im Sinne von Rohstoffen, Hilfsstoffen und Betriebsstoffen  Human Ressourcen im Sinne der Notwendigkeit für menschliche Arbeit  Finanzielle Ressourcen im Sinne von Betriebskosten und Investitionen für Betriebsmittel, Infrastruktur und Gebäude

Energieeffizienz – Effizienz beim Energieeinsatz Der Energieverbrauch für die Industrie in einem Industrieland ist beträchtlich. 30 % beträgt der Anteil der Industrie am Endenergieverbrauch in Deutschland. Damit ist die Industrie der größte Verbraucher von Endenergie. Etwa 60 % des Energieverbrauches der Industrie fallen dabei auf Prozesswärme, die meist ungenutzt bleibt. 15 Materialeffizienz – Effizienz bei Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffen Die Materialaufwände sind innerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens im verarbeitenden Gewerbe beachtlich. Über 40 % der Herstellkosten, manchmal sogar der Gesamtkosten sind Materialkosten. In einer deutschen Studie schätzten die befragten Betriebe im verarbeitenden Gewerbe ihr Potenzial bei Materialeinsparungen im Durchschnitt auf sieben Prozent ein.16 Ein großer Teil des Materialeinsparpotentials ist innerhalb der Produktionsprozesse zu finden. Insbesondere der durch Anlaufverluste verursachte Ausschluss oder die Überproduktion weisen ein enormes Materialeffizienzpotenzial auf. Weiteres ist die Stabilität der Prozesse eine Voraussetzung für geringen Ausschuss. Optimierung von Verschnitten und dadurch Verringerung des Abfalls ist ein weiterer Angriffspunkt für Effizienzsteigerung. Stark beeinflussen kann man die Materialeffizienz vor allem auch in der Produktentwicklung durch die Material- bzw. Werkstoffwahl. Wenn man die Materialeinsparung mit der aufgrund der letzten Jahre zu erwartenden Preisentwicklung kombiniert wird deutlich, dass wir nicht nur Einsparpotenziale heben können sondern aufgrund der Verknappung der Ressource „Rohstoff“ auch heben müssen. In der folgenden Grafik wird die enorme Entwicklung der Preise für Metalle und Mineralien zwischen 1960 und 2010 dargestellt. 15 vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen in Handelsblatt Nr. 067 (2013), S.6 16 vgl. Schroeter M., Lerch C., Jaeger A. (2011), S. 2


Top-Thema

Abbildung 4: Preisentwicklung für Metalle und Mineralien von 1960 - 2010 (2000 = 100 %)17 Effizienz bei „Human“ Ressourcen Der arbeitende Mensch wird in der Produktion der Zukunft weiterhin im Mittelpunkt stehen, die Anforderungen werden sich allerdings verschieben. Diese Änderungen und die Effizienz bei „Human“ Ressourcen innerhalb der Industrie 4.0, werden im Kapitel 8 näher erläutert. Effizienz bei finanziellen Ressourcen Ziel eines Unternehmens oder einer Industrie ist es, mit möglichst geringen finanziellen Mitteln im Sinne von Investitionen und Betriebskosten OutputZiele zu erreichen. Dementsprechend ist es nicht sinnvoll, Überkapazitäten zu installieren und somit hohe Investitionen für Betriebsmittel und -anlagen, Gebäude und die notwendige Infrastruktur zu tätigen. Eine sinnvolle Gesamtanlageneffektivität (OEE, Overall Equipment Effectiveness) ist aber anzustreben. Dabei gilt ein besonderes Augenmerk der Verfügbarkeit der Anlagen. Häufig ist eine geringe Anlagenverfügbarkeit der Auslöser für Investitionen. Hohe Betriebskosten durch beispielsweise hohe Energiekosten oder hohe Wartungskosten können ebenso Auslöser für Investitionen sein. 6 Offene Standards für Referenzarchitektur Das Ziel ist die unternehmensübergreifende Vernetzung und Integration über gesamte Wertschöpfungsnetzwerke. 17 vgl. World Bank Commodity Price Data (2012), S. 15 10

Dies gelingt nur mithilfe gemeinsamer und einheitlicher Standards. Für deren Beschreibung und Umsetzung ist eine Referenzarchitektur notwendig. Die Herausforderung der Zukunft wird es sein, diese Referenzarchitektur zu schaffen. Es ist eine umfassende Standardisierung notwendig, in der die Mechanismen der Zusammenarbeit und die auszutauschenden Informationen festgelegt werden. Die technische Beschreibung und Umsetzung dieser Festlegung wird als Referenzarchitektur bezeichnet. Diese soll in Form von Software-Applikationen zur Verfügung gestellt werden. Da das Wertschöpfungsnetzwerk im Kontext von Industrie 4.0 aus vielen unterschiedlichen Firmen mit verschiedensten Geschäftsmodellen besteht, wird es eine Herkulesaufgabe sein, solche Referenzarchitekturen zu entwickeln. Es gilt, unterschiedliche Sichtweisen zu einer gemeinsamen, einheitlichen Sichtweise zusammen zu führen, indem man sich auf die grundlegenden Strukturierungsprinzipien sowie Schnittstellen und Daten einigt.18 7 Sicherheit Ein Produktionssystem, dass mit Tablet-PCs über das Internet gesteuert werden kann wirft sofort Sicherheitsfragen auf. Es soll verhindert werden, dass „Hacker“ ins Produktionssystem eindringen können, dieses lahm legen oder für andere Zwecke nutzen können. Die Betriebs- und Angriffssicher18 Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft (2013), S. 6, S.43

heit sind in Industrie 4.0 Produktionssystemen als sehr kritisch einzustufen. Es ist notwendig, Sicherheitsarchitekturen und Identitätsnachweise zu entwickeln und zu implementieren. Neben einer deutlichen Komplexitätssteigerung beim Nachweis der funktionalen Sicherheit wurde auch das Thema Angriffssicherheit als Problem erkannt. Viele Sicherheitsfragen der heute etablierten Produktionssysteme sind noch nicht vollständig gelöst, vor allem Maßnahmen zur Erreichung von Angriffssicherheit werden nur langsam realisiert. Bei den „CyberPhysical-Systems“-basierten Produktionssystemen in Industrie 4.0 handelt es sich um hochgradig vernetzte Systemstrukturen mit einer Vielzahl von Beteiligten. Zwischen den teilweise autonom agierenden, technischen Systemkomponenten findet ein intensiver und zeitkritischer Daten- und Informationsaustausch statt. Während die Betriebssicherheit eines gesamten Produktionssystems oft im Vordergrund steht, wirft die Angriffssicherheit ganz neue Fragestellungen auf.19 8 Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung Die Produktionssysteme der Zukunft werden gegenüber denen von heute an Flexibilität deutlich gewinnen. In vernetzten Fabriken werden die Einmalkosten zum Start einer neuen Serienproduktion sinken. Dadurch wird es möglich sein, Kleinserien oder sogar Losgröße 1 wirtschaftlich zu fertigen. Nimmt man die rasante Entwicklung der 3D-Drucker in die zukünftige Entwicklung der Produktion mit auf, kann hier eine noch nie dagewesene Flexibilität verwirklicht werden. In einer Studie über die Produktionsarbeit der Zukunft wird deutlich, dass die Industrie mit einem deutlich steigenden Bedarf der kurzfristigen, personalseitigen Kapazitätsflexibilität rechnet (siehe Abbildung 5). Dies hat Folgen für die derzeit existierenden Arbeitszeitmodelle der Gewerkschaften, in Österreich und Deutschland, wenn man die Kapazität an den Kapazitätsbedarf im Sinne der Vermeidung von Verschwendung 19 Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft (2013), S.6 20 vgl. Spath D. et al. (2013), S. 5 WINGbusiness 3/2013


Top-Thema anpassen möchte. Neue Konzepte für die Planung und Steuerung der Produktion sind die Folge. Wochenpläne werden obsolet, weil die Ergebnisse der Studie eine deutliche Zunahme der Schwankungen des personalseitigen Kapazitätsbedarfes innerhalb eines Tages zeigen. Die Rolle der Mitarbeiter wird sich auch aufgrund von virtuell gestalteten Arbeitsplattformen ändern. Die heute

9 Nutzung etablierter Technologien Die Etablierung von Breitband Internet ist ein Ausgangspunkt zur Entwicklung von Industrie 4.0. Die Vernetzung etablierter Technologien mit Hilfe des Internets, ermöglicht die flächige Umsetzung dieser Technologien. Beispielsweise ist die seit Jahren diskutierte zustandsorientierte Instandhaltung von Industrieanlagen von

matisch mit internen und externen Informationssystemen verknüpfen.21 Die Vorteile von RFID liegen vor allem im kontaktlosen Auslesen durch Radiowellen und in der Pulkerfassung zur gleichzeitigen Erfassung mehrerer Objekte. Weiters verfügt RFID über eine hohe Speicherkapazität. Das Produkt ist eindeutig identifizierbar und lokalisierbar und mit „Intelligenz“ versehen, der Arbeitsplan zeigt Alternativen bezüglich Fertigung oder Logistik auf. Damit können Arbeitspläne oder Materialien des Produktes am Produkt gespeichert werden und müssen nicht mehr in einem zentralen Produktionsplanungs und –steuerungssystem aufwendig verwaltet werden. 10 Ausgewählte Forschungsprojekte

Abbildung 5: Starke Schwankungen im personalseitigen Kapazitätsbedarf20 üblichen Mensch-Maschine-Interaktionen für Maschinenbediener, also zum Beispiel einige Aufgaben eines heutigen Bedieners einer CNC-Drehmaschine, werden weniger physisch vor Ort durchgeführt, sondern können irgendwo im Produktionsgebäude, aber auch von einem anderen Ort aus mit Internetzugang durchgeführt werden. Dies hat zur Folge, dass sich Flexibilität, Arbeitszeitregelungen, Demografie aber auch Gesundheitsaspekte und damit die Arbeit als Ganzes wesentlich ändern werden. Sozialinnovationen sind gefragt, um diese neuen Herausforderungen von Industrie 4.0 zu meistern. Während sich die Arbeit von heutigen Maschinenbedienern verändern wird, ist anzunehmen, dass auch in Zukunft einfache Tätigkeiten am „Shopfloor“ zu erledigen sein werden und die „mannlose“ Fabrik, wie sie vor Jahrzehnten propagiert wurde, nicht das Ziel von Industrie 4.0 sein wird.

aktuellen Daten über den Zustand der Anlagen abhängig. Über Industrie 4.0 können diese Konzepte und Technologien nun Rückenwind erfahren, wenn über entsprechende Sensorik der aktuelle Zustand der Anlagen im Monitoringsystem der gesamten Produktion weltweit und „online“ in Echtzeit zugänglich gemacht wird. Mit der zustandsorientierten Instandhaltung können gegenüber der etablierten, zyklischen bzw. vorbeugenden Instandhaltung, die Kosten für Instandhaltung oft deutlich gesenkt werden. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich von passiven und aktiven Tags, die auf der Radio Frequency Identification (RFID)-Technologie aufbauen, werden die Art der Produktionsplanung und –steuerung (PPS) verändern. Unternehmen können mit RFID ihr physisches Anlage- und Umlaufvermögen (Dinge) mit Intelligenz ausstatten und diese intelligenten Dinge auto-

Am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung (IBL) und am Institute of Production Science and Management (PSM) werden gleich mehrere Forschungsprojekte zum Themenbereich Industrie 4.0 durchgeführt. Ein Konzept zur „digitalen Fabrik“ soll in einer hochvernetzten und -komplexen Fabrik die Angebotslegung beschleunigen und präzisieren. Ziel ist es, durch richtige Informationen in der Produktion die Treffsicherheit und Qualität der Angebote deutlich zu erhöhen, die Dauer für die Angebotslegung zu senken und den Verhandlungsspielraum mit dem Kunden aufzuzeigen. Ein weiteres Forschungsprojekt widmet sich dem Thema der Agilität von Fabriken aus der Sicht der OEMs sowie aus der Sicht der Zulieferindustrie. Die Frage, wie „Flexibel“ und wie „Agil“ muss eine Fabrik konzipiert sein, wenn beispielsweise die Nachfrage deutlich nach unten oder deutlich nach oben geht, soll behandelt werden. Fragen, die derzeit in der Industrie in diesem Zusammenhang intensiv diskutiert werden, sind: Wie kann man Profitabilität gewährleisten, wenn die Auslastung deutlich einbricht? Welche Zusatzinvestitionen (Beispielsweise zusätzlich zum Toyota Produktionssystem (TPS)) sind dazu erforderlich und wie muss das System aussehen? Die beiden Institute sind seit 2011 Teil der sogenannten Initiative „Smart Production Graz“ (SPG), der Fakultät für Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften unter der Leitung von 21 Fleisch E. (2001), S. 6

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Top-Thema Dekan Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Christof Sommitsch. Gemeinsam mit den weiteren SPG Instituten Werkstoffkunde und Schweißtechnik, Technische Logistik, Werkzeugtechnik und spanlose Produktion, Fertigungstechnik und Maschinenbau und Betriebsinformatik wurde das Forschungsprojekt „Smart Shuttle“ initiiert. Dabei geht es um intelligente, selbstfahrende und mit dem Umfeld kommunizierende Shuttle-Systeme, insbesondere für die innerbetriebliche Logistik in Produktionsunternehmen. 11 Zusammenfassung Die Sicherung des Produktionsstandortes in Hochlohnländern ist spätestens seit 2011 durch die Priorisierung der Regierungen der bedeutenden Industrienationen USA und Deutschland ein industriepolitisches Thema, welches auch Österreich erfasst hat. Zahlreiche Förderprogramme treiben Investitionen in die Zukunft der Produktion voran. In Deutschland spricht man vom Zukunftsprojekt Industrie 4.0, das die „Smart Factory“ in den Mittelpunkt stellt. Wir stehen am Beginn der vierten industriellen Revolution: Die Industrie 4.0 kann als neues Leitbild für die Industrie dienen und somit den Industriestandort Europa unterstützen. Dies ist vor allem durch neue Informationsund Kommunikationstechnologien möglich. Es entsteht eine völlig neue Produktionslogik, die das Internet der Dinge und Dienste, als Teil von „Smart Factory“, anbietet. Unternehmen können ihre Produktionsanlagen, Materialien, Logistischen Systeme und Produkte als „Cyber-Physical Systems“ (CPS) weltweit vernetzen. Die Ressourceneffizienz als Wettbewerbsfaktor und Teil der Industrie 4.0 spielt besonders für Hochlohnländer eine zentrale Rolle. Die teilweise zunehmende Ressourcenverknappung äußert sich in Preissteigerungen, die bis vor kurzem nicht vorstellbar waren. Dies ist ein weiterer Treiber für Initiativen im Bereich der Produktion der Zukunft. Institute der Technischen Universität Graz haben sich 2011 zur „Smart Production Graz“ Initiative zusammengeschlossen und leisten einen Beitrag zur Standortsicherung unserer Produktion.

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12 Literatur • Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen in Handelsblatt Nr. 067, 2013 •Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie: FTI-Initiative Produktion der Zukunft - Innovative Technologien, Prozesse und neue Materialien als Schlüssel zur Industrie der Zukunft, Ausschreibungsleitfaden, 2013 • Fleisch E.: Von der Vernetzung von Unternehmen zur Vernetzung von Dingen, 2001 • Oxford Economics in Handelsblatt Nr. 067, 2013 • Pisano, G.; Shih W.: Does America Really Need Manufacturing, In: Harvard Business Review, 2012 • President‘s Council of Advisors on Science and Technology (PCAST): Capturing Domestic Competitive Advantage in Advanced Manufacturing. AMP Steering Committee Report, Juli 2012 sowie www.manufacturing.gov • Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft; acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e.V.: Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0, Frankfurt/Main, 2013 • Ramsauer, C.: Production Strategy – Mastering the Dynamics of Globalization, 2009 • Ramsauer C. (Hrsg.): Industrial Engineering und Innovation – TechnoÖkonomie an der TU Graz, Graz, 2013 • Schroeter M., Lerch C., Jaeger A.: Materialeffizienz in der Produktion: Einsparpotenziale und Verbreitung von Konzepten zur Materialeinsparung im Verarbeitenden Gewerbe, FraunhoferInstitut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe, 2011 • Spath D. et al.: Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0, FraunhoferInstitut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart, 2013 • Uckelmann D.: A definition approach to Smart Logistics, Springer Verlag, Berlin Heidelberg, 2008

• Wohinz, J. et al.: Industriebetriebslehre, Vorlesungsskriptum, TU Graz, 2010/11 • Wollte S.: Smart Mobility – Intelligente Vernetzung der Verkehrsangebote in Großstädten, in: Proff H. et al.: Zukünftige Entwicklungen in der Mobilität, Sprin-ger Verlag, Wiesbaden, 2012 • World Bank Commodity Price Data, in: Industriellenvereinigung: Rohstoffsicherheit 2020+ - Rohstoffe für eine ressourceneffiziente Industrie, Wien, 2012

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Christian Ramsauer Vorstand des Institutes für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung (IBL) und Kurator des Institute of Production Science and Management (PSM) am FSI der TU Graz

Autor: Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Priv.Doz. Christian Ramsauer, Jahrgang 1968; 1987-1993 Studium Wirtschaftsingenieurwesen/Maschinenbau an der TU Graz; 1993-1997 Universitätsassistent am Institut für Wirtschafts- und Betriebswissenschaften der TU Graz, Abteilung Industriebetriebslehre und Innovationsforschung; 1997-1999 Visiting Scholar an der Harvard Business School in Boston, USA; 1999-2004 Management Consultant bei McKinsey&Company in Wien; 2005-2008 Geschäftsführender Gesellschafter der “UNTHA shredding technology”; 2010 Habilitation (Privatdozent) zum Thema “Produktionsstrategie”; 2010-2011 Geschäftsführer der Active Equity GmbH in München; Seit 1.10.2011 Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung (IBL) und Kurator des Institute of Production Science and Management (PSM) am FSI der TU Graz.

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Top-Thema

Foto: Raimund Diederichs

Raimund Diederichs

Ein Produktionsstandort in Asien Für ein Unternehmen eine große Chance, und bei einer guten Planung und detailliertem Vorgehen sind die Risiken kontrollierbar Die Chancen und Vorteile eines neuen Produktionsstandortes, z.B. in Asien, liegen auf der Hand: direkter Zugang zu großen Märkten und zu neuen Kundengruppen. Allerdings können die Risiken einer globalen Produktionsstrategie erheblich sein, wenn die Planungen für ein neues Werk ohne die notwendige Sorgfalt zu kurzfristig vorangetrieben und wichtige Details nicht berücksichtigt werden.

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elche Entscheidungskriterien sind die wichtigsten für eine optimale Standortwahl? Was ist notwendig, um einen erfolgreichen Produktionsstart in Übersee sicher zu stellen? Wie ist vorzugehen? Die folgenden Ausführungen sollen die wichtigsten Antworten auf die oben genannten kritischen Fragen geben und Erfahrungen und Vorgehen von Unternehmen aufzeigen, die diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert haben. Hier im Vorfeld die Ergebnisse zusammengefasst:  Das bestehende, meist für die europäischen Kunden optimierte Produkt muss in den meisten Fällen angepasst und entfeinert werden für die neuen lokalen Marktgege-

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benheiten und die entsprechenden Kundenwünsche.  Günstige Arbeitskosten in Übersee sind der Hauptvorteil eines globalen Standortes, aber erst der Aufbau eines lokales Zuliefernetzes ermöglicht die erhofften Kostenreduzierungen in der Wertschöpfungskette der Produktherstellung.  Aufwendungen für Zölle, Transportkosten und Risiken von Währungsentwicklungen sind für die endgültige Standortauswahl unbedingt zu berücksichtigen.  Ohne Entsendung von einigen sehr guten Managern (Expats) aus bereits bestehenden Produktionsstätten wird die neue Fabrik keinen erfolgreichen Produktionsstart haben. Intensives Training und Anleitung der neu rekrutierten, loka-

len Arbeitskräfte durch erfahrene Führungskräfte und punktuelle Unterstützung von Experten aus dem Stammhaus in technischen Angelegenheiten sind Grundvorausseztungen für die Einhaltung der geplanten Hochlaufzeit der neuen Fabrik, für die erwartete Produktqualität und entscheidend für den Markterfolg der Produkte. Welches Produkt kann im neuen Zielmarkt Erfolg haben? Der Aufbau eines neuen Produktionsstandortes hat vor allem ein Ziel: die Sicherstellung des Zugangs zu Kundengruppen, die von Europa aus meist nur sehr schwer erschließbar sind. Desweiteren ist das in Eurapa gefertigte Produkt oft zu teuer und zu komplex für

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Top-Thema den neuen Zielmarkt, dessen Kunden meist einfachere Produktspezifikationen und niedrigere Preise verlangen. Zusätzliche hohe Transportkosten, eventuelle Importzölle und lange Lieferzeiten bei europäischer Fertigung erschweren einen kundenfreundlichen Service in Übersee. Ein neues Produktionswerk, z.B. in China, könnte mit einer weit günstigeren Kostenstruktur arbeiten und neue Marktpotenziale vor Ort und in anderen asiatischen Ländern erschließen. Entscheidet sich das Management für einen solchen Schritt, sollten allerdings wichtige Voraussetzungen analysiert werden.  Kundenbedürfnisse in den neuen Zielmärkten  Vertriebswege zur lokalen Markterschließung  Wettbewerber vor Ort und deren Produktangebote  Produktkosten bzw. Kostensenkungspotenziale im Zielmarkt (Schaubild 1)  Produkterfordernisse und -anpassungen für die neuen Kundengruppen

 Marktforschung: Welche neuen Kundengruppen sollen bedient werden? Wie ist das Kaufverhalten dieser Kunden? Welchen Einfluss und welche Vorteile kann eine lokale Präsenz durch einen Produktionsstandort haben (z.B. das Vertrauen der Kunden in die langfristige Präsenz des Unternehmens vor Ort, die bessere Flexibilität, Zuverlässigkeit und höhere Servicequalität)?  Vertriebswege: Wie bedienen lokale Wettbewerber ihre Kunden? Welche Vertriebspartner vor Ort sind die besten? Kann in einem Joint Venture mit einem lokalen Unternehmen dessen Vertrieb und Netzwerk genutzt werden? Welche Regionen innerhalb des Landes, welche anderen asiatischen Länder sollen vom neuen Standort bedient werden?  Wettbewerberanalyse: Wer sind die dominierenden lokalen Wettbewerber vor Ort? Welche Stärken besitzen diese etablierten Unternehmen, welche Produktstrategien verfolgen sie? Wie sehen deren Expansionspläne mittelfristig zu einem Zeitpunkt aus, an dem die eigene neue Produktionsstätte ihre volle Kapazität

Untersuchungen der Unternehmensberatung McKinsey & Company von in Übersee erfolgreichen Unternehmen mit lokalem Standort zeigen, dass diese Unternehmen sehr intensiv die oben genannten Fragestellungen untersucht, analysiert und für sich beantwortet haben, bevor der Bau des neuen Standortes begonnen wurde:

erreicht hat?  Reverse Engineering der eigenen Produkte im Vergleich mit denen des Wettbewerbes: Fast immer sind Produktanpassungen notwendig, um erfolgreich neue Kunden und Segmente in NiedriglohnkostenLändern zu erschließen. Oft muss das bestehende Produkt entfeinert

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werden, um die „einfacheren“ Anforderungen der asiatischen Kunden kostengünstig zu erfüllen. Ein detailliertes Reverse Engineering kann ernorm aufschlussreich sein. Eine detaillierte Analyse und der Vergleich von einzelnen Funktionsgruppen und Bauteilen des eigenen Produktes mit dem des Wettbewerbers können bedeutende Verbesserungspotenziale aufzeigen. Die Erfahrung zeigt, dass asiatische Wettbewerber oft einfachere technische Lösungen anbieten; Qualitätsmerkmale werden in Asien anders interpretiert, andere Porduktfunktionalitäten gelten als wichig bzw. weniger wichtig, ebenso manche Produktmerkmale, die bisher für das Branding und Unternehmensimage als absolut notwendig angenommenen wurden. Erfahrungen in detaillierten Reverse Engineering Projekten zeigen Kostenverbesserungspotenziale von oft 20 Prozent und mehr, die für das neue, in Asien zu fertigende Produkt umgesetzt werden sollten. Sebstverständlich gibt es Ausnahmen. Der asiatische Kunde, der einen Luxus-PKW aus Europa kaufen will, ist oft bereit, einen einen höheren Endpreis als der Kunde in Europa zu zahlen. Das geht nur für ein Produkt ohne Abstriche in Funktion, Design und Ausstattung. Für die PKW Volumensegmente in China ist dies aber nicht möglich. Hier wird noch immer erfolgreich der „einfache“ Volkswagen Santana produziert. Die neuen und sehr erfolgreichen Volumenmodelle Lavida und New-Bora der Marke Volkswagen sind bereits vollständig in China entwickelt worden, um mit lokalem Design und einer optimalen Kostenbasis den chinesischen OEMs Paroli zu bieten.  Benchmarking von Produktionsstätten der lokalen Wettbewerber und Lieferanten: Personalkosten in China sind um ein Vielfaches günstiger als in Europa, aber wie verhält es sich mit der Produktivität einer Fabrik, der Fertigungsqualität und den Kosten und der Verlässlichkeit von den lokalen Zulieferern? Im Entscheidungsprozess für einen neuen Standort sollte das europäische Management unbedingt einige Fabriken im Zielland besichtigen und bewerten, sei es solche von

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Top-Thema technik stehen dabei weitgehend fest. Anhand Mindestanforderungen werden Zielland und Zielregion ausgewählt, bei der Bestimmung von attraktiven Standorten in der Region werden zunehmend lokale Standortfaktoren zugrunde gelegt (Schaubild 2).

Wettbewerbern oder potenziellen Lieferanten. Solche Besuche erlauben realistische Eindrücke und geben wichtige Hinweise über erzielbare Effizienz der Fertigung, über die Ausstattung produktionsnaher Bereiche wie Qualitätswesen, Instandhaltung, Betriebsmittelbau. Gleichzeitig verschafft ein Besuch Informationen über installierte Fertigungstechnologien und die Investitionen für den zukünftigen Überseestandort. Zusätzlich ist die Abschätzung über des „local content“ der zukünftigen Produktion durch Belieferung von lokalen Lieferanten eine der wichtigsten Annahmen für die langfristige Rentabilität einer Auslandsfertigung. Bei den meisten industriellen Produkten sind Rohstoffe, Material und Einkaufsanteil der größte Kostenblock und das volle Kostenpotenzial einer globalen Produktion ist nur erreichbar, wenn ein Großteil der Beschaffung vor Ort stattfindet. Ausschließlich die Endmontage eines Produktes in das Ausland zu transferieren, zahlt sich für Überseestandorte selten aus. Enstprechend sollte schon in der Vorbereitungsphase die mittel- und langfristige Lieferantenstrategie bzw. der Aufbau von lokalen Zulieferern geplant werden. Einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten sollten Unternehmen für die oben genannten Recherchen und Ana-

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lysen einplanen, falls diese Informationen noch nicht vorliegen. Erst dann ist eine realistische Chancen- und Risikenbewertung für das Investment und die Profitabilität eines neuen globalen Fertigungsstandortes möglich. Welche Kriterien sollten die finale Standortwahl entscheiden? Ist die generelle Entscheidung für einen Auslandstandort gefallen, stellt sich die Frage nach dem genauen Zielort. Ist die Wahl auf Asien gefallen, könnten die weiteren Alternativen China, Indien, Indonesien, Thailand oder z.B. Vietnam sein. Selbst wenn China als Zielland gesetzt ist, in welcher Region Chinas sollte die neue Fabrik stehen? In der Nähe der großen Mega-Städte wie Peking, Shanghai oder Guangzhou, im Norden oder Süden der Ostküste oder doch im Hinterland? Mehrere Vorgehensschritte für diesen Auswahlprozess werden empfohlen und sollten für die einzelnen Standortalternativen jeweils bewertet werden. In den meisten Fällen ist eine Beurteilung der möglichen Standortalternativen über einfaches Ausschlussverfahren nach „harten“ und „weichen“ Faktoren angeraten. Mittelständische Unternehmen gehen meist pragmatisch vor: eine gewisse Anzahl von Standortoptionen wird genauer bewertet und durch Ausschluss unattraktiver Optionen schrittweise eingeschränkt. Produktionsvolumen und Fertigungs-

Als „harte“ Faktoren werden vor allem die wichtigsten Kostenelemente der Produktherstellung bis zur Anlieferung beim Endkunden betrachtet: die variablen und fixen Kosten in der Fertigung, die Herstellungs- und Transportkosten für die Lieferanten, Einfuhrzölle für solche Komponenten, die auch mittelfristig vom europäischen Standort importiert werden müssen sowie die Logistikkosten zu den Kunden. Es empfiehlt sich, das Produkt in seine Baugruppen zu unterteilen, ähnlich einer groben Stückliste, und für jede Baugruppe eine Herstellungskostenabschätzung für den neuen Standort durchzuführen.Unbedingt sollte man dabei auch die Kosten für unterschiedliche Szenarien berechnen: wie hoch wären die Produktkosten für den Endkunden bei unterschiedlichen Arbeitskostenentwicklungen, bei geringerer oder höherer Produktivität in der Fertigung, bei Steigerung der Einfuhrzölle oder Transportkosten? Eine solche Kostenvergleichsrechnung von Standortalternativen hilft, die für das Unternehmen optimale Standortwahl zu treffen (Schaubild 3). Zusätzlich sollte eine dynamische Investitionsrechnung nach Kapitalwertmethode (Net Present Value Berechnung) kalkulieren, wie sich Amortisationszeit, Produktrentabilität und Kapitalwert der unterschiedlichen Standortoptionen verhalten. Die Amortisationszeit des Gesamtinvestments ist für den Unternehmensvorstand eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für die beträchtlichen Einmalaufwendungen von Kapital und Managementzeit in den neuen Fabrikationsstandort. Vor allem erlaubt die Kapitalwertmethode, wichtige Sensitivitäten sehr gut zu bewerten, z.B. kürzere versus längere Hochlaufzeit bis zum Produktionsstart, höhere Kapitalaufwendungen für den Fabrikaufbau als im Basisszenario geplant. Die absolut wichtige und häufige gestellte Frage des Managements „was wäre, wenn folgendes Szenario

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Top-Thema

eintritt“ sollte mittels Sensitivitätsrechnungen bezüglich wichtiger Einflussfaktoren (Kosten, Zeiten, Qualität, Währungsrisiken etc.) durch die Kapitalwertmethode beantwortet werden. „Weiche“ Faktoren sind nicht minder wichtig für die Bewertung von Standortalternativen: wie ist die politische Stabilität der Region? Ist die Verfügbarkeit von Fachkräften und notwendigem Know-how sichergestellt, wie verhält es sich bei den Steuern und möglichen Subventionen durch lokale Behörden? Ist der Standort logistisch für europäische und lokale Lieferanten und die Distribution zum Endkunden gut angebunden? Könnte man langfristig Entwicklungskapazitäten am Standort stationieren? Ist der Standort ausbaufähig, falls die Produktion um zusätzliche Produkte erweitert werden soll? Ist der Standort akzeptabel für die abgesandten Manager aus dem Stammhaus, die meist drei bis fünf Jahre vor Ort, häufig mit Familie, bleiben werden, z.B. gibt es internationale Schulen, erlaubt ein Flughafen vor Ort eine aktzeptable internationale Anbindung? Ein von der Geschäftsführung ausgewähltes Team aus dem Stammhaus sollte diese quantitativen und qualitativen Faktoren untersuchen und bewerten, idealerweise die zukünftigen Expats für den neuen Standort als Teammitglieder bereits integriert. Nicht selten werden allerdings einzelne Abteilungen im Stammhaus sehr kritisch in der Bewertung eines neuen

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Überseestandortes sein: Häufig liegt der Entschluss zu einer neuen Produktionsstätte nicht im Kerninteresse der Konstruktionsabteilung oder des Qualitätsmanagements. Beides sind Bereiche, für die ein in Übersee angesiedelter Produktionsstandort komplexere und langwierige Abstimmungsprozesse bedeutet. Ebenso könnte der Produktionsleiter eines bestehenden, europäischen Standortes eine neue Fabrik in einem Niedriglohnland als internen Wettbewerb betrachten und sehr kritisch zu Annahmen wie Produktivität und Kosteneffizienz stehen. Umso wichtiger ist es für das Topmanagement, diesen Planungs- und Bewertungsprozess zu leiten und die Organisation ganz bewußt zum Nachdenken über solche teilweise unbequemen Themen anzuregen und durch detaillierte Bewertungsmodelle die richtige Entscheidung für oder gegen einen neuen Fertigungsstandort zu treffen. Welche Erfolgfaktoren für den erfolgreichen Produktionsstart und –hochlauf einer neuen Auslandsfabrik existieren? Eine neue und globale Produktion erfolgreich aufzubauen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, vielen Unternehmen fehlen oft Erfahrung, Expertise und notwendige Managementkapazität. McKinsey Erfahrung hat ergeben, dass viele Unternehmen bei Produktionsverlagerungen in der Vergangen-

heit weniger gespart als in der oft zu optimistischen Planung angenommen wurde. Es mangelte an der Analyse des bereits bestehenden intensiven Wettbewerbs im neuen Markt. Die eigene Position wurde überschätzt, während die Kosten und Zeit für den Produktionshochlauf und das entsendete Management aus dem Stammhaus als zu niedrig berechnet wurden. Außerdem wurden vielfach Zulieferer und Abnehmer nicht in die Überlegungen miteinbezogen; die Folge waren gleich bleibende Material-, aber steigende Logistikkosten. Zudem wurden kleinere Einsparungen gerade in den ersten Jahren durch oft erhöhte Einmalkosten kompensiert. Vor allem für mittelständische Unternehmen ist das eine große Hürde. Man hat seine Möglichkeiten überschätzt, die geplante Hochlaufkurve dauert länger als angenommen, die Rentabilität der neuen Fabrik kommt nicht so schnell wie erwartet (Schaubilder 4 und 5). Im schlimmsten Fall schreibt das neue Unternehmen in Übersee über Jahre rote Zahlen, die Potenziale im neuen Markt bleiben weit unter den einstmals gesetzten Zielen. Die Unternehmen, die mit Erfolg und kostengünstig ein Auslandswerk eröffnen, berücksichtigen bei ihrer Planung für den Produktionsanlauf einige wichtige Faktoren.  Abgleich von Komplexität des neuen Auslandsstandortes mit den eigenen Fähigkeiten und ein schrittweiser Hochlauf mit ausgewählten Produkten  Frühzeitige Einbindung und Abstimmung mit lokalen Zulieferern  Längerfristige Versendung und Einsatz von exzellenten Managern, zeitweise unterstützt von funktionalen Experten, ebenfalls aus dem Stammhaus  Intensive Schulung der neuen lokalen Produktionsmitarbeiter, aber auch Rekruitierung und ausgiebiges Training von lokalen Führungskräften Anpassung der Komplexität des neuen Standortes an die eigenen Unternehmensfähigkeiten: Oft kaum vorhersehbare, unzählige Anforderungen sind mit dem erfolg-

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reichen Start einer neuen Fabrik zu bewältigen. Viele produkt- und produktionsnahe Themen sind bereits oben erwähnt, in der Regel kennt man sich damit aus. Dazu kommen jedoch neue Herausforderungen wie beispielsweise die formelle, rechtliche Gründung der Produktionsgesellschaft im Land, die Beschaffung von Land und Fabrikhallen, die Beschaffung und Installation der neuen Anlagen, die Einbindung der neuen Produktionsgesellschaft in die Planungs- und Controllingprozesse des Gesamtunternehmens, das Training der Mitarbeiter in einer fremden Sprache, der Aufbau einer Personalabteilung entsprechend den lokalen personellen Richtlinien. Viele mittelständische Firmen haben wenig Erfahrungen mit diesen sehr landespezifischen Themen. In einem solchen Fall ist es ratsam, die Projektkomplexität (zu verlagerndes Produkt, Produktionsablauf, Lieferanten, Fabrikaufbau, Produktionshochlauf, Standortfunktionen etc.) bereits mit Beginn der Planungen zu berücksichtigen. Die regelmäßige Bewertung der Herausforderungen im Abgleich mit den vorhandenen eigenen unternehmerischen Fähigkeiten, Kapazitäten und Erfahrungen ist enorm hilfreich. Eine klare Empfehlung ist es, die Komplexität auf beherrschbares Niveau zu reduzieren, z.B. einen zeitlich gestrecken Hochlauf mit wenigen Standardprodukten in einem erprobten Fertigungsverfahren zu planen.

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Frühzeitiger Aufbau eines lokalen Zuliefernetzwerkes: Es kann bis zu zwölf Monate dauern, bis neue Lieferanten identifiziert, qualifiziert sind und eine verläßliche Teileversorgung der geplanten Fabrik sicherstellen können. Deswegen sollte parallel zu den Investitionen in Anlagen und Maschinen, also lange vor dem Produktionsstart, ein Beschaffungsteam, zusammengesetzt aus Mitarbeitern aus dem Stammhaus und dem neuen lokalen Standort, die

Lieferantensuche durchführen. Eine Marktanalyse wird eine Liste von möglichen Lieferanten aufzeigen, über ge-

ziehlte RFP (Request for Proposal) an die Lieferanten müssen die fähigsten, aber auch lieferwilligen Unternehmen identifiziert werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass lokale Zulieferfirmen, meist relativ klein und in einem schnell wachsenden Markt wie China oft bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastet, bereit oder in der Lage sind, das neu etablierte Unternehmen zu beliefern. Langwierige Verhandlungen, ausgiebige Prüfungen der Musterteile sind notwendig, bevor Verträge unterzeichnet werden können. Zudem verlangen viele Zulieferer ein hohes Maß an kontinuierlicher Unterstützung, Training und regelmäßige Qualitätskontrollen – unterstützt durch z.B. „unangekündigte Besuche“ des Managements beim Lieferanten. Auf diese Weise ist eine zuverlässige Belieferung nach Produktionsstart und im Hochlauf garantiert. Auswahl höchstgradig geeigneter Manager für die längerfristige Entsendung an den neuen Standort: Immer wieder hört man die Geschäftsführung von mittelständischen Unternehmen argumentieren, dass der Aufoder Ausbau eines Überseestandortes einer der wichtigsten Eckpfeiler für die Expansionsstrategie und für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens ist. Die Antwort auf die Frage, ob auch die fähigsten Mitarbeiter den neuen

Standort in Übersee führen, ist nicht immer positiv. Alle Erfahrungen zeigen aber, dass die beste Planung, die

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Top-Thema detaillierteste Wirtschaftlichkeitsrechnung für den Auslandsstandort unrealistisch wird, wenn nicht ein Team von erfahrenen, exzellenten Führungskräften aus dem Unternehmen den neuen Standort und das Gesamtprojekt steuert. Mindestens vier bis fünf Manager sollten über drei bis vier Jahre den Aufbau und den Produktionshochlauf eines neuen Werkes leiten. Zusätzlich ist es wichtig, dass Experten aus dem Stammhaus in kritischen Phasen auch über mehrere Wochen vor Ort unterstützen, beispielsweise aus dem Bereich Einkauf, Qualitätswesen oder Instandhaltung. Neu rekrutiertes lokales Personal kann diese Aufgaben nur unter Kontrolle umsetzen. Ohne diese qualifizierte Führungskräfte aus dem Stammhaus sollte man den Aufbau eines neuen Überseestandortes nicht beginnen.

oft eingefahrenen Regeln im europäischen Stammhaus durchzusetzen.

Training der neu rekrutierten Mitarbeiter vor Ort:

Literatur:

„Meine neuen lokalen Mitarbeiter sind noch nicht ausreichend ausgebildet, zudem ist die Fluktuation unserer Mannschaft enorm hoch“, so oder ähnlich lauten die häufigsten Kommentare der entsendeten Manager bei der Frage nach den kritischsten Herausforderungen am neuen Standort. Dies zu ändern ist sehr schwierig und wird auch langfristig eine Herausforderung für alle ausländischen Unternehmen bleiben. Vor allem in Asien sind selbst große, renommierte, bereits über längere Zeit vor Ort präsente Unternehmen von hoher Fluktuation der Mitarbeiter betroffen. Auch sie versuchen, durch gezielte Trainingsprogramme, ein attraktives Gehaltsschema und flexible Beförderungsrichtlinien ihre Mitarbeiter möglichst zu halten. Der Personalabteilung vor Ort kommt eine enorme Bedeutung zu, diese Prozesse entsprechend zu gestalten und gegenüber den

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Ein globales Produktionsnetzwerk mit einer optimierte Standort- und Einkaufsstruktur verschafft I n d u s t r i e u n t e rnehmen einen e nt s c h e id e n d e n strategischen Vorteil für eine expansive Strategie. Ein solches Netzwerk aufzubauen, ist eine enorme Herausforderung für viele Unternehmen. Der Artikel beschreibt die wichtigsten Erfolgsfaktoren für den erfolgreichen Start eines neuen Produktionsstandortes.

Prof. Dr. Jürgen Kluge et al: How to Go Global – Designing and Implementing Global Production Networks, McKinsey & Company, Inc. und PTW Darmstadt; Broschüre von McKinsey&Company, Inc.; 2005 Prof. Dr. Ing. Eberhard Abele, Tobias Meyer et al – Institute of Production Management, Technology and Machine Tools (PTW) at Darmstadt University and McKinsey & Company, Inc.: Global Production – a handbook for Strategy and Implementation; Springer-Verlag, 2008 Autor: Derzeitige Tätigkeit  Aufsichtsratsmitglied der Targus Management Consulting AG - Ratingen  Beiratsmitglied der RMR art company GmbH - Bergkirchen

Dipl.-Ing. Raimund Diederichs MBA

 Uni-Lektor an der TU Graz am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung: Vorlesung zum Thema „Manufacturing and Supply Chain Network“ McKinsey & Company (1982 – 2009) in den Offices München, Wien und Peking  Arbeitsschwerpunkte im Sektor Automobil-, Geräte- und Maschinenbau, Weiße Ware, Papier, Packaged Goods, Pharma sowie Transportlogistik  Unterstützung chinesischer und internationaler Unternehmen in ihrer China- und Asienstrategie sowie bei operativen Themen  Leiter der europäischen und asiatischen Supply Chain Practice und Co-Leader der McKinsey Operations Practice Procter & Gamble (1979 – 1981) Produktionprozessingenieur in der Paper Division in USA und Deutschland Ausbildung  MBA - INSEAD in Fontainebleau, Frankreich  Diplom Ingenieur Maschinenbau – RWTH Aachen Co-Autor von 4 Fachbüchern: Global Production - 2009, Supply Chain Champions - 2003, Qualität gewinnt - 1995, Einfach überlegen -1993

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Foto: Roland Berger Strategy Consultants

Roland Falb

Europa, ein Industriestandort mit Zukunft? 1 Einleitung Euro-Krise, fehlende wirtschaftliche Dynamik und die politische Mutlosigkeit der EU prägen das Bild Europas im öffentlichen Diskurs. Im Folgenden soll eine Statusanalyse Europas im Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit versucht werden. Auf der Basis eines Stärken-Schwächen-Profils werden in Folge Themenfelder für eine „europäische Agenda“ aufgezeigt und Fallbeispiele dargestellt, wie und wo in Europa bereits konkrete und erfolgreiche Maßnahmen zur Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit ergriffen werden. 2 Europa ist besser als sein Ruf Auch wenn die Schwellenländer die Wachstumstreiber der Weltwirtschaft sind und sich durch ihre wachsende Bedeutung das Gesicht der Weltwirtschaft immer schneller verändert, bleibt und ist Europa/die EU eine wichtige Säule der globalen Ökonomie. In der „entwickelten Welt“ nimmt Europa im Wettbewerb immer noch eine Spitzenposition ein. Dazu ein paar konkrete Fakten: Im Jahr 2012 kommt fast ein Drittel der 500 größten Unternehmen weltweit

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Abbildung 1: Kennzahlenvergleich Industrienationen, 20121 aus Europa (Europa: 137; USA: 132; China: 73; Japan: 68). Sechs der zehn wettbewerbsfähigsten Länder sind europäisch (USA: Platz 7; Japan: Platz 20). Europa hat auch eine starke Position in Forschung und Entwicklung, sieben der zehn innovativsten Länder sind aus Europa, wenngleich es hier auch einen deutlichen Abstand zu den USA gibt. Außerdem ist die Europäische Union in diesem Bereich sehr heterogen aufgestellt (EU-17 versus EU-11), wie in Folge noch dargestellt werden wird. Noch vor wenigen Jahren galt die Realwirtschaft – Industrie, Handel und hochwertige Dienstleistungen – als Ökonomie der Vergangenheit, die Finanzwirtschaft wurde als der wesentlichste Konjunkturtreiber angesehen. Die Krise ab 2008 hat aber gezeigt: Industrielle Kompetenz zählt wieder und

da hat Europa grundsätzlich eine sehr gute Ausgangsposition aufzuweisen: In Kontinentaleuropa liegt der Anteil der Industrie an der Gesamtwertschöpfung bei 18 %, in den USA hingegen sind es gerade mal 12 % und in Großbritannien sogar weniger als 10 %. Abbildung 1 zeigt, dass 23 % des globalen BIP aus den EU-28 kommen, der Anteil am Welthandel betrug 2012 immerhin 32 %. Noch beeindruckender sind die Zahlen, wenn man den Anteil an den globalen FDI‘s (Foreign Direct Investments Inflow) zum Vergleich heranzieht. 36 % dieser Geldmittel flossen in die Europäische Union, hingegen nur 10 % in die USA und 12 % nach China. The Economist Intelligence Unit (EIU) 19


Top-Thema der EU-28 gegenüber anzumerken, dass in einigen wettbeden USA 40 %! werbsrelevanten Bereichen insbesonWenn man den Glo- dere die USA Europa überlegen sind bal Competitiveness und sich der Abstand zwischen beiden Index 2012/13, veröffent- eher zu vergrößern als zu verkleinern licht vom World Econo- scheint. Gleichzeitig holen Schlüsselmic Forum, heranzieht, Entwicklungsmärkte (BRIC-Staaten) dann ist evident, dass rasch auf und sind, wie am Beispiel Europa bei einer Reihe Chinas leicht nachvollzogen werden von Indikatoren, die kann, zu einer ernst zu nehmenden für die Wettbewerbs- Konkurrenz geworden. fähigkeit relevant sind, Umso wichtiger ist es, dass Europa gegenüber den USA im in den Kompetenzfeldern, wo es DefiAbbildung 2 : Wohlstandsvergleich, 20122 Hintertreffen liegt. Als zite gibt, Anstrengungen unternimmt, wesentlich anzusehen um dies auszugleichen. Der Blick in Auch der Euro als Währung spielt sind dabei die Bereiche Innovations- den Global Competitive Index (siehe global eine wichtige, manchmal sogar kraft, Effizienz des Arbeitsunterschätzte, Rolle. Ein Viertel der marktes und die Qualität weltweiten Währungsreserven werden höherer Bildung. Gleichzeiin Euro gehalten. Klar dominant ist tig ist aber auch die Stärke hier allerdings der US Dollar, in dem der EU-28 gegenüber den etwas mehr als 60 % der weltweiten BRIC-Ländern unübersehWährungsreserven angelegt sind. bar (siehe Abbildung 4). Die Europäische Union und die EuAn dieser Stelle ist anrozone sind also ein integrierter und zumerken, dass Europa bedeutender Teil der Weltwirtschaft hier als gewichteter Durchund der globalen Finanzmärkte. Eine schnitt der EU-28 dargestellt Weltwirtschaft ohne Europa ist un- wird, was das Bild natürlich denkbar! verfälscht. Einzelne Länder Abbildung 3: BIP pro Arbeitsstunde im %-Ver(wie beispielsweise Deutschgleich zu USA3 3 Europäische Wettbewerbsfähigkeit land, aber auch Frankreich unter Druck und Österreich) liegen deutlich besser als der europäische Durch- Abbildung 4) zeigt, dass hier insbesonDank seiner industriepolitischen Be- schnitt und besitzen somit auch im dere in drei Themenbereichen Nachdeutung, auch im globalen Kontext, bilateralen Wettbewerbsvergleich mit holbedarf besteht. Es ist nicht zufällig, hat Europa seiner Bevölkerung in den den großen Industrienationen wie den dass diese drei Bereiche eher „softe“ letzten Jahrzehnten einen steigenden USA oder China eine wesentlich bes- Wettbewerbsfaktoren darstellen. In seiund sicheren Lebensstandard bieten sere, in Teilen sogar überlegene, Posi- ner traditionell ingenieurmäßigen Inkönnen. Trotzdem sind die EU-28 hin- tion. dustriefokussierung hat Europa nämter den Entwicklungen in den USA zurückgeblieben. Ja, der Abstand hat sich Die Heterogenität Eusogar vergrößert (siehe Abbildung 2). ropas im globalen WettbeAuch ausgewählte Entwicklungslän- werbsvergleich wird sofort der (z.B. S-Korea) weisen beim BIP pro deutlich, wenn man nordKopf höhere Wachstumsraten auf und europäische Staaten mit liegen mittlerweile auf europäischem südeuropäischen vergleicht Niveau. (siehe Abbildung 5). In Bezug auf die Produktivität pro Arbeitsstunde hat Europa gegenüber den USA ebenfalls einen strukturellen Nachteil. Bis in die 1990-er Jahre hat Europa, wie Abbildung 3 zeigt, gegenüber den USA aufgeholt, ist aber dann wieder deutlich zurück gefallen. 2010 betrug der „Produktivitätsnachteil“ IMF; World Economic Outlook, Oct. 2012 and authors‘ calculation WEF; Conference Board, Total Economy Database, Jan 2012 and author‘s calculation 20

4 Bausteine einer europäischen Agenda An dieser Stelle ist ein Zwischenfazit zu ziehen: Europa hat mit seinem hohen Industrieanteil und seiner Abbildung 4: Globaler Wettbewerbsvergleich4 „industriellen Tradition“ beste Voraussetzungen, um die Herausforderungen der Zukunft zu lich diese drei Bereiche in den letzten meistern. Gleichzeitig ist aber kritisch Jahren zunehmend vernachlässigt: Global Competitive Index, 2012-2013; WEF and author‘s calculation WINGbusiness 3/2013


Top-Thema ist das deutsche „EXIST Programm“, das 1997 ins Leben gerufen wurde, um aus der, an sich hochqualitativen, universitären Forschung noch mehr marktfähige Geschäftsmodelle entstehen zu lassen. Eine unabhängige Bewertung dieser Programme zeigt, dass mittlerweile etwa 190.000 Studenten und Forscher auf unterschiedlichen Wegen (z.B. VorAbbildung 5: Europäischer Wettbewerbsver- lesungen, Business Plan Wettbewerbe, Trainings) gleich5 mit diesen Programmen in  1. Unternehmertum und Innovati- Kontakt gekommen sind. Dabei wuron den etwa 12.600 Innovationen geför 2. Mobilisierung des Arbeits- dert, die in Summe zu 3.460 Start-ups marktes geführt haben.  3. Steigerung der Markteffizienz 4.2. Mobilisierung des Arbeitsmarktes 4.1. Unternehmertum und Innovation Die Stärkung der europäischen Die Innovationsfähigkeit ist ein kri- Wettbewerbsfähigkeit wird wesentlich tischer Erfolgsfaktor, um hochwertige davon abhängen, junge Talente nicht und damit kompetitive Produkte und nur auszubilden, sondern diese auch Dienstleistungen entwickeln und an- in den Wertschöpfungsprozess zu intebieten zu können. Außerdem ist sie grieren. entscheidend für die laufende SteigeGerade die Arbeitslosigkeit hat sich rung der Produktivität, die ebenfalls in Europa seit dem Beginn der Finanzein entscheidender Erfolgsfaktor im und Wirtschaftskrise zu einem BesorgWettbewerb ist. nis erregenden Phänomen entwickelt. Waren im Oktober 2007 in Europa Einer der wesentlichsten europä- noch 7 % der Menschen ohne Beschäfischen Agenda-Punkte besteht darin, tigung, so waren es im Oktober 2012 die Innnovationskraft des privaten bereits fast 11 %, das entspricht einer Sektors mit Forschungseinrichtungen Gesamtanzahl von 25 Millionen eurodes öffentlichen Bereiches (z.B. Univer- päischen Mitbürgern. Besonders grasitäten etc.) noch viel stärker zu verbin- vierend ist hier das europäische Nordden, als dies bisher geschehen ist, und Süd-Gefälle. Während in Spanien und aus dieser Zusammenarbeit maximale Griechenland die GesamtarbeitslosenInnovationskraft zu schöpfen. zahlen bereits bei etwa 25 % liegen, sind sie in Deutschland oder den NiederlanEin erfolgreiches Beispiel dazu sind den, aber auch in Österreich, noch bei die „Dutch Leading Technology Institu- Werten vor der Krise. tes (LTI)“, die in vier niederländischen Industriesegmenten angesiedelt sind. Ein noch dramatischer Aspekt ist die Die einzelnen LTI‘s sind über PPP massive Zunahme der JugendarbeitsModelle (Public Private Partnership) losigkeit, bei der die Unterschiede in finanziert, wobei die öffentliche Hand Europa sogar noch stärker durchschlaetwa 50 %, der private Sektor etwa 30 % gen. Im Oktober 2012 waren in den süund Forschungsinstitute den Rest der deuropäischen Ländern 45 % der unter Finanzierung tragen. Mittlerweile 25-Jährigen ohne Arbeit, eine mehr als beträgt das Budget aller installierten nur erschreckende Zahl. Ist dies doch LTI‘s etwa 500 Millionen Euro. eine unglaubliche „RessourcenvergeuEin anderes erwähnenswertes Pro- dung“, die sich Europa da „leistet“, von gramm zur Innovationsförderung, den sozialen Implikationen solcher Arbeitslosenzahlen gar nicht zu spre Global Competitive Index, 2012-2013; chen. WEF and author‘s calculation WINGbusiness 3/2013

Trotzdem gibt es auch in diesem Bereich erfolgreiche europäische Initiativen. Eine davon ist das dänische „Flexicurity Model“. In diesem Programm werden einerseits Arbeitsmarktflexibilität („Flexibility“) und andererseits Einkommenssicherheit („Security“) miteinander kombiniert. Die Möglichkeit für Unternehmen, Mitarbeiter einzustellen und diese auch wieder zu kündigen, sind höchst flexibel. Auf der anderen Seite sind die Zuwendungen durch die Arbeitslosenversicherung oder Sozialprogramme sehr generös ausgestaltet. Es ist natürlich unbestreitbar, dass dieses Programm einen hohen finanziellen Aufwand bedingt, so werden dafür in Dänemark 5 % des BIP aufgewendet, andererseits hat Dänemark eine der niedrigsten Arbeitslosenraten in der Europäischen Union. Entscheidend für ein hohes Beschäftigungsniveau ist die gute Ausbildung. Hier hat Finnland in den letzten vier Jahrzehnten ein beachtenswertes Programm in der „Bildungsreform“ durchlaufen. Unter Einbeziehung aller wesentlichen Stakeholder hat man sich darauf verständigt, im ersten Schritt die Ausbildung des Lehrpersonals in allen Schulstufen zu vereinheitlichen und von pädagogischen Akademien hin zu den Universitäten zu verlagern. Dies hat gleichzeitig auch zu einer massiven Aufwertung des Berufsbildes für Lehrer beigetragen und somit auch eine „Positivauswahl“ des Lehrkörpers herbeigeführt. In Finnland ist heute der Andrang bei Lehrberufen so groß, dass nur etwa 15 % der Bewerber in Lehrer-Ausbildungsprogramme aufgenommen werden. Die finnische Qualitätsinitiative im Bildungsbereich hat zu Spitzenwerten bei PISA-Tests (OECD‘s Program for International Student Assessment) geführt und Finnland die Transformation in eine Technologieund Know-How-orientierte Gesellschaft ermöglicht. 4.3 Steigerung der Markteffizienz Europa hat mit der Einführung des „Gemeinsamen Marktes“ mit dem freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital einen enormen Schritt in Richtung effizienterer Marktmechanismen getan. Schwächelnde nationale Märkte können nun so wesentlich leichter an

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Top-Thema einem Gesamtmarkt von einer halben Milliarde Menschen teilnehmen und so auch gesunden. Dass dies bislang nicht im erstrebten Ausmaß stattgefunden hat, müssen wir in der aktuellen Krise einiger europäischer Staatshaushalte, die fälschlicherweise als Krise unserer gemeinsamen Währung hingestellt wird, schmerzlich zur Kenntnis nehmen.

ser Überwachungseinrichtungen und einer neuen wettbewerbsfördernden Gesetzgebung, verbunden mit einer Deregulierung in einzelnen NetzwerkIndustrien wurde ein Transformationsprozess eingeleitet, der Schweden zu seiner guten wirtschaftlicher Prosperität zurück geführt hat. Gut funktionierende Märkte sind auch effiziente Märkte. Dazu gehört auch die effiziente Ausgestaltung von Prozessen bzw. deren Harmonisierung.

Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Roland Falb

Ein gutes Beispiel ist hier die Errichtung der „Single Euro Payment Managing Partner Area (SEPA)“ in Roland Berger Strategy 2002. An dieser InConsultants itiative nehmen neben den EU-28 auch Hier zeigt sich auch wieder die Be- vier Staaten aus der europäischen Freideutung eines starken industriellen handelszone (Schweiz, Liechtenstein, Rückgrates: Staatshaushaltskrisen tre- Norwegen und Island), sowie Marokten ja vor allen in den Ländern auf, ko teil. Das Ziel ist, die Zahlungsabdie über keine ausreichende oder nicht wicklung im Bereich der technischen ausreichend effiziente Industriestruk- Infrastruktur und den gesetzlichen tur verfügen. Irreführende Ansätze Rahmenbedingungen zu harmonisievergangener Jahre, die Europa in Rich- ren. Ziel ist auch, einen stärker intetung einer Dienstleistungsgesellschaft grierten europäischen Finanzmarkt zu führen wollten, werden durch die ak- unterstützen. tuellen Erfahrungen und die probaten Ein konkretes Ergebnis dieser InitiaWege zur Krisenüberwindung eindeu- tive ist die „Payment Services Directive tig und nachhaltig widerlegt. (PSD)“. Dabei wurde die Initiative nicht Ein gutes Beispiel dafür ist der Weg, auf Regierungsebene ergriffen, sonden Schweden mit seinem Programm dern dem privaten Sektor übertragen, „Liberalization of Goods and Service der aus Marktnotwendigkeit heraus Markets“ gegangen ist. In den 1970-er die Harmonisierung der technischen und 1980-er Jahren war die schwedische Infrastruktur und die Entwicklung Wirtschaft gekennzeichnet durch eine von Standards vorangetrieben hat. Die Reihe von Wettbewerbsbeschrän- erwarteten Effizienzeffekte durch Stankungen, durch staatliche Regulation dardisierung und Harmonisierung im und durch schwache Anti-Trust-Ge- europäischen Zahlungsverkehr belausetze. Dies hat zu einer zunehmenden fen sich nach ursprünglichen Studien Erodierung der wirtschaftlichen Per- auf immerhin 123 Milliarden Euro. formance Schwedens geführt und die schwedische Regierung hat sich ent- 5 Resümee und Ausblick schlossen, in den 1990-er Jahren einen neuen Weg einzuschlagen. Das Bild, das Europa und die europäDurch die Schaffung einer starken ische Industrie im globalen WettbeWettbewerbsbehörde, sektorenwei- werb bietet, ist ein durchaus differen-

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ziertes. Strukturellen Stärken stehen aber auch strukturelle Schwächen gegenüber. Der Wettbewerb mit den USA wird nicht abnehmen, sondern härter werden. Gleichzeitig drängen immer mehr erfolgreiche und große Entwicklungsländer auf die Weltbühne bzw. haben schon signifikante Teile dieser eingenommen. Trotzdem hat Europa bestens intakte Voraussetzungen, um in diesem globalen Wettbewerb auch weiterhin eine tragende Rolle zu spielen. Denn in jedem Bereich, in dem Europa im besten Wortsinn seine Hausaufgaben machen muss, gibt es zumindest bereits eine, meistens sogar mehrere nationale und länderübergreifende Initiativen, die diese Schwachstellen zu überwinden versuchen und dies zumeist auch erfolgreich tun! Nachsatz: Der deutschen Bundeskanzerlin, Angela Merkel, wird der Satz zugeschrieben: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!“ In Wirklichkeit gilt aber: „Scheitert Europa, dann scheitert die Welt!“ Autor: Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Roland Falb ist seit 1994 in der Beratung tätig und hat ein breit gefächertes Erfahrungsspektrum. Er ist Geschäftsführer des Wiener Büros und als Managing Partner für die Südosteuropa-Büros verantwortlich. Seine Schwerpunkte liegen in den Branchen Konsumgüter/Handel, Medien & IT und Infrastruktur sowie funktional im Bereich Operations Strategy. Er stammt aus Oberösterreich, sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens/Maschinenbaus in Graz hat er mit einer Promotion abgeschlossen. Von 1988 bis 1996 arbeitete er für die Steirerbrau AG, zunächst in leitenden Vertriebsfunktionen, ab 1993 als Personalchef.

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TOP-THEMA

Foto: Lufthansa Technik AG

Thomas Stüger, Christian Langer

Lean im MRO-Betrieb1 Prozessverschlankung ist in der MRO-Industrie durch hohe Variabilität, geringe Flexibilität und daraus resultierender Verschwendung eine besondere Herausforderung. Bei hoher Variabilität ist cet. par eine hohe Ressourcenauslastung nur zum Preis von durchschnittlich höheren Wartezeiten bzw. Durchlaufzeiten zu erzielen, die letztlich Markterwartungen nicht mehr treffen. Am Beispiel der Lufthansa Technik wird gezeigt, wie durch klare methodische Standards, eine breite Befähigung in der Organisation und wirksame Anreizsysteme eine deutliche Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit erzielt werden kann. Das wird anhand zweier Programme, die zur Reduktion benötigter Arbeitsstunden um 30 % bzw. einer deutlichen Senkung des investierten Kapitals bei gleicher Leistung geführt haben belegt.

1 Einleitung Der Kontext schlanker Produktion ist durch seine Fokussierung auf Prozesse und das Handeln der Führungskräfte und Mitarbeiter darin hochgradig unternehmensspezifisch. Das Spezifikum des hier betrachteten Unternehmens, der Lufthansa Technik AG, und deren Branchenkontext, die sogenannte „MRO-Industrie“, soll zu Beginn kurz erläutert werden. 1.1 Die Unternehmung Lufthansa Technik AG Die Lufthansa Technik AG (LHT), 1994 als einhundertprozentiges Tochterunternehmen der Deutschen Lufthansa AG gegründet, ist spezialisiert auf „Maintenance, Repair und Overhaul (MRO)“ von Flugzeugen und Flugzeugteilen. Neben der LufthansaKonzernflotte betreut die LHT-Gruppe vgl. Stüger; Langer (2013) WINGbusiness 3/2013

mit weltweit rund 25.000 Mitarbeitern über 750 Kunden mit über 2000 Flugzeugen und ist damit Weltmarktführer in diesem Segment.

Kennzeichnend für die hier betrachtete MRO-Industrie ist der im Vergleich höhere Anteil nicht langfristigplanbarer Arbeit.

1.2 Aufgabenstellung und Zielsetzung

2.1 Grundprinzipien der schlanken Produktion

Ziel dieses Beitrages ist, die besonderen Herausforderungen der Produktionsverschlankung in einem Betrieb der Flugzeug-MRO-Industrie zu konkretisieren. Darauf aufbauend wird am Beispiel der Lufthansa Technik ein möglicher Lösungsansatz organisatorisch und prozessual dargestellt. 2 Spezifische Herausforderung von Lean im MRO-Umfeld Der Ursprung von Lean geht zurück auf das sogenannte „Toyota—Produktions- System“ und liegt daher in der klassischen Automobilproduktion. vgl. Ohno (1993), S. 43ff., vgl. Womack, Jones, Roos (1990)

Den Kerngedanken der schlanken Produktion fasst Taiicho Ohno kurz zusammen: „Gegenwärtige Kapazität = Arbeit + Verschwendung“ . Nur durch Verringerung von Verschwendung lässt sich somit bei gegebener Kapazität die Effizienz steigern. Dieses Streben nach einer schlanken Produktion liegt dem Toyota roduktionssystem zugrunde. Klassisch werden sieben Arten der Verschwendung unterschieden, die jede für sich effizienzmindernd wirken. Ohno (1993) S. 45. Vgl. bspw. Liker, Der Toyota Weg (2008), S. 59f. 23


TOP-Thema Womack und Jones haben fünf Prinzipien definiert, die eine solche schlanke Produktion befördern: Ausgehend von der Frage nach der Wertbeimessung durch den Kunden wird der Wertstrom identifiziert, die wertschöpfenden Prozesse zu einem kontinuierlichem Fluss verbunden und dieser Fluss wird durch den „Pull“ aus der Nachfrage des Kunden gezogen. Schließlich wird durch kontinuierliche Verbesserung Perfektion angestrebt.

Dieser Sachverhalt begründet eine hohe Variabilität in der Nachfrage nach Produktionsressourcen im MROUmfeld. Eine hohe Variabilität bewirkt einen „Trade-Off“ zwischen Wartezeiten/ Durchlaufzeiten auf der einen Seite und der Ressourcenauslastung auf der anderen Seite.

2.2.1 Variabilität

Bei hoher Variabilität ist cet. par. eine hohe Auslastung von Ressourcen nur zum Preis von durchschnittlich höheren Wartezeiten bzw. Durchlaufzeiten zu erzielen. In Abb. 1 ist dies mit dem Betriebspunkt 2 gekennzeichnet. Ist bspw. durch Kundenanforderung eine niedrige Durchlaufzeit zu erzielen kann das nur bei im Durchschnitt geringerer Ressourcenauslastung geschehen. (Betriebspunkt 1). Kann die Variabilität durch geeignete Maßnahmen gesenkt werden – in der Abbildung dargestellt durch einen flacheren Kurvenverlauf - ist bei gleicher Durchlaufzeit eine höhere Ressourcennutzung möglich. Aus betrieblicher Sicht sind also Maßnahmen zur Senkung der Variabilität anzustreben.

Neben der präventiv wirkenden sogenannten „planbaren Instandhaltung“ ist durch die begrenzte Vorhersagbarkeit von technischen Abnutzungsprozessen oder Beschädigungsereignissen

Während Preisanreize in anderen Industrien zur Glättung von Nachfrage genutzt werden,10 hat sich im MROKontext das „Frontloading“11 bewährt. Durch frühzeitige Informationsgewin-

2.2 Spezifika der Produktion im MROUmfeld Wartungs- und Reparaturprozesse sind durch eine Variantenvielfalt der zu bearbeiteten Reparaturobjekte und einen hohen Anteil an Unplanbarkeit geprägt. Erst durch die Befundung wird der erforderliche Aufwand abschätzbar. Gleichzeitig findet diese Arbeit infolge der luftfahrttypischen Sicherheitskultur in einem hochgradig regulierten Umfeld statt, das die Flexibilität des Ressourceneinsatzes einschränkt.

nung über Schadensbilder erhöht sich die Planbarkeit und sinkt die Variabilität. Tatsächlich ist jedoch die Reduktionsmöglichkeit begrenzt und gelingt nicht vollständig. 2.2.2 Inflexibilität Aufgrund der Sicherheitsrelevanz ist die MRO-Industrie starken regulatorischen Beschränkungen unterworfen.12 Diese und weitere spezifischen Regeln und Normen reduzieren zusätzlich zu den grundsätzlich geltenden Vorschriften bspw. zu Arbeitszeiten die Flexibilität des Ressourceneinsatzes deutlich. Da nach Ashby gilt „only […] variety can destroy variety“13, muss hoher Variabilität in der Anforderung mit hoher Variabilität in der Ressourcenverfügbarkeit begegnet werden. In dem hier betrachteten Kontext verlangt dieser Sachverhalt nach hoher Flexibilität auch in der Personalverfügbarkeit. Wie oben dargelegt ist diese regulatorisch beschränkt. Umso stärkerer Bedeutung kommt der Bereitschaft der Mitarbeiter zu flexiblem Verhalten im Rahmen des legal Möglichen zu. Neben der technischen Ausgestaltung der Produktionsabläufe rücken damit Änderungen bei Einstellung und Verhalten der Mitarbeiter in den Mittelpunkt schlanker Produktion.14 2.3 Lean in der Aviation Industrie

Abbildung 1: Wirkung von Variabilität auf Wartezeiten und Ressourcenauslastung8 mit „nicht planbarer Instandhaltung“ zu rechnen. Erst nach der Fehlersuche und „auf Basis der Befundbewertung kann der zeitliche Umfang, die erforderliche Personalqualifikation und der Materialbedarf bestimmt […] werden.“ Vgl. Womack und Jones, (2003), S. 15ff 24

Hintsch (2010), S. 195. Bauer, et al. (2009), S.1 vgl. Bauer, et al. (2009), S.2. Wird die Variabilität auf null gesenkt, sind vollständig getaktete und geglättete Prozesse möglich.. 10 Bauer, et al. (2009), S.3. 11 Vgl. Kappes und Schentler (2012)

Wo Variabilität nicht vollständig eliminiert werden kann und der verbleibenden Variabilität nicht mit vollkommener Flexibilität begegnet werden kann, entsteht Verschwendung im Sinne der oben genannten sieben Verschwendungsarten. Die durch Überkapazitäten und einen tiefgreifenden Strukturwandel geprägte Airlineindustrie steht unter erheblichem Kostendruck, der auch an die Zulieferer aus dem MRO-Sektor weitergegeben wird. Daher ist nicht überraschend, dass Flugzeughersteller, Airlines und auch MRO-Firmen frühzeitig auf die Verschlankung ihrer Abläufe gesetzt haben.15 12 vgl. EASA (2013). 13 Ashby (1957), S. 207 14 Drew, McCallum und Roggenhofer (2005), S.38 15 vgl. Lean Flight Initiative (2013); vgl. Womack; Jones (2003) S. 26 WINGbusiness 3/2013


Top-Thema 3 Kontext der Lean-Entwicklung bei Lufthansa Technik Der Einsatz von schlanker Produktion ist bei LHT zunächst organisch gewachsen und hatte seinen Anfang nicht in einem unternehmensweiten Top-Down Ansatz. Die Ursprünge lagen schon im Jahr 2001. Erst auf Basis mehrjähriger Erfahrungen und erster nachhaltig erfolgreicher Projekte wurde 2007 eine Zentraleinheit mit direkter Berichtslinie an den Produktionsvorstand implementiert. Damit wurde ein einheitlicher Rahmen für die Weiterentwicklung des MRO-spezifischen Lean Ansatzes geschaffen.16 Dieser Ansatz basiert im Wesentlichen auf den drei folgenden Säulen. 3.1 Vorgabe 3.1.1 Vorgehensmodelle im Lean Kontext Zur Schaffung effizienter Abläufe in Unternehmen sind zahlreiche Vorgehensmodelle in der Literatur beschrieben bzw. werden von Beratern propagiert17. Dem radikalen, auf Einmaligkeit angelegten Begriffsverständnis des „Business-Process Reengineering“18 stehen auf Kontinuierlichkeit ausgerichtete Ansätze entgegen. Im Lean Kontext spiegelt sich diese Kontinuität im Zusammenspiel von sprungartigen Verbesserungen des „kaikaku“ und dem inkrementellen „kaizen“ wider. „The kaikaku bonus [is] released by the initial radical realignment of the value stream. What follows is continous improvements by means of kaizen en route to perfection.”19 3.1.2 Lufthansa Technik Produktionssystem Das LHT Produktionssystem (LPS) als der methodische Lean-Standard20 bei LHT ist ein auf Kontinuität ausgelegtes Vorgehensmodell21. Kernelement sind immer wiederkehrende Abfolgen von Transformationsprojekten und kontinuierlicher Verbesserung. Erstere sind auf 8-16 Wochen angelegte sprunghafte 16 Hohmann und Stracke (2013), S.4 17 Vgl. Balzert, et al. (2011) 18 Hammer ; (1993), S. 32. 19 Womack; Jones (2003), S. 26 20 vgl. Peters (2009), S. 86 21 vgl. Lufthansa Technik AG (2011) WINGbusiness 3/2013

Verbesserungen in einem klar abgegrenzten Wertstromabschnitt. Kontinuierliche Verbesserung im Rahmen eines laufenden Leistungsmanagements schließt sich daran an und unterstützt die weitere Verbesserung im Alltag.22 Eingebettet ist die Abfolge aus Transformation und KVP in die sogenannten Programmarchitekturen der Geschäftsbereiche. Jeder Bereich entwickelt eine bereichsspezifische Programmarchitektur. Diese beschreibt die in den nächsten ein bis zwei Jahren erforderlichen Aktivitäten zur Erreichung des gesetzten Zieles in Form von Transformations- und KVP-Projekten; die dafür erforderlichen Methoden und Werkzeuge, die Kommunikations- und Ausrollstrategie und auch erforderliche Ressourcen zur Umsetzung. Die Bedeutung einer sorgfältig geplanten Programmarchitektur für den Erfolg der Prozessverbesserung ist bei LHT deutlich erkennbar.23 3.2 Vermittlung Um ein gemeinsames, einheitliches Vorgehen in einer großen und dislozierten Organisation zu etablieren bedarf es – aufbauend auf der gemeinsamen methodischen Basis geeigneter Instrumente zur Wissensvermittlung. 3.2.1 Wissensvermittlung in Organisationen Neben der Vermittlung des „technischen“ Wissens zum Einsatz von Diagnose und Gestaltungselementen im Rahmen von Verbesserungsaktivitäten ist der Aufbau von Handlungskompetenz24 in der Führung und Begleitung von Veränderungen für die Etablierung eines gemeinsamen Lean-Ansatzes im Unternehmen erforderlich.25 Gerade für den Aufbau dieser spezifischen Handlungskompetenz eigenen sich klassische Trainingsformate nur begrenzt. „[L]ittle of the training and development of team members or leaders at Toyota happens in a classroom“.26 22 vgl. Deutzmann (2010), S. 50f. 23 vgl. Programme: „LOS!“; „LIFT – Lieferung in fünf Tagen“; „STArT – Stabile Turn-around-Time“; „Mach 26“ 24 Vgl. Euler; Hahn (2007), S. 80 25 Wohinz (1985), S.80 26 Liker; Convis (2012), S. 73

Im sogenannten „Problembasierten Lernen“ entwickeln die Lernenden auf Basis einer beschriebenen Problemstellung ihren Lernbedarf selber. Im Gegensatz zum klassischen Lernansatz wird hier zu Beginn eine konkrete, praxisnahe Fragestellung präsentiert, die die Lernenden versuchen mit ihrem vorhandenen Wissen zu diskutieren und zu lösen. Erst im Anschluss findet der selbst definierte issensaufbau statt, um dann erneut die Problemstellung zu bearbeiten. „The focus is on what students are learning rather than what the teacher is teaching”.27 Ein weiterer Schritt zur Wissensvermittlung in der Praxis ist die Begleitung des Lernenden in seinem Alltag. Auf Basis von definierten Standards und mit Hilfe des Begleiters reflektiert der Lernende regelmäßig den Fortschritt in der Verringerung von Abweichungen. Im Mittelpunkt steht damit das kontinuierliche, begleitete Lernen während des eigentlichen Handelns. 3.2.2 Lufthansa Technik Lean Academy Die LHT Lean Academy wurde 2008 gegründet, um aus der Mitte der eigenen Organisation den Wissensaufbau zur Prozessverbesserung zu unterstützen. Ein Kernmerkmal ist seitdem, dass sowohl die didaktischen Konzepte, die inhaltliche Entwicklung als auch die Vermittlung des Wissens stets durch eigene Mitarbeiter erfolgt. Gestartet ist die Academy mit klassischen Trainingsmodulen im „Klassenraum“ mittels Theorieelementen, Simulationen und Diskussionen. Dazu wurden 15 ein- bis viertägige Module zu unterschiedlichen Themenstellungen entwickelt. Für die Zielgruppe der Abteilungs- und Gruppenleiter ist ein siebenwöchiges Programm auf Basis des oben skizzierten „Problem Based Learning“-Ansatzes entwickelt und ausgerollt worden. Dabei wechseln sich die gemeinsame Diskussion einer Problemstellung und der individuelle Wissensaufbau im eigenen beruflichen Umfeld im Wochenturnus ab. Seit 2012 nutzt die Lean Academy eigenentwickelte „on the job“-Lernkonzepte. Eine sechsköpfige Gruppe gewerblicher Führungskräfte ist für sechs Monate in ein „Lean Ausbildungsprogramm (LAP)“ integriert. Nach einem mehrwöchigem „Bootcamp“ lernen 27 Barrett (2005), S. 14. 25


Top-Thema die Teilnehmer in der Praxis vor Ort. Dabei werden sie von Lean-Experten begleitet und reflektieren die eigenen Erfahrungen in der Gruppe. Vollständig in den eigenen Alltag integriert ist die Verstetigung des KVP durch den Einsatz sogenannter „Prozessbegleiter“. Diese begleiten Führungskräfte aus verschiedenen Ebenen einer Kaskade bei der Einführung des Leistungsmanagements.28 Dabei ist gerade nicht die Lösungssuche oder die Vorgabe von Antworten die Aufgabe des Prozessbegleiters sondern vielmehr die Unterstützung bei der Reflektion der Führungskraft. 3.3 Anreizsysteme Zur Erreichung der gesetzten Ziele ist die Anwendung der „LHT Lean Productionssystem Methodik“ durch Führungskräfte und Mitarbeiter gewünscht. Dazu sind Anreize geschaffen worden, die auf verschiedenen Ebenen wirken. 3.3.1 Wirkung von Anreizen Sobald eine Tätigkeit an sich nicht zur Motivation genügt29, findet Handlung zweckorientiert statt. Es wirken demnach Anreizsysteme, verstanden als “Kombinationen einzelner Anreize, deren Vorhandensein Bedürfnisse wecken und über die Erzeugung von Motivation eine bestimmte gewünschte Handlung auslösen.“30

1. Theoretisches Wissen: Besitzt der Kandidat angemessenen Wissen über die Elemente des LHT Produktionssystems und Möglichkeit zu dessen Umsetzung im Unternehmen?32 2. Praktische Tätigkeit: Sind im eigenen Bereich Erfolge in der Verbesserung von Prozessen und der Implementierung von KVP sichtbar und der Beitrag der Kandidatin klar erkennbar? 3. Beitrag zum Ganzen: Trägt der Kandidat zur Weiterentwicklung von Lean überden eigenen Bereich hinaus bei?33 Um eine kontinuierliche Weiterentwicklung begleiten zu können werden vier Stufen vom „Lean Praktiker“ bis zum „Lean Experten“ unterschieden, bei denen trotz des hohen Aufwandes weder eine direkte noch indirekte finanzielle Entlohnung verbunden ist. „Lediglich“ wird darüber die Wahrnehmung im eigenen Unternehmen durch Vorgesetzte bis hin zum Vorstand deutlich erhöht wird. Auch wird der Zugang zu speziellen Weiterbildungsmaßnahmen über die Zertifizierung gesteuert. Um ein realistisches Abbild des Lean-Know-Hows im Unternehmen zu erhalten, verfallen alle Zertifizierungen nach 18 Monaten, wenn keine Rezertifizierung stattfindet.

Fragen in ihrem Umfeld wirken und mit Hilfe zahlreicher Transformationsprojekte konnte das beschriebene ökonomische Rational in den vergangenen Jahren um ca. 30 % verbessert werden. Hingegen hat das „LIFT-Programm“ der Komponentenüberholung eine Reduktion der Verweildauer reparaturbedürftiger Komponenten in den Werkstätten und damit des gebundenen Kapitals zum Ziel.34 Dabei standen Veränderungen des technischen Systems35 und damit einhergehende Veränderungen des Produktionskonzepts zunächst im Vordergrund. Ein Beispiel dafür ist die Abschaffung aller bis dahin existierenden komplexen Priorisierungsregeln zugunsten des einfachen FIFO-Prinzips. Durch sinkende Durchlaufzeiten bei gleichbleibender – und nicht vollständig eliminierbarer Variabilität – gewinnt – wie oben geschildert – die Ressourcenflexibilität an Bedeutung. Dazu wurde der sogenannte Kapazitätsausgleich zwischen Werkstätten gemeinsam mit den Mitarbeitern und der Mitbestimmung36 etabliert.36 Im Ergebnis wurde die Absenkung auf fünf Tage – und damit auf ein Drittel des ursprünglichen Wertes – Ende 2009 erreicht; wichtiger noch: seitdem wird dieser Wert gehalten. 5 Fazit

Es gibt bei LHT unterschiedliche Anreize, sich methodisch mit Veränderung auseinanderzusetzen. Davon wird nun die Lean-Zertifizierung detaillierter geschildert.31 Zweimal im Jahr besteht bei LHT die Möglichkeit zur Zertifizierung von Lean-Know-How und –Engagement. Grundsätzlich sind dabei in drei Kriterien Leistungen nachzuweisen:

Auf der hier geschilderten Basis werden Lean-Programme in allen Geschäftsbereichen durchgeführt, die seit Jahren erheblich zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen. „LOS!“ in der Line Maintenance hat primär eine Senkung des Mannstundenbedarfs und damit der Personalkosten pro betreutem Flugzeug zum Ziel. Auf Basis eines Netzwerkes von sogenannten „LOS! Coaches“, die neben ihrer alltäglichen Tätigkeit, als Multiplikator für alle Lean-bezogenen

Lean ist bei LHT etabliert. Trotz der produktbedingten Instabilitäten im Produktionsprozess lassen sich deutliche Beiträge zur Wettbewerbsfähigkeit erzielen. Hilfreich hat sich in einem solchen Umfeld die Reihenfolge der Lösungsansätze über Senkung der Variabilität, Erhöhung der Flexibilität und Reduktion von Verschwendung bewährt. Diese Logik gilt auch für die Entwicklung von Lean bei LHT selbst: Auf Basis des sehr detailliert und mit klarem Vorgehensmodell beschriebenen Produktionssystems werden in den Programmarchitekturen der Geschäftsbereiche unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, wie am Beispiel

28 vgl. Peters (2009), passim. 29 vgl. Csikszentmihalyi (XXXX); vgl. Rheinberg (2008), S. 153 30 Weber (2006), S. 14; vgl. Weber (2009), S. 299 31 Seit 2009 gibt es Diskussionsrunden, diese werden nach dem Organisationskürzel des LHT Produktionsvorstandes „Lean meets T/VO“ genannt

32 Je nach Zertifizierungslevel wird das durch den Nachweis von Schulungen oder durch ausführliche Interviews geprüft 33 Das kann beispielsweise durch die Entwicklung von Inhalten der Lean Academy, die Mitwirkung an Arbeitskreisen oder die Tätigkeit als Trainer bzw. Tutor geschehen.

34 vgl. „LIFT - Lieferung In Fünf Tagen“ steht (einzig) für das Programmziel, die durchschnittliche Durchlaufzeit in den Geräte-Werkstätten von 15 auf 5 Tage innerhalb von drei Jahren zu reduzieren 35 vgl. Drew, McCallum; Roggenhofer (2005), S. 39f. 36 vgl. Deutzmann (2010), S. 56.

3.3.2 Lean Zertifizierung bei Lufthansa Technik

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4 Wirkung von Lean bei Lufthansa Technik

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Top-Thema tung.“ In Innovation und Beteiligung in der betrieblichen Praxis, Herausgeber: Friedemann Dipl.-Ing. W. Nerdinger, Peter Wilke, SteDr. techn. fan Stracke und Thomas Stüger Reinhardt Röhrig, 47-64. Wiesbaden, Vorstand Produkte, 2010. Services & IT, Drew, John, Blair Lufthansa Technik AG McCallum und Stefan Roggenhoder Flugzeugwartung und der Kompo- fer. Unternehmen Lean: Schritte zu nentenüberholung gezeigt. einer neuen Organisation. Frankfurt, Gemeinsam ist all diesen, dass die 2005. Einbindung Aller vom Vorstand bis EASA. 2013. http://www.easa.europa. zum Auszubildenden durch geeignete eu/rulemaking /technical-publicaAnreize sichergestellt werden muss. So tions.php (Zugriff am 3. April 2013). kann durch Lean auch in der Flugzeug- Euler, Dieter und Angela Hahn. WirtMRO-Industrie ein deutlicher Wertbei- schaftsdidaktik. 2. Auflage. Berne, trag generiert werden. 2007. Gutenberg, Erich. Einführung in die 6 Literaturverzeichnis Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden, 1990. Ashby, Ross W. An introduction to cy- Hammer, Mike. „What is Business bernetics. London, 1957. Process Management?“ In Handbook Balzert, Silke , Thomas Kleinert, Peter on Business Process Management 1, Fettke und Peter Loos. „Vorgehens- Herausgeber: Jan vom Brocke und Mimodelle im Geschäftsprozessmanage- chael Rosemann, 3-16. Berlin Heidelment: Operationalisierbarkeit von berg, 2010. Methoden zur Prozesserhebung.“ Ver- Hammer, Mike und Jim Champy. Reöffentlichungen des Instituts für Wirt- engineering the Corporation: A Maschaftsinformatik -Heft 193, Institut nifesto for Business Revolution. New für Wirtschaftsinformatik (IWi), Saar- York, 1993. brücken, 2011. Hintsch, Martin. Industrielles LuftBarrett, Terry. „Understanding Pro- fahrtmanagement: Technik und Orblem-Based Learning.“ In Handbook ganisation luftfahrttechnischer Beof Enquiry & Problem Based Lear- triebe. Wiesbaden, 2010. ning, Herausgeber: T. Barrett, I. Mac Hohmann, Birte und Stefan Stracke. Labhrainn und H. Fallon, 13-25. Gal- Work organisation and innovation: way, 2005. Case study: LHT, Germany. Dublin: Bauer, Harald, Iana Kouris, Gernot Eurofound, 2013. Schlögl, Thomas Sigrist, Jan Veira und Kappes, Michael und Peter Schentler. Dominik Wee. „Achieving operational „Planungseffizienz durch Frontloaexcellence in volatile systems.“ McKin- ding.“ CFOworld, 02 2012: 20-21. sey & Company Operations Extranet. Lean Flight Initiative. 2013. www. September 2009. http://operationsex- leanflightinitiative.com (Zugriff am tranet. mckinsey.com (Zugriff am 18. 03. 04 2013). Februar 2010). Liker, Jeffrey K. Der Toyota Weg. Bayard, Nicole. Unternehmens- und München, 2008. personalpolitische Relevanz der Ar- Liker, Jeffrey K. und Gary L. Convis. beitszufriedenheit. Bern, 1997. The Toyota Way to Lean Leadership. Deming, W. Edwards. Out of the crisis. New York - Chicago, 2012. Cambridge, Mass, 1986. Lufthansa Technik AG. „Lufthansa Deutzmann, Kai. „Änderungen sind Technik Produktionssystem.“ Hamkeine Entwicklung: Erfahrungen mit burg, Dezember 2011. Lean-Production-Systemen aus Sicht Ohno, Taiichi. Das Toyota-Produktider betrieblichen Interessenvertre- onssystem. Frankfurt/Main, 1993.

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Peters, Remco. Shopfloor Management: Führen am Ort der Wertschöpfung. Stuttgart, 2009. Rheinberg, Falko. „Motivation.“ Stuttgart, 2008. Stüger, Thomas und Christian Langer. „Lean im Maintenance, Repair und Overhaul Betrieb.“ In Industrial Engineering und Innovation, von Christian Ramsauer (Hrsg.), 67 - 81. Graz, 2013. Weber, Jürgen. Einführung in das Controlling. 8. Auflage. Stuttgart, 2009. Weber, Thomas. „Anreizssysteme für die betriebliche Forschung und Entwicklung.“ Wiesbaden, 2006. Wohinz, Josef W. Laufbahnplanung. Wien, 1985. Womack, James P., Daniel T. Jones und Daniel Roos. The machine that changed the world: The story of Lean Production. New York, 1990. Womack, James P. und Daniel T. Jones. Lean Thinking: Banish waste and create wealth in your corporation. London, 2003. Autoren: Dipl.-Ing. Dr.techn Thomas Stüger ist seit November 2004 Mitglied des Vorstandes der Lufthansa Technik AG. Er ist verantwortlich für das Ressort Produkte, Services & IT, das die Bereiche Wartung, Überholung, Geräteversorgung sowie IT und Qualitätsmanagement beinhaltet. Dr. Thomas Stüger wurde am 15. November 1956 geboren und studierte an der Technischen Universität Graz Wirtschaftsingenieurwesen für Maschinenbau. 1988 promovierte er zum Dr. techn. Dipl.-Ing. Dr. Christian Langer trat 2004 in das Unternehmen der Lufthansa Technik ein. Im Oktober 2007 wurde er zum Head of Lean Production Management der Lufthansa Technik Group ernannt. In dieser Rolle unterstützt er Teams rund um die Themen Lean Implementation und Lean Development bei LHT und seinen angrenzende Bereichen. Seine Promotion erlangte er an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Zuvor schloss er an der Universität Koblenz ein Informatikstudium ab.

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Top-Thema

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Rudolf Pichler

Operational Excellence Für eine nachhaltige Sicherung des Produktionsstandortes Europa 1. Einleitung Asien als zunehmend erste Werkstatt in der produktionswirtschaftlichen Weltordnung verdrängt in erschreckender Weise die europäischen Produktionsstätten. Europa als Jahrhunderte lang geltende Urstätte bahnbrechender technologischer Entwicklungen und auch Hersteller dieser Produkte, sieht sich einer dramatischen Aushöhlung ausgesetzt, der scheinbar nahezu nichts mehr entgegen zu setzen ist. Für die nachhaltige Sicherung des europäischen Produktionsstandortes braucht es neue und vor allem europaweite Konzepte. Der Wirtschaftsunion Europa kommt dabei die Aufgabe zu, erstklassige Rahmenbedingungen zu schaffen, den einzelnen Unternehmungen die Aufgabe, mit erstklassigen Mitarbeitern und Methoden Exzellenz im Handeln umzusetzen. Durchgängige Exzellenz soll und muss das Differenzierungsmerkmal im zukünftigen Produktionsstandort Europa sein. 2. Das Bedrohungsszenario Bislang galten die asiatischen Billigproduzenten nur als verlängerte Werkbank der westlichen Endprodukte-Herstel-

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ler, die noch lange keine Absatz-Hoheit erlangt haben. Probleme in der Versorgungssicherheit (Zeit und Qualität) und die höheren Logistikaufwände ließen den einen oder anderen immer hoffen, dass sich das alles bald wieder tot laufen würde. Aber die asiatischen Mitbewerber haben sich auch in diesen Belangen längst emanzipiert. Sie decken mittlerweile ganze Wertschöpfungsketten selbst ab, sie glänzen durch rapide Mitarbeiterqualifikation in Menge und Qualität und sind in den Themen Produkt-Innovation und Autarke Produktion den Europäern vielfach schon ebenbürtig. Gestärkt werden diese Entwicklungen zusätzlich dadurch, dass die Kaufkraft in diesen Ländern ständig steigt und somit der Wirtschaftsraum Asien im Gesamten unaufhaltsam stärker und vom Westen unabhängiger wird. Wer nun meint, dass die dort auch schon steigenden Lohnkosten - was in China mittlerweile Realität ist - zum erneuten Nachteil dieser aufstrebenden Länder wird, irrt, denn dort werden schon die neuen asiatischen Schwellenländer wie Indonesien, Vietnam, Malaysien und Kambodscha mit noch niedrigeren Lohnkosten aktiviert.

Abb. 1: Der Produktionsstandort Europa in der Klemme Auf der Suche nach etwaigen strategischen Antworten seitens der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihrer Länder findet man nicht viel mehr als Selbstlähmung und Defensive, getragen durch Finanzkrise und nach wie vor unverblümten National-

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Top-thema Egoismen. Anstatt endlich die großen Züge der Zukunft zu zeichnen, finden sich zur Verschärfung der Problematik für immer mehr fragwürdige und hemmende statt fördernde Vorschriften. Der Würgegriff für Europa als Produktionsstandort wird so immer strenger. 3. Chancen für Europa 3.1. Auch Asien kämpft zunehmend Asien – nach Japan und Taiwan nun maßgeblich China und Indien - hatte über viele Jahre satteste Wachstumsraten, immer deutlich über der 10 % Marke. Auch wenn diese Zeiten, so für z.B. China, vorbei sind, sind deren derzeitigen ca. 8,5 % im Vergleich mit den besten Vertretern Europas (ca. 1,5 %) immer noch recht komfortabel. Nach vielen Jahren unglaublicher Steigerungen sieht sich aber auch Asien zunehmend mit den Problemen eines derart gewaltigen Wachstums konfrontiert. So sind die Strukturen zur Deckung der Energie- und Rohstoffbedarfe nicht im selben Maß mitgewachsen und viele dieser erfolgreichen Länder kämpfen mittlerweile mit demografischen, soziologischen und ökologischen Problemen. Nicht zu unterschätzen ist auch das Faktum, dass westliche Konsumenten immer mehr darauf achten, wo und unter welchen Bedingungen die Produkte ihrer Wahl hergestellt worden sind. Mangelnder Umweltschutz, immer noch praktizierte Kinderarbeit, fehlende Gleichbehandlung u.v.m. konfrontieren auch diese Länder zunehmend mit Mechanismen, die hierorts in Europa schon lange als ungerechter Wettbewerbsnachteil gesehen werden.

ke im Anbieten von kundenindividualisierten Produkten. Eine aktuelle Studie, in der 300 deutsche Produktionsunternehmen über die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland befragt wurden, sagt aus, dass trotz der höheren Lohnkosten Faktoren wie der hohe Grad der Mitarbeiterqualifikation, die guten infrastrukturellen Verhältnisse, die politische Stabilität, die hohen Qualitätsstandards und die damit verbundene Planungssicherheit wertvolle Rahmenbedingungen für den Verbleib oder die neuerliche Produktionen in Europa sind. 3.3. Die nötige Ausrichtung von Europa Es gibt Branchen, wo Europa in punkto Produktion im Wettbewerb mit Asien für die nächsten Jahrzehnte zunächst einmal klar verloren hat (z.B. Informations- und Kommunikationstechnologie, weniger als 10 % der globalen Umsätze sind noch europäisch). Nicht besser sieht es in der Textilindustrie, der Spielzeugindustrie und in vielen anderen Bereichen der Low Cost Consumer Goods (LCCG) aus. Wie jede strategisch richtig geführte Unternehmung, braucht auch Europa als Wirtschaftskollektiv einen „Masterplan 2030“, der diese Wirtschaftsgemeinschaft in die Zukunft führt. Zu dieser Agenda gehören zweifelsohne:  Wiederherstellen eines stabilen europäischen Finanzmarktes  Fokussieren europäischer Kompetenzfelder, Abkehr des Förderns „von allem“

 Forcierung und Akkordierung der europäischen Bildungssysteme  Attraktiveren von Internationalisierung und qualifizierter Zuwanderung Die Herausforderungen sind gewaltig. Veränderungen können nur von einem selbst ausgehen. Mindestens so gut oder besser zu sein als ein Mitbewerber, benötigt mehr als nur Mittelmäßigkeit, es erfordert eine weitgehende Exzellenz im täglichen Handeln. 4. Operational Excellence als europäische USP „Operational-Excellence“ (kurz OPX oder OPEX) kann hinreichend mit „Herausragende Umsetzung des Geschäftsinhaltes“ übersetzt werden und steht für eine Top-Down-Managementphilosophie, die für Grundverständnis, Rahmenbedingungen und Handlungsdirektiven sorgt, um best-in-class Ergebnisse zu erzielen. Jede Einheit, jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin einer Organisation ist in seinem/ihrem Rahmen Mitgestalter und Mitbetreiber einer solchen auf top performance ausgerichteten Unternehmenskultur. Dem einzelnen Mitarbeiter bzw. der einzelnen Mitarbeiterin sowie deren Führungskräfte kommen hierbei ganz maßgebliche Schlüsselfunktionen zu. Wie weitreichend die Betrachtungsziele einer alles durchdringenden OPX sein können, sei am Beispiel des Chemiekonzerns Du Pont erläutert, welcher folgende drei Kerndimensionen in seiner OPX-Mission anführt: Asset Productivity, Capital Effectiveness und

3.2. Wo Europa noch immer stark ist Die europäische Industrie ist noch immer weltweit führend in Bereichen wie Fahrzeugbau, Verkehrstechnik, Luftfahrt- und Weltraumtechnologie, Maschinen- und Anlagenbau, Chemieund Pharmaindustrie, Energie- und Umwelttechnologie. Auf diese Branchen entfallen 16 % des EU-BIP, 45 % der EU-Beschäftigung, 80 % der EU-Exporte und 80 % aller privaten F&E Investitionen. Die europäische Industrie hat insbesondere eine besondere Stär-

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Abb. 2: Inhalte und Entwicklung der Operations hin zur OPX

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Top-Thema Die Wertigkeit des einzelnen Menschen in der europäischen (Arbeits-)Kultur im Vergleich mit asiatischen Strukturen ist ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil, dies aber nur dann, wenn man es auch erkennt und nutzt. Jedenfalls bietet dies attraktive Chancen, um eine wettbewerbsfähige Differenzierung gegenüber dem sonst so starken Asien zu schaffen.

Abb. 3.: Bewertungskatalog zum Shingo Preis Operations Risk Management. Innerhalb dieser Kerndisziplinen werden Subdisziplinen wie Business Planning, Wertsteigerungspraxis, Lieferanteneffektivität, Energieoptimierung, Turn Around, Shut Down Planning, Sicherheits-systeme, Gesundheit und Industrie-Hygiene, u.v.m. angeführt, was untermauert, dass es bei OPX um mehr Unternehmensbereiche geht, als in aller Regel nur die Produktionen, die enzig einzig und allein kennzahlendurchdrungen waren. Der Begriff „Operational Excellence“ geht damit also über das bekanntere „World Class Manufacturing (WCM)“ mit ihren Elementen Lean Management, Six Sigma, Total Productive Maintenance (TPM), Total Quality Management (TQM), u.v.m. deutlich hinaus. OPX beschreibt das Agieren aller(!) Unternehmensbereiche auf Weltklasse-Niveau und hat einen starken Fokus auf die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters. Aus der mittlerweile sehr gut entwickelten OPX-Teildisziplin “Excellence in Manufacturing“ kann sehr wesentliches für OPX insgesamt erkannt werden, dies am Beispiel der Bewertungskriterien des Shingo-Preis, eine Auszeichnung, die jährlich von der Jon Huntsman School of Business (Utah State University) an Unternehmen mit „World-Class Operational Excellence Status“ vergeben wird. Im diesbezüglichen Bewertungskatalog finden sich an vorderster Front höchst interessante Kriterien (siehe Abb. 3), die da sind: „Respect every Individual“ und „Lead with Humility“

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4.1. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als Schlüssel zur Exzellenz

Lean Management hat lange von den „Sieben Verschwendungsarten“ gesprochen, bevor es eine noch ganz entscheidende erkannt und hinzugefügt hat: „Die Nichtnutzung des menschlichen Potenzials“. C. Ray Johnson, ein amerikanischer Fortune 500 CEO, meint, dass eine wenig fürsorgliche Mitarbeiterauswahl und eine schwache Führungsarbeit zur größten Art von versteckten Kosten überhaupt führt. Nun ist bekannt, dass in Asien der gemeingültige (Produktions-)Mitarbeiter eine nur geringe Wertigkeit besitzt, was in deren Kulturen und den vielfach noch niedrigen Ausbildungsniveaus begründet liegt. Was für den dortigen Herstellern gut und günstig erscheint, liefert vor allem aber eines nicht: Produkt- und Prozessinnovationen auf breiter Ebene, welche aus strukturellen und kulturellen Gründen maßgeblich den dortigen Führungskräften vorbehalten ist. Hier und nicht anders muss Europa seine höheren Lohnkosten mit einer gegenteiligen Haltung rechtfertigen. Der durchschnittlich (bis dato noch) besser ausgebildete Mitarbeiter in Europa muss noch stärker auch als Prozessstabilisator und Innovationsgenerator erkannt und genutzt werden. Eine Erkenntnis, die alles andere als neu ist. Aber wie steht es in den europäischen Unternehmungen wirklich? Sind die hohen Gehaltsspannen zwischen Topmanagern und Ausführenden am Montageband nicht auch ein Indiz dafür, wer - und nur wer ausschließlich - für Innovation bezahlt wird, wem Innovation überhaupt zugetraut wird?

4.2. Erneut sind die Führungskräfte gefragt Es gibt kaum eine Unternehmung, die nicht bekennt, dass der wichtigste Unternehmenswert ihre Mitarbeiter sind. Letztlich aber erkennt man die gelebte Wahrheit daran, wie mit den Mitarbeitern kommuniziert wird, wie Verantwortung weiter gegeben wird, wie Leistungskriterien angewendet werden und Aufstiegschancen geboten werden. Den Führungskräften muss für eine gelebte OPX die totale Durchdringung der Organisation gelingen. Die Herausforderung besteht in der Schaffung von klaren Zielsetzungen, ihrer erfolgreichen Vermittlung an alle Beteiligten, eine Vermittlung, die Resonanz erzeugt. Das so geschaffene Commitment wird unabdingbar mit wechselseitigem Vertrauen gestützt. Dies klingt banal, ist es aber bei genauerem Hinsehen nicht, wenn man sich auch die Definition des Instituts für OPEX ansieht, nach der jeder Einzelne im Zustand der OPX in der Lage sein muss, auch ohne Führungskräfte zielkonforme, richtige Entscheidungen und Handlungen zu setzen: “Each and every employee can see the flow of value to the customer, and fix that flow before it breaks down. It applies to every level and every person in the organization, from executives all the way down to the employees producing the product. It’s clear, concise, practical and, most importantly, actionable and teachable. There should be a visible flow of product or information; the employees working in the flow are able to fix it without the need for management intervention.” Das ist die Beschreibung einer Exzellenz bis in die letzte Faser des Unternehmens-köpers, mit anderen Worten kann man hier auch von „Empowerment“ sprechen. Und es reicht nicht, die Mitarbeiter einfach „loszulassen“, weil sie im Rahmen der ihnen nun plötzlich breitest eingeräumten Mitsprache alles hinterfragen und erneuern können, es braucht Lenkung und es braucht klare Kommunikation. Dass dem bei weitem nicht immer so ist, zeigt eine Studie in Nord- und Westeuropa, wonach 31 % von 480 befragten europäischen Personal- und ChangeVerantwortlichen einen unternehmensinternen Kommunikationsplan definitiv vermissen.

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Top-Thema Kommunikation auf dem Niveau von OPX fordert mehr als nur die Verbreitung von Informationen. Grundlage jeder wirkungsvollen Kommunikation ist eben Demut und Respekt (siehe Shingo Preis Kriterien). Und dies ist eine viel schwierigere Verantwortung als die unreflektierte Durchsetzungskeule. Dermaßen aufgeklärte Führungskräfte sind daher gerade auch in ihrer Fähigkeit der Empathie und Reflexion gefordert. Jede Führungskraft der Praxis weiß, wie aufwändig es ist, den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu führen, wenn es darum geht, sich ausführlich und wertschätzend mit Ideen und Anregungen der Mitarbeiter zu befassen. Das erfordert aufmerksames Zuhören, Verstehen, Bewerten und auch zeitnahes Rückmelden. Viele dieser Initiativen münden nach wiederkehrenden Aufbruchsstimmungen oft in nur enttäuschten Beteiligten. Hier braucht es enorme Konsequenz und Disziplin, von allen. Auch das ist ein – nicht leichter – Teil von OPX. Damit abschließend in diesem Kontext kein Missverständnis entsteht: Es ist keineswegs die Rede davon, dass den Geführten als unverzichtbarem Potenzial nun endlose Zuneigung und überbordender Schutz gewährt werden soll. Es geht nach wie vor um das Commitment im Sinne der Unternehmensaufgabe. Die Führungskraft hat sich um den richtigen Einsatzort, die Weiterentwicklung und Förderung des Mitarbeiters zu kümmern, hat sich nach Schaffung all dieser Voraussetzungen aber nach wie vor um die Zielerreichung zu kümmern. Im Ausnahmefall hat sie sich nach wie vor auch der Mitarbeiterselektion zu bedienen. Das und gerade auch das ist Leadership. 4.3. Der Mitarbeiter selbst So sehr der Führungskräfte hier eine hohe Verantwortung zukommt, darf aber auch der Mitarbeiter nicht aus seiner Pflicht genommen werden, proaktiv am Prozess der ständigen Perfektion teilzunehmen. Von den Geführten werden keine großen Würfe oder revolutionäre Innovationen verlangt. Es geht um die mindestens genauso wichtigen Bausteine der ständigen Verbesserung, des schlichten Interesses an der Verbesserung. Der oftmaligen Berufung, dass das Ideen-Haben und die

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Zukunft zu gestalten einzig die Aufgabe der Höherbezahlten sei, kann deutlich entgegnet werden, dass wir Europäer in der Gesamtlandschaft schon die längste Zeit die Höherbezahlten sind.Von Mitarbeitern, die auch zukünftig in einem wirtschaftlich intakten Europa arbeiten und leben wollen, muss verlangt werden können, dass sie sich in ihren Qualifikationen ständig weiter entwickeln und geistig wie körperlich mobil bleiben. Es gibt Leitbilder von Unternehmen, in denen klar zum Ausdruck kommt, dass erwartet wird, dass „gebotene Chancen (der persönlichen Veränderung) angenommen werden.“ Das ist Exzellenz, die jeden einzelnen Mitarbeiter anspricht und in die Pflicht nimmt. Produkt- und Prozessinnovation muss von allen, die mit dem Produkt im weitesten Sinn in Berührung kommen, betrieben werden. Die Exzellenz besteht in der Sammlung und Verdichtung der Ideen, auch der gemeinsame Umgang damit, dass bestimmte Ideen nicht zur Umsetzung kommen, ohne dass Ideenbringer dies als Niederlage empfinden. Die Weiterentwicklung von Mitarbeitern im Bereich der Sozialen Kompetenz kann so tatsächlich auch als wertvolle Investition gesehen werden. Management Summary Der Produktionsstandort Europa ist gefährdet, in vielen Branchen durch die asiatische Industrie restlos verdrängt zu werden. Operational Excellence ist eine Unternehmenshaltung, die nicht nur die Fertigungen im Sinne des World Class Manufacturing perfektioniert, sondern alle Leistungsbereiche einer Unternehmung befähigt, um im globalen Wettbewerb nachhaltig erfolgreich zu bleiben. Operational Excellence baut in seinem Kern nicht nur auf innovative Führerschaft in technologischen Belangen, sondern auf kompetenteste Führungsarbeit und der Potenzialverwertung und der Mitverantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters. Der Europäischen Union als ersten Interessensvertreter des

Dipl.-Ing. Dr. techn. Rudolf Pichler International Production Coordinator, Siemens Österreich AG Wirtschaftskörpers Europa kommt dabe die Rolle zu, für die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen. Und auch das ist mit Exzellenz zu betreiben. Literaturverzeichnis: Bicheno, J.; Holweg, M.: The Lean Toolbox, The Essential Guide to Lean Transformation, Buckingham 2009 Covey, St.R.: Führen unter neuen Bedingungen, Sichere Strategien für unsichere Zeiten, Offenbach, 2010 Glück, A.: Menschen führen, Leben wecken, Münsterschwarzach, 1998 Hirn, W.: Angriff aus Asien, Wie uns die neuen Wirtschaftsmächte überholen, Frankfurt a.M., 2007 Johnson, R.C.: CEO logic, How tot hink and Act like a Chief Executive, New Jersey, 1998 Liker, J.: The Toyota Way, 14 Managment Principles, New York, 2004 Pietsch, M.: Von Wert und Würde menschlicher Arbeit, Frankfurt a.M., 1952 Radatz, S. (Hrsg.): Evolutionäres Management, Antworten auf die Management und Führungsherausforderungen im 21. Jahrhundert, Wien 2003 Krauthammer, E.; Hinterhuber H.H.: Wie werden ich und mein Unternehmen die Nurmmer 1? S. 45 ff; München, Wien, 1999 Rudolf Pichler studierte Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau an der TU Graz. Als Univ. Ass. promovierte er bei Prof. J. W. Wohinz im Bereich Produktionsmanagement. Seine beruflichen Stationen bisher waren u.a. Adler-Werk Lackfabrik, (Produktionsleiter); Tridonic Atco GmbH (Zumtobel AG) (Betriebsleiter), TCM Servicecenter Bochum GmbH (Geschäftsführer). Derzeit ist er bei der Siemens Österreich AG, als International Production Coordinator und als Lehrbeauftragter der FH Joanneum in Graz beschäftigt.

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Fachartikel

Foto: ATLAS International Interim Management GmbH

Gert Keuschnigg

Nutzen und Einsatzmöglichkeiten von Interim Management

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nterims Management wird auch als Management auf Zeit bezeichnet. Ein Interims Manager steht mit der gewünschten, passgenauen Qualifikation für exakt den Zeitraum, der benötigt wird, dem Unternehmen zur Verfügung. Der Interims Manager zeichnet für die erfolgreiche Umsetzung mit klarer Ergebnisorientierung verantwortlich. Das unterscheidet den Interims Manager auch primär vom Unternehmensberater. Der Interims Manager arbeitet beim Kunden vor Ort direkt mit, führt gegebenenfalls auch das interne Team beim Kunden. Ein Interim Manager setzt den Kundenauftrag kompetent, rasch und effizient um, da er ähnliche Problemstellungen bereits mehrfach gelöst hat. Interims Manager sind unternehmens-politisch neutral, objektiv und nicht vorbelastet. Sie arbeiten ohne Status- oder Machtinteressen und verfolgen keine Karriereabsichten im Kundenunternehmen. Eventuelle Seilschaften müssen nicht bedient werden, daher hat der Interims Manager auch keine Furcht vor „unangenehmen“ Aufgaben. Basis für die Vergütung des Interims-Managers ist ein Werkvertrag. Die Kosten für Interim-Manager sind daher variable Kosten, die leistungsbezogen abgerechnet werden. Daher entstehen zeitlich überschaubare und präzise kalkulierbare Kosten für das Unternehmen. Das Honorar eines Interims Managers richtet sich nach Dauer des Einsatzes, Anzahl der Einsatztage,

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Anforderungen an den Kandidaten, Anforderungen an den Auftrag, Branche und Einsatzort. Die Gründe für den Einsatz von Interims Management sind vielfältig: Vom fehlendem Know-how, Auslastungsspitzen bis zum plötzlichen Ausfall einer Schlüsselkraft durch z.B. Krankheit oder Unfall. Die Besetzung von Führungspositionen kann oft mehrere Monate in Anspruch nehmen, auch hier kann zur Überbrückung bis zur dauerhaften Stellenbesetzung ein Interims Manager eingesetzt werden. Ein weiterer Grund für den Einsatz von Interims Managern ist das Einbringen von frischem Know-how und state of the art Technologien in eine bestehende Struktur. Das eingebrachte Know-how steht dem Unternehmen nach erfolgreichem Projektabschluss durch den Interim Manager nachhaltig zur Verfügung. Gerade Unternehmen die sich über eine hohe Mitarbeiterbindung auszeichnen, schätzen hin und wieder einen kritischen Blick von außen um bestehende Prozesse zu optimieren, neue Produkte und Technologien zu entwickeln oder um neue Märkte zu erschließen. Eigentümergeführte Unternehmen greifen im Zuge der Nachfolgeregelung gerne auf Branchenerfahrene Interims Manager zurück, die schon Erfahrung im Übergabeprozess gesammelt haben. Besonders wird hier auch

eine wertneutrale unparteiische Sicht geschätzt. Unternehmen, die wachsen möchten und nicht selbst über ausreichend Personalressourcen mit entsprechender Erfahrung verfügen, setzen erfolgsabhängig dotierte Interim Manager ein, die entsprechend ihres Beitrages zur Ertragssteigerung dotiert werden. So ist der Return on Investment für Interim Management ganz transparent. Ein weiterer üblicher Einsatz von Interim Managern ist im Bereich der Optimierung angesiedelt. Ein erfahrener, externer und neutraler Experte analysiert zB Produktionsprozesse und optimiert diese indem die Ausschussquote reduziert wird. Ein ganz klassischer Einsatzfall schließlich ist die Implementierung von SAP im Unternehmen. Hier kann ein erfahrener Manager, der diesen Prozess schon mehrmals erfolgreich geleitet hat, nicht nur aus einer IT Sicht für eine rasche Implementierung sorgen und die „klassischen Fehler des ersten Mals“ wie z.B nicht durchgängige Unternehmensprozessabbildung vorwegnehmen. Praxisbeispiel: Ein Interims Managers berichtet von einem Einsatz Ein weltweit führender Anbieter im High Tech Bereich, der spezielle Lösungen in Hard- und Software für die Industrie, Pharma und Telekom anbietet ist in den letzten Jahren sehr schnell gewachsen und steht nun vor der Herausforderung der globalen Neuausrich-

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Fachartikel tung. Ablauforganisation, Abwicklung von Prozessen, Mitarbeiter und auch das Management ist noch lokal und weitestgehend eigenständig ausgerichtet. Die strategische Neuausrichtung in eine zentrale, weltweit einheitliche Konzernstruktur erfordert Maßnahmen über alle Funktionsbereiche hinweg und die Erneuerung der gesamten Business Infrastruktur. Neues Management, welches diese Erfahrungen der Transformationen einbringt, wird eingesetzt. Da aber nicht in allen Bereichen unmittelbar eine Besetzung erfolgen kann, wird mit Interims Managern die sofortige Arbeitsaufnahme und Durchführung ermöglicht. Die Stelle des Globalen CIOs wurde für ein Jahr interimistisch mit Herrn Dipl. Ing. Gert Keuschnigg besetzt. Die Aufgabenstellung reicht von der Neuausrichtung der lokalen IT Einheiten zu einer harmonisierten zentralen IT und dem Einführen von Standards und Methoden zur Führung einer globalen Abteilung. Die Aufbauorganisation ist weltweit auszurichten, Anpassungen im Personalbereich sind vorzunehmen. Da die gesamte Business Infrastruktur des Unternehmens erneuert wird, bedingt dies auch die parallele und zeit- und ressourcenkritische Umsetzung von IT Großprojekten. Es sind Methoden zur Multiprojektsteuerung und Projektimplementierung einzuführen und weltweit harmonisiertes IT Service Management zu implementieren. Das Hauptziel ist die Errichtung der arbeitsfähigen weltweiten IT Abteilung, neben der zeit- und budgetgerechten Einführung der Projekte zur Errichtung der neuen Business Infrastruktur. Herr Dipl. Ing. Gert Keuschnigg ist als Interims Manger im Unternehmen stark verankert. Im konkreten Fall verläuft die Reportingline des Interim Mangers an den COO, die gesamte IT Abteilung reportet fachlich und disziplinarisch an dem Interim Manager. Die Mitarbeiter im Unternehmen neh-

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men Herrn Dipl. Ing. Gert Keuschnigg vollständig als ‚Kollegen‘ wahr, dies zeigt sich von gemeinsamen Management Meetings bis zur Teilnahme bei Mitarbeiter Feiern. Über Atlas International Interim Management GmbH: 2003 wurde die Austrian TaskManagement Group GmbH (ATMG) von der Wirtschaftskammer Österreich, dem Wirtschaftsforum der Führungskräfte sowie der Gewerkschaft für Privatangestellte gegründet. Ziel war es, das neue Arbeitsmodell „Führungskräfte auf Zeit“ in Österreich zu etablieren. 2012 wurde ATMG von der ATLAS International Interim Management GmbH übernommen. Somit verfügt ATLAS über 10 Jahre Erfahrung in der Vermittlung von Interims Managern. Zu den Kunden von ATLAS zählen KMU´s, NPO´s und internationale Konzerne im DACH Raum. ATLAS verfügt über einen breit gestreuten Pool an Interims Managern, der über 700 persönlich gecheckte Experten und Manager umfasst, die sich über eine sehr hohe Loyalität auszeichnen, viele Interims Manager der ersten Stunde sind nach wie vor für ATLAS aktiv. ATLAS besetzt spezialisierte Positionen für sämtliche Unternehmensbereiche (Fach- und Branchenexperten und generalistische Positionen des gehobenen Managements (Projektmanager, Programmmanager, Bereichsleiter, Geschäftsführer bis zu Vorständen). Gute Chancen für Manager auf Zeit mit Umsetzungsstärke Durch das ausgeprägte Netzwerk von ATLAS werden Interims Manager mit

nahezu allen Management-, Fach- und Branchenanforderungen attraktive Kundenaufträge geboten. Wenn Sie sich für die Selbständigkeit entschlossen haben, über eine Gewerbeberechtigung verfügen und aus Ihrem bisherigen Werdegang Umsetzungsstärke, Managementerfahrung sowie ein klarer Fach- und/ oder Branchenfokus hervor geht, dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme. Autor: DI Gert Keuschnigg, Managing Partner der ATLAS International Interim Management GmbH in Wien, hat mehrfach Interims Mandate erfolg-

Dipl.-Ing. Gert Keuschnigg Managing Partner der ATLAS International Interim Management GmbH in Wien reich absolviert. Er studierte Wirtschaftsingenieur für Maschinenbau an der Technischen Universität Graz, war Managing Consultant bei PricewaterhouseCoopers und Prokurist und Manager auf Europäischer Ebene bei IBM Business Consulting Services. Dann hat er sich als Manager auf Zeit, der strategische und prozessuale Business-Anforderungen in die IT übersetzt und Organisationen leitet, selbstständig gemacht. ATLAS International Interim Management GmbH Stubenbastei 10 1010 Wien T: +43 1 890 38 39 office@atlas-iim.com www.atlas-iim.com

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Uninachrichten

70. Geburtstag von Josef W. Wohinz

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m Rahmen des industriewissenschaftlichen Forums Anfang Juni gratulierte Christian Ramsauer seinem Vorgänger Josef W. Wohinz zu seinem 70. Geburtstag – rund 200 namhafte Gäste aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft ließen den Jubilar hochleben. Seit Jahrzehnten ist Josef W. Wohinz mit seinem Motto „consilio et industria – mit Rat und Fleiß“ eng mit der TU Graz verbunden. Wohinz war über drei Jahrzehnte Leiter des Instituts für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung und von 1993 bis 1996 Rektor der TU Graz. Als Herausgeber des

Buches „Die Technik in Graz“ gilt er zudem als das „historische Gedächtnis“ der TU Graz. Anlässlich seines runden Geburtstages wurde im Rahmen des indust riewissenscha f tlichen Forums auch die Festschrift „Industrial Engineering und Innovation – Techno-Ökonomie an der TU Graz“ präsentiert, in der sich 13 Beiträge verschiedener Autorinnen und Autoren befinden.

LEUTE/KÖPFE

Dipl.-Ing. Dr.techn. Georg Premm wechselt in die Industrie zur BMW AG nach München Dipl.-Ing. Dr.techn. Georg Premm wurde 1983 in Graz geboren. Nach Absolvierung des Gymnasiums fing er im Oktober 2002 das Studium Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau an der TU Graz an. Dieses schloss er mit einer Industriediplomarbeit im Bereich „Betriebliches Energiemanagement“ erfolgreich ab. Ab September 2009 war Herr Premm am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung tätig und beschäftigte sich in seiner Dissertation mit dem Thema der „Energieorientierten Produktionsstrategie.“ Der Fokus lag auf der Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Integration definierter Energieaspekten in die Produktionsstrategie industrieller Unternehmungen. Nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Dissertation im Dezember 2012 und dem Ende seines Dienstverhältnisses an der TU Graz hat er nun den nächsten Schritt auf der Karriereleiter getan. Seit Juli 2013 ist Herr Premm im F&E Controlling bei der BMW AG in München tätig. Dort beschäftigt er sich mit der betriebswirtschaftlichen Steuerung von Antriebsprojekten in den frühen Phasen bis SOP. Wir wünschen Herrn Premm einen guten Start in München und alles Gute für die Zukunft! 34

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Uninachrichten

„product innovation project“: im internationalen Team zu innovativen Prototypen

Recruiting für das „product innovation project 2013/14“ startet jetzt!

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ine echte Erfolgsgeschichte - seit sieben Jahren ist das „product innovation project“ am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung fest verankert. Studierende verschiedener Disziplinen, Universitäten und Nationalitäten erarbeiten im Team ein Businessmodell, ein Produktkonzept und einen funktionierenden Prototypen. Ein Problem erkennen, die genaue Aufgabenstellung definieren, aus vielen Ideen konkrete Lösungsmöglichkeiten herauskristallisieren, Prototypen entwickeln und dabei im Budgetrahmen bleiben: Die Herausforderungen im „product innovation project“ sind ganz

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bewusst so wie in der realen Arbeitswelt. Die Aufgabenstellung und das Budget für die Projekte werden von Partnern aus der Industrie bereitgestellt.

und Motivationsschreiben in Englisch an: productinnovation@tugraz.at Weitere Informationen findest du unter: www.product-innovation.at

Im Studienjahr 2013/14 wird es bis zu vier Projekte geben. Die Partnerunternehmungen sind ACC, Anton Paar, Magna und Philips. Wenn du Interesse hast dich der Herausforderung Produktentwicklung zu stellen und Praxiserfahrung sammeln willst, dann bewirb dich jetzt mit deinem Lebenslauf

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uninachrichten

Abbildung 1 : Konzept der Lernfabrik am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung - TU Graz

Mario Kleindienst

Lernfabrik am IBL Institut der TU Graz

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tudien zu Lehr- und Lernmethoden besagen, dass nur etwa 10 % dessen was wir lesen, länger als 2 Wochen in unserem Langzeitgedächtnis verbleibt. Von Sachverhalten, welche visuell wahrgenommen werden, bleiben immerhin 30 % dauerhaft gespeichert. Den nachhaltigsten Lernerfolg erreichen Studenten, wenn sie theoretische Lehrinhalte selbst praktisch umsetzen. Und genau hier setzt das Konzept der Lernfabrik an. In Form von kurzen Frontalvorträgen wird den Studierenden zunächst die Problemstellung geschildert und sie lernen unterschiedliche Methoden zur Problemlösung in der Theorie kennen. Danach folgt die praktische Umsetzung in der Lernfabrik. Zwei Zustände werden durchgespielt: Zunächst wird die Serienproduktion eines realen Produktes in einem ineffizienten, nicht optimierten Ausgangs-

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zustand in Angriff genommen. Hier geht es um die Aufdeckung von Optimierungspotentialen. Diese werden durch die Anwendung unterschiedlicher Methoden, wie zB. effiziente Materialflussgestaltung, ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, effizientes Energiemanagement etc. systematisch entwickelt und umgesetzt. Anschließend wird die Serienproduktion im optimierten Zustand fortgesetzt und der Lerneffekt unter anderem mittels KPIs festgehalten. Das Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung an der Technischen Universität Graz arbeitet derzeit unter der Leitung von Professor Christian Ramsauer an der Realisierung einer solchen Lernfabrik. Dabei sollen die Lehrinhalte, welche derzeit bereits in den unterschiedlichen Lehrveranstaltungen des Instituts angeboten werden, praxisorientiert unterrichtet werden.

Die Themen reichen dabei von Aspekten des Industrial Engineering wie Arbeitsplatzgestaltung und Ergonomie, Arbeitszeitermittlung oder Lean Production über Inhalte der betrieblichen Logistik wie „Just in Time“-Materialbereitstellung oder Layoutplanung bis hin zu Themen des industriellen Energiemanagements. Ein Schema des Konzepts ist in Abbildung 1 ersichtlich. Die Lernfabrik soll noch heuer installiert werden und das erste Mal im Sommersemester 2014 im Rahmen eines 3-tägigen Block-Seminars zur Anwendung kommen. Ziel ist es, die Wirtschaftsingenieure noch besser auf die Anforderungen der beruflichen Praxis vorzubereiten. Für weitere Fragen zu diesem Projekt kontaktieren Sie mario.kleindienst@tugraz.at.

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WING-Regional

Foto: WING-Regionalkres Kärnten

Alexander Marchner, Bernd Neuner

Von der Idee zum Druck – Entstehung einer Ausgabe der Kleinen Zeitung 30. Treffen der Wirtschaftsingenieure von Kärnten und Osttirol 18. Juni 2013, Klagenfurt am Wörthersee und St. Veit an der Glan

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um 30. Treffen der Wirtschaftsingenieure von Kärnten und Osttirol, folgten wir einer Einladung der Kleinen Zeitung in Klagenfurt. Dabei wurde uns die Entstehung einer Ausgabe der Kleinen Zeitung beginnend bei ersten Ideen über die finale Zusammenstellung der Zeitung bis hin zum Druck im modernen Druckzentrum St. Veit an der Glan näher gebracht. Mit einer Dauer von rund fünf Stunden war diese Regionalkreisveranstaltung sicher eine der zeitintensivsten der letzten Jahre. Erste Station unseres umfangreichen Programms bildete ein Empfang bei Newsmanager Mag. Michael Sabath, Mitglied der Chefredaktion der Kleinen Zeitung in Klagenfurt. Im Newsroom der Redaktion, wo aus den verschiedenen Ressorts Themen und Nachrichten zusammenlaufen, wurde unsere Gruppe von rund 15 Wirtschaftsingenieuren mit einer Präsentation zum Thema „Medien im Umbruch“ eingestimmt. Seit ihrer Gründung schreibt

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die Kleinen Zeitung eine 109-jährige Erfolgsgeschichte. Innerhalb der Styria Media Group stellt sie nach wie vor das Flaggschiff neben bekannten Tageszeitungen wie DiePresse, Wirtschaftsblatt, den Bundesland-Radios Antenne Steiermark und Kärnten sowie vielen anderen dar. Dabei verfügt der Konzern insgesamt mit rund 3.100 Mitarbeitern über ein breites Produktportfolio im In- und Ausland, mit 9 Tages- und 17 Wochenzeitungen, 70 Magazinen, 15 Online-Diensten, 2- Radio- und einem TV-Sender sowie 7 Buchverlagen. Die Styria Media Group sieht sich selbst als Content Company, d.h. Generieren, Auswählen, Bewerten, Gestaltung und Interpretieren von Inhalten für verschiedenste Medienprodukte bilden ihre Kernaufgabe. Die sich derzeit vordergründig stellenden Herausforderungen liegen in der veränderten Mediennutzung insbesondere ausgelöst durch Internet und sich daraus ergebenden technischen Möglichkeiten. Vor allem das Medien-

verhalten jüngerer Gruppen verschiebt sich schwerpunktmäßig in den elektronischen Bereich und zwingt so Medien aus dem klassischen Printbereich zu Innovationen. Der nächste Programmpunkt gab einen Einblick in den aktuellen Stand der Ausgabe der Kleinen Zeitung für den Folgetag, gepaart mit Erklärungen zu Abläufen und Hintergründen. Mag. Sabath führte uns hierzu eindrucksvoll die digitalen Möglichkeiten des auf modernstem Stand stehenden Newsrooms vor. Mittlerweile war es kurz vor 21 Uhr und unsere Gruppe machte sich auf den Weg in Richtung Druckzentrum nach St. Veit an der Glan, im Wissen, dass zwischenzeitlich weiterhin an der Ausgabe des nächsten Tages gearbeitet wird. Dort angekommen, wurden wir vom Leiter des Druckzenturms, Herrn Volker Rasse freundlich empfangen. Nach einer einführenden Präsentation, führte uns Herr Rasse durch den Druckprozess und zeigte uns Stufe für

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WING-Regional Stufe, anhand der parallel ablaufenden Arbeitsschritte, den Druck der Kleinen Zeitung des nächsten Tages. Beeindruckend dabei waren der hohe Automatisationsgrad und die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der die mehrere Stockwerke hohe Druckmaschine fertige Zeitungen auswarf. Mittels Online-Anbindung der Redaktion an die Druckerei, können bis zuletzt Änderungen der Zeitung übermittelt und im Druckprozess entsprechend berücksichtigt werden. Zu erwähnen ist, dass die Qualität des Druckzentrums St. Veit bereits mehrfach international ausgezeichnet wurde. Steigernd auf die

Komplexität des Systems wirken sich, neben der Differenzierung in 18 Regionalausgaben mit teilweise voneinander abweichenden Inhalten, zusätzlich regional unterschiedliche Beilagen aus, die der Zeitung automatisiert beigefügt werden. Die Möglichkeit, die Zusammensetzung der Beilagen bis auf einzelne Straßenzüge variabel zu gestalten, zeigt welche logistische Meisterleistung hinter der am Morgen selbstverständlich vor der Haustüre vorgefundenen Tageszeitung steckt. Gegen Mitternacht war es dann soweit und wir konnten die druckfrischen Exemplare selbst in Händen hal-

ten, deren Entstehung wir über die letzten Stunden mitverfolgen konnten. Das 30. Regionalkreistreffen war für uns Teilnehmer ein voller Erfolg. Es ist uns vom Regionalkreis ein Anliegen, Herrn Mag. Michael Sabath sowie Herrn Volker Rasse für die uns ermöglichten eindrucksvollen Einblicke nochmals herzlich zu danken.

WINGNET

ESTIEM Council Meeting Eindhoven

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as CM war ein fröhliches Zusammenkommen des europäischen Wirtschaftsingenieurwesen- Vereins ESTIEM, in der modernen Stadt Eindhoven, Niederlande. Es wurden die Tätigkeiten des vergangenen Jahres vorgestellt, Entscheidungen getroffen und vieles mehr zur Förderung des europäischen Geistes unternommen. Wichtige Punkte bei dieser Jahreshauptversammlung sind die Informationsveranstaltungen und Weiterbildungen, unter anderem in InDesign. Desweiteren wurden in Arbeitsgruppen die Zielsetzungen, Visionen für das kommende Jahr und die Gestaltung einiger Projekte besprochen. So wurden beim Vision Projekt das neue Konzept der Vision Buddies besprochen, bei welchem bei jedem Vision Event auch jemand vom Vision Central Team zugegen ist und bei der Veranstaltung mit Rat und Tat zur Verfügung steht. Andere Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit dem Thema Umweltschutz. Es wurde überlegt, wie man ESTIEM Events möglichst „green“ gestalten kann. International erfolgreiche Unternehmen wie die Robert Bosch Gmbh und Carl Zeiss haben die einmalige Gelegenheit genutzt, um sich bei Wirt-

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schaftsingenieuren aus ganz Europa vorzustellen. Bei der Frühjahreshauptversammlung werden jedes Jahr neue Projekt Leader gewählt. So haben wir heuer auch wieder über die Posten der Projekt Leader von Academic Days, Business Booster, ESTIEM Book, Student Guide, ESTIEM Magazine, TIMES und Vision abgestimmt. Die Informationen über die einzelnen Projekte sind auf der ESTIEM-Homepage estiem.org zu finden. Zudem wurde die ESTIEM Familie um einige Local Groups erweitert. Viele Gruppen haben sich um eine ESTIEM Mitgliedschaft beworben und folgende Gruppen wurden in den Sta-

tus eines Observers zugelassen: Calabria, Kiev, Minsk, Vilnius und Xanthi. Diese werden nun beobachtet, dürfen bei Events teilnehmen und werden ermutigt, selbst welche zu organisieren. Dies ist Voraussetzung für eine Vollmitgliedschaft. Die Local Groups Barcelona und Riga haben diesen Vorgang bereits abgeschlossen und wurden in ESTIEM aufgenommen. Es war eine sehr ereignisreiche und informative Woche, welche der Gemeinschaft und dem Kontaktknüpfen gewidmet war. „ESTIEM is an exciting network of open minded students with a professional approach“

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Wingnet

Kongressteam 2014 (von links nach rechts): Johannes Gasser, Jovo Gajic, Miguel Pacheco, Jan Sachtleben, Moritz Gräfe, Helmut Schwarze (Bild unten)

Jubiläumskongress der Wirtschaftsingenieure 22.–24. Mai 2014 in Graz Der 20. Kongress der Wirtschaftsingenieure Österreichs wird vom 22.–24. Mai 2014 in Graz mit dem Thema „Erfolgsmodell Wirtschaftsingenieur: Unternehmerische Herausforderungen und Lösungen“ stattfinden. Bei dieser Veranstaltung handelt es sich um ein Doppeljubiläum. Zum einen feiert der WING den 20. Kongress, zum anderen auch sein 50-jähriges Bestehen. Dieses Event wird vom Kongressteam (Bild), bestehend aus Studenten des WINGnet Graz und WINGnet Wien, organisiert.

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er Kongress der Wirtschaftsingenieure ist eine Veranstaltung, die alle zwei Jahre abwechselnd in Wien oder Graz stattfindet. Der 20. Kongress der Wirtschaftsingenieure wird nächstes Jahr in der Geburtsstadt des WING, Graz, stattfinden Nach dem sehr erfolgreichen letzten Kongress sind die Erwartungen für diese Veranstaltung dementsprechend hoch. Dem Kongressteam, welches aus sechs Personen besteht, ist daher eine große Verantwortung aufgetragen worden. Fünf Studenten sind für Organisation, Sponsoring und Marketing in Graz verantwortlich. Die sechste Person ist ein Mitglied des WINGnet Wien und ist für den organisatorischen Aufwand in Wien zuständig. Falls Sie Interesse haben, den Kongress zu unterstützen, beziehungsweise zu sponsern, dann kontaktieren Sie uns bitte. Unsere Kontaktdaten finden Sie anbei.

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Das Kongressteam freut sich auf die herausfordernde Organisation dieses einmaligen Jubiläumsevents. WINGnet Graz Kopernikusgasse 24/2 A-8010 Graz Email: kongressteamgraz@wingnet.at Internet: www.wing-online.at/kongress

Marketing: Miguel Pacheco Tel.: +43 664 2409448 Email: pacheco@wingnet.at Jan Sachtleben Tel.: +43 664 2276897 Email: sachtleben@wingnet.at

Projektleitung:

Organisatorische Angelegenheiten in Wien:

Jovo Gajic Tel.: +43 664 9700911 Email: Gajic@wingnet.at

Helmut Schwarze Tel.: +43 680 5014338 Email: H.schwarze-online@web.de

Sponsoring: Moritz Gräfe Tel.: +43 680 5579587 Email: graefe@wingnet.at Johannes Gasser Tel.: +43 680 5065253 Email: gasser@wingnet.at

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WINGNET

Christian Mayrhofer

TIMES - Tournament in Management and Engineering Skills

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IMES ist ein Akronym, welches von der europäischen Studentenorganisation ESTIEM kreiert wurde und mittlerweile eines der angesehensten Case Study Events an europäischen Universitäten ist. Die Local Qualification an der TU Graz fand bereits Ende letzten Jahres statt. Besonders bedanken möchten wir uns in diesem Zusammenhang bei den Sponsoren, der Boston Consulting Group und der Hennig GmbH, die uns großzügig finanziell unterstützten sowie die Reisekosten zum Semifinale übernahmen. Die Boston Consulting Group stellte auch den diesjährigen Case zum Thema E-Mobility zur Verfügung, welcher durch Widerspiegeln des aktuellen Zeitgeistes und Durchdringung der Bereiche Technik und Wirtschaft großen Anklang bei den Teams fand. Die Teilnehmer konnten durch ihre mannigfaltigen Ideen sehr interessante und intellektuell stimulierende Unterhaltungen mit der Jury führen. Diese setzte sich aus Frau Dr. Sabine Hösch und Herrn DI Dietmar Neubacher vom MBI-Institut, Herrn DI Volker Koch vom BWL-Institut sowie Herrn Dr. Christian Mehlführer von BCG zusammen. Aus den vier Teams ging schließlich das fachlich heterogenste Team als Gewinnerteam hervor, welches aus Thomas Hawlicek von der TU Graz, Sebastian Lichtenberger von der TU Wien (beide WING) sowie Martin Herrnegger und Franz Mair von der Karl-Franzens-Universität (BWL) bestand. Wie sich hieraus zeigt, ist Diversität bei solchen Case Studies ein un-

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abdingbarer Vorteil. Die Kompetenz zur Bearbeitung von Case Studies beziehungsweise die analytischen Fähigkeiten, die man dazu braucht, sind gefragte Skills in der Wirtschaft, egal ob man in einem Projekt mitarbeitet oder CEO eines multinationalen Konzerns ist. Sie sind probate Tools, um wie auch immer geartete Problemstellungen zu bearbeiten. Es sind auch genau jene Unique Selling Propositions, die die Employability maßgeblich erhöhen und besonders gewinnbringend für die Teilnehmer sind. Immer häufiger kann man beobachten, dass vor allem in consultingnahen Branchen Case Assessments ein Einstellungskriterium sind. Auch dieses Jahr wurde den Teilnehmern ein Case Study Training von der Unternehmensberatung Arkwright in Hamburg angeboten, wobei es um Empowerment durch Vermittlung analytischer Skills und der Fähigkeit, eloquente Präsentationen zu halten, ging. Im Bewerb bestand laut einigen Teilnehmerstimmen eine besondere Herausforderung darin, auf unvorhergesehene Fragen situationsgerecht zu reagieren und kohärente Gedanken in englischer Sprache zu fassen. Zudem war es nicht einfach, aus der ambivalenten Datenlage und den unzureichenden Informationen unter Zeitdruck eine gangbare Lösung zu finden. Case Studies sind schließlich oft wie eine Story mit einem Cliffhanger geschrieben, die man Kapitel für Kapitel liest und wo sich am Ende die Frage auftut „Was würde der Erzähler jetzt tun?“. Einen großen Mehrwert

gewannen die Kontrahenten aus dem Umstand, dass sowohl bei der Local Qualification als auch beim Semifinale die Protagonisten anwesend waren, Rede und Antwort standen sowie über ihre eigenen Lessons Learned berichteten. Vorteilhaft war auch, dass man das jeweilige Thema nicht alleine sondern mit Peers bearbeitete, die als Multiplikatoren für Denkansätze fungierten, wobei es besonders interessant war, wie unterschiedliche Personen aus denselben Daten völlig konträre Handlungsempfehlungen ableiteten. Das Gewinner-Team, welches die Jury überzeugen konnte, vertrat die TU Graz anschließend beim Semifinale in Budapest, wo die zu bearbeitenden Cases sehr international ausgerichtet waren. Das Themenspektrum reichte von der Medikamenteneinführung eines indischen Pharmakonzerns bis zur Logistiklösung für ein ungarisches Unternehmen. Das finnische Team konnte hier den Sieg erzielen und sich so einen Platz beim Finale in München sichern. Es hat fast schon Tradition, dass die skandinavischen Länder bei den Case Study-Wettbewerben meist unter den Besten sind. Dies rührt vor allem daher, dass solche Fallstudien ein viel wesentlicherer Bestandteil der Ausbildung in diesen Ländern sind. Wie bei allen ESTIEM Events durfte natürlich auch in Budapest das interkulturelle und soziale Networking nicht zu kurz kommen und es konnten zahlreiche neue Kontakte geknüpft werden. Einige Teilnehmer haben bereits angekündigt nächstes Jahr wieder teilnehmen zu wollen.

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WINGNet

Daniel Ruckser

Von gleißendem Stahl zu gebündeltem Licht Exkursion des WINGnet Wien zur Voestalpine und ZKW

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rüher Start aus Wien, es ist halb Sieben am Morgen und der Bus füllt sich zusehends mit interessierten Studentinnen und Studenten des Wirtschaftsingenieurwesens und anderer verwandter Studienrichtungen. Die erste Station der Reise ist Linz, die ehemalige Kulturhauptstadt Europas. In Linz besuchten wir eines der Vorzeigeunternehmen Österreichs, die Voestalpine. Wahrscheinlich den meisten bekannt ist die Voestalpine ein sehr erfolgreiches und international tätiges Stahlproduktionsunternehmen. Nach knapp zweistündiger Fahrt erreichten wir die Unternehmenszentrale an der schönen Donau – empfangen von einer sehr freundlichen und zuvorkommenden Mitarbeiterin, welche den Firmenbesuch für uns organisiert hat. Wie auch im Universitätsalltag wurden wir auch hier zuerst theoretisch im Zuge der Besichtigung der Stahlwelt in die vielen Facetten der Stahlproduktion und die Unternehmensgeschichte eingewiesen. Danach folgte eine aufschluss- und ereignisreiche Fahrt mit einem eigenen Besucherbus durch das Fabriksgelände. Von riesigen Erz- und

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Kohlebergen, über die Verkokungsanlage und riesigen Hochöfen, bis hin zu beeindruckend rasanten Walzwerken konnten wir alles miterleben. Der krönende Abschluss war eine persönliche Diskussionsrunde mit drei Technikern aus unterschiedlichen Bereichen der Voestalpine. Bei gutem Buffet und Getränken wurden in entspannter Atmosphäre Fragen beantwortet und – da WINGnet natürlich auch etwas Nachhaltiges für seine Mitglieder bieten möchte – mehrere konkrete Stellenangebote verhandelt. Zweite Station unserer Reise war das idyllische Wieselburg im Nachbarbundesland Niederösterreich. Beim Aussteigen aus dem Bus wird sofort der starke Kontrast zur vorigen Station klar – auf die eher grobe Stahlarbeit folgt die Feinheit eines Automobilzulieferers– denn bei ZKW (Zizala Lichtsysteme) geht es um elegante Rundungen und „Durchblick“ in jeder Situation. ZKW ist weltweit tätiger Produzent und Zulieferer für Premium-FahrzeugLichtsysteme. Zu Beginn dieser Unternehmensbesichtigung gab es eine einführende Präsentation mit den wichtigsten Zah-

len und Fakten. Auch schon an dieser Stelle begannen berennende Gespräche mit den engagierten Angestellten des Konzerns. Anschließend wurde in zwei Gruppen durch den gesamten Fertigungs- und Lagerungsbereich geführt. Von modernsten Spritzgussmaschinen, über sauerstoffreduzierte Hochregallager inkl. Kanban-Logistik, bis hin zu Zusammenbau- und Teststationen wurde auch hier keine Frage offen gelassen. Und da das wirklich angenehme Klima des wieselburger Familienbetriebs zur weiteren Diskussion angeregt hat, wurde auch nach der Führung noch aktiv weiterdiskutiert und ebenso wie bei Voestalpine über Stellenangebote und künftige Zusammenarbeit bei Kaffee und Süßem verhandelt. Mein persönliches Fazit ist durchgehend positiv! Es war meine erste Exkursion mit WINGnet und hat meine hohen Erwartungen in den meisten Bereichen sogar noch übertroffen. Ich kann an dieser Stelle nur alle Interessierten, die hier mitlesen, dazu einladen, auch einmal dabei zu sein. Denn von interessanten Einblicken bis hin zu erfolgsversprechenden Jobangeboten ist alles dabei.

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WINGnet

WING to your success …wir sind für Sie garantiert von Nutzen …

Gerade in Zeiten wie diesen stellen ein reizvoller Workshop, das Verteilen von lukrativen Flyern oder eine interessante Firmenpräsentation effiziente und kostengünstige Möglichkeiten zur Werbung für Unternehmen in Fachkreisen dar.Hervorzuheben ist der Zugang zur Technischen Universität als Innovations- und Forschungsstandort der besonderen Art, denn im Zuge von Bachelor- und/oder Masterarbeiten können Sie Studenten in Ideen für Ihre Firma miteinbeziehen und mit ihnen innovative Lösungen ausarbeiten. Nicht zuletzt wird auf diesem Weg auch für die Zukunft vorgesorgt. Denn schließlich sind es die heutigen Studenten der Technischen Universität, die morgen als Ihre Kunden, Händler oder Lieferanten fungieren. Mit WINGnet-Werbemöglichkeiten kann man diese nun schon vor dem Eintritt in das Berufsleben von sich und seiner Firma überzeugen und somit eine gute Basis für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen. WINGnet Wien veranstaltet mit Ihrer Unterstützung Firmenpräsentationen, Workshops, Exkursionen sowie individuelle Events passend zu Ihrem Unternehmen. WINGnet Wien bieten den Studierenden die Möglichkeit- zur Orientierung, zum Kennenlernen interessanter Unternehmen und Arbeitsplätze sowie zur Verbesserung und Erweiterungdes universitären Ausbildungsweges. Organisiert für Studenten von Studenten.Darüber hinaus bietet WINGnet

WINGbusiness Impressum Medieninhaber (Verleger) Österreichischer Verband der ­Wirtschaftsingenieure Kopernikusgasse 24, 8010 Graz ZVR-Zahl: 026865239 Editor o.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Siegfried Vössner E-Mail: voessner@tugraz.at Redaktion/Layout Chefin vom Dienst & Marketingleiterin: Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at Redakteure Dipl.-Ing. Julia Soos E-Mail: julia.soos@tugraz.at Dipl.-Ing. Alexander Pointner E-Mail: alexander.pontner@tugraz.at Dipl.-Ing. Christiana Müller E-Mail: christiana.mueller@tugraz.at Dipl.-Ing. Wolfgang Lang E-Mail: wolfgang.lang@tugraz.at Dipl.-Ing. Alexander Sunk E-Mail: alexander.sunk@fraunhofer.at Dipl.-Ing. Jörg Koppelhuber E-Mail: joerg.koppelhuber@tugraz.at Anzeigenleitung/Anzeigenkontakt Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795,E-Mail: office@wing-online.at

Wien als aktives Mitglied von ESTIEM (European Students of Industrial Engineering and Management) internationale Veranstaltungen und Netzwerke. In 24 verschiedenen Ländern arbeiten 66 Hochschulgruppen bei verschiedenen Aktivitäten zusammen und treten so sowohl untereinander als auch zu Unternehmen in intensiven Kontakt. Um unser Ziel - die Förderung von Studenten - zu erreichen, benötigen wir Semester für Semester engagierte Unternehmen, die uns auf verschiedene Arten unterstützen und denen wir im Gegenzug eine Möglichkeit der Firmenpräsenz bieten. Die Events können sowohl in den Räumlichkeiten der TU Wien als auch an dem von Ihnen gewünschten Veranstaltungsort stattfinden. Weiters können Sie die Zielgruppe individuell bestimmen. Sowohl alle Studienrichtungen als auch z.B. eine Festlegung auf Wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ist möglich. Außerdem besteht die Möglichkeit eine Vorauswahl der Teilnehmer, mittels Ihnen vorab zugesandten Lebensläufen, zu treffen. Auf unserer Webseite http://www.wing-online.at/wien.html finden Sie eine Auswahl an vorangegangenen Events sowie detaillierte Informationen zu unserem Leistungsumfang WINGnet Wien: Theresianumgasse 27, 1040 Wien, wien@wingnet.at ZVR: 564193810

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Druck Medienfabrik Graz,Steierm. Landesdruckerei GmbH, 8020 Graz, Dreihackengasse 20 Auflage: 2.500 Stk. Titelbild: Fotolia WING-Sekretariat Kopernikusgasse 24, 8010 Graz, Tel. (0316) 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at WING-Homepage: www.wing-online.at Erscheinungsweise 4 mal jährlich, jeweils März, Juni, Oktober sowie Dezember. Nachdruck oder Textauszug nach Rück­sprache mit dem Editor des „WINGbusiness“. Erscheint in wissenschaftlicher Zusammen­arbeit mit den einschlägigen Instituten an den Universitäten und Fachhochschulen Österreichs. Der Wirtschaftsingenieur (Dipl.-Wirtschaftsingenieur): Wirtschaftsingenieure sind wirtschaftswissenschaftlich ausgebildete Ingenieure mit akademischem Studienabschluss, die in ihrer beruflichen Tätigkeit ihre technische und ökonomische Kompetenz ganzheitlich verknüpfen. WING - Österreichischer Verband der Wirtschaftsingenieure ist die Netzwerkplattform der Wirtschaftsingenieure. ISSN 0256-7830

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Technische Universität Graz Fakultät für Bauingenieurwissenschaften

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