WINGbusiness Heft 02 2019

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ISSN 0256-7830; 52. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M

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WING

business

Lean Baumanagement

Lean Baumanagement in der Lehre an der TU Graz

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Lean: Von der Dorftischlerei zur Akademie 25

Lean Construction im Bauunternehmen Sedlak 33


NEUBAU I SANIERUNG I BAUTRÄGER


Editorial

Lean Baumanagement

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Siegfried Vössner Liebe Leserin, lieber Leser, vielleicht kommt Ihnen der folgende Dialog bekannt vor: „Was machst Du gerade? „Nichts!“ „Was heißt “Nichts?“ „Ich sitze einfach nur da und denke nach.“ „Worüber?“ „Über Alles und Nichts!“ Die Unterhaltung droht sich im Kreis zu drehen und wird mit einem: „Na gut, wenn Du nichts machst, dann mach es bitte nicht hier!“ beendet. Ich muss an dieser Stelle aus vielerlei Gründen betonen, dass dieser Dialog frei erfunden ist, und jede Ähnlichkeit mit lebenden bzw. schreibenden Personen ungewollt und höchstens zufällig ist. In den Augen vieler und angesichts des Diktats von Effizienz und Effektivität ist das Nichtstun, zu einem zu vermeidenden Zustand geworden. Bezeichnete man solche Phasen menschlicher Kontemplation früher noch als „Muße“, wurde schon bald vor dem „Müßiggang“ gewarnt, der ja bekanntlich der Anfang aller Laster ist. Glücklicherweise gelang es lange Zeit nicht, geeignete Werkzeuge zu schaffen, mit denen man diese vermeintliche Totzeit detektieren und praktischerweise auch gleich „sinnvoll“ nützen kann. Während es diese Werkzeuge im menschlichen Umfeld erst seit elektronischen Terminverwaltungssystemen, Smartphones und Facebook, etc. gibt, so finden sie seit etwa 50 Jahren schon in vermehrtem Ausmaß Anwendung im Produktionsumfeld – besonders in der Massenproduktion. In den 1990er Jahren entstand aus dieser Philosophie heraus das Konzept des Lean-Managements mit seinen Verfahren zur effizienteren Gestaltung der Wertschöpfungskette (Value Chain) industrieller und im speziellen automotiver Güter (Autos). Schnell wurde mit Toyotas Produktionssystem ein Schlankheitsideal gefunden und weltweit als Vorbild propagiert. Nach vielen anfänglichen, teils imposanten Erfolgen im Kampf gegen die „Verschwendung wertvoller Ressourcen“ erfolgte allmählich die Ernüchterung. Dies gilt sowohl für die industriellen Anwendungen, als auch für die sozialen. Burnout auf menschlicher Seite bzw. Produktionsstillstände auf maschineller Seite sind heutzutage vielerorts in soziotechnischen Systemen zu beobachten. Man musste feststellen, dass Systeme nicht nur nach dem Gebot der Effizienz alleine gebaut werden dürfen, sondern auch ausreichend Reserven zur Kompensation von unvorhersehbaren externen Schwankungen und anderen Einflüssen, aber auch zur Regeneration haben müssen. Heutzutage versucht man diese Eigenschaft auch als „Agilität“ und „Fle-

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xibilität“ zu beschreiben. Kurz zusammengefasst lautet die nunmehrige Erkenntnis, dass „Lean“ allein nicht ausreicht oder besser gesagt, dass das alte Lean-Konzept um diese wesentliche Erkenntnis erweitert werden muss. Vielleicht wäre es ohnehin besser, anstelle von „Lean“ das Adjektiv „optimiert“ oder „smart“ zu verwenden, um noch das Flair von gefinkelter Algorithmik einzubringen. Somit ist aus dem anfangs ein wenig altbackenen und biederen Konzept des Lean-Managements durch die mit zunehmender Digitalisierung einhergehenden Möglichkeiten der verbesserten Datenerfassung und Verarbeitung, ein modernes Steuerungskonzept geworden, welches heute viele erfolgreiche Anwendungsbereiche außerhalb der industriellen Produktion hat – ganz aktuell im Baumanagement. Zur Verwunderung vieler scheint der Bereich des Bauwesens immer noch ein von Effizienz und Ressourcenoptimierung weitgehend unberührter Bereich zu sein. Natürlich ist diese Behauptung nicht ganz ernst gemeint. Wie jedoch Fachleute, als auch Laien zugeben müssen, gibt es einige öffentlichkeitswirksam gescheiterte Großprojekte, die darin zumindest einen wahren Kern vermuten lassen. Während man heute im ursprünglichen Bereich des Lean Managements, der Produktion mittlerer und größerer Serien, im Bereich einstelliger Prozentsätze an Vorhersagegenauigkeit für Zeit und Kosten angelangt ist, scheint gerade das Baumanagement immer noch vor großen Herausforderungen zu stehen. Aufgrund der vielfältigen Einflüsse von Umwelt, Geologie, Materialien, verwendeter Technologien Arbeitsabläufen und nicht zuletzt der Verfügbarkeit und Qualifikation von Mitarbeiten, war es bisher üblich, diesen Einflüssen durch das Vorhalten großzügiger Reserven zu begegnen. In den letzten Jahrzehnten sind zudem Bauprojekte zunehmend komplexer und umfangreicher geworden. Damit ist auch der Kosten- und Erfolgsdruck deutlich gestiegen. Dadurch entsteht vermehrt Handlungsbedarf und der Bedarf für neue Ansätze. Aufgrund des Erfolgs in anderen Bereichen lassen moderne „Lean-Konzepte“ hier große Potenziale vermuten. Die Nachfrage zu diesem Thema und das Interesse von Wirtschaft und Forschung sind zurzeit sehr groß. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, „LEAN Baumanagement“ zum aktuellen Heftthema zu wählen. Wir wollen Ihnen dazu einen guten Überblick aus Theorie und Praxis vorstellen und haben eine Reihe von Experten als Autoren gewinnen können, die dieses Thema aus vielen unterschiedlichen Perspektiven beleuchten – was sich auch am Umfang dieser WINGbusiness Ausgabe zeigt. Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz besonders bei meinem Kollegen, Univ.-Prof. Mag. DDipl.-Ing. Dr. Gottfried Mauerhofer und seinem Team vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der TU Graz, für die Unterstützung bei der Zusammenstellung dieses Heftes und bei Frau Mag. Beatrice Freund für Ihre Mühen und Geduld beim Setzen der Artikel. Ich verbleibe im Namen des Redaktionsteams mit freundlichen Grüßen und wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und einen schönen Sommer! Ihr Sieg fried Vössner

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Top-Thema: Lean Baumanagement Dirk Jannausch, Marc Guido Höhne

Agil in der Planung und Lean in der Ausführung – effizient und effektiv Projekte managen

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Isabella Wagner

Stabilität und Terminsicherheit am Bau durch LEAN.Construction Gottfried Mauerhofer, Bernhard Ortbauer, Kurt Philipp Rockenbauer

Lean Baumanagement in der Lehre an der TU Graz

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Stefan Schrenk

Lean: Von der Dorftischlerei zur Akademie

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Thomas Baierl, Julia Angleitner, Stephan Steinberger

LEAN Digital – Kommunikation und Zusammenarbeit im digitalen Zeitalter

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LEAN – das Instrument zur Führung und kollaborativen Zusammenarbeit in Projekten und Organisationen

Gregor Obradovic, Christoph Kovacs, Elmar Hagmann

Lean Construction im Bauunternehmen Sedlak

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Rainer Haubenwaller

Trockenbau im Wandel der Zeit

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Claus Nesensohn

Lean Construction – Projektabwicklung mit Hochleistungsteams

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Von der Initiierung eines Bauprojekts bis zur Übergabe

Judith Kowarsch

Lean am Bau: Mit besseren Prozessen besser bauen

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Jürgen Schwarz, Philipp Wittenbrink

Anwendung von Methoden des Lean Construction Management im maschinellen Tunnelbau 4

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Inhaltsverzeichnis EDITORIAL

Lean Baumanagement

FÜHRUNG/PROFESSION

Sich selbst und andere sinnvoll führen und entwickeln Sinnorientierte Selbstführung und -entwicklung

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INTERVIEW

Interview mit Ing. Karl-Heinz Strauss, MBA CEO der PORR AG

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WING-REGIONAL

Neue WING-Regionalkreisleitung in Kärnten

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WING-Regionalkreisveranstaltung Wien, NÖ, Bgld. "Digital Austria"

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CALL FOR PAPERS

Themenschwerpunkt : "Valuation: Start-ups & Tech-Comps" in WINGBusiness Heft 04/2019

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LEUTE/KÖPFE

Dipl.-Ing. Martin Löcker, COO UBM Development AG

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UNINACHRICHTEN

Digital Maintenance

Johannes Dirnberger Internationale "Carousel Week" am Institut Industrial Management 41

Modernster Makerspace eröffnet

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BUCHVORSTELLUNGEN

Bauunternehmensführung 2018 Theorie - Perspektiven - Standpunkte

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Branchenstudie KMU-BAU

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IMPRESSUM

Impressum

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KONGRESS

ÖVIA 33. Internationaler Instandhaltungskongress 2019 09.-10 Oktober 2019

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Norbert Kailer

Theresa Passath, Mari Kollegger

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Führung/Profession

Foto: John Hain auf Pixabay

Norbert Kailer

Sich selbst und andere sinnvoll führen und entwickeln Sinnorientierte Selbstführung und –entwicklung Gelingende Menschenführung setzt eine gekonnte Führung der eigenen Persönlichkeit ebenso wie eine Wertschätzung der zu führenden Personen voraus. Dies ist dann möglich, wenn eine Führungskraft mit sich selbst wertschätzend umgeht und zu Selbstreflexion und eigener Entwicklung bereit ist (Berschneider 2003; Czikszentmihalyi 2014).

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s ist mit und ohne Mitarbeiterverantwortung sinnvoll, über sich selbst nachzudenken. Neben dem Selbstbild ist auch das Fremdbild von Bedeutung: Wie wirke ich auf andere? Welche Rückmeldungen und Signale erhalte ich laufend in meinem beruflichen Alltag? Darüberhinaus prägt das eigene Menschenbild (unbewußt) das Führungsverhalten: Wie sehe ich andere Menschen, wie sehe ich meine Mitarbeiter, meine internen und externen Kunden? Und letztlich spielt auch das eigene Welt- und Gottesbild eine wichtige Rolle. All diese Bilder prägen, oft implizit und unbewußt, den Umgang mit anderen. Indem man sich diese Bilder bewußt macht, kann eine entsprechende Bildkorrektur angestoßen werden (Lukas 2007). Sinnorientierte Beratung bietet darüber hinaus weitere Anstöße zur Selbstführung (Berschneider 2003; Anker 2012): Es geht darum, eine angemessene Fehlertoleranz sich selbst und anderen gegenüber zu entwickeln („Selbst-Distanzierung“). Ein probates Hilfsmittel dabei: Humor. Weiters

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gilt es, echtes Interesse an einer Sache oder jemand anderem zu entwickeln und zu zeigen („Selbst-Transzendenz“). Weiters geht es um „Sinn-Zentrierung“: Im Privatleben und im Beruf sollen vielfältige Möglichkeiten sinnhafter Tätigkeit entdeckt, ausgewählt und umgesetzt werden – und dies soll auch auf Mitarbeiterebene angeregt und gefördert werden. Schließlich gilt es, bewußt ein persönlichen Wertesystem mit vielen gleichrangigen Werten in Privatleben und Beruf zu entwickeln. Dies gibt Halt und Orientierung. Fällt die Möglichkeit weg, einen bestimmten Wert zu verwirklichen, kann dies leichter kompensiert werden, als wenn ein einzelner Wert (z.B. Karriere) „vergötzt“ wird. (Nicht nur) als Führungskraft sind laufend Entscheidungen zu treffen. Handelt man dabei oft in ähnlicher Weise, bildet sich allmählich eine charakteristische Haltung heraus, welche sinnvollerweise Entscheidungsverfahren abkürzt. Jedoch gilt die Aussage von Viktor Frankl: „Wir handeln nicht

nur gemäß dem, was wir sind, sondern wir werden auch gemäß dem, wie wir handeln“(Lukas 2011, 7). Reflexion und Feedback helfen, um laufend zu überprüfen, ob die eingenommenen Haltungen noch förderlich sind oder bereits hemmend oder kontraproduktiv wirken. Antrainierte Führungstechniken werden meist nicht in den beruflichen Alltag transferiert und wirken im besten Fall aufgesetzt. Es geht vielmehr darum, sich immer wieder eingeschliffener Gewohnheiten bewußt zu werden und, wenn nötig, bewußt mit einer klaren persönlichen Entscheidung eine neue Wahl zu treffen. Gerade übertriebene Haltungen wirken als Fehlhaltungen kontraproduktiv. Alles „zu sehr“ stellt ein Hindernis für ein gelingendes Privat- und Berufsleben dar und legt eine bewußte HabitÄnderung nahe (Lukas 1989; Schechner & Zürner 2013): Ein „übermäßigen Erzwingenwollen von etwas“ kann in ständiger Unzufriedenheit resultieren. Hier

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Führung/Profession kommt es darauf an, gedanklich loslassen und verzichten zu können und nicht „mit dem Kopf durch die Wand“ zu wollen. Das Problem hinter einem „übermäßigen Ankämpfen gegen etwas“ besteht darin, daß Schlimmes schlimmer werden kann, wenn man es bekämpft. So kommt es bei einem Perfektionsdrang darauf an, zu lernen Dinge zu akzeptieren und zu tolerieren. Durch ein „übermäßiges Vermeidenwollen von etwas“ kann man sich in immer unangenehmere Lebenslagen hineinmanövrieren. Hier kommt es darauf an, zu lernen, sich zu überwinden. Auch ein „übermässiges Reflektieren über sich selbst“ (Hyperreflektion) durch dauernde Selbstbeobachtung kann zu einem Problem werden. Lernziel ist hier Selbst-Transzendenz, den Blick auf die Außenwelt zu richten. Selbstentwicklung erfolgt damit im wesentlichen in einem selbstinitiierten und selbstgesteuerten Prozeß. Selbsterfahrung, Biographiearbeit, Meditation, Achtsamkeitsübungen (Narbeshuber & Narbeshuber 2019), Self-LeadershipTraining (Furtner 2018) und Self Development Aktivitäten (Pedler u.a. 1986) stellen dazu eine reichhaltige Palette an Instrumenten und Ansätzen bereit.

Für eine erfolgreiche Entwicklung ist dabei die Passung zwischen Anforderungen der Arbeit und den Fähigkeiten der jeweiligen Person besonders wichtig. Dies wird im Flow-Konzept (Csikszentmihalyi 2014) deutlich. Führungsaufgabe ist es also, die Bedingungen zu schaffen, die einen „Flow“ ermöglichen. Die reine Vorgabe von (zusätzlichen) umfangreichen Aufgaben und Sonderprojekten als quasi „Bewährungsprobe“ greift hier zu kurz. Wichtig ist unter Entwicklungsaspekten, daß die zu übernehmende Aufgabe klar definiert ist, daß sie bewältigbar ist und daß sie auch von den Übernehmern als bedeutsam eingeschätzt wird. Zusätzlich sind förderliche Rahmenbedingungen (Ressourcen, Unterstützung) bereitzustellen. Die Handlungsmöglichkeiten müssen genügend variabel gestaltet werden, und die Ergebnisse sollten der Person zurechenbar sein. Es sollte möglich sein, sich auf die Aufgabe zu fokussieren. Weder Zeitdruck noch ein Fehlen von milestones und deadlines ist für die Erledigung der Aufgabe günstig. Die übertragenen Aufgaben müssen sowohl an den Anforderungen der Aufgabe als auch an den Fähigkeiten der Person ausgerichtet werden (Abb. 1).

Die höchste Leistung wird im unteren Bereich des Flow-Kanals erzielt (was wichtig in Stress-Situationen mit hoher Leistungsanforderung ist). Das höchste Glücksgefühl erlebt man in der Mitte des Flow-Kanals, wo sich Anforderungen und Fähigkeiten etwa entsprechen. Das Glück „er-folgt“ dabei als Nebenprodukt einer sinnvollen Handlung. Für die persönliche Entwicklung wichtig ist es jedoch, in Übungssituationen in den oberen Bereich und leicht darüber hinaus zu gehen („die Komfortzone zu verlassen“), da dadurch das intensivste persönliche Wachstum erzielt wird. Vorsicht: Bei Überforderung kann es zu Panik- oder Verweigerungsreaktionen, erhöhter Fehlerhäufigkeit und psychosomatischen Reaktionen kommen. Kurzfristig sind unter Zeitdruck durchaus motivierende Erfolgs-Erlebnisse möglich, auf lange Frist stellt Überforderung einen bedeutenden Stress-Faktor dar. Jedoch führt auch eine andauernde Unterforderung zu Frustration, Langeweile und Kompetenzabbau und es kann sich ein „Bore-Out“ entwickeln. Sowohl Überals auch Unterforderung sind Anzeichen für fehlende Sinnhaftigkeit der

Sinnorientierte Mitarbeiterführung und -entwicklung Sinn kann im Unternehmen auf inhaltlicher Ebene (Was wird produziert bzw. welche Dienstleistung wird angeboten?), auf der Beziehungsebene (Wie ist der zwischenmenschliche Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten, internen und externen Kunden?) und durch die Art und Weise, wie die Arbeit bzw. die konkrete Tätigkeit organisiert und ausgeführt wird, verwirklicht werden (Pircher-Friedrich 2011; Laloux 2015). Gerade im Zusammenhang mit der individuellen Kompetenzentwicklung und Karrieregestaltung stellt „Fördern durch Fordern“ ein wichtiges Prinzip dar: „Wenn wir die Menschen so nehmen, wie sie sind, dann machen wir sie schlechter; wenn wir sie aber so nehmen, wie sie sein sollen, dann machen wir sie zu dem, was sie sein können.“ (Frankl 2011, 143)

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Abb. 1: Flow-Modell Qu.: modifiziert nach Csikszentmihalyi (2014) und Schechner & Zürner (2013)

Im Flow geht man völlig in seiner Tätigkeit auf, der Flow selbst wird zum Tätigkeitsanreiz. Man hat ein klares Ziel vor Augen und erlebt, daß die Tätigkeit einen Sinn in sich selbst hat. Die Person ist total konzentriert, erlebt ein Glücksgefühl, das Zeitgefühl geht verloren – damit steigt aber auch die Gefahr der unbewußten Selbstausbeutung.

Tätigkeit (Schechner & Zürner, 2013). Sowohl sinnvolle Inhalte der Arbeit als auch eine sinnvolle Gestaltung von Arbeitsprozessen sind wesentliche Grundlagen für erfolgreiche Führung und Mitarbeiterentwicklung. Führungskräfte können nicht einfach Sinn vorgeben (quasi „management by meaning“). Wie können sie nun die vorhandene Motivation ihre Mitarbeiter verstärken

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Führung/Profession und sie am besten dabei unterstützen, Sinn in ihrer Tätigkeit zu finden? Zuerst müssen sich Führungskräfte ihrer eigenen Wertebasis bewußt werden und eine wertebasierte Unternehmensvision entwickeln (möglichst mit Einbeziehung der Mitarbeiter in diesen Prozeß) Die Werte und Ziele des Unternehmens und die Unternehmensvision müssen kommuniziert werden. Dies nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit und im Zuge des Recruitings. Sie müssen von den Führungskräften auch selbst glaubwürdig vertreten. Hier sichtbar werdende Soll-Ist-Diskrepanzen wirken nachhaltig sinnstörend. Wissen um die Gesamtzusammenhänge sollte vermittelt werden. Insbesondere die Verbindung zwischen dem Input der Person bzw. des Teams und dessen Auswirkungen auf das Unternehmen, interne und externe Kunden und Gesellschaft sind nachvollziehbar aufzuzeigen. Testimonials und story-telling sind hier besonders wirksam. Aufgabendelegation sollte sorgfältig erfolgen und das ganze Können der Mitarbeiter mobilisieren und Freiraum für verschiedene Möglichkeiten der Zielerreichung bieten. Die Mitarbeiter sollten über ihre berufliche Zukunft und Entwicklungsmöglichkeiten informiert sein. Dies kann von vertikale Karriereentwicklung bis zu einer Aufgabenveränderung oder zur Übernahme einer neuen Tätigkeit reichen. Letztlich sollen Mitarbeiter bei der Suche nach dem für sie am besten geeigneten, mit ihren Werten und Zielen übereinstimmenden Job unterstützt werden. Mitarbeitern sollen immer wieder Möglichkeiten zur Erkundung ihres eigenen Entwicklungspotenzials und ihrer Ziele geboten

werden, da sich diese im Lebenszyklus verändern. Der Fokus der Mitarbeiterentwicklung sollte auf den individuellen Stärken liegen („Stärken stärken statt an Defiziten arbeiten“). Es sollte nichts gefordert werden, was den Begabungen der Person nicht entspricht oder ihrem Wertesystem und persönlichen Zielen zuwider läuft. Mitarbeiter adaptieren oft selbst ihren Job und passen ihn an die aktuellen Erfordernisse an. Dieses „job crafting“ (Berg et al. 2013) umfaßt z.B. Umgewichtungen im Arbeitsbereich, Veränderung der Interaktionen mit Kunden und Kollegen, oder Veränderung der eigenen Einstellung gegenüber ihrer Arbeit und sollte entsprechend gefördert werden. Und last but not least: Erfolgreiche Mitarbeiterentwicklung sollte bei Zielsetzungen und Assessments der Vorgesetzten explizit berücksichtigt werden. Quellen: Anker, H. (2012): Ko-Evolution versus Eigennützigkeit. Erich Schmidt. Berlin. Berschneider, W. (2003): Sinnzentrierte Unternehmensführung. Orthaus. Lindau. Bailey, C. & Madden, A. (2016): What Makes Work Meaningful – or Meaningless. MIT Sloan Management Review, Summer 2016 Issue. Czikszentmihalyi, M. (2014): Flow im Beruf. Klett-Cotta. Stuttgart. Frankl, V. (2010): Logotherapie und Existenzanalyse. Beltz. Weinheim und Basel, 3. Aufl.

Univ.-Prof. Dr. Norbert Kailer Vorstand des Institutes f. Unternehmensgründung und Unternehmensentwicklung, JKU Linz Furtner, M. (2018): Self-Leadership – Praxis und Anwendung. Springer. Wiesbaden. Berg., J. et al. (2013): Job crafting and menaningful work, in: Dik. J., Byrne, Z., & Steger, M. (eds.): Purpose and Meaning in the Workplace, American Psychological Association, Washington (DC), pp. 81-104. Laloux, F. (2015): Reinventing Organizations – Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen. München. Lukas, E. (1989): Psychologische Vorsorge. Herder. Freiburg im Breisgau. Lukas, E. (2011): Lebensstil und Wohlbefinden. Profil. München und Wien, 3. Aufl. Narbeshuber, E. & Narbeshuber, J. (2019): Mindful Leader. Barth. München. Pedler, M. et al. (1986): A Manager’s Guide to Self-Development. McGraw Hill, Maidenhead, 2nd ed. Pichler, H. (2018): Arbeit – Sinn und Motivation. Braumüller. Wien. Pircher-Friedrich, A. (2011): Mit Sinn zum nachhaltigen Erfolg. Erich Schmidt. Berlin. Schechner, J. & Zürner, H. (2013): Krisen bewältigen. Braumüller. Wien, 2. Auflage

Autor: Dr. Norbert Kailer, sinnzentrierter Berater (Viktor Frankl Zentrum), Supervisor, Univ.-Prof. für Unternehmensgründung und Unternehmensentwicklung, Johannes Kepler Universität Linz.

Schwerpunkt-Themen WINGbusiness 2019

Heft 03/2019: „Maker, Industry & Research“

Heft 04/2019: „Valuation: Start-ups & Tech-Comps“

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Interview

Interview mit Ing. Karl-Heinz Strauss, MBA CEO der PORR AG

Foto: (C)Astrid Knie

Die PORR AG feiert heuer ihr 150-jähriges Bestehen. Wie kann agiert werden, dass sie auch in 150 Jahre noch ein führendes europäisches Bauunternehmen ist? Innovationskraft für Spitzenleistungen – dafür steht die PORR seit inzwischen 150 Jahren. Heuer im Jubiläumsjahr schaut die PORR auf eine einzigartige Erfolgsgeschichte zurück: Seit der Gründung im Jahr 1869 sind wir technisch führend bei anspruchsvollen Projekten. Wir beweisen stets Pioniergeist und sind Vorreiter in der Baubranche, was neue Entwicklungen und Branchentrends angeht. Neben dem stetigen Ausbau unserer Kernkompetenz, fokussieren wir uns auf die Zukunftsthemen der Baubranche: Digitalisierung und Innovation. Wir beschäftigen uns seit 2011 intensiv mit Building Information Modelling (BIM), LEAN Design und LEAN Construction und sind in Österreich Vorreiterin beim Thema „papierlose Baustelle“. Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt und gestalten digitale Prozesse aktiv mit. Die Digitalisierung verändert unser Zusammenleben und unsere Arbeitswelt. Und zwar über alle Branchen hinweg. Integrierte Planung via LEAN Design und LEAN Construction, Modularisierung und Standardisierung, Automatisierung, digitale Zwillinge mittels BIM und der Einsatz künstlicher Intelligenz bieten enorme Potenziale und revolutionieren die komplette Wertschöpfungskette im Bauwesen. Auch die Mitarbeite-

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rinnen und Mitarbeiter, Bauherren, EndkundInnen und Kommunen profitieren davon. Bauvorhaben lassen sich schneller realisieren, Gesamtkosten können gesenkt, die Qualität maximiert und Risiken minimieren werden. Die PORR blickt zuversichtlich in die Zukunft und ist entschlossen, auch in diesem veränderten Wettbewerbsumfeld ihre Chancen aktiv zu nutzen. Gleichzeitig wird die PORR ihre Vorreiterrolle bei der Digitalisierung der Bauindustrie in Europa weiter ausbauen. Die Geschichte zeigt: Was auch immer in den nächsten 150 Jahren auf die PORR zukommen mag, sie ist bestens dafür gerüstet. Aktuelle Megatrends in der Baubranche Integrierte Planung: Der Bauablauf wird ganzheitlich optimiert – inklusive Nachunternehmer. Verstärkte Modularisierung und Standardisierung: Komponenten können vermehrt außerhalb der Baustelle vorgefertigt werden. Die Maßnahmen haben das Potenzial, Kosten um fast ein Drittel und die Bauzeit um fast die Hälfte zu reduzieren. Automatisierte Prozesse: Mittels integrierter Steuerung von Maschinen und Ressourcen wird der gesamte Bauprozess erheblich effizienter. BIM / Erstellung digitaler Zwillinge: Dank Building Information Modeling (BIM) können Nach-

nutzung, Energieeffizienz oder Wartungsaufwand bereits in der Planungsphase sichtbar gemacht werden. Die Überwachung des Baufortschritts erfolgt ebenfalls in Echtzeit. Darüber hinaus wird die Koordination aller Baubeteiligten - intern wie extern - durch die zentrale Datenerfassung maßgeblich optimiert. LEAN Methoden: LEAN Design ist ein agiles Projektabwicklungssystem, welches die Kommunikation zwischen den Planungsteams fördert, Prozesse transparent abbildet und Verzögerungen im Informationsfluss verringert. Durch die LEAN Arbeitsweise lassen sich Projekte unter Zielvorgabe eines Budgets realisieren, da von Beginn an alle PlanerInnen und EntscheidungsträgerInnen in den Prozess eingebunden werden. Die kollaborative und wertschätzende Zusammenarbeit aller, z. B. im sogenannten „Big Room“, verschlankt die Planung und optimiert Schnittstellen. Künstliche Intelligenz und Advanced Analytics: Durch die automatisierte Verarbeitung exponentiell wachsender Datenmengen eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, ein Projekt zu optimieren. Potenzielle Fehlerquellen können frühzeitig erkannt werden und die Erfolgsfaktoren abgeschlossener Projekte fließen automatisch in die Planung neuer Projekte ein.

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Interview Maschine-to-Maschine Kommunikation und Telematik-Systeme in Nutzfahrzeugen: Durch die Datenübertragung zwischen einzelnen Maschinen bzw. dem/der Bauleiter/in kann der Einsatz und die Wartung unserer Fahrzeuge und Maschinen dank Predictive Maintenance optimal geplant werden. Und via GPS-Ortungstools liegt die Rückführungsquote bei gestohlenen Fahrzeugen oder Maschinen bereits bei 100 %. Augmented & Virtual Reality Anwendungen: VR- & AR-Lösungen bieten allen Projektbeteiligten intuitiven Zugang zu komplexen Projektdaten und stellen eine perfekte Ergänzung zum BIM-Modell dar. Durch das verstärkte Raumempfinden des 3D-Modells und die Interaktivität helfen die beiden Technologien als Planungswerkzeug und bei der Entscheidungsfindung – auf allen Ebenen. Drohnen in der Baubranche: Mit Drohnen können hochauflösende Aufnahmen von schwer zugänglichen Terrains und Baustellenbereichen gemacht werden. Die Fotound Videoaufnahmen werden für statistische Berechnungen, visuelle Inspektionen, Rundumaufnahmen für BIM-Modelle oder Sicherheitschecks genutzt. Drohnen sind tolle Hilfsmittel, die unseren Arbeitsalltag erleichtern und uns dabei helfen effizienter, günstiger und sicherer zu arbeiten. Asset Tracking / Vernetzte Baumaschinen: Mittels State-of-the-Art Asset Tracking und Machine-toMachine Kommunikation lassen sich Standorte, Wartungsintervalle und Betriebszeiten besser planen. Das System ist einfach zu bedienen, eine kurze Einschulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort ist ausreichend Künftige Megatrends in der Baubranche Selbstfahrende Fahrzeuge und Maschinen: Autonome Baumaschinen mit Dokumentations- bzw. Assistenzsystemen sind bereits heute Realität. Halbautonome Maschinen (Maschinensteuerung mit ausgefeilter Sensorik, Anm.) bzw. autonome Maschinen (Kom-

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men ganz ohne BedienerInnen aus, Anm.) werden in Zukunft vermehrt Einsatz auf den Baustellen und im Baustellenlogistik-Bereich finden. Dadurch lassen sich bestimmte Arbeiten sicherer und schneller abwickeln. Gleichzeitig werden beim gesamten Personal vor Ort Ressourcen frei, die für anspruchsvollere Aufgaben genutzt werden können. Einige Hersteller arbeiten bereits an entsprechenden Prototypen: Der US-amerikanische Hersteller Caterpillar rüstet vereinzelte Maschinen im Mining-Bereich bereits mit halb-autonomen bzw. autonomen Betriebssystemen auf (z.B. Muldenkipper, Kreiselbohrer, Planierraupen und Tieflader). MAN hat auf der BAUMA 2019 ein fahrerloses Absicherungsfahrzeug vorgestellt. Dieses folgt mittels „Car-to-Car-Kommunikation“ dem vorausfahrenden LKW, der auf der Pannenspur von Autobahnen als Arbeitsfahrzeug eingesetzt wird. Bilderkennung für noch mehr Arbeitssicherheit: Mit Hilfe von Algorithmen können Bilderkennungsmethoden entwickelt werden, um bestimmte Objekte auf Bildern bzw. Videoaufnahmen zu erkennen und zu entschlüsseln. Das System kann den Benutzer mittels einer Meldung warnen und dadurch Unfallrisiken mindern. Smarte Baustoffe & Bauteile: Baustoffe wie Beton, Fenster und Wände werden künftig vermehrt mit RFID Chips (Radio Frequency Identification Chips, Anm.) ausgestattet. Das ermöglicht optimierte Konstruktionen, umfassende Predictive Maintenance Maßnahmen und ermöglicht automatisierte Analysen beispielsweise in Bezug auf die Materialauslastung. 3D Druck auf der Baustelle der Zukunft: Es gibt bereits erste Versuche in China und Holland, kleine Häuser der Zukunft aus dem 3D-Drucker zu bauen. Darüber hinaus sind die ersten 3Dgedruckten Stahlbrücken und Kanalsysteme auf dem Markt. Die Zeit wird zeigen, wie funktionell 3D-Druck am Bau ist. Die

Erfahrung zeigt, dass Menschen uniformes Bauen eher ablehnen – Menschen möchten individuelle Lösungen. Was macht die PORR AG besser als ihre Konkurrenz? In welchen Bereichen kann sie sich noch verbessern? Wir können auf eine 150-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken, die uns einen reichen Erfahrungsschatz in allen Bereichen der Baubranche liefert. Mit dem Fokus auf die technische Exzellenz in Kombination mit mutiger Innovationskraft ist es der PORR immer gelungen, einen Schritt voraus zu sein und die Prozesse mitzugestalten. Unsere fünf Prinzipien stehen für die Werte, die uns auszeichnen: Verlässlichkeit, Schulterschluss, Anerkennung, Leidenschaft und Pioniergeist. Unser Anspruch ist es dabei nicht, das größte Bauunternehmen Europas zu sein, aber wir wollen zu den Besten zählen – deshalb sehen wir Verbesserungspotenziale immer als Chance und Herausforderung, Neues zu lernen. Ein großes Innovationsprojekt Ihres Unternehmens ist das LEAN Management. Was macht LEAN Projekte effizienter als andere? Vorweg muss man sagen, dass LEAN nicht erst auf der Baustelle startet. Es muss vom Management ausgehen und hier der erste Ansatz zur sinnvollen Implementierung gefunden werden. Es muss ein Paradigmenwechsel in der Branche stattfinden, der gleichzeitig von intensiven Schulungen für MitarbeiterInnen begleitet wird. Dabei kommt es vor allem auf Praxisnähe an: Viele Trainings werden on-the-job durchgeführt. Ziel ist es, die MitarbeiterInnen praxisrelevant zu schulen, statt sie durch technische Details zu überfordern. LEAN Management Projekte zeichnen sich durch verschlankte Prozesse aus – von der Planung bis zur Ausführung. Dies erhöht die Wertschöpfung, indem Prozesse kontinuierlich optimiert werden. Die notwendigen Arbeitsschritte werden bereits im Vorfeld eindeutig bestimmt und analysiert. Das hilft uns dabei diese möglichst ressourcen- und zeitoptimiert zu gestalten. Gleichzeitig werden durch den agilen Projektabwicklungsansatz die Kommunikation zwischen den Planungsteams und dem

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Interview Auftraggeber gefördert, Prozesse transparent abgebildet und Verzögerungen im Informationsfluss verringert. LEAN Projekte lassen sich straffer umsetzen und unter Zielvorgabe eines Budgets realisieren, da von Beginn an alle Planer und Entscheidungsträger in den Prozess eingebunden werden. Welche Projekte bewältigen Sie oder wollen Sie mit LEAN bewältigen? Wollen Sie erreichen, dass die gesamte PORR AG „LEAN“ ist oder sehen sie diese Philosophie in manchen Unternehmensbereichen kritisch? Wir sehen ein großes Potenzial im bereichsübergreifenden bzw. gruppenweiten Transfer der LEAN Management Philosophie. Künftig sollen alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „LEAN Thinker“ werden. Dadurch wird jedes Projekt zu einem LEAN Projekt – die Ausrollung dessen bedarf jedoch natürlich an Zeit. Ein Beispiel aus der Praxis: BMW Freimann • Leistungsumfang: Generalplanung für Entwurf, Einreichung und Ausführung • Eckdaten: Rund 75.000 m2 Bruttogeschossfläche für über 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 10.000 m²Grundstückfläche • Projekt-Besonderheit: Mit dem neuen Bürogebäude OST in Freimann werden die bislang auf mehreren Standorten verteilten Bereiche der BMW-Bank, des BMW-Vertriebs sowie sämtliche Abteilungen des Leasinganbieters Alphabet International in einem Gebäudekomplex zusammengefasst. BMW musste das Bürogebäude in Freimann nach Abschluss der Planungsarbeiten noch einmal komplett verändern, da weltweit neue Standards für alle BMW-Büros in Kraft getreten waren. Dank BIM hatte die PORR bereits nach knapp fünf Stunden ermittelt, wie sich die nötigen Änderungen auf Bauzeit und Kosten auswirken würden. Für die Umplanung nach LEAN-Design-Prinzipien brauchte die PORR dann lediglich drei statt sonst sechs Wochen. Ausführungsdauer und Gesamtkosten des Gebäudes konnten stabil gehalten werden.

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Ein Beispiel aus der Praxis: Neue Spreespeicher Berlin • Leistungsumfang: Planung und Errichtung eines Bürokomplexes in Berlin-Kreuzberg • Eckdaten: Rund 40.000 m² Bruttogeschossfläche und 10.000 m²Grundstückfläche • Projekt-Besonderheit: Das Projekt Neue Spreespeicher in Berlin-Kreuzberg wurde in enger Zusammenarbeit mit der PORR Design & Engineering GmbH (PDE) als Generalplanerin wurde das Projekt in kurzer Zeit aufgesetzt. Dank BIM konnten die Schnittstellen und offenen Punkte schnell dargelegt und geklärt werden. Aufgrund der Planungsabwicklung mit LEAN Design – in die auch die Bauleitung einbezogen wurde – war der Austausch von Informationen zwischen Planung und Ausführung auf dem kurzen Weg möglich. Nicht nur innerhalb der PORR Teams wurde die Zusammenarbeit und der Austausch groß geschrieben, auch in den Gesprächen mit den zukünftigen MieterInnen konnten die PORR ihre langjährige Erfahrung einbringen. Oft wird behauptet LEAN Management bringe nur für Konzerne Vorteile. Sehen sie auch Vorteile für Ihre Nachunternehmer? Da es beim LEAN Management darum geht, dass ein Projekt über den gesamten Prozess hinweg partnerschaftlich abgewickelt wird, profitieren alle PartnerInnen davon. Das gemeinsame Projektziel und das Projektergebnis stehen über die ganze Zeit im Mittelpunkt. Alle, auch unsere Partnerfirmen, sind dabei auf Augenhöhe im Boot. Durch den agilen Projektentwicklungsansatz wird die Kommunikation in allen Projekt-Teams, bis zu den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hin, gefördert. BIM und LEAN bilden das Rückgrat interdisziplinärer Arbeitsprozesse. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren wird immer wichtiger, nicht zuletzt um Daten in einem gemeinsamen Ökosystem nutzbar zu machen. Planungsdimensionen werden auf diese Weise nicht isoliert, sondern über den gesamten Projektlebenszyklus immer in Bezug zueinander gesehen.

Best-Practice - BMW Freimann: Beim Projekt BMW Freimann setzte die PORR in die Praxis um, was bei vielen anderen Bauprojekten nicht mehr ist als schöne Theorie: Der neue BMW-Komplex ist ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Der Bauherr sowie die PORR und ihre Partner-Nachunternehmer arbeiten in Form eines Partnering-Modells von der Planung bis zur schlüsselfertigen Umsetzung eng zusammen. Zusätzlich bringen sie ihr spezifisches Wissen, ihre Erfahrung und ihr Know-how ein. Entgegen weit verbreiteter Befürchtungen ersetzt dieses Partnering-Modell keinen der Projektbeteiligten, sondern optimiert vielmehr deren Zusammenwirken. Aus Projektbeteiligten werden auf diese Weise Projektpartner. Wie weit fortgeschritten ist die Kombination von LEAN Management und BIM in Ihrem Unternehmen? Die PORR hat in den vergangenen Jahren wichtige Digitalisierungsinitiativen vorangetrieben und erhebliche Mittel (EUR 5 bis 8 Mio. jährlich) in den Ausbau der IT-Infrastruktur investiert. Unser Ziel ist es, durch maßgeschneiderten Einsatz innovativer Technologien die Wertschöpfungskette gesamtheitlich zu optimieren: von der Akquise über die Planung, Kalkulation und Ausführung bis hin zur Inbetriebnahme und Wartung eines Objekts. Um für die Herausforderungen der Digitalisierung gerüstet zu sein, hat die PORR eine „Digital Unit“ geschaffen und ein eigenes Digitalisierungsprojekt gestartet. Dieses Projekt ist der strategische Umsetzungsplan zur Digitalisierung der PORR und wird durch bereichsübergreifende Zusammenarbeit umgesetzt. Unsere Teams arbeiten interdisziplinär unter intensiver Beteiligung der „Digital Unit“, der PORR Design & Engineering, der PORR Equipment Services sowie vor allem der operativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Einheiten. Dabei hat die PORR alle Initiativen so aufgesetzt, dass sie merklichen Nutzen nicht nur für sie selbst, sondern auch für KundInnen und EndnutzerInnen schaffen. Die PORR engagiert sich zudem in zahlreichen Gremien, um verbindliche Digitalisierungsstandards für die gesamte Branche zu arbeiten.

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Interview Unsere Einheiten arbeiten intensiv zusammen und entwickeln Abläufe, wo beide Prinzipien Hand in Hand greifen und daraus Synergien geschaffen werden können. BIM hat einen sehr strukturierten Ablauf, der optimal zu LEAN passt. Bereits in der Planung wo BIM mit LEAN Design am Start gemeinsam loslegen und danach weiter auf die Baustelle ausgerollt werden, entfaltet das gemeinsame Konzept seine größte Schlagkraft. Mit einem Großprojekt in München, dem BMW Freimann, konnte die PORR AG bereits unter Beweis stellen, dass die Kombination aus einer durchgängigen Anwendung von BIM und dem Einsatz von LEAN in der Planung, ein ausgezeichnetes Ergebnis erzielt. Es konnte in dem Fall durch die Kombination sichergestellt werden, eine äußerst straffe Ressourcenplanung bzgl. Zeit und Kosten einzuhalten. Unter anderem bei diesem Projekt setzte die PORR in die Praxis um, was bei vielen anderen Bauprojekten nicht mehr als schöne Theorie ist: Der neue BMW-Komplex ist ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Der Bauherr sowie alle projektbeteiligten Teams der PORR arbeiteten in Form eines „PartneringModells“ von der Planung bis zur schlüsselfertigen Umsetzung eng zusammen. Ein wesentlicher Teil eines gemeinschaftlichen Bauprojekts ist die integrale Planung, die gleichzeitige Mitwirkung aller am Planungsprozess beteiligten Fachdisziplinen. Kritikpunkt: Fehlender BIM-Standard Die verfügbaren Daten können grundsätzlich gelesen und als Grundlage verwendet werden. Zurzeit scheitert eine direkte Übernahme leider immer wieder an fehlenden und vor allem nicht durchgängigen Standards aller beteiligten Stakeholder. Wir haben intern programmierte Tools entwickelt, wo wir über definierte Workflows unsere Standards in die BIM Modelle bringen und damit weiterarbeiten können. Leider sind die aktuellen Planungsgepflogenheiten immer noch von einer baubegleitenden Planung geprägt. Dies bedeutet für uns natürlich auch einen massiven Mehraufwand, um Modelle auf der Baustelle von externen Partnern zu pflegen. In den Projekten wo wir auch die Planung In-House machen, fällt dieser Aufwand natürlich weg,

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weil die Modelle einem durchgängig verwendbaren Standard entsprechen. PORR AG will für ihre MitarbeiterInnen „best place to work“ sein. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen? Die PORR hat - als einer der ältesten und größten Baukonzerne Österreichs - eine lange Tradition darin, immer wieder Innovatives zu wagen und dabei stets neues Wissen aufzubauen, das wieder in neue Projekte und Visionen mit einfließt. Die PORR-Group besitzt heute die Erfahrung eines Full-ServiceProviders, der über hervorragende Kompetenzen in allen Sparten der Bauwirtschaft verfügt. Dieses Know-how verhilft ihr zu einem entscheidenden Marktvorteil, wenn es darum geht, die vorhandenen Potenziale konsequent zu nutzen. Alle diese Aufgaben erfordern qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen gemäß der Unternehmensphilosophie hohe Wertschätzung für ihre Leistung entgegengebracht wird. Anerkennung ist eines unserer fünf wertvollen Prinzipien (Pioniergeist, Leidenschaft, Anerkennung, Verlässlichkeit und Schulterschluss) und hat bei uns einen besonders hohen Stellenwert. Wir setzen auf gesamtheitliche Aus- und Weiterbildungskonzepte, um den veränderten Rahmenbedingungen maßgeblich Rechnung zu tragen. Nur wer heute bereits passende Maßnahmen setzt, kann den Kampf um die besten Talente gewinnen und diese auch langfristig halten. Wir setzen auf vielfältige Diversity Maßnahmen. Wir bieten flexible Arbeitszeitmodelle, betriebliche Gesundheitsförderungen, Fitness-, Familien- und Pflegebetreuungsangebote wie beispielsweise die betriebliche Kinderbetreuung im PORR Adventure Camp oder unser Frauennetzwerk Women@ PORR. Wir wollen damit top ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für unser Unternehmen gewinnen und langfristig halten. Besonders wichtig ist für uns in diesem Zusammenhang die Lehrlingsausbildung. Unser Ziel ist es, diese weiter zu steigern und mit passenden Aus- und Weiterbildungsprogrammen, die Fachkräfte von morgen bereits heute bei uns auszubilden. Um ihre Vorreiterrolle im Bereich der Aus- und Weiterbildung noch weiter auszubauen, setzt die PORR mit dem neuen Ausbildungscampus in Sim-

mering einen weiteren Meilenstein. Mit dieser innerbetrieblichen Ausbildungsstätte für Lehrlinge und das gesamte gewerbliche Personal soll dem aktuellen Fachkräftemangel begegnet werden. Neben mehreren Schulungsräumen und einer rund 500 m2 großen Werkstatthalle, entstehen in Wien Simmering auch ein Wohnheim mit rund 50 Betten sowie zahlreiche Sport- und Freizeiteinrichtungen. Das Angebot reicht von der Facharbeiterausbildung über Sicherheits- und Führungskräfteschulungen bis zur internen Lehrlingsausbildung. Schulungsbeginn ist im September 2019. Was sehen Sie als die größten Herausforderungen Ihres Unternehmens in den nächsten Jahren? Ein Thema, das uns heute und auch in Zukunft beschäftigen wird, ist die Schwierigkeit spezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Noch nie waren Fachkräfte so gefragt, wie heute – und das wird auch in Zukunft so bleiben. Die PORR setzt bei der erfolgreichen Umsetzung ihrer Projekte gerne auf eigene Fachleute und bildet daher mit den Lehrlingen von heute die SpezialistInnen von morgen selber aus. Unser Ziel ist es, unsere hohen Ansprüche an Qualität, Technik und Effizienz mit allen Beteiligten in Einklang zu bringen. Außerdem ist es uns ein Anliegen, uns mit den Zukunftsthemen der Baubranche, vor allem Digitalisierung und Innovationen, zu beschäftigen. Am Zahn der Zeit und mit den besten Ressourcen zu operieren, ist eine stetige Herausforderung, die wir bei der PORR aber immer wieder gerne annehmen. Durch unsere vielfältigen Mitarbeiter-Benefits sowie Aus- und Weiterbildungsprogramme sind wir jedoch davon überzeugt, dass wir als Best Place to Work den War for Talents gewinnen. Im Bereich LEAN Management ist Kommunikation und eine Änderungskultur von hoher Bedeutung. Wie sollen Bauwirtschaft und Universitäten in Zukunft zusammenarbeiten und wirken? Durch die rasch voranschreitende Digitalisierung verändern sich viele Bereiche des Lebens. Auch in der Baubranche verschieben sich die Aufgabenfelder, was in Folge auch die Berufsanforde-

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Interview rungen der Zukunft stark beeinflusst. Es braucht zukünftig SpezialistInnen, die mit diesen neuen Anforderungen umgehen können. Wirtschaft und Politik müssen daher altbewährte Verhaltensmuster und Verfahrensweisen im Schulterschluss neu überdenken. Um den Wirtschaftsstandort Österreich langfristig wettbewerbsfähig zu machen, müssen wir gemeinsam den Anforderungen des digitalen Kultur-

wandels gerecht werden, um von ihm profitieren zu können. Innovationen im Hinblick auf Technologien und Materialien werden vorwiegend durch Forschungseinrichtungen, wie beispielsweise die Technische Universität Wien oder die Technische Universität Graz entwickelt und vorangetrieben. Entwicklungen zu fördern ist ein großes Anliegen der PORR.

Forschungsprojekte werden nicht nur finanziell, sondern auch mit unserem Know-how der Branche tatkräftig unterstützt. Wir kooperieren dabei nicht nur mit Universitäten, sondern auch mit Schulen, um die Vorteile und Möglichkeiten der Arbeit auf einer Baustelle aufzuzeigen. Das Interview führte Univ.-Prof. Dr.techn. Gottfried Mauerhofer

WING-REGIONAL

Neue WING-Regionalkreisleitung in Kärnten Andreas Leitgeb, MSc und Georg Micheu, MSc

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b März 2019 wird die Leitung des Regionalkreises Kärnten von Andreas Leitgeb, MSc und Georg Micheu, MSc wahrgenommen. Beide treten die Nachfolge von Dipl.Ing. Dr. Alexander Marchner und Dipl.-Ing. Dr. Bernd Neuner an. Andreas Leitgeb absolvierte das Wirtschaftsingenieur-Studium an der Fachhochschule Kärnten und war der Gründungsobmann für das WINGnet Villach. Anfang 2018 gründete er die Vertriebsagentur „SYNNOVATION

Technology Agency“. Dabei bietet er Vertriebsdienstleistungen im Investitionsgütervertrieb an und unterstützt seine Auftraggeber durch die Übernahme aktiver Vertriebsaufgaben. Georg Micheu absolvierte ebenso das Wirtschaftsingenieur-Studium an der Fachhochschule Kärnten. Nach seinem Studium baute er das Startup „WOODCUBE“ mit auf und ist derzeit für Entwicklung, Implementierung und Realisierung von Innovationen bei „WOODCUBE“ verantwortlich.

Andreas Leitgeb, MSc

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Wir wünschen der neuen Regionalkreisleitung viel Erfolg in ihren Aktivitäten und bitten alle WING-Mitglieder in Kärnten, sie durch die zahlreiche Teilnahme an den Veranstaltungen tatkräftig zu unterstützen. Dipl.-Ing. Dr. Alexander Marchner und Dipl.-Ing. Dr. Bernd Neuner danken wir sehr herzlich für ihre langjährige und sehr erfolgreiche Tätigkeit in der Regionalkreisleitung Kärnten! Für den WING-Verband Dipl.-Ing. Dr. Hans-Jörg Gress

Georg Micheu, MSc

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Top-Thema

Foto: LCM Composing © vectorfusionart © Ivan Kruk - fotolia.com

Dirk Jannausch, Marc Guido Höhne

Agil in der Planung und Lean in der Ausführung – effizient und effektiv Projekte managen Das klassische Bauprojektmanagement stößt immer mehr an seine Grenzen. Hoch technisierte Gebäude, die Mitwirkung zahlreicher Sonderfachleute und Änderungen während der Projektlaufzeit erzeugen eine Dynamik, die mit starren Terminplänen und dem Denken im Wasserfallmodell nicht mehr abbildbar und steuerbar ist. In Folge verzögern Nacharbeiten, unnötige Wartezeiten sowie Arbeitskraft- und Materialverschwendung den Bauablauf, treiben die Kosten in die Höhe und gefährden die Einhaltung der gesetzten Ziele und Termine. Wie in diesen Zeiten Bauprojekte dennoch schnell und effizient umgesetzt werden können, zeigt Lean Construction Management. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die Verschwendung auf der Baustelle zu reduzieren, die Effizienz über die gesamte Wertschöpfungskette zu erhöhen und die Qualität zu verbessern. So können Projektkosten deutlich gesenkt und Prozesse um bis zu 30 Prozent beschleunigt werden.

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hren Ursprung hat die Lean-Philosophie in der Automobilindustrie, genauer gesagt im Erfolgsmodell des Toyota-Produktionssystems, in welchem die Maximen Prozesse perfektionieren, Mehrwert maximieren, Verschwendung eliminieren und standardisiert vorgehen gelten. So wissen beispielsweise Autobauer auf die Sekunde genau, wann welches Fahrzeug mit welcher Ausstattung vom Band läuft. Störungen im exakt getakteten Produktionsablauf führen zum Alarm – und zur sofortigen Behebung des Problems. Beim Lean Construction Management, kurz LCM®, werden diese Prinzipien in die Ausführungsphase und die agilen Ansätze aus der Softwareentwicklung in die Planungsphase von Bauprojekten übertragen. Dabei werden der Planungs- und Ausfüh-

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rungsprozess so ganzheitlich, effizient und detailliert wie möglich aufgesetzt, dass das Projekt ohne Verzögerungen und Ressourcenverschwendung in einem gleichmäßigen Takt läuft. Damit stellt Lean Construction für Unternehmen und Bauherren eine einzigartige Möglichkeit dar, ihre Projekte langfristig erfolgreich zu realisieren. Lean Construction setzt den Fokus auf die Gesamtprojektabwicklung und bietet eine umfassende Lösung für unterschiedliche Projektphasen – von der Planung über den Bau bis hin zur Inbetriebnahme. So stehen noch vor der Planung mit der Lean Product Definition die Zieldefinition sowie die Entwicklung der Module, Systeme und des Lastenhefts im Vordergrund. In der Planungsphase kommt Lean Design Management zum Einsatz und

Bild 1. LCM überträgt die Lean-Methoden aus der Automobilproduktion in die Ausführungsphase und die agilen Ansätze aus der Software-Entwicklung in die Planungsphase von Bauprojekten. © Drees & Sommer

stellt mit Target Value Design, Modularisierung/Standardisierung und Agilem Design Management die für die Planungsphase wesentlichen Me-

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Top-Thema thoden zur Verfügung. In der Ausführungsphase sorgt wiederum Lean Site Management für Standardisierung, Vorfertigung, Prozessoptimierung und Baustellenlogistik. Die verschiedenen Herangehensweisen und die richtige Methodenauswahl sind hier deshalb wichtig, weil einzelne Projektphasen unterschiedliche Anforderungen haben. So eignen sich die schlanken Methoden aus der Industrie dann am besten, wenn ein festes Ziel definiert und der Weg dorthin klar ist. Zu Beginn eines Bauprojektes stehen jedoch Ziele und die Ergebnisse noch nicht im Detail fest und es sind keine Vorhersagen möglich. Daher bieten sich hier die agilen Methoden aus der Softwareentwicklung besser an. Lean Design im Planungsprozess

Bild 3: Ein Beispiel für einen Aufgabenmanagement-Prozess. © Drees & Sommer

Die Planung von Bauwerken ist ein kreativer, iterativer Prozess mit stetiger Annäherung an das Planungsziel: eine funktionierende Immobilie. Dieser Prozess ist geprägt durch viele unvorhersehbare Objekteigenschaften, die im Zuge des Planungsprozesses erst entstehen bzw. erarbeitet werden müssen. Die traditionelle Herangehensweise an Planungsprojekte mit mehrseitigen Terminplänen für die Planung, dem gegenseitigen Warten auf die 100-prozentige Lösung sowie das fehlende Verständnis für den Gesamtprozess und die Arbeitspakete der anderen Fachbereiche, ist hier daher nicht zielführend. Sie gleicht dem Wasserfallmodell, das einem vorher festgelegten starren Ablauf folgt und bei der dynamischen Umgebung der Bauplanung schnell an seine Grenzen stößt. Agile Design Management – ein neuer Ansatz für die Planung – hilft, diesen Herausforderungen erfolgreich

zu begegnen. Die Vorgehensweise basiert auf Erkenntnissen aus der Softwareentwicklung und stellt Agilität und Flexibilität der Prozesse in den Mittelpunkt. Durch die Adaption der in der Softwareentwicklung üblichen Scrum-Methode auf Planungsprozesse werden so in kurzen Iterationszyklen bessere Ergebnisse und Detailorganisation erzielt. Eigenverantwortliche Teams kommunizieren strukturiert und bearbeiten Aufgaben ohne permanente Störungseinflüsse, trotz gewahrter Reaktionsfähigkeit auf dynamische Einflüsse. Im Ergebnis wird mehr Transparenz und somit Verständnis für den Prozess auf allen Hierarchieebenen geschaffen, Pläne werden termingerecht in der richtigen Qualität erstellt und Probleme werden frühzeitig erkannt und können mit ausreichendem Vorlauf gelöst werden. Überdimensionierung, unklare Prozesse, unkoordinierte Schnittstellen und unnötige Puffer gehören der

Vergangenheit an. Die Methode empfiehlt sich insbesondere bei komplexen Bauprojekten mit vielen Teilaufgaben und Beteiligten, da Projekte dadurch für jeden plakativ und strukturiert dargestellt werden. Hand in Hand mit dem Agilen Design Management geht das sogenannte Target Value Design (TVD). Mithilfe des TVD definieren die Lean-Manager in einer frühen Planungsphase das Gebäude und den damit verbundenen Wert (Value) mit dem Bauherrn. Dabei werden die Kosten und Termine nicht wie üblich punktuell am Ende der einzelnen Leistungsphasen erarbeitet, sondern innerhalb der Projektphasen iterativ ermittelt und optimiert. Es erfolgt somit eine laufende Rückkopplung der Kosten zur Planung und zum Wert des Gebäudes. Die Ziele, Qualitätsanforderungen und Restriktionen bezüglich der Termine und Kosten werden dabei gemeinsam mit dem Kunden definiert und bearbeitet. Das Ergebnis: nicht nur eine bessere Kosten- und Terminkontrolle, sondern eine ständige Verbesserung durch Produkt- und Prozessoptimierung mit gleichzeitigem Erhalt der Funktionalität. Dass diese Vorteile durchaus realistisch sind, zeigen die mithilfe von Target Value Design bereits umgesetzten Projekte – denn 83 Prozent dieser haben die gesetzten Zielkosten erreicht. Lean Site Management

Bild 2: Der Lean-Ansatz deckt jede Phase des Projektlebenszyklus ab. © Drees & Sommer

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Sobald ein konkretes Bauvorhaben, das den Wünschen und Zielen des

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Top-Thema Bauherrn entspricht, entstanden ist, kommt in der Ausführungsphase Lean Site Management zum Einsatz. Drei zentrale Elemente schaffen dabei ein durchgängiges Prozess-System und verbinden die Planung mit der Ausführung. Die sind: Gesamtprozessanalyse, Prozessplanung und Tafelplanung. Die Einführung des Lean Site Management startet mit einer Analysephase, deren wichtiger Bestandteil eine Social Network Analysis (SNA) ist. Mit dieser werden komplexe Beziehungsund Interaktionsnetzwerke einfach dargestellt, um Kommunikationsengpässe aufzuzeigen und die richtigen Beteiligten am Lean-Prozess zu identifizieren. Im ersten Schritt gilt es daher, die Kommunikation zwischen den einzelnen Gewerken, besonders aber auch zwischen den Planern und Ingenieuren mit den Handwerkern vor Ort frühzeitig in Gang zu bringen. Dieser Abstimmungsprozess erfolgt in Workshops mit allen beteiligten Planungsdisziplinen und dem Ziel, das Bauen als Prozess in den Mittelpunkt zu stellen und ein gemeinsames Verständnis für die Prozessabläufe im jeweiligen individuellen Projekt zu schaffen. Eine optimale „Sequenz“ der Baustelle und des Gesamtablaufs hin zu einem konsistenten Ausführungskonzept stehen dabei im Mittelpunkt. Zuerst werden die Erwartungen der Teilnehmer sowie die Risiken und Besonderheiten des Projektes besprochen, visualisiert und dokumentiert. Mit der Gesamtprozessanalyse die Grundlagen schaffen Auf Basis der Social Network Analysis erfolgt eine Gesamtprozessanalyse, in der alle relevanten Beteiligten die zur Projektabwicklung erforderlichen Prozesse gemeinsam erarbeiten. Dafür wird zunächst ein Team aus Bauleitung, Planer, dem Lean Construction Manager und den ausführenden Unternehmen festgelegt. Diese arbeiten gemeinsam ein „Kochrezept“ für den Ablauf aus und legen eine Strategie fest. Der Bauprozess wird analysiert und anschließend in überschaubare Einheiten zerlegt. Das Ziel: Ein optimaler Takt, damit die Baustelle einen gleichmäßigen Prozessfluss durchläuft und alle Teilprozesse berücksichtigt sind. In dieser Phase werden Schwachstellen und Risiken des Projektes aufgedeckt.

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Dafür werden unter anderem folgende Fragen geklärt: Stimmen die Zielvorgaben? Wie ist das Projekt organisiert? Wie laufen die Genehmigungs- und Einspruchsverfahren? Daraufhin werden die Risiken priorisiert. Anschließend skizzieren alle Projektbeteiligten erste Lösungsansätze. Auf dieser Grundlage wird der Bauablauf gemeinsam erarbeitet. Die Prozessplanung als Grundstein für eine belastbare Ablaufplanung Wichtig ist, den Bauablauf optimal auszutakten. Dafür wird der Gesamtprozess in sinnvolle Teilprojekte und Arbeitspakete untergliedert. Zudem wird ein Ressourcenmanagement für das Projekt eingeführt. Anschließend folgt die Konzeption des Ablaufs mit Meilensteinen und Stabilitätskriterien. Solche Stabilitätskriterien sind beispielsweise die Fertigstellung der Ausführungsplanung (zehn Wochen vor Baustellenstart), die Werk- und Montageplanung (sechs Wochen vorher), der Beginn der Teile-Fertigung – zum Beispiel die Fensterfertigung – (vier Wochen vorher) und die Anlieferung der Bauteile (etwa eine Woche vor Baustart). Parallel zur Prozessplanung entsteht das Logistikkonzept. Die LCM-

Steuerungsbedarf. Störungen und Behinderungen der Baustellenumgebung, etwa durch Materiallieferungen, werden minimiert. Steht das grobe Konzept, werden die Schritte und Takte für die nächsten vier bis acht Monate im Detail weiter ausgearbeitet. Meilensteine, Kapazitäten und Liefertermine werden gemeinsam mit den einzelnen Gewerken vereinbart. Alle zwei bis vier Wochen stimmen alle relevanten Projektbeteiligten (Terminplaner, Bauleitung, Firmen-Projektleiter, GU-Vertreter, Bauherren-Vertreter etc.) und ausführenden Firmen die Aktivitäten der nächsten vier Monate ab. Die Prozessplanung ist der erste Schritt zu einer stabilen und belastbaren Ablaufplanung. Die Tafelplanung als visuelle Arbeitsvorbereitung

Als wichtigstes visuelles Steuerungsinstrument für die Unternehmen und die Bauleitung dient die Tafelplanung mithilfe von Steckkarten. Mit ihrer Hilfe wird der Bauablauf für die kommenden vier Wochen im Voraus dargestellt und tagesgenau durchgeplant. Als einfaches Tool zum Anfassen bringt die Tafelplanung alle Beteiligten auf der Baustelle dazu, sich drei bis vier Wochen im Voraus Gedanken zu machen, wie der Prozess funktionieren kann. Die einzelnen Aktivitäten, Kennzahlen und To-do-Listen, Engpasssteuerung und Logistikplanung werden so für alle offengelegt. Auf den einzelnen Karten wird die tagesaktuelle Tätigkeit des jeweiligen Bild 4: Die Kernelemente des Lean Construction Managements. Gewerkes notiert; © Drees & Sommer das heißt, es ist für jeden ablesbar, Experten ermitteln, was gegeben sein wo genau und mit welcher Arbeit das muss, damit das richtige Material in Gewerk derzeit beschäftigt ist. Zudem der richtigen Menge zum richtigen wird ersichtlich, ob es mit seinen ArZeitpunkt am richtigen Ort bereitsteht beiten im zuvor festgesetzten Zeitrah(„ziehende Baustelle“). Der Bedarf an men liegt. Insofern fungiert die LCMMitarbeitern, Material und Maschinen Methode auch als Frühwarnsystem. wird vor Ort bedarfsgerecht geplant In einem wöchentlichen Abstimund Störungen vorab ausgeschaltet. Di- mungstermin werden gemeinsam mit ese Vorgehensweise resultiert in einer der Bauüberwachung und den ausfühsicheren Abwicklung ohne erhöhten renden Unternehmen die Aktivitäten

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Top-Thema bis auf Tages- und Bereichsbasis auf der Planungstafel eingesteckt. Zusätzlich zu der wöchentlichen Abstimmung werden in einem täglichen kurzen Besprechungstermin zwischen Bauleitung und ausführenden Unternehmen die Arbeitsschritte des vergangenen und des aktuellen Tages durchgesprochen und eventuelle Anpassungen vorgenommen. Ist eine Tätigkeit in Verzug, wird dies anhand der Kärtchen kenntlich gemacht. Der Vorteil: Für alle Projektbeteiligten sind mögliche Hindernisse der kommenden Tage und Wochen visualisiert und können schnell behoben werden. Die Transparenz in diesem Netzwerk der Zusagen verpflichtet jeden Einzelnen, dazu beizutragen, dass jeder Beteiligte seine Arbeiten pünktlich und in der entsprechenden Qualität ausführen kann. Die Qualität der Arbeiten wird täglich kurz geprüft, bevor die Tätigkeitskarte „auf grün“ gedreht – und als erfolgreich bewältigt erklärt wird. Richtig und konsequent angewendet steigert Lean Construction so die Effizienz im Projekt über die gesamte Wertschöpfungskette: Kommunikation, Prozesse und Qualität verbessern sich, Risiken und Kollisionen werden rechtzeitig identifiziert und vermieden, das Projekt läuft stabil und transparent ab und die Prozesse werden um bis zu 30 Prozent beschleunigt. Menschen im Mittelpunkt Unabhängig davon, ob ein Bauherr sich für die agilen Ansätze in der Planungsphase oder die Lean-Methoden in der Ausführungsphase entscheidet, wichtig ist: Im Mittelpunkt sollte bei der geplanten Veränderung immer der Mensch stehen. Denn Lean bedeutet auch einen Veränderungsprozess, der nicht nur das Projekt betrifft. Die Denkweise, die Kommunikationsstrategie und die Hierarchien übergreifende Vernetzung von Lean Construction müssen von allen am Bauprozess beteiligten Personen gewünscht und gelebt werden. Sie müssen einen Sinn in ihrem Handeln sehen und dieses an ein Ziel, eine Vision rückbinden können. Die Einführung von Lean Construction in Projekten und Unternehmen sollte daher immer auch als Changemanagement-Prozess verstanden werden.

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Soll das Changemanagement erfolgreich verlaufen, gilt es daher, alle Beteiligten eines Projekts gleichermaßen im Umgang mit Lean Construction Management zu befähigen, den Bauherrn ebenso wie das Projektmanagement, die Bauleitung und sämtliche beteiligten Unternehmen. Dies erfordert unter anderem offene, transparente und vor allem frühzeitige Kommunikation, konstruktiven Umgang mit Widerstand und Befähigung der Mitarbeiter auf breiter Basis. Zudem ist es wichtig, den Beteiligten aufzuzeigen, dass Lean Construction das wertvolle Wissen der Firmen und die bisherige Arbeitsweise der Beteiligten nicht umkrempelt, sondern honoriert und ihnen neue Methoden und Tools an die Hand gibt. Gelingt dies, braucht es viel weniger Anstrengungen und Ressourcen zur Motivation von Mitarbeitern, da diese aus eigener Überzeugung zur Erreichung der Vision und erfolgreichen Projektrealisierung beitragen. Autoren: Marc Guido Höhne, Associate Partner und Geschäftsführer der Drees & Sommer GmbH Wien Er studierte Architektur an der TU Berlin und der Ball State University in den USA. Seit 2009 ist Marc Höhne für Drees & Sommer in Österreich tätig, wo er nach zwei Jahren Geschäftsführer wurde. Darüber hinaus engagiert er sich in den Branchenvereinen ÖGNI (Mitglied des Präsidiums), ImmQ und ULI. Seit 2015 hat Marc Höhne einen Lehrauftrag an der FH Wiener Neustadt zum Thema Bauträgerwesen. Nicht nur Wissensweitergabe als Invest in die kommende Generation, sondern auch der Innova-

Dipl.-Ing. Marc Guido Höhne Associate Partner und Geschäftsführer der Drees & Sommer GmbH Wien tionsgedanke treiben Marc Höhne an: Tools und Prozesse mit Mehrwert will er in die österreichische Bau- und Immobilienbranche bringen. Im Moment beschäftigt er sich im Projektgeschäft vor allem mit Themen der Digitalisierung, Prozessoptimierung und Nachhaltigkeit. Dirk Jannausch, Associate Partner und Leiter LCM-Expertencenter bei Drees & Sommer Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Logistik sammelte er mehr als 15 Jahre lang praktische Erfahrung in unterschiedlichen Funktionsbereichen der Logistik und im Supply-Chain-Management. Der Fokus lag dabei stets auf der Weiterentwicklung von Prozessen und Systemen. Dirk Jannausch ist ein ausgewiesener Experte in den Bereichen Auftragsabwicklung, Supply Chain und Logistik mit hohem Bezug zu IT, Produktion und Vertrieb. Seit Oktober 2010 ist er für Drees & Sommer tätig und treibt als Geschäftsführer insbesondere die Themen strategische Prozessberatung, Supply Chain Management und Projekt Management Consulting voran. Darüber hinaus verantwortet er das Drees & Sommer LCM-Expertencenter.

Dirk Jannausch Associate Partner und Leiter LCM-Expertencenter bei Drees & Sommer

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Top-Thema

Foto: STRABAG

Isabella Wagner

Stabilität und Terminsicherheit am Bau durch LEAN.Construction „Wie sollen wir das schaffen?“ ist oft der erste Gedanke bei immer kürzer ausfallenden Bauzeiten oder der fehlenden Verfügbarkeit von Nachunternehmen und Fachkräften. Um Herausforderungen wie diesen erfolgreich zu begegnen, setzt STRABAG seit einigen Jahren verstärkt auf den Denk- und Arbeitsansatz LEAN.Construction. Mit mehr als 75.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit und einer Gesamtleistung von etwa € 16 Mrd. zählt die STRABAG SE zu den führenden Technologiekonzernen für Baudienstleistungen in Europa. Abgedeckt werden sämtliche Bereiche der Bauindustrie – vom Hoch- und Ingenieur- über den Verkehrswegebau bis hin zur Fertigteilproduktion. Um optimal für die Zukunft gerüstet zu sein, verfolgt STRABAG eine Reihe innovativer Ansätze. Zu diesen zählt auch LEAN. Construction. Vor etwa zehn Jahren hat die Einführung von LEAN in Süddeutschland – in einem STRABAG Tochterunternehmen – ihren Anfang genommen: schwerpunktmäßig im Asphaltstraßeneinbau, wo ein speziell entwickeltes Tool zur Planung und Taktung des Einbauablaufs eingesetzt wurde. Da

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sich schnell die breite Methodenvielfalt im Rahmen des LEAN-Ansatzes zeigte, wird seine Verbreitung mittlerweile konzernweit forciert. Welche Stellung hat LEAN heute bei STRABAG? LEAN, aus dem Englischen übersetzt schlank, ist eine Denkhaltung, die ursprünglich aus der stationären Automobilindustrie stammt. Mithilfe des LEAN-Ansatzes lässt sich die Effizienz von Prozessen – egal, ob im Produktions-, Verwaltungs- oder Service-Bereich – erhöhen, indem versucht wird, nachhaltig alle Arten der Verschwendung ( z.B. Wartezeiten und Nacharbeit) zu vermeiden. Dadurch soll sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite die Zufriedenheit aller Prozessbeteiligten gesteigert und die maximale Wertschöpfung erreicht werden. Als Inbegriff für diesen Ansatz der kontinuierlichen Weiterentwicklung steht das Toyota-Produktionssystem mit seinen vielfältigen Methoden und Werkzeugen (z. B. 5S, Kanban), welches heute nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch in vielen anderen

Branchen weltweit verbreitet ist. Denn überall dort, wo in irgendeiner Art und Weise Produkte, Service- oder Dienstleistungen entstehen, kann LEAN die Prozessoptimierung unterstützen. Auf die Bauindustrie abgeleitet hat sich die Bezeichnung Lean Construction etabliert. Der Fokus des konzerneigenen Konzepts LEAN.Construction liegt auf der Optimierung von Bauprozessen, baunahen Arbeitsabläufen sowie einer effizienten Logistik. Aus diesem Grund hat STRABAG es sich zum Ziel gesetzt, LEAN im Denken und Handeln aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig zu verankern. Klare Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung von LEAN mit den dazugehörigen Methoden und Tools ist die Zusammenarbeit aller Prozessbeteiligten. Am Beispiel von STRABAG bedeutet das: Vom Vorarbeiter über die Bauleiterin bis hin zu Nachunternehmen und Auftraggeberseite sollten idealerweise alle LEAN verstehen, verinnerlichen und danach handeln. Ziel ist nicht primär die schnellere Umsetzung von Tätigkeiten, sondern strukturiertes und effizientes Arbeiten in bestmöglicher Qualität. Grundlage zur Verbesserung und Weiterentwicklung

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Top-Thema ist die bewusste Wahrnehmung, Analyse und systematische Optimierung von Prozessen und Arbeitsabläufen. Gemäß der LEAN-Prinzipien (siehe Faktenbox) sollen Verschwendungen, wie z. B. Wartezeiten, zu große Lagermengen, unnötige Transporte oder auch Nacharbeiten langfristig eliminiert werden. Durch die Ausrichtung der Arbeitsabläufe nach ebendiesen Prinzipien werden alle Aktivitäten, Informationen und Materialien optimal aufeinander abgestimmt. Gleichzeitig erhöht sich die Effizienz und Stabilität der Prozesse, sie werden somit „lean“, schlanker. Mit Umdenken und entsprechenden Hilfsmitteln zum Erfolg Auf Basis der LEAN-Prinzipien hat STRABAG Methoden und Tools entwickelt, um den unterschiedlichen Anforderungen innerhalb des Konzerns Folge zu leisten. Da die Gesamtleistung mehrheitlich aus Hoch- und Ingenieursowie Verkehrswegebau erwirtschaftet wird, sind die LEAN-Methoden und Werkzeuge vor allem auf diese Sparten zugeschnitten. Gegenwärtig kommt z. B. im Hochbau immer häufiger die sogenannte Taktplanung und Taktsteuerung zur Anwendung. Hierbei steht die gesamtheitliche Planung und Steuerung von Bauvorhaben im Vordergrund, die in der Abwicklung zu mehr Stabilität, Terminsicherheit und vor allem Quali-

tät führen soll. Im Sinne einer gemeinsamen schnellen Lösungsfindung bei Problemen wird auf hohe Transparenz bei der Projektabwicklung gesetzt. Das bedeutet, alle beteiligten Personen zu involvieren – im Idealfall auch Auftraggeberseite sowie Baupartnerinnen und -partner – und offen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Ausgestattet mit Post-its als Arbeitsmittel, wird bei der kooperativen Ablaufplanung (auch Pull-Planung) der Bauablauf visualisiert. Frühzeitig lassen sich so Abhängigkeiten, Schnittstellen und Optimierungspotenziale erkennen. „Ich dachte zuerst, dass ich damit noch mehr Arbeit habe“, gibt ein Konzernbauleiter ehrlich zu, „Aber schnell habe ich gemerkt, dass das Arbeiten so für alle angenehmer wird, weil es eine gemeinsam abgestimmte Struktur der Tätigkeiten gab – wer, wo, was und vor allem wann arbeitet.“ Neben der Taktplanung und Taktsteuerung gibt es aber noch eine Vielzahl anderer LEAN-Methoden und Tools, die bei der Messung, Analyse, Standardisierung und Optimierung von Prozessen zum Einsatz kommen können. Ein Gruppenleiter bringt es auf den Punkt: „LEAN ist das Sichtbarmachen, Analysieren und Verbessern von Prozessen. Nach der Analyse dürfen wir keinesfalls aufhören. Vielmehr beginnt hier die Arbeit – wir müssen unsere erkannten Verbesserungspotenziale umsetzen.“

Faktenbox: STRABAG LEAN-Prinzipien im Überblick • Fluss-/Flow-Prinzip: Ein zügiger, durchgängiger Fluss (von u. a. Material, Information) ist die Voraussetzung für stabil funktionierende Prozesse. Wesentlich dabei ist die aufeinander abgestimmte Ressourcenauslastung. • Takt-Prinzip: Regelmäßig sich wiederholende Abläufe oder Tätigkeiten werden in gleiche Zeiteinheiten unterteilt. Der Takt gibt vor, zu welchem Zeitpunkt zuvor festgelegte Mengeneinheiten erzeugt, verbraucht oder transportiert werden. • Zieh-/Pull-Prinzip: Dient der bedarfsorientierten Steuerung von Prozessen. Es werden nur so viel Material, Ressourcen oder Informationen in einen Prozess eingebracht (nach erfolgtem Impuls des vorgelagerten Prozesses), wie auch wirklich benötigt werden – zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, in der richtigen Reihenfolge. • Null-Fehler-Prinzip: Nach der LEAN-Denkweise sind Fehler Lernchancen. Durch eine offene Fehlerkultur können Fehler systematisch untersucht und dauerhaft beseitigt werden. Das Ziel ist nahezu fehlerloses Arbeiten ohne Mängel und Nacharbeit.

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Dazu gehört auch eine offene Fehlerkultur – ganz im Zeichen des NullFehler-Prinzips. Fehler, die auftreten, sind ernst zu nehmen. Das heißt, dass das Aufzeigen der Fehlerursache vor der Fehlerverursacherin/dem Fehlerverursacher steht. Nur so kann garantiert werden, dass der Fehler nicht noch einmal auftritt. Oft sind es die kleinen und scheinbar simplen Lösungen, die mithilfe von LEAN-Methoden aufgezeigt werden und damit zu Zeit-/Kosteneinsparungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette führen. Die nachhaltige Verankerung des LEAN-Ansatzes (inkl. LEAN-Methoden und Tools) innerhalb des Konzerns erfolgt in Form von Schulungen, Ausbildungen und Pilotprojekten. Somit wird auch der Erfahrungsaustausch und das „Lernen voneinander“ gefördert. Challenge accepted – LEAN mit anderen Themen vernetzen Häufig werden bereits in frühen Projektphasen die Weichen für Erfolg und Misserfolg eines Bauprojekts gestellt: Unzureichende Planungstiefe, mangelhafte Kommunikation und die fehlende Zusammenarbeit der am Prozess Beteiligten können einem reibungslosen Projektverlauf von Anfang an im Weg stehen. Für eine planbare, optimale Einteilung von Ressourcen (Mensch, Maschine und Material) wird großer Wert auf frühzeitige, kooperative Zusammenarbeit und offene Kommunikation gelegt – sowohl mit Baupartnerinnen und Baupartnern als auch innerhalb interner Abteilungen. Im Hinblick auf die steigende Komplexität von Projekten und sich ständig verändernde Rahmenbedingungen – Stichwort Digitalisierung – konzentriert sich STRABAG immer mehr darauf, Synergien zwischen LEAN und anderen Arbeitsweisen zu nutzen. Die Kombination aus LEAN.Construction und BIM 5D, einer digitalen Arbeitsmethode zur Planung, Realisierung und zum Betrieb von Bauprojekten, etwa fordert und fördert die Kommunikation und erhöht somit insgesamt den Mehrwert für das Unternehmen. Die Zusammenarbeit bereits in frühen Phasen der Planung kann Terminver-

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Top-Thema zögerungen, steigende Kosten und sinkende Qualität verhindern. „Bunte Post-its an der Wand“ = LEAN bei STRABAG? Auf die Frage, was unter dem Begriff LEAN bei STRABAG verstanden wird, werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zunächst die Denkhaltung, die LEAN-Prinzipien oder einzelne LEAN-Methoden und Tools genannt. Vor allem das "Post-It-an-die-Wand-Kleben" ist ein gern eingeworfenes Beispiel. Diese Form der Visualisierung einzelner Arbeitsschritte in einem Team stellt nicht nur Zusammenhänge her und zeigt Schnittstellen auf, sie schafft und erhöht auch Vertrauen und Transparenz zwischen den Prozessbeteiligten. Ob bei der Analyse von Prozessen oder der Planung und Steuerung von Bauvorhaben: Visualisierungen tragen erheblich dazu bei, Abfolgen, Zusammenhänge und Herausforderungen für alle Teambeteiligten erkennbar zu machen. Entsprechend können frühzeitig

E nt s cheidu ngen getroffen und erforderliche Maßnahmen definiert werden. Eine gute Qualität der Zusammenarbeit ist die Folge. Eine systematische Visualisierung von Zielen (Jahresziele, Erfüllungsgrad und Ergebnisse), Daten, Ideen sowie Verbesserungspotenzialen fördert eine transparente, geordnete und strukturierte Arbeitsweise. Je umfassender die LEAN-Denkweise von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verinnerlicht wird, desto größer ist der Erfolg. Diese Kultur der kontinuierlichen Weiterentwicklung unserer Arbeit wollen wir bei STRABAG leben, um durch die damit verbundene Effizienzsteigerung auf allen Ebenen optimal für die Zukunft gerüstet zu sein.

Isabella Wagner, MA Prozessberaterin und LEAN-Expertin Bau Prozess Management – LEAN Construction STRABAG AG Autorin: Isabella Wagner, MA, ist seit 2016 Prozessberaterin und LEAN-Expertin bei STRABAG. Sie ist maßgeblich für die LEAN-Implementierung innerhalb verschiedener Konzernsegmente verantwortlich. Im Zuge dessen koordiniert sie LEAN-Ausbildungsprogramme und ist Trainerin für einzelne Schulungen. Seit Februar 2019 arbeitet sie zusätzlich beim Hochgeschwindigkeits-Bahnstreckenprojekt HS2 in Großbritannien als Project Improvement Managerin.

WING-REGIONAL

Michael Kaiser

WING-Regionalkreis Wien, NÖ, Bgld Veranstaltung 13.03.2019 - Fachvortrag "Digital Austria"

I

n der letzten Veranstaltung des Regionalkreises Wien, Niederösterreich und Burgenland hatten wir unseren Kollegen Dipl.-Ing. Martin Atassi, MBA aus dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zu Gast. Praktisch am Vorabend der offiziellen Veröffentlichung bekamen wir einen tollen Einblick in das Projekt oesterreich.gv.at und das Digitale Amt und die Vorhaben der Österreichischen Bundesregierung in diesem Bereich. So konnten wir uns zum Beispiel davon überzeugen, dass (Um-)Meldeprozesse in Zukunft effizient abgewickelt

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und die Beantragung von Wahlkarten mit ganzen 6 Klicks bewerkstelligt werden kann. Die Hürden ein solches Mammutprojekt auf die Beine zu stellen und auch abzuwickeln wurde durch Hrn. Atassi mit lebhaften Beispielen unterlegt und diese brachten die rund 25 Besucher_innen mehrmals zum Schmunzeln. Spaß beiseite, die Überarbeitung und Novellierung unzähliger Gesetze und Regelungen beschäftigte die Juristen im Innen- wie Justizministerium Tag und Nacht. Aktuelle politische Feedbacks zu der neuen App zeigen

aber auch, wie sensibel mit der Thematik umgegangen werden muss. Die persönlichen Erfahrungen von Martin Atassi aus einem börsennotierten Unternehmen in das Kabinett der Bundesministerin zu wechseln rundeten einen gelungenen Abend ab. Michael Kaiser, Leiter Regionalkreis Wien, NÖ, Bgld P.S. Bleibt zu hoffen, dass auch zukünftige Bundesregierungen ähnlich wichtige Projekte vorantreiben und Verwaltungprozesse digitalisieren.

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Top-Thema

Foto: TU Graz

Gottfried Mauerhofer, Bernhard Ortbauer, Kurt Philipp Rockenbauer

Lean Baumanagement in der Lehre an der TU Graz Auch wenn Ansätze von Taktplanung oder die Elimination von Verschwendung an sich nicht völlig neu sind, hat sich das Thema Lean Management im Bauwesen in den letzten Jahren von einem exotischen Randthema, das nur wenigen Eingeweihten wirklich vertraut war, zu einem rasch um sich greifenden Trend entwickelt, der auf dem besten Weg ist, die Bauprojektabwicklung grundlegend zu verändern. Nachdem Building Information Modelling (BIM) nunmehr im Bau-Mainstream verankert ist, macht sich mit Lean Management die nächste Innovation daran, in einer lange Zeit eher wenig innovativen Branche nachhaltig Fuß zu fassen. In einem lebendigen Themenfeld wie dem Lean Baumanagement sollten sich Forschung, Praxis und Lehre im besten Fall gegenseitig ergänzen und befruchten. Auch wenn Lean Management in der Forschung schon länger sehr präsent war, steigt mit dessen Relevanz in der Baupraxis nunmehr auch der Bedarf an Fachkräften, die mit der Lean-Denkweise vertraut sind. Ein Umstand, dem die universitäre Lehre in gesteigertem Maß Rechnung tragen wird müssen.

Lean Management im Masterstudium WirtschaftsingenieurwesenBauwesen Am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft (iBBW) – Arbeitsbereich Baumanagement – der TU Graz hat sich das Lean Management schrittweise einen immer höheren Stellenwert im Lehrangebot erarbeitet. Der Fokus liegt dabei ganz allgemein auf der Einführung in die Lean-Denkweise und dem Mehrwert, den ihre Implementierung in der Bauwirtschaft schaffen kann. Bereits vor einigen Jahren wurden die ersten Masterarbeiten zu dem damals noch völlig neuen Thema vergeben. Als besonders fruchtbar erwies sich dabei die Zusammenarbeit zwischen dem Fachbereich Baumanagement und einem führenden Unternehmen der österreichischen Bauindustrie. Es ent-

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wickelte sich eine strategische Zusammenarbeit, die für beide Seiten bisher äußerst vielversprechend verläuft. Im Rahmen der zahlreichen bisher bearbeiteten oder in Bearbeitung befindlichen Forschungs- und Masterarbeiten wurde etwa ein Simulationsmodell entwickelt, welches konzernintern verwendet wird, um den Mitarbeitern Lean Management auf der Baustelle näherzubringen und die Akzeptanz dafür zu steigern. Dem Beispiel der Bauindustrie folgend, wurde Lean Management vor zwei Jahren ebenfalls in Form eines Workshops in die Lehrveranstaltungen des Fachbereichs Baumanagement integriert. Im Wahlfach „Ausgewählte Kapitel Baumanagement“ werden Ansätze des Prozessmanagements in und um Bauunternehmen thematisiert. Das bestehende inhaltliche Angebot,

welches Qualitäts-, Umwelt- und Gesundheitsmanagementsysteme umfasste, wurde um einen intensiven zweitägigen Workshop erweitert, der den Studentinnen und Studenten neben theoretischen Impulsvorträgen die Möglichkeit eröffnet, die Grundlagen des Lean Managements in einer praxiserprobten Simulation direkt anzuwenden. Sowohl bei den Vortragenden aus der Bauwirtschaft als auch bei den Studenten war das Feedback so positiv, dass die zwei Tage fest in den Stundenplan des Seminars aufgenommen wurden. Mit dem Wintersemester 2018/19 wurden Inhalte des Lean Managements schließlich auch in die Pflichtlehrveranstaltung „Bauprojektmanagement 1“ integriert. Damit wird sichergestellt, dass sich jede Studentin und jeder Student des Masterstudiums Wirtschaftsingenieurwesen-Bauwesen

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Top-Thema

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KVP

wird und über die enge Kooperation mit Zyklus (Plan-Do-Check-Act) aufbauen der Bauwirtschaft entstand, beinhaltet und somit den kontinuierlichen Vergleich zwei spielerische Simulationen, besserungsprozess verinnerlicht haben, die mit einfachen sind auch sie sehr eng mit der LeanLego-Bausteinen ar- Denkweise verbunden. beiten. Bereits an Lean-Exzellenz: Immerhin 5-10 Absolsehr einfachen Mo- ventinnen und Absolventen pro Jahr dellen können die beschäftigen sich mit Spezialthemen Studierenden erle- des Lean Baumanagements in ihrer ben, wie die schritt- Masterarbeit. Die meisten von ihnen weise Einführung verknüpfen ihre Forschung mit einem der Lean-Prinzipien mehrmonatigen Baustellen-Praktikum. der Zusammenar- Diese Gruppe an Studierenden setzt beit im Team unter sich im Zuge der Masterarbeit in der Zeitdruck zu Gute Regel so intensiv mit Lean Managekommt. Die zweite ment auseinander, dass sie danach über Simulation, in der gefragtes Expertenwissen verfügen und wieder mit Legostei- ihre Fähigkeiten problemlos in einem Abb. 1: Studierende diskutieren im Rahmen des LEAN-Worknen operiert wird, breiten Feld anwenden können. Zudem shops ihre Planung; Foto: iBBW TU Graz verlagert das Gesche- bearbeiten sie gemeinsam mit ihren Behen auf eine fiktive treuern innovative Themenfelder, die Aktuell kann die Ausbildung zu- Baustelle. Ein Modellhäuschen ist von gleichzeitig zur laufenden Evaluierung künftiger Lean-Fachkräfte am Fach- verschiedenen Gruppen, die verschie- und kontinuierlichen Verbesserung in bereich Baumanagement des iBBW dene Gewerke symbolisieren, nach der Lehre von Lean Baumanagement demnach als dreistufiges Modell gese- vorgegebenen Plänen zu errichten. Die an der TU Graz beitragen. hen werden (vgl. Abb 2). Im Folgenden Studentinnen und Studenten lernen in seien die einzelnen Stufen bis zur Lean- diesem Szenario sowohl die Arbeit in Berufsbegleitender UniversitätslehrExzellenz kurz dargelegt: vorgegebenen Takten kennen als auch gang Lean Baumanagement Grundlagen: Den Anforderungen der die vorausschauende Planung mit HaftBauwirtschaft entsprechend werden notizen, wie sie auch auf Baustellen im Durch die enge Kooperation des Instialle Absolventinnen und Absolventen sogenannten Big Room durchgeführt tuts für Baubetrieb und Bauwirtschaft, zukünftig mit grundlegendem Basis- wird. Weitere Inhalte des Seminars be- Arbeitsbereich Baumanagement, mit wissen zu Lean Baumanagement ausge- fassen sich mit Prozessmanagement im Partnern aus der Wirtschaft wurde stattet sein. Im Rahmen der Vorlesung „Bauprojektmanagement 1“ werden die Studentinnen und Studenten für 3-sTUFIGES MODELL die Lean-Denkweise sensibilisiert. Als LEAN IM MASTER wIRTSCHAFTSINGENIEURWESEN – BAUWESEN Grundprinzipien werden die Eliminierung von Verschwendung, das FlussPrinzip, das Pull-Prinzip, die resultieANFORDERUNGEN output rende Erhöhung der Wertschöpfung und ganz zentral der kontinuierliche MasterLEAN-EXZELLENZ 5-10 Studenten/jahr Verbesserungsprozess (KVP) behandelt arbeiten und mit den Studierenden diskutiert. & Praktika Als konkrete Anwendungen in der Bauwirtschaft werden die am weitesten AKBM: buf 2: verbreiteten Instrumente der TaktplaGEHOBENE 2-tägiger vorträge 30-40 std./jahr nung und Taktsteuerung sowie das Lean-intensiv- aus der ANSPRÜCHE workshop wirtschaft Last Planner® System vorgestellt. Gehobene Ansprüche: Vertiefende Einblicke in Lean Baumanagement und verwandte Themen können in den PFLICHT/ BPM 1: Grundbegriffe >70 std./jahr vorlesung GRUNDLAGEN Wahlfächern „Ausgewählte Kapitel Baumanagement“ (AK BM) und „Bauunternehmensführung 2“ gewonnen werden. In AK BM werden die Studen- Abb. 2: Das dreistufige Modell zur Integration von Lean-Inhalten in die Lehre des Artinnen und Studenten erstmals in prak- beitsbereichs Baumanagement im Masterstudium Wirtschaftsingenieurwesen-Bauwesen tischen Anwendungssituationen mit der TU Graz dem Lean-Gedanken konfrontiert. Der intensive zweitägige Workshop, der im Bauwesen. Da moderne Qualitätsma- der hohe Bedarf an Führungskräften Rahmen dieses Seminars angeboten nagementnormen alle auf dem PDCA- mit Fachwissen auf der Stufe LeanKVP

zumindest einmal mit den Grundbegriffen der Lean-Denkweise auseinandergesetzt hat.

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Top-Thema Exzellenz ersichtlich. Daher will die TU Graz in diesem Bereich neue Wege gehen und als erste Universität im deutschsprachigen Raum ein eigenes berufsbegleitendes Studium im Bereich des bauspezifischen Lean Managements schaffen. Der Universitätslehrgang „Lean Baumanagement“, der mit dem Titel „Master of Engineering“ abgeschlossen wird, richtet sich an Berufstätige in Führungspositionen aus der gesamten Bauwirtschaft mit theoretischen und praktischen Vorkenntnissen. In diesem Studium wird gezeigt, wie aus den theoretischen Grundsätzen von Lean Production, der Basis der Produktionssysteme zahlreicher stationärer Industrien, konkrete Methoden und Werkzeuge für die Abwicklung von Bauprojekten abgeleitet werden können, um schlanke Planungs- und Bauprozesse zu ermöglichen. Die Lehrveranstaltungen dieses Universitätslehrganges sind in sieben verschiedene Module aufgeteilt. Der Fokus liegt auf der Vermittlung der Anwendung von Lean Management in Bauprojekten anhand praktischer Beispiele und Simulationen. Die Studierenden werden mit zunehmend detaillierteren Informationen an die bauspezifischen Fachgebiete LEAN Design und LEAN Construction bis hin zu der Entwicklung eigenständiger Bauproduktionssysteme herangeführt. Grundlagen der praktischen Anwendungen sind modulare Systeme aus Legosteinen oder Simulationsmodelle, die in Kooperation mit Wirtschaftspartnern entwickelt

gelernten Methoden und Werkzeuge tatsächlich Anwendung finden. Der zweite Schwerpunkt des Lehrgangs, neben Lean Management, ist das Bauprojektmanagement, das sowohl ein realitätsnahes, praxisbezogenes Bild des Ist-Zustands dieses Bereichs wie auch innovative und vertiefende Ansätze liefern soll. Ziel dieses Moduls ist das Verstehen der Besonderheiten des Projektmanagements im Bauwesen sowie ein ganzheitliches Verständnis des Prozesses der Erstellung eines Bauwerks. Mit dem engen Einbezug des Building Information Modelling wird eine Brücke zu dem zweiten großen Innovationsthema des Bauwesens geschlagen. Durch die gemeinsame Anwendung von BIM und Lean Management werden die Synergien der beiden Fachgebiete und der Mehrwert einer modernen Planungs- und Bauabwicklung verdeutlicht. Der Universitätslehrgang will, neben den erwähnten Schwerpunkten, den Studierenden auch erweiterte Kompetenzen näher bringen. So werden weitere Themen in den Bereichen der Baubetriebswirtschaft, des lebenszyklusorientierten Bauens, der Kommunikation und der Konfliktlösung gesetzt. Damit soll für die Studierenden eine ganzheitliche Betrachtung der Planungs- und Bauabwicklung durch das Verständnis kaufmännischer Aspekte sowie von Nachhaltigkeit und Umgang mit anderen Projektbeteiligten garantiert werden. Mit dem Erreichen des Mastergrades und damit dem Erreichen der Stufe Lean-Exzellenz sind die Absolventinnen und Absolventen in der Lage moderne, projektspezifische Managementmethoden und Werkzeuge einzuführen. Besonderen Wert wird dabei auf ein ausgeglichenes Verhältnis in der Lehre zwischen universitärem Fachwissen und praxisbezogenem Know-How aus der Bauwirtschaft Abbildung 3 Logo des neuen Masterlehrgangs Lean Baumagelegt. Deswegen wirnagement der TU Graz ken neben Professoren wurden. Den Abschluss des Moduls renommierter Universitäten auch zahlbildet der Besuch von Planungspro- reiche Spezialisten aus allen Feldern jekten und Baustellen, auf denen die der Bauwirtschaft an diesem Univer-

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sitätslehrgang mit. Trotz des großen Interesses an dem viersemestrigen Universitätslehrgang wird die Anzahl der Studierenden bewusst auf 20 Studierende begrenzt, um ein gutes Betreuungsverhältnis zu gewährleisten und den hohen Qualitätsansprüchen an das Lean Management Genüge zu tun. Die Lehrveranstaltungen des Universitätslehrgangs werden, damit die Vereinbarkeit von Beruf und Studium gegeben ist, geblockt. Der erste Jahrgang startet bereits im Wintersemester 2019/2020. Das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft / Arbeitsbereich Baumanagement will – sowohl im Masterstudium „Wirtschaftsingenieurwesen-Bauwesen“ als auch im zukünftigen berufsbegleitenden Universitätslehrgang „Lean Baumanagement“ – den per Definition ganzheitlichen Ansatz des Lean Managements, der alle Phasen eines Bauvorhabens einzuschließen versucht, den Studierenden praxisnah vermitteln. Da die Lehrinhalte bisher eng mit der konkreten Ausführung auf der Baustelle verknüpft sind und vornehmlich im Rahmen von Masterarbeiten bereits weiterführende Einsatzmöglichkeiten, etwa in Form des Lean Design Managements, behandelt werden, besteht eine wichtige zukünftige Aufgabe der Weiterentwicklung der Lehre von Lean-Baumanagement darin, den ganzen Lebenszyklus von Bauvorhaben stärker für die Etablierung neuer Lean-Methoden zu öffnen. Einerseits ist daher das Ziel, das Masterstudium „Wirtschaftsingenieurwesen-Bauwesen“ und dessen Studierende noch stärker an LeanInhalte heranzuführen. Andererseits sollen durch den Universitätslehrgang „LEAN Baumanagement“ auch Teile der heutigen Führungskräfte von Unternehmen der Baubranche zu Innovationsträgern und Experten im Bereich von modernen Bauplanungs- und Bauabwicklungssystemen werden. Autoren: Univ.-Prof. Mag. DDipl.-Ing. Dr.techn. Gottfried Mauerhofer studierte Bauingenieurwesen und Wirtschaftsingenieurwesen Bau an der TU Graz sowie Betriebswirtschaftslehre. Er promovierte an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck und ist seit 2013 Professor für Baumanagement am Institut Baubetrieb und Bauwirtschaft, TU Graz.

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Top-Thema Er war langjährig in einem internationaltätigen Unternehmen in der Bauwirtschaft in leitender Position und anschlieÃ&#x;end als Geschäftsführer in der Bauunternehmensberatung tätig. In seiner Lehr- und Forschungstätigkeit verbindet er seine universitäre Ausbildung mit seiner praktischen Erfahrung. Sein Forschungsschwerpunkt liegt an der Schnittstelle zwischen Bauingenieurwesen und Betriebswirtschaftslehre. Bernhard Ortbauer M.Sc. (TUM) Bakk.rer.nat. B.Sc. studierte unter anderem Bauingenieurswesen an der TU

München. Aktuell arbeitet er als wissenschaftlicher Universitätsassistent am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der TU Graz. Dipl.-Ing. Kurt Philipp Rockenbauer studierte Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Graz. Er ist als Projektassistent am Institut für Baube-

Bernhard Ortbauer M.Sc. (TUM) Bakk. rer.nat. B.Sc wissenschaftlicher Universitätsassistent am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, TU Graz

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LEAN BAUMANAGEMENT FACTS

Univ.-Prof. Mag. DDipl.-Ing. Dr.techn. Gottfried Mauerhofer Professor für Baumanagement am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, TU Graz trieb und Bauwirtschaft an der TU Graz beschäftigt.

Dipl.-Ing. Kurt Philipp Rockenbauer Projektassistent am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, TU Graz

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-&"/ BAU ."/"(&.&/5 Technische Universität Graz, Life Long Learning, MandellstraÃ&#x;e 13/II, 8010 Graz, www.lifelonglearning.tugraz.at

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Top-Thema

Foto:@Vienzenz Swamp-Studios

Stefan Schrenk

Lean: Von der Dorftischlerei zur Akademie Im Bezirk Waidhofen an der Thaya, im nördlichen Niederösterreich unweit der tschechischen Grenze, liegt die Marktgemeinde Vitis. Für Waldviertler Verhältnisse ist der Ort mit knapp über 2.500 Einwohnern ziemlich groß und wurde bereits 30 Jahre vor der Entdeckung Amerikas erstmals urkundlich erwähnt. Die Vitiser sind typische Waldviertler; Oftmals wird dem Waldviertler nachgesagt, er sei mürrisch, schweigsam und in sich gekehrt, manchmal vergleicht man ihn ein wenig mit einem Wikinger des hohen europäischen Nordens. Kommt man mit den Leuten ins Gespräch, dann tauen die Waldviertler schnell auf, sind gesellige Menschen, aufgeschlossen und innovativ.

A

m Rand von Vitis liegt die Firma Schrenk – Holztreppen und Tü-

ren. Schrenk ist ein typisches Familienunternehmen, welches von Franz Schrenk 1977 als klassische Tischlerei gegründet wurde. Schon bald beschäftigte man sich hauptsächlich mit Treppen und Innentüren und konnte rasch, aber dennoch organisch, wachsen. Im Jahre 2009 entschied Unternehmensgründer Franz Schrenk, seinem Sohn Stefan das Ruder zu überlassen und die Geschäftsführung zu übergeben – per 1. Jänner 2010 war der Generationswechsel vollzogen und Stefan Schrenk führt seither überaus erfolgreich und höchst innovativ die Geschäfte. Stefan Schrenk ging schon immer unkonventionelle Wege: Hinterfragen, Lernen, Überlegen und Optimieren stehen bei ihm an der Tagesordnung. Das fällt bei jedem Gespräch auf, niemals wird es langweilig. Er hat für sich selbst den Anspruch definiert, Treppen und Türen termingerecht, ressourcenschonend und mit geringer Durchlauf-

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zeit herzustellen, weitere Projekte zu entwickeln und in die Tat umzusetzen – immer mit dem Auftrag zu lernen, über den Tellerrand zu sehen und die gewonnenen Erfahrungen wieder einzusetzen. Auch im Sport. Stefan Schrenk ist begeisterter Rennradfahrer. Er liebt das Erlebnis in der Natur, abzuschalten und relativ schnell woanders sein zu können. Nach eigener Aussage schätzt er aber auch das stete Treten der Pedale, er komme in einen Trancezustand, der seinen Kopf für Ideen frei macht. Wenn einer sich jetzt denkt, er radelt einfach in den überaus hügeligen Gefilden des Waldviertels herum, der hat einerseits recht, irrt aber auch gewaltig; Stefan nimmt mit seinem Team an den härtesten Ultra-Radrennen der Welt teil. Gemeinsam waren sie zweimal beim Race Around Austria im Ziel und belegten letztes Jahr beim Race Around Ireland den dritten Gesamtrang. Auf der Ultradistanz sind hier mehr als 2.200 Kilometer und mehr als 22.000 Höhenmeter zu überwinden – die

Durchlaufzeit betrug 4 Tage, 14 Stunden und 24 Minuten. Diese Extremanforderung ist nicht nur eine körperliche, sondern auch eine prozessanalytische Meisterleistung – Stefan radelt und 9 Personen betreuen ihn 24 Stunden am Tag, auf engstem Raum, auf fast alle Eventualitäten vorbereitet – jeder Handgriff ist geplant, „Zeit ist Geld“ – oder in diesem Fall: „Zeit ist Zeit“. Dennoch muss ressourcenschonend, nachhaltig und „mit möglichst geringer Durchlaufzeit“ gearbeitet werden. Das richtige Team ist im Sport sowie im Unternehmen der entscheidende Erfolgsfaktor Bei Schrenk wird in allen Aktivitäten im Unternehmen ein KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) angewandt, das Credo lautet „deshalb reden wir drüber“. Mit der starken Einbindung der Mitarbeiter, die ja in der ersten Reihe stehen und Herausforderungen am schnellsten erkennen, wird die Qualität verbessert. Aber nicht nur die Qualität des Endproduktes, sondern

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Top-Thema

Abb. 1: Planspiel

auch die Qualität der Arbeitsabläufe, der Unternehmensprozesse, bis hin zur Qualität und Stabilität der Marke Schrenk. Über die Zeit hat sich der Fokus in der Firma verschoben. Der klassische monetäre Erfolg, oder das Wachstum der Gesellschaft, rückte von ganz oben in einen untergeordneten Rang. Man hat Agilität, Wandlungs- und Lernfähigkeit in den Fokus gerückt und die Organisation darauf ausgerichtet. So hat sich das Unternehmen in eine Richtung entwickelt, die als Nebenprodukt Kostenverringerung und Ressourcenfreisetzung generiert hat. Synergien wurden nicht nur entdeckt, sondern auch genutzt, die Mitarbeiter sind motivierter, zufriedener und weisen eine überaus geringe Fehlerquote auf. Sollte etwas nicht so funktionieren, wie man sich das vorstellt – dann redet man drüber und findet eine bessere, einfachere, schnellere, oft eine überaus kreative Lösung. All diese Effekte kann man in der klassischen Betriebswirtschaftslehre als „Lean Management“ zusammenfassen, worunter man die „effiziente Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette bei industriellen Gütern“ versteht. Wenn man in der Firma Schrenk seine Runden dreht und mit den Mitarbeitern spricht, dann kommt in jedem Satz mindestens zwei Mal das Wort Durchlaufzeit vor. Die Durchlaufzeit von Treppen, die Durchlaufzeit von Türen, die Durchlaufzeit von Rohmaterial, die Durchlaufzeit von Wandelementen, die Durchlaufzeit von Abdeckfolie etc. Was hat es mit dieser viel genannten Durchlaufzeit auf sich? Warum ist diese so im Fokus aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Unternehmens? Wes-

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halb beschäftigt sich hier jeder mit der Durchlaufzeit? Was noch auffällt, ist, dass bei den Arbeitsplätzen kein, oder kaum Material herumliegt, alles hat seinen Platz, die Hallen sind aufgeräumt, kurzum: hier ist alles ersichtlich. Man kann dem Materialfluss folgen, die Prozesse sind klar und transparent gestaltet, alle Beteiligten verstehen die Wirkungszusammenhänge – auch Besucher. Fehler treten sofort an die Oberfläche, werden unmittelbar erkannt und spätestens beim nächsten Zyklus vermieden. Somit werden keine Bestandsfehler produziert. In der Organisation gibt es eine positive Fehlerkultur, demnach werden Fehler als Chancen und Möglichkeiten genutzt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verändern selbständig den Prozess, reagieren somit agil und flexibel, dokumentieren und vermeiden so künftig die in der Vergangenheit aufgetretenen Probleme. Es gibt keinen Supervisor, der diese Aufgabe übernimmt, das Team ist vollkommen eigenverantwortlich. Bei Schrenk ist man sich sicher, dass durch diesen Ansatz, in Verbindung mit dem richtigen Wertesystem und einer entsprechenden Haltung und Einstellung aller – von der Empfangsdame, über den Monteur, bis hin zum Chef – genau diese überaus positiven Effekte entstehen können. Gepaart mit viel Geduld, Hingabe und Ausdauer. Als konkretes Beispiel kann die Treppenproduktion herangezogen werden: So betrug die Durchlaufzeit von einer Standardholztreppe in der traditionellen Fertigung und Prozesssichtweise rund 8 Wochen. Jetzt, ohne zusätzlichen technischen bzw. maschinellen Aufwand, auf rund einem Drittel der früheren Produktionsfläche, bei verbesserter Qualität und mit Fokus auf Lean Management, beträgt die Durchlaufzeit einer gleichen Standardholztreppe genau 8 Stunden. Durchlaufzeit einer Treppe von 8 Wochen auf 8 Stunden reduziert In klassischer Betrachtungsweise könnte man jetzt meinen, dass aufgrund der freigewordenen Ressourcen Mitarbeiter freigesetzt werden, doch nicht bei Schrenk – hier steht die Zufriedenheit des Mitarbeiters im Fokus. Jede und jeder zählt zum Team und so hat man sich neue Herausforderungen

gesucht. Raus aus der optimierten Werkshalle, rein in die zu optimierende Baustellenwelt. Die erste Herausforderung war der Innenausbau von 22 Hotelzimmern – vom Rohbau bis hin zum bezugsfertigen und vollkommen eingerichteten Raum, mit 20 Handwerkern von 6 verschiedenen Gewerken und Firmen, statt in 9 Wochen termingerecht in 15 Arbeitstagen. Dieses überaus ambitionierte Ziel wurde mit einer grundlegend veränderten Herangehensweise erreicht. So wurden vom Projektstart an alle auf der Baustelle wirkenden Arbeiter in die Entwicklung der Arbeitsprozesse eingebunden. So wurde gemeinsam ein minutengenau getakteter Arbeitsplan entwickelt sowie Logistik und wertschöpfende Tätigkeiten getrennt. Daraus entstand ein eigenes Logistikteam, welches die Bereitstellung der richtigen Materialen für alle Gewerke zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zur Aufgabe hatte. Hierfür wurden eigene Logistikwägen, die ergonomisch und mit wenig körperlichem Kraftaufwand auf der Baustelle bewegt werden können, entwickelt. Baulogistik wie ein Boxenstopp der Formel 1 Die veränderte Herangehensweise und die damit einhergehende Einbeziehung der Mitarbeiter hat ein gemeinsames Verständnis für die gesamte Aufgabe und nicht nur für den eigenen Aufgabenbereich geschaffen – so konnte das Ziel sauber und effektiv erreicht werden. Das Ergebnis ist auf einem eindrucksvollen Video auf der Homepage der Firma Schrenk – www.schrenk.co.at – ersichtlich. Mit den gewonnenen Erfahrungen aus der Baustellenoptimierung, dem Wissen aus der Optimierung der Prozesse in den Werkshallen und der ständigen Verbesserung durch Feedbackschleifen, ging die Firma Schrenk einen weiteren, innovativen Schritt: Man hat mit der „Lean Works GmbH“ ein eigenes Unternehmen gegründet. Hier werden beispielsweise Fertigungslinien für innovative Produkte unter den Prämissen der kurzen Durchlaufzeit sowie der benötigten Agilität und Wandlungsfähigkeit aufgrund von schwankenden Auslastungen bei dennoch hoher Effizienz zur Gänze von den Mitarbeitern selbst entwickelt. So wurde beispielsweise eine Fertigungsli-

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Top-Thema nie für Holzaußenwände eines modular veränderbaren Hauses entwickelt. Bei Schrenk wird eine solche Wand in nur 70 Minuten Durchlaufzeit produziert – bei mehr als 400 verschiedenen Ausführungsvarianten, bestehend aus bis zu 300 Einzelkomponenten, welche hochpräzise zusammengefügt werden müssen. Wer sich jetzt eine hochtechnologische Fertigungsanlage mit Roboter und EDV Management erwartet, der irrt. Der Fertigungsprozess wird mittels Steckkarten gesteuert, die Bewegungsabläufe, die Arbeitsvorrichtungen und Transportwagen wurden eigens für diese Linie entwickelt. Kein Handgriff ist zu viel oder zu wenig, die Arbeiten wirken eher wie ein Tanz und die Choreografie ist bestens einstudiert. Mittels KVP und der positiven Fehlerkultur werden die Fertigungslinien täglich weiterentwickelt und können aufgrund der hohen Flexibilität der Mitarbeiter innerhalb kürzester Zeit an neue Anforderungen angepasst werden. So können, wie schon erwähnt, Fehler im nächsten Zyklus vermieden werden. Als Zuschauer hat man das Gefühl, dass neben dem einstudierten Tanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Material fließend zum fertigen Produkt wird. Doch damit nicht genug. Das Team der Firma Schrenk hat den gesamten Prozess im Auge und hat somit neben der Herstellung auch die Montage der Außenwände analysiert, um noch gezielter, besser, kreativer und schneller arbeiten zu können. Aufgrund dieser Tatsache wurde auch die Montage des gesamten Hauses optimiert, angelehnt

an die Erfahrungen des Hotelzimmerausbaus. So konnte ein Plan entwickelt werden, der es zulässt, dass eine 5-köpfige Mannschaft ein solches Haus – von der „grünen Wiese“ bis zum Einzug – in 5 Tagen montiert und komplett einrichtet, inklusive der modernsten Haustechnik. Vor einigen Tagen wurde das erste Haus eröffnet – mehr Infos auf www. zikk.at. Bei der Firma Schrenk steht der Mensch im Mittelpunkt, man hat Freude am Entwickeln und am täglichen Lernen. Man geht achtsam mit Ressourcen aller Art um und lebt eine Kultur, die es erlaubt, Fehler zu machen und daraus positive Schlüsse zu ziehen. Man hat es fertig gebracht, reaktionsschnell zu sein, qualitativ hochwertig zu arbeiten und flexible Fertigungslinien zu entwickeln, die schwankender Auslastung ohne Problem standhalten. Man hat Mitarbeiter, die verstanden haben, dass es nicht nur um Zahlen und Erfolg im eigentlichen Sinn geht, sondern vielmehr um Entfaltung, um Beteiligung und Freude am gemeinsamen Tun. Die Organisation Schrenk hat erkannt, was Lean ist – nicht nur die Werkzeugkiste mit Tools im klassischen Ansatz, sondern die Kultur, die Einstellung, der Fokus auf Menschen, die Idee und der Gedanke, gemeinsam das Bestmögliche erreichen zu können,

Stefan Schrenk Geschäftsführer Schrenk GmbH (Produktion Holztreppen und Innentüren) die Mischung aus Geduld, Fleiß, Hingabe, Scheitern, Ausdauer und Kreativität. „Wissen ist die einzige Ressource, die sich vermehrt, wenn man sie teilt.“ Dieses Zitat von Gilbert Probst hat Stefan Schrenk inspiriert, die „Schrenk Akademie“ zu gründen. Hier kann man hautnah anhand von Simulationen die Welt des Lean Management erleben und im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“. Kein Artikel dieser Welt kann beschreiben, was man in Vitis, in der Firma von Stefan Schrenk, erleben kann, denn „wir haben es geschafft von einer mechanischen Struktur zu einem lebenden Organismus zu werden. Wir sind aber noch lange nicht am Ziel und werden weiterlernen und Fehler machen!“ so der Chef im Abschlussgespräch. Autor: Stefan Schrenk, Geschäftsführer Schrenk GmbH (Produktion Holztreppen und Innentüren), 1995-2000 Ausbildung an der HTLMödling (Möbelbau und Innenraumgestaltung), 2004 Einführung Lean-Management im Unternehmen, 2008 Managementausbildung am IMC Krems, ab 2012 Ausweitung des Lean-Ansatzes auf andere Geschäftsfelder, Bau- und Sanierung Motelzimmer mit integrierter Lean-Baulogistik, Bau- und Montage von Systemhäusern, 2018 Gründung LeanWorks GmbH, 2019 Gründung ZIKK 2.0 das Plugin Haus, 2019 Gründung ACON-Schrenk LEANAkademie Fotos: (außer Titelfoto): @Schewig Fotodesign

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Top-Thema

Foto: PORR, Freimann

Thomas Baierl, Julia Angleitner, Stephan Steinberger

LEAN Digital – Kommunikation und Zusammenarbeit im digitalen Zeitalter LEAN – das Instrument zur Führung und kollaborativen Zusammenarbeit in Projekten und Organisationen I. Entwicklung der Kommunikation „Rrrrrrrrrrrriiiiiinnnng“ – der klassische Klingelton ist wohl das Einzige, das der heutigen Generation Z (Geburtsjahr zwischen 1997 und 2012) aus Zeiten des Tischapparats mit Wählscheibe bekannt ist. Mittlerweile lassen sich diese Telefone nicht einmal mehr mittels einer herkömmlichen Telefonleitung betreiben. Die jahrzehntelange Entwicklung dieser direkten Kommunikationsform mittels Sprachübertragung ist dennoch beachtlich. 1861 demonstrierte der deutsche Physiker und Erfinder Philipp Reis dem österreichischen Kaiser Franz Joseph I. in Frankfurt am Main erstmals einen Apparat zur Übertragung von Tönen und Melodien [1]. Seitdem ist viel passiert. Die Einführung der ersten GSM-Mobiltelefone in den 90er-Jahren war bahnbrechend. Plötzlich konnte man von nahezu überall auf der Welt (wenn die technischen Voraussetzungen wie Netzabdeckung gegeben waren) mit Familie, Freunden

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oder Geschäftspartnern in Verbindung treten. Die Welt der Kommunikation dreht sich seitdem ein wenig schneller. Fast gleichzeitig startete die Kommerzialisierung des World Wide Web. Damit wurde es möglich, innerhalb von wenigen Sekunden E-Mails und Anhänge rund um den Globus zu versenden. Die Korrespondenz, die bis dahin aus Papier und Briefumschlag bzw. Telefonaten und Faxen bestand, wurde revolutioniert. Eine radikale Veränderung für alle Themen, die der schriftlichen Beweisführung unterliegten. Wie haben sich diese Entwicklungen auf die Projekt- und Unternehmensorganisation ausgewirkt? Der Umfang der elektronischen Post (E-Mails) ist exponentiell gestiegen und beläuft sich mittlerweile auf unglaubliche 294 Milliarden E-Mails pro TAG! [2] Dennoch ist für unse-re Youngsters das E-Mail ein veraltetes, in die Jahre gekommenes digitales Kommunikationssystem. Diese asynchrone Art der Kommunikation und das Nichtwissen wann und ob das Gegenüber die E-Mail erhalten oder gelesen haben, ist nicht mehr

State-of-the-Art. 80 % der Generation Y und Z checken Ihre Mails nicht mehr regelmäßig. Längst haben WhatsApp, Snapchat und Instagram unsere Gesellschaft erobert und stehen an der Spitze der beliebtesten digitalen Kommunikationsformen. Hinzu kommen Millionen von Applikationen (Apps) und die Möglichkeit, für fast jeden Use-Case (Anwendung) eine eigens entwickelte Softwarelösung am Mobiltelefon zu benutzen. Egal ob es sich um Fitness, Partnersuche, oder die nächste Reiseoder Routenplanung handelt, irgendjemand hat dazu bereits eine App entwickelt. Mittlerweile stehen mehr als 2 Millionen Apps alleine im App-Store von Apple zur Verfügung. Die PORR hat 2016 begonnen, LEAN-Methoden in der Planung und Ausführung von Bauprojekten einzusetzen. Mit Erfolg! LEAN-Methoden unterstützen bei der Abwicklung von Projekten und bieten einen beachtlichen Mehrwert. Daraus haben wir unser PORR-Produktionssystem entwickelt. Seitdem ist der Einsatz dieser Methoden standardisiert. Uns ist bei

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Top-Thema dieser Entwicklung noch mehr bewusst geworden, dass die Digitalisierung der eigentliche Treiber in unserer Branche ist. Ebenso wie das Mobiltelefon unsere Art zu kommunizieren revolutioniert hat, wird Building Information Modeling (BIM) die Baubranche radikal verändern. Wir sind durch BIM be-reits jetzt in der Lage, jedes Detail eines Projekts, ähnlich wie in der Automobilbranche, zu planen und zu plausibilisieren, noch bevor das virtuelle Werk real umgesetzt wird. Daraus entwickeln sich ganz neue Möglichkeiten, z.B. mit Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR), die bereits in der Planung standardmäßig zur Anwendung kommen. Das 3D-Modell, der Output aus dem BIM-Prozess, und alle notwendigen Informationen für den Produktionsprozess stehen mittlerweile in Echtzeit auf unterschiedlichsten mobilen Endgeräten weltweit zur Verfügung. Sind wir auch in der Lage mit einer solchen Informationsdichte und Geschwindigkeit umzugehen? Können wir damit unsere Bauprojekte effizienter und reibungsloser abwickeln? II. LEAN Construction – wertschätzende Zusammenarbeit erfordert persönliche und direkte Kommunikation Bauen als komplexes System Im traditionellen Projektmanagement liegt der Schwerpunkt im Wesentlichen in der Planung und Steuerung technischer und kaufmännischer Aspekte, um einen optimalen Ablauf zu ermitteln oder Ressourcen möglichst effizient zu nutzen. So können Projektziele frist- und budgetgerecht erreicht werden [3]. Die Komplexität von Bauprojekten darf jedoch nicht nur auf bauprozesstechnische Gesichtspunkte reduziert werden [4], so trägt neben der Bauindustrie als Umfeld eines Projektes auch der soziale Aspekt, die Interaktionen der an der Umsetzung des Projektes beteiligten Individuen, wesentlich zur Komplexität von Bauvorhaben bei (siehe Abbildung 2). Bauprojekte wer-den nicht nur durch die Kompetenz einer einzigen Person realisiert. Vielmehr sind sie das Ergebnis einer kollektiven Erarbeitung von Lösungen für die aus den Anforderungen an das Bauwerk entstandenen Herausforde-

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Abbildung 2: Beispiel eines sozialen Netzwerks im Rahmen eines Projektes [3]

rungen durch eine Vielzahl an Unternehmen, Personengruppen und einzelnen Individuen. Durch den Fokus des traditionellen Projektmanagements auf technische und kaufmännische Gesichtspunkte rückten die sozialen und zwischenmenschlichen Aspekte der am Projekt beteiligten Individuen in den Hintergrund [4]. Die Forschung und Entwicklung der Methoden des LEAN Construction Managements waren anfänglich ebenso nur auf die technischen und kaufmännischen Aspekte eines Projektes fokussiert. Jedoch stieg in den letzten Jahren das Interesse an den sozialen Interaktionen und den Verhalten der AnwenderInnen, da sich zeigte, dass der Erfolg von LEAN-Methoden und die Umsetzung des „LEAN Thinking“ wesentlich vom Verhalten der anwendenden Personen abhängt. Das Last Planner® System bei PORR Das Last Planner® System (LPS) ist eine LEAN-Methode zur Planung und Steuerung eines Produktionssystems und kann sowohl in der Planung als auch in der Ausführung eingesetzt werden. Die Basis der Methode bildet

die Kenntnis über die Entscheidungsträger, das Tragen gemeinsamer Entscheidungen und Maßnahmen, aber auch die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse zur Vermeidung von jeglicher Verschwendung. Durch direkte und offene Kommunikation zwischen den „letzten Planern“ (Polier, Vorarbeiter, Obermonteur, etc.) und der Projektleitung werden Probleme gelöst, bevor sie kritisch werden. Dadurch wird ein kontinuierlicher Prozess sichergestellt. Ein offener Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen diesen Prozessverantwortlichen sowie eine kollaborative Zusammenarbeit kann jedoch nur durch die Bereitschaft zu Transparenz und Offenheit jedes Teammitgliedes ermöglicht werden. Dies erfordert die Bildung von integrativen Teams. Das LPS wird in mehreren Schritten in ein Projekt integriert. Die ersten Ebenen werden in Form von Workshops mit dem Team abgehalten. Ziel der Workshops ist die abgestimmte Zielsetzung sowie das Schaffen eines gemeinsamen Verständnisses des Bau- oder Planungsprozesses bei allen Beteiligten. Dabei wird das Projekt zuerst aus der prozessualen Sicht (Master Schedule/Gesamtprozessanalyse) betrachtet und erst im nächsten Schritt einer Zeitplanung (Phase Scheduling) unterzogen, bis dieser Plan letztlich auf eine tagesgenaue Vorschauund Produktionsplanung (Lookahead Planning und Work Plan) Stück für Stück heruntergebrochen wird. Der wesentliche Vorteil dieser Methode liegt in der Integration aller Prozessbeteiligten und dem daraus entstehenden gemeinsamen Verständnis des Projektablaufes. Ein zentraler Bestandteil des LPS ist die Produktionsevaluation und Produk-

Abbildung 3: Ebenen des Last Planner Systems [5]

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TOP-THEMA tionsplanung (PEP), welche in Form einer kurzzyklischen, meist wöchentlichen, Koordinationsbesprechung (maximal 2-3 Stunden) im Team abgehalten wird. Ziel der PEP ist es, dem Team den Projektfortschritt darzustellen, Verzögerungen festzustellen und zu kategorisieren, Risiken offenzulegen sowie Aktionen zu setzen, um Risiken zu minimieren und Verschwendung zu beseitigen. Außerdem werden die kommenden Wochen zur Ausführung vorbereitet, um Hindernisse möglichst früh transparent zu machen und um eine kontinuierliche Verbesserung zu ermöglichen. Schulterschluss Wie bereits erwähnt, ist die Kommunikation und der Erfahrungsaustausch zwischen den Teammitgliedern eines durch LEAN-Methoden unterstützten Projektes ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Anwendung des LPS. Der Aufbau eines integralen Teams beginnt bereits vor den ersten Workshops zu den Master oder Phase Schedules mit der Schulung und Befähigung der TeilnehmerInnen . Die Schulungen sind so strukturiert, dass neben den theoretischen Inhalten und den Simulationen auch ausreichend Raum für das gegenseitige Kennenlernen der Teammitglieder zur Verfügung gestellt wird. Durch den persönlichen Kontakt zwischen den Verantwortlichen entsteht eine ganz neue Art von Projektkultur. Im Mittelpunkt dieser Kultur stehen Vertrauen, Ehrlichkeit und Anerken-

Abbildung 4: Kollaborative Zusammenarbeit der letzten Planer

nung. Die Fähigkeit Probleme offenzulegen, um diese gemeinsam zu diskutieren und zu beseitigen, kommt aber meistens nicht von selbst. Das erfordert Zeit und benötigt einen neutrale Moderati-on, die auf jedes einzelne Teammitglied Rücksicht nimmt und dabei das Projektziel immer im Auge behält

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– diese Rolle übernimmt bei PORR der LEAN Construction Manager. Er steht außerhalb des Projektteams und sorgt einerseits für das Einhalten der Systematik des LPS, aber andererseits ist er auch für den offenen und wertschätzenden Umgang zwischen den Beteiligten verantwortlich. Das soll nicht bedeuten, dass der Projektleiter diese Rolle nicht einnehmen kann. Es bedeutet vielmehr, dass es Zeit und (LEAN)Erfahrung braucht, bevor diese neue Aufgabe jemandem übertragen werden kann, der einerseits Ansprechpartner für den Auftraggeber darstellt und neben der Arbeitssicherheit und Qualität auch noch die kaufmännische Gesamtverantwortung für das Projekt trägt. Über all dem steht natür-lich noch die pünktliche und mangelfreie Übergabe des Gesamtwerkes. Kurz gesagt, es braucht Zeit und die Möglichkeit für die Entwick-lung dieser Aufgaben. Für uns in der PORR hat sich gezeigt, dass die zwischenmenschliche Kommunikation im Big Room ein essenzielles Werkzeug für Planer, Ausführende und Bauherren darstellt und durch diese gezielte Abstimmung und Planung aller laufenden und kommenden Prozesse ein hohes Maß an Verbesserungspotenzial freigesetzt werden kann. Rolle des Big Rooms Die PEP-Besprechungen finden aktuell in sogenannten Big Rooms, die wir in der PORR auf jeder Baustelle einrichten, statt. Big Rooms stellen die LEANKommandozentrale direkt auf der Baustelle dar, in denen die Informationen gesammelt und mit Hilfe unterschiedlicher Werkzeuge visualisiert werden (Wandtafeln, Haftnotizen, Pläne etc.).

III. LEAN Digitalisierung – Werkzeuge und Systeme zur Digitalisierung von Methoden und Informationen Bei LEAN wird auch durch den Einsatz digitaler Instrumente das Ziel der Prozessoptimierung und Standardisierung verfolgt. Um dieses Ziel erreichen zu können, erfordert die Implementierung digitaler Werkzeuge und Systeme ein Umdenken sowie eine transparente Handhabung aller Beteiligten. Jedes Bauprojekt ist durch seine individuellen Rahmenbedingungen und Anforderungen einzigartig. Durch die Digitalisierung sind folgende Fragen projektspezifisch zu beachten: Welche Auswirkungen hat der Einsatz der digitalen Werkzeuge und Systeme auf die Kommunikation im Projekt? Trifft das Werkzeug oder das System auf Akzeptanz? Wie kann eine Begeisterung für die geplante Abwicklungsweise bei allen Beteiligten geschaffen werden? Werden abgestimmte Digitalisierungsmaßnahmen eingesetzt, bieten diese viele Optimierungspotenziale und weitreichende neue Möglichkeiten für ein Projekt. Systeme und Werkzeuge können durch das Schaffen von Struktur und Filtermöglichkeiten einen Überblick über das Projekt ermöglichen sowie Suchzeiten reduzieren. Darüber hinaus verhelfen digitale Werkzeuge und Systeme zu einem erhöhten Wissensaustausch, wodurch eine allgemeine Steigerung des Projektverständnisses erzeugt wird. Einen positiven Effekt auf den weiteren Projektablauf sowie weitere Projekte kann die Rückkoppelung erzeugen. [6] Die Digitalisierung ist ein Megatrend und soll Bestandteil jeder Firmen-

Das visuelle Management und die Nutzung von Wochentafeln und Monatsplänen ist ein wesentlicher Bestandteil eines LEAN-Systems. Der echte Mehrwert ergibt sich aber erst, wenn die Protagonisten beginnen, mit diesen Werkzeugen tatsächlich zu arbeiten und die Methodik als Instrument zur Kommunikation und Information bzw. den Big Room als Raum für Verbesserungen anerkennen. Abbildung 5: Digitales Potenzial durch Digital Lean [8]

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Top-Thema philosophie werden. [7] Eine Studie von Arthur D. Little belegt, dass zusätzlich zur Leistungssteigerung des „traditionellen“ LEAN auch durch die Digitalisierung eine Verbesserung entsteht. [8] Bei Ausführungsprojekten kann Augmented Reality (AR) und die digitale Dokumentation für Baustellenbegehungen vor oder nach einer PEP verwendet werden, um einen SOLLIST-Abgleich zu erleichtern und zu dokumentieren. Der Vorteil liegt dabei wieder in der Visualisierung und der damit eindeutigen und klaren Darstellung der zu erbringenden Wertschöpfung. In einem PEP kann sowohl bei einem Planungs- als auch bei einem Ausführungsprojekt der aktuell erfasste IST-Stand sowie offene Punkte vorausschauend (6 Wochen Vorschau) im gemeinsamen Rahmen besprochen werden. So können Risiken und Fehler gelöst und abgewendet werden. Dies ermöglicht es überdies, alle Projektbeteiligten auf den aktuellen Stand zu bringen. BIM und LEAN Construction sind maßgebend für die Bauindustrie des 21. Jahrhunderts. Durch die Projektabwicklung mit einer Kombina-tion aus beiden Methoden können Synergieeffekte wirkungsvoll genutzt werden. Dadurch wird eine Steigerung der Kosten- und Termintreue sowie eine nachhaltige Abwicklung von Bauprojekten ermöglicht. [9] Nachstehende Abbildung beschreibt und zeigt beispielhaft, wie die LEANPrinzipien anhand der Möglichkeiten von BIM umgesetzt werden können. So können durch BIM beispielsweise virtuelle Begehungen durchgeführt, oder im Modell Konsequenzen möglicher Maßnahmen in Echtzeit aufgezeigt werden. Dies erzeugt einen deutlichen Mehrwert für den Kunden, da dessen Entscheidungsfindung dadurch vereinfacht und beschleunigt wird. Der Einsatz einer Software zur Abwicklung von LEAN-PEPs bietet viele Vorteile, wie den orts- und zeitunabhängigen Zugriff auf Informationen zum Projekt oder optimale Ressourcennutzung mittels automatischer Ermittlung von Key Performance Indikatoren (KPI). Darüber hinaus bieten optimierte Besprechungsnachbereitungen wesentliche Zeiteinsparungen. Zur Abwicklung von LEAN-PEPs stehen AnwenderInnen und Anwendern mittlerweile zahlreiche Software-

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programme zur Verfügung. Die Marktanalyse [10] diverser Tools zeigt, dass es zurzeit keine Software gibt, welche in der Lage ist, alle Artefakte eines LEANProjektes mit dem Last Planner® System sowie der Taktplanung und -steuerung vollkommen abzubilden und abzuwickeln. Jedoch bieten einzelne Softwareprogramme bereits Möglichkeiten zur integrierten Erstellung und Darstellung von Meilenstein- und Phasenplänen (Phase Schedule) und von einer tagesbasierten Wochenvorschau (WV). Ebenso ist es möglich, die einzel-

Abbildung 6: Zusammenhänge von BIM und Lean Construction [10]

nen Tätigkeiten tagesbasiert zu evaluieren und Störungen bzw. Abweichungen festzuhalten bzw. KPIs automatisch zu ermitteln. Durch die Abwicklung von PEPs mithilfe einer Software wird der Big Room digital. Die Anwendung digitaler Werkzeuge und Systeme soll die Projektbeteiligten unterstützen und einen Mehrwert für sie generieren, sie kann jedoch nicht den persönlichen Austausch von Informationen und Vorleistungen, Schnittstellen oder Änderungen im Ablauf ersetzen. IV. Resümee – Sind wir digital? Die Ergebnisse und Erfahrungen der Einsätze von LEAN-Methoden auf Baustellen und in Generalplanungsprojekten zeigen, dass unser LEAN-System einen positiven Effekt auf die Abwicklungen der Bauprozesse hat. Die kurzzyklischen und effizienten Abstimmungen zwischen den Prozesseignern und den Hauptverantwortlichen tragen zu einer transparenten Darstellung der Prozesse und Terminplanung bei

und helfen bei der Optimierung des Gesamtablaufs sowie den verwendeten Ressourcen. Wir sind heute bereits in der Lage, den gesamten Herstellungsprozess bis ins letzte Detail zu planen und in einem 3D-Modell zu visualisieren. Wir können das digitale Modell aus Architektur, der technischen Gebäudeausstattung und Tragwerksplanung in einem gemeinsamen BIM-Modell zentralisieren. Zudem kann der Bauherr mittels VR-Brille in das Modell „einsteigen“ , um Varianten zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Zu jeder Zeit lassen sich die Kostenauswirkungen in Echtzeit berechnen und der Terminverlauf nachverfolgen. Was kommt als nächstes? Wir befinden uns mitten in der digitalen Transformation und werden in Kürze eine massive Beschleunigung in der Digitalisierung unserer Branche erleben. LEAN nur als eine Methode zur Abwicklung von Projekten zu betrachten, ist uns zu wenig. Um in Zeiten des digitalen Wandels mit der Geschwindigkeit der Innovation und Entwicklung Schritt halten zu können, bedarf es eines LEAN-Leadership-Modells. Dieses bietet uns die Möglichkeit, den tatsächlichen digitalen Bedarf aus der operativen Produktion in die Entwicklung neuer Prozesse und Standards zu involvieren. Ziel ist es, das Unternehmen bei der digitalen Transformation durch LEAN-Methoden zu unterstützen und dabei agile und schlanke Prozesse zu standardisieren, um für die nächsten Entwicklungsschübe anpassungs- und wandlungsfähig zu sein. Referenzen [1] 150 Jahre Telefonie in Österreich. http:// members.aon.at/indiana/telefon/125%20 Jahre%20Telefon%20in%20Oesterreich. Datum des Zugriffs 15.04.2019 [2] Statistik Portal, https://de.statista.com/ statistik /daten/studie/252278/umfrage/ prognose-zur-zahl-der-taeglich-versendeter-e-mails-weltweit/. Datum des Zugriffs 15.04.2019 [2] P. Chinowsky et al.: „Social Network Model of Construction” [3] S. Bertelesen: „Construction as a Complex System” [4] G. Hickethier et al.: „Social Network Analysis of Information Flow in an IPD Project Design Organization”

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Top-Thema [5] LCI: “Last Planner System Business Process Standard and Guidelines” [6] Goger, G.; Piskernik, M.; Urban, H.: Studie: Potenziale der Digitalisierung im Bauwesen. Empfehlungen für zukünftige Forschung und Innovationen. 2018. S. 86ff [7] Vgl. Goger, G.; Piskernik, M.; Urban, H.: Studie: Potenziale der Digitalisierung im Bauwesen. Studie. S. 14 [8] Vgl. http://www.adlittle.at. Datum des Zugriffs: 02.03.2019 [9] Vgl. https://blog.allplan.com/de/bimlean-management (Zugriff: 11.04.2019) [10] Kröger, S.: BIM und Lean Construction. Synergien zweier Methodiken. 1. Auflage. S. 61ff

Autoren: Ing. Thomas Baierl, MSc Thomas Baierl absolvierte das Studium für Wirtschaftsinformatik, ist zertifizierter Projekt-, Prozess- und

Scrum-Manager und ließ sich an der RWTH Aachen als LEAN Production Expert ausbilden. Seine mehrjährige Erfahrung mit LEAN Management bringt er erfolgreich in den LEAN-Rollout über den gesamten PORR-Konzern hinweg ein. Julia Angleitner, BSc Julia Angleitner ist Mitarbeiterin im LEAN Management der PORR Design & Engineering GmbH in Wien. Nebenbei finalisiert sie derzeit ihr Masterstudium Wirtschaftsingenieurwesen Bauwesen an der TU Graz.

Julia Angleitner, BSc Mitarbeiterin im LEAN Management der PORR Design & Engineering GmbH

Ing. Thomas Baierl, MSc Leiter LEAN Management / PORR Design & Engineering Dipl.-Ing. Stephan Steinberger, BSc Stephan Steinberger, arbeitete bereits während seiner Ausbildung zum Diplomingenieur im Bereich Bauingenieurwesen mit Vertiefung Projektmanagement im Baulabor an der FH Kärnten. Nach Abschluss seines Studiums war er als Research Assistant weiter an der FH tätig, bis er Anfang 2017 ins LEAN Management der PORR Design & Engineering GmbH in Wien eingestiegen ist.

Dipl.-Ing. Stephan Steinberger, BSc LEAN Management der PORR Design & Engineering GmbH

Call for Papers Themenschwerpunkt: "Valuation: Start-ups & Tech-Comps" in WINGbusiness 04/2019 Für die Dezember-Ausgabe laden wir Sie herzlich ein, Beiträge zum Themenschwerpunkt "Valuation: Start-ups & Tech-Comps" einzureichen. Von Interesse sind Artikel, die sich mit dem Thema der Bewertung von Unternehmen, insbesondere von Start-ups und Technologieunternehmen, beschäftigen. Von besonderem Interesse sind dabei Beiträge, die sich auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Thema auseinandersetzen, wie beispielsweise

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Untersuchungsergebnisse über die Methodenadäquanz (DCF-Modelle, Marktmodelle, Optionspreismodelle etc.), Modellierungen, die Erfassung bewertungsrelevanter Besonderheiten dieser Unternehmenstypen inkl. branchenspezifischer Besonderheiten, die Ermittlung der spezifischen Kapitalkosten sowohl auf Basis des CAPM als auch Basis von Mehr-Faktoren-Modellen sowie BuildUp Modellen etc.

Einreichung eines wissenschaftlichen Beitrags in Form eines WING-Papers mit Reviewverfahren: Die Ergebnisse des Reviewverfahrens erhalten Sie 4-8 Wochen nach der Einreichfrist. Bitte senden Sie Ihre Beiträge als PDF an office@wing-online.at. Annahmeschluss: 02.09.2019

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Top-Thema

Foto: Bernhard Schramm

Gregor Obradovic, Christoph Kovacs, Elmar Hagmann

Lean Construction im Bauunternehmen Sedlak Die Geschichte von Lean Construction ist hinlänglich bekannt – um Neulinge und Vergessende abzuholen, hier noch einmal die Kurzversion: Das Toyota-Produktionssystem wurde von US-amerikanischen Ökonomen untersucht, dokumentiert und mit dem Namen ,Lean Management‘ in verschiedene Wirtschaftszweige implementiert. Die Übertragung dieses Systems auf den Bauausführungsprozess nennt sich , Lean Construction‘. Im deutschsprachigen Raum wird meist der übergeordnete Begriff ,Lean Management im Bauwesen‘ verwendet, da Lean Construction oft unwissentlich mit einer schlanken Konstruktion verwechselt wird. Der angloamerikanische Begriff ,LEAN‘ bedeutet schlank, jedoch nicht im Sinne von dünn, sondern im Sinne von sparsam. LEAN steht im Wesentlichen für Prozessoptimierung und Maximierung des Nutzens (höchstmögliche Nutzenbringung), wobei die Erfüllung der Bedürfnisse aus der Sicht des Nutzers, Käufers oder Anwenders im Vordergrund steht. Die Vermeidung von Verschwendung in der Produktion führt bei konsequenter Anwendung zu einer besseren Qualität („subjektiver“ Kundennutzen) und zu einer effizienteren und effektiveren Produktion (=Kostensenkung). Dieser Ansatz kann ganzheitlich oder für jeden Teilbereich isoliert angewandt werden – also von der Gebäudeplanung bis zum Gebäudebetrieb.

L

Die Defizite der „konventionellen“ Bauausführung

Prozesssicherheit, hindernisfreies Arbeiten, Produktqualität, Menschlichkeit, Liefertreue und Reduzierung von Produktionszeiten und Produktionskosten sind die zentralen Aspekte des Lean Managements. Fehler sind erlaubt, müssen aber zu Maßnahmen führen, die den Prozess verbessern. Die Kultur der Lean Construction ist eng mit dem Total Quality Management, dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, Kanban, Just-in-Time oder dem Kaizen verflochten.

Der konventionelle Bauausführungsprozess ist geprägt von einer nicht zufriedenstellenden Zuverlässigkeit geprägt von kurzzyklischen, unzuverlässigen Terminzusagen. Analysen von Zeitverzögerungen im Bauwesen geben an, dass nur rund 50 % jener Aufgaben, die im Terminplan eingeplant und von den Professionisten zugesagt wurden, auch tatsächlich ausgeführt werden. Kommt es in der Ausführung aufgrund von Komplikationen oder nicht eingehaltener Terminzusagen zu einer Verlängerung, haben die nachfolgenden Gewerke weniger Zeit zur Verfügung als geplant. Es kommt zu einer Komprimierung der geplanten Arbeitszeit. Setzt sich dieser Prozess

ean Construction Management ist mehr als eine Methode – es ist ein Denkansatz, der ein Unternehmen in seiner Gesamtheit durchdringt. Bei erfolgreicher Umsetzung ergibt sich für alle Stakeholder eine Vielzahl von Vorteilen.

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unzuverlässiger Terminzusagen fort, wird der Zeitdruck – pönalisierter Fertigstellungstermine zur Folge – immer größer. Ein paralleles, gleichzeitiges Arbeiten mehrerer Gewerke wird notwendig, um die Zeitziele zu erreichen. Gegenseitige Behinderungen senken die Produktivität auf der Baustelle und erhöhen das Risiko mangelnder Qualität der Ausführung. Die anfangs proaktive Steuerung der Baustelle durch die Projektsteuerung bzw. den Bauleiter verfällt in ein passives Reagieren. Rationelle Entscheidungen mit dem Blick auf das Wesentliche werden bei stetig hohem Stresslevel schwierig. Das Resultat sind steigende Kosten, erhöhter Zeitdruck, eine Erhöhung der Fehlerhäufigkeit, Chaos und Unsicherheit auf der Baustelle.

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Top-Thema Die fünf Grundwerte von Lean Construction

tausch zwischen den Projektpartnern. Neben den Wochenplanungsbesprechungen ist der Big Room auch jener Die Ansätze von Lean Construction Ort, wo Präsentationen, kleinere Arsteuern den Nachteilen des konventio- beitsgruppenbesprechungen oder eine nellen Bauausführungsprozesses entge- gemeinsame Reflexion über den Argen und beruhen im Wesentlichen auf beitsfortschritt stattfinden. fünf Grundwerten: Ein Werkzeug ist das sogenannte ,Pull Board‘. Das Pull Board enthält Einer partnerschaftlichen ZusamInformationen über die täglichen Aufmenarbeit, dem gaben der Baustelle. Hierbei werden Fluss von Prozessen, dem die kommenden drei bis fünf Wochen Fokus auf wertschöpfende Tätig(je nach Notwendigkeit) tageweise und keiten, der danach wochenweise geplant. Der ,Pull Vermeidung von Verschwendung Plan‘ ist ein vorausschauender Blick auf jeglicher Art und einem das, was im Projekt momentan abläuft. kontinuierlichen VerbesserungsJede Woche werden Aufgaben am Pull prozess. Board, unter Verwendung individueller Haftnotizen vermerkt, nachverfolgt, Diese Werte bilden die Basis für die Ent- angepasst und als erledigt qualifiziert. wicklung aller in der Lean ConstrucDie richtige Anwendung von Werktion verwendeten Werkzeuge und Me- zeugen und Hilfsmitteln ist die Basis thoden. für eine erfolgreiche Umsetzung von Bauprojek t en mittels Lean Construction. Die Bandbreite an zur Verfügung stehenden We r k z e u g e n ist groß – von Visualisierungswerkzeugen wie der Taktsteuerungstafel bis hin zu Analysen, welche die Zuverlässigkeit von Zusagen Abbildung 1: Grundwerte Lean Construction messen oder Gründe für HinBig Room dernisse aufzeigen. Werkzeuge zur Problemanalyse, wie die 5-W-Fragetechnik, Die Zusammenarbeit aller am Bau Be- gelangen ebenfalls zur Anwendung. teiligten wird dadurch unterstützt, dass Das Ziel ist immer eine einfache, überein zentraler Ort geschaffen wird, in sichtliche und klar verständliche Dardem die Kern- und Unterstützungspro- stellungsform. Nur wenn jeder Projektzesse konzipiert, geplant und gesteuert teilnehmer die Anwendung und den werden: der Big Room. Nutzen der Werkzeuge versteht, wird Der Big Room bietet Platz und eine kooperative Zusammenarbeit mit Werkzeuge und ist eine Art Prozessleit- dem Fokus einer kontinuierlichen Versystem oder Kommandozentrale zur besserung Realität. Steuerung von Lean-Construction-Projekten. Im Big Room werden alle not- Das Last Planner System wendigen Visualisierungen dargestellt. Er ist zentraler Treffpunkt für Bespre- Das Last Planner System fußt auf der chungen, in welchen Entscheidungen Idee, den ,letzten Planer‘, also jene mit maßgebendem Einfluss auf den Pro- Gruppe von Werkunternehmern, die jektfortschritt getroffen werden. Dieser die entscheidende Ausführungsplanung zentrale, frei zugängliche Treffpunkt vornehmen, früher in den Planungsdient vor allem zum Informationsaus- prozess zu integrieren. Üblicherweise

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wird die Werk- oder Montageplanung erst kurz vor der Ausführung durch das Werkunternehmen erstellt und weicht oftmals von den Leitdetails des Architekturplaners ab. Die Gründe für die Abweichungen sind vielfältig: mangelnde Berücksichtigung der Normen und Vorschriften, mangelnde Kenntnis der Ausführungsmethoden, Materialeigenschaften sowie Systemabständen und viele mehr. Werden die letzten Planer schon am Beginn der Ausführungsplanung in die Projektstruktur eingegliedert, so können Vielfachplanungen und Schnittstellendefizite vermieden werden. Das Last Planner System verfügt auch über Methoden und Werkzeuge zur Terminplanung und Projektsteuerung sowohl in der Planungs- als auch in der Ausführungsphase. Es koordiniert und lenkt unsichere, langfristige Zusagen und sorgt für eine stabile Produktionsplanung. Die Anwendung des Last Planner Systems für eine kooperative Terminplanung ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten Lean-Construction-Methoden. Durch die Einbeziehung aller Projektbeteiligten in den Terminplanungsprozess werden Hindernisse und Schnittstellenprobleme frühzeitig erkannt und können behoben werden, bevor diese auf der Baustelle zuKomplikationen und zu Verzögerungen führen. Eine Planung in fünf Phasen, deren Detailierungsgrad zunimmt, je näher der Ausführungszeitpunkt rückt und letztendlich die Aufschlüsselung einzelner Arbeitsschritte protokolliert, sorgt für eine klar definierte Aufgabenverteilung. Die Projektbeteiligten wissen zu jedem Zeitpunkt, welche Aufgaben für jedes Gewerk zur Erledigung anstehen. Dies erleichtert die Personaleinsatzplanung jedes Nachunternehmens enorm. Stabile, fließende Arbeitsprozesse sowie ein verbessertes soziales Klima innerhalb des Projektteams sind weitere Vorteile dieses Systemansatzes. Unterschiedliche Auswertungen und Dokumentationen essentieller Aktivitäten – zum Beispiel die quantitative Erfassung der Einhaltung von Zusagen und Terminen oder die qualitative Erfassung der Hindernisse, die zur Verfehlung einer Aufgabe geführt haben – sind die Voraussetzung, um aus Fehlern zu lernen und so eine kontinuierliche Weiterentwickelung sicherzustellen. Das größte Problem während der Bauführung sind die nicht eingehal-

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Top-Thema tenen Zusagen. Empirische Untersuchungen zeigen eine Erfüllungsquote von lediglich 54 %. Mit anderen Worten: Nur jede zweite Zusage wird eingehalten. Kann diese Quote auf 80 % angehoben werden, stellt dies eine große Verbesserung im Prozess dar. Diese sehr einfachen Instrumente können im Rahmen kleiner und großer Bauaufgaben, von Unternehmen und Projektorganisationen eingesetzt werden. Mehrwert für Projektbeteiligte Die Generalsanierung des Bürogebäudes der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft in Wien, durchgeführt von der DI Wilhelm Sedlak GesmbH, wird unter Verwendung von Lean-Construction-Prinzipien abgewickelt. Die Systemanwendung sowie die Handhabung und die Zufriedenheit der Nachunternehmer wurden im Zuge einer Diplomarbeit1 erhoben, begleitet und dokumentiert. Eine Kernfrage war, ob die Projektpartner einen Mehrwert in der Verwendung von Lean Construction erkennen konnten. Diese Frage beantworteten 7 von 7 Unternehmen eindeutig: Lean Construction verbesserte den Bauablauf und den wirtschaftlichen Erfolg der Baustelle nachweislich. Die Verbesserungen sind überwiegend in den Perspektiven Zusammenarbeit, Kommunikation und Zeitersparnis zu erkennen:

für ein kollegiales Klima, löst weniger Streitthemen aus und trägt zu einem respektvollen Umgang miteinander bei. Durch das gemeinsame Baubüro werden die Kommunikationswege kurz gehalten und zeitraubender Schriftverkehr sowie lange Telefongespräche reduziert. Kurzfristig aufgetretene Fragen können sofort mit den betroffenen Personen in einem persönlichen Gespräch im Baubüro geklärt werden. Eine detaillierte Vorausplanung der Arbeitsschritte ermöglicht zudem ein zeitund ressourcenschonendes Arbeiten während der Bauausführungsphase. Zusätzlich begrenzt eine strukturierte und kollektive Planung und Projektabwicklung den Spielraum für Nachtragsforderungen, wie folgende Aussage des Bauleiters bestätigt: „Nachtragsforderungen unter 1 % des Auftragswertes kenne ich eigentlich gar nicht. 10 % sind meiner Erfahrung nach durchaus üblich. Wir haben hier den Vorteil, dass wir sehr gut arbeitende Firmen haben, die auch sehr respektvoll miteinander umgehen.“ Sedlak Bauproduktionssystem (SBPS): Auswahl unterschiedlichster Werkzeuge

Das Bauunternehmen Sedlak ist von den Grundsätzen des Lean Managements überzeugt und versucht die Werkzeuge und Hilfsmittel bei so vielen Bauvorhaben wie möglich anzuwenden. Beim Bauvorhaben wohn. syn.21 (ClaudiaDietl-Platz 2) werden Lean Management Prinzipien und Methoden bereits in einem sehr frühen Stadium der A rbeit svorbe reitung angeAbbildung 2: Mehrwert für Projektbeteiligte wendet. Mit einem externen Als größten persönlichen Mehr- Unternehmensberater werden bereits wert sehen die Gesprächspartner die einige Monate vor Baubeginn alle Bauverbesserte Zusammenarbeit im Pro- prozessschritte durchleuchtet (Gesamtjektteam. Das gemeinsame Erarbeiten prozessanalyse) und so frühzeitig erste von Terminplänen und Entwickeln Erkenntnisse über kritische Bereiche gevon Lösungen sorgt laut den Befragten wonnen. Das frühzeitige Erkennen von 1 Prötsch, M.; Zukunftsfragen des Baubetriebs – Unregelmäßigkeiten und Defiziten in

der Planung bringt den entscheidenden Vorteil, dass entsprechende Gegenmaßnahmen in einem Stadium eingeleitet werden können, in dem die Lenkungseffekte noch nicht oder kaum kostenwirksam werden und der Bauablauf nicht behindert wird. Die frühe Auswahl und Integration der führenden Projektpartner wird zu einem sehr frühen Zeitpunkt vollzogen. Gemeinsam mit Auftraggeberin, Projektsteuerung, Planung sowie dem Unternehmen (Generalunternehmer) werden realistische Planungs-Meilensteine und die damit verbundenen Planliefertermine erarbeitet. Die konsequente gemeinsame Vorgangsweise führt zu einer höheren Selbstverpflichtung der Projektbeteiligten. Etwaige Einsparungspotentiale werden ganzheitlich betrachtet, was zu einer leichteren Ausarbeitung der vertraglichen Bestimmungen führt. Bei den eingesetzten Werkzeugen wird ein besonderer Fokus auf eine kooperative Projektkultur und die Lean-Philosophie gelegt. Dabei stehen gegenseitige Wertschätzung, Vermeidung von Verschwendung, Maximierung der Wertschöpfung, Ressourcenoptimierung im Prozessfluss, Gesamtoptimierung und die kontinuierliche Verbesserung im Vordergrund. Bei der Angebotslegung für das Bauvorhaben BVA Sitzenberg wurde die gesamte Kalkulationsphase von den neuartigen Lean-Methoden begleitet. Bei einem gemeinsamen Start-Workshop mit allen Partnern, wobei ein externer Berater begleitend zur Seite stand, wurde mittels einer Gesamtprozessanalyse ein besseres Verständnis füreinander entwickelt, wodurch die Kommunikation auf ein höheres, eindeutigeres Niveau gehoben wurde. Durch die frühzeitige Einbindung der Projektpartner konnte ein Teamverständnis für das Projekt aufgebaut werden. Das Team bewerkstelligt die erforderlichen Aufgaben deutlich besser als die sonst üblichen ,Einzelkämpfer der Kalkulation‘. Zusammenfassung Lean Construction hat im Bauunternehmen Sedlak Einzug gehalten – und es hat sich bewährt. Die große Herausforderung ist, die erlernten und erprobten Werkzeuge über einen längeren Zeitraum konsequent umzuset-

Lean Construction, TU-Wien, Februar 2019 WINGbusiness 2/2019

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Top-Thema zen. Hierzu empfehlen wir die Begleitung durch einen externen Berater. Da dieser nicht mit den Alltagssorgen der Bauleitung konfrontiert ist, kann er den Prozess optimal leiten und lenken. Autoren: Die beiden Baumeister (Hagmann, Kovacs) und der Systemberater (Obradovic) beschäftigen sich seit einigen Jahren mit der Philosophie und Umsetzung von Lean Management in der Bauproduk-

tion. Im Rahmen eines Großprojektes wurden diverse Bausteine des Lean Construction erprobt und für das Unternehmen angepasst. In weiterer Folge wird das System bei der Bearbeitung diverser Bauaufgaben eingesetzt.

Bmstr. Ing. Christoph Kovacs Gruppenbauleiter zuständig für Kalkulation und Abwicklung von Neubauaufträgen bei Dipl. Ing. Wilhelm Sedlak GesmbH

Gregor Obradovic, BSc (WU), MSc Technischer Innendienst Unternehmensentwicklung bei Dipl. Ing. Wilhelm Sedlak GesmbH

Bmstr. Dipl.-Ing. Elmar Hagmann, MBA Geschäftsführender Gesellschafter bei Dipl. Ing. Wilhelm Sedlak GesmbH

Leute/Köpfe

Dipl.-Ing. Martin Löcker, COO UBM Development AG Der gebürtige Steirer schloss 2000 das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens/Bauwesens an der Technischen Universität Graz ab und erwarb 2005 einen postgraduellen Abschluss in Immobilienökonomie an der European Business School in München. 2001 startete er seine Karriere bei der PORR Gruppe. 2002 realisierte er das erste Projekt für die UBM Gruppe und zeichnete hier rasch für zahlreiche weitere Projekte in Österreich, Frankreich und Deutschland verantwortlich. Seit 2007 hat er diverse Führungspositionen im UBM-Konzern inne und wurde 2009 Mitglied des Vorstands. Seit Beginn seiner Tätigkeit bei UBM fokussierte Martin Löcker sich auf den Bereich Hotel Development und Hotelerie. Heute zeichnet Martin Löcker als COO der Gruppe konzernweit für Development, Technik und Hotels verantwortlich. UBM Development ist der führende Hotelentwickler in Europa. Der strategische Fokus liegt auf den drei klar definierten Assetklassen Hotel, Wohnen und Büro sowie auf den drei Kernmärkten Deutschland, Österreich und Polen. Mit 145 Jahren Erfahrung konzentriert sich UBM auf ihre Kernkompetenz, die Entwicklung von Immobilien. Von der Planung bis hin zur Vermarktung der Immobilie werden alle Leistungen aus einer Hand angeboten. Die UBM-Aktien sind im Prime Market Segment der Wiener Börse gelistet.

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UNINACHRICHTEN

Foto: Elisabeth Csar, ÖVIA

Theresa Passath, Mari Kollegger

Digital Maintenance Wie kann Ihr Asset-Management von Digitalisierung profitieren? Welchen Einfluss haben Smart Factories, Digital Twins und Predicitve Maintenance auf Ihre Branche? Die voestalpine Metal Engineering GmbH & Co KG ist mit dem modernsten Drahtwalzwerk der Welt Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Dem Unternehmen gelingt es nicht nur die neuen Entwicklungen als Chancen wahrzunehmen, sondern auch die Umsetzung dieser als Wettbewerbsvorteil in der Instandhaltung zu nutzen. Besonders die Erhöhung der Anlagenproduktivität durch künstliche Intelligenz ist ein Thema, das sowohl Praxis, als auch Forschung beschäftigt.

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enau diese und weitere Themenbereiche stehen 2019 im 30-jährigen Jubiläum der ÖVIA (Österreichische Vereinigung für Instandhaltung und Anlagenmanagement) unter dem Generalthema „Digital Maintenance“ im Fokus. Das Ziel ist in Produktion und Instandhaltung tätige Experten zu vernetzen und den Wissensaustausch zu fördern. Dies erfolgt durch Erfahrungsaustauschrunden, Members Club, gemeinsame Projekte, zahlreiche Vergünstigungen bei Weiterbildungen und den jährlich stattfindenden Kongress. Seit 8 Jahren werden im Rahmen des „MA2-Maintenance Award Austria“ jährlich die drei Unternehmen mit der exzellentesten Instandhaltung und seit kurzem mit dem „Innovation Award“ auch die innovativsten Projekte und Produkte der Branche prämiert. Eine Bewerbung bietet die Möglichkeit sich mit anderen Unternehmen zu benchmarken bzw. seine Innovation einem großen Publikum vorzustellen. Über

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eine Auszeichnung durften sich unter anderem bereits Flex, SKF Österreich und Magna Steyr Fahrzeugtechnik freuen. Die Vorbereitungen für das im Oktober 2019 stattfindende 33. Internationale Forum für industrielle Instandhaltung laufen auf Hochtouren. Wir freuen uns stetig ein immer breiteres Publikum zu erreichen und den anerkannten, innovativ-richtungsweisenden AssetManagement Kongress in Österreich auszurichten. Wie jedes Jahr werden Experten von namhaften Firmen wie Magna, pankl, Siemens, Fill und Covestro praxisorientierte Inhalte, neueste Erkenntnisse, aktuelle Herausforderungen und Risiken zum Thema „Digitalisierte Instandhaltung – Stand und Perspektiven“ vorstellen. In den Pausen können die Kongressteilnehmer im Asia Spa Leoben die Eindrücke auf sich wirken lassen und sich erholen. In Zeiten der dynamischen Veränderung ist Information ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, daher wer-

den zusätzlich „Come togethers“ für die Mitglieder in unterschiedlichen Formaten angeboten. Falls das Kongressthemea, der MA2 und die zahlreichen Vorteile einer ÖVIA-Mitgliedschaft Ihr Interesse geweckt haben, finden Sie alle näheren Informationen, sowie die Kongress Voranmeldung unter: https://www.oevia.at

Termin & Ort ÖVIA Kongress 2019 • 9.-10. Oktober 2019 • Leoben (Asia Spa & Falken steiner Leoben) Zielgruppe • Führungskräfte und Mitarbeiter • Wissenschafter und Forscher • Produktion, Instandhaltung und Qualitätsmanagement

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Top-Thema

Foto: rhtb:

Rainer Haubenwaller

Trockenbau im Wandel der Zeit Seit Anfang der 1990er-Jahre bin ich in der Trockenbaubranche aktiv. In dieser Zeit haben sich das Umfeld, die Anforderungen, die Arbeitsweisen und das Image nachdrücklich gewandelt. Heute zählt der moderne Trockenbau zu den Schlüsselgewerken jedes größeren Projektes und die Trockenbauspezialisten werden für ihre architektonisch anspruchsvolle Millimeterarbeit in der Branche geschätzt. Der nachfolgende Text bietet einen Rückblick, einen Ausblick und ein praktisches Beispiel, um den ständig stattfindenden Wandel im Trockenbau zu illustrieren. Vom Image des „Pappwandstellers“ hin zum Schlüsselgewerk Mit dem Trockenbau kam ich Anfang der 1990er-Jahre in Berührung. Damals war der Trockenbau in der Steiermark noch ein sehr junges Gewerbe, das eher belächelt wurde. In Wien war es zumindest im gemeinnützigen Wohnbau bereits üblich, nichttragende Zwischenwände aus Gipsdielen herzustellen. Europaweit war der Trockenbau bereits vor allem im Krankenhausbau und im Bürohausbau etabliert. Bei der Umsetzung solcher Großprojekte wurde erkannt, dass die trockene Bauweise durch die kürzere Montagezeit, die einfache Integration der Gebäudetechnik, die unkomplizierte Leitungsführung, die simple Revisionierbarkeit und das vergleichsweise niedrige Konstruktionsgewicht wesentliche (wirtschaftliche) Vorteile gegenüber dem traditionellen Massivbau hatte – und sich dementsprechend auf lange Sicht durchsetzen würde. Mein Vater war damals einer jener Menschen, der das Potenzial des „neu-

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en“ Baumaterials erkannt und genutzt hat. Als ausgebildeter und fest im Berufsleben stehender Handwerker hat er sich dazu entschlossen eine Umschulung zu absolvieren. Er hat das Angebot eines namhaften deutschen Unternehmens angenommen und gelernt, wie mit Gipskartonplatten und Mineralfaserdecken professionell umgegangen wird. Was in Berlin als „Maurerpartie aus Pöllau“ begonnen hat, hat nicht nur mein ganzes Berufsleben, sondern auch die heimische Trockenbaubranche entscheidend geprägt. Der moderne Trockenbau bestand zu dieser Zeit aus abgehängten Mineralfaserdecken und einfachen raumtrennenden Wänden. Die Entstehung dieser grundlegenden Produkte des Trockenbaus lag da bereits rund 100 Jahre zurück: Sowohl Mineralfaserdecken als auch Gipskartonplatten haben ihren Ursprung in den USA und wurden bereits 1894 von Augustine Sackett erfunden und patentiert. Die industrielle Fertigung startete 1910. Von den USA aus gelangte die Trockenbauweise in den 60er-Jahren zuerst nach Großbri-

tannien, danach nach Deutschland und mit rund 10 Jahren Verzögerung weiter nach Österreich. Galt man in den 70erJahren noch als Trockenbau-Pionier, war man in den 80er-Jahren beinahe etabliert – in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ist der Trockenbau schließlich auch in den heimischen Büro- und Krankenhäusern angekommen. Im Unternehmen meines Vaters hatte ich die Möglichkeit, den Trockenbau „von der Pike auf“ zu lernen und 1992 meine Ausbildung mit der Meisterprüfung erfolgreich abzuschließen. Obwohl die Trockenbaumethode bereits anerkannt war, hatte sie mit gravierenden Imageprobleme zu kämpfen. Im Zuge einer nächtlichen Planungsbesprechung mit einem deutschen Statiker wurde ich immer noch herablassend als „Pappwandsteller“ bezeichnet. Das war einerseits natürlich zum Schmunzeln, andererseits ein persönlicher Ansporn, das Potenzial dieses Gewerks voll auszuschöpfen und ihm zu einem deutlich moderneren und besseren Image zu verhelfen. Die weitere Entwicklung der

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Top-thema Branche hat mein Bestreben bestätigt. Der Beruf des Stuckateurs und Trockenbauers wurde 1995 in den Stand der befähigungsnachweispflichtigen, eigenständigen Gewerbe aufgenommen - auch Lehrlinge durften somit ausgebildet werden. Der VÖTB (Verband Österreichischer Trockenbau) wurde 1984 gegründet, die inzwischen bestens etablierte Fachzeitschrift „Trockenbau-Journal“ wurde 1991 erstmals publiziert. In dieser Zeit war die gesamte Baubranche (unabhängig vom Bereich des Trockenbaus) einem grundlegenden Wandel unterworfen. Immer mehr Subunternehmer wurden in die Abläufe aufgenommen – nicht zuletzt auf Bestreben der Bauindustrie, deren (zu kurzsichtiger) Beweggrund es war (kurzfristig) Kosten zu sparen. Es wurde begonnen, eigene, auf höchstem Niveau ausgebildete Fachkräfte abzubauen und keine neuen mehr auszubilden, sondern vermehrt auf Subunternehmer zuzugreifen. Ziel war es, das Risiko von Auslastungsschwankungen, Krankenständen, Risiken in der Leistungserbringung durch Witterungseinflüsse usw. (nach unten hin) auszulagern. Der gesamte Wertschöpfungsprozess wurde damit umgekrempelt – wobei heute wieder eine Trendumkehr in die andere Richtung wahrnehmbar wird. Das Silodenken und die Kultur des Gegeneinander-Seins Das Subunternehmertum hat eine Reihe von Entwicklungen angestoßen und forciert, die Bauprozesse in ihrer Gesamtheit (vorsichtig formuliert) nicht gerade effizienter gestaltet. War es früher üblich, dass ein Architekt oder Baumeister, also jemand mit breit aufgestelltem Fachwissen, Einzelgewerke beauftragt hat, bevorzugten Bauherren dann eher einen Generalunternehmer als Ansprechpartner. Dieser Wandel hat den Ablauf von Bauprozessen grundlegend geändert, sodass die Entstehung eines (großen) Projektes heute in drei wesentliche Phasen eingeteilt werden kann: 1) Projektidee, erste Machbarkeitsstudien, Entwurf und bestenfalls eine grobe Bau- und Ausstattungsbeschreibung 2) Finanzierungsabklärung, Einreichplanung und Ausschreibung

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3) Finden des Billigstbieters, Vergabe, Bauarbeiten und Bauproduktionsprozess Meiner Erfahrung nach fördert diese Projektstruktur, wie sie häufig bei Großprojekten abläuft, unausweichlich eine Kultur des Silodenkens und des unternehmerischen Gegeneinanders – zum Nachteil des Auftraggebers. Warum ist das so? Die Antworten liegen in den kleinen Unstimmigkeiten, die im Zuge der praktischen Umsetzung unweigerlich auftauchen. ad 1) Bauherren und Planungskonsulenten heben ab, um aus hoher Flughöhe eine Gesamtsicht auf das zukünftige Projekt zu gewinnen. Sie definieren dabei die aus ihrer Sicht optimalen Raumkonzepte, die einerseits der gewidmeten Nutzung, andererseits dem Bauherrenwunsch nach möglichst großer Nutzfläche entsprechen. Auf der Basis von in der Vergangenheit umgesetzter Projekte werden Preiseinschätzungen, Budgets und Quadratmeterkosten erstellt. ad 2) Sobald die Finanzierung steht, wird die Einreichplanung erarbeitet. Dieser Schritt ist ebenso wichtig, wie auch danach nur mehr sehr schwer an tatsächliche Gegebenheiten anzupassen. Denn mit der Einreichung (und der Baubewilligung) werden bereits zukünftige Fakten geschaffen: die Wahl der Systeme und Produkte, die Einteilung, Dimensionen und Ausstattungsmerkmale der Räume, die Wege der Energie- und Medienversorgung innerhalb des Gebäudes sowie die technischen Schnittstellen untereinander, deren Funktionalität zu diesem Zeitpunkt alles andere als garantiert ist. Bestes Beispiel dafür: die TrockenbauSchwertanschlüsse der Fassaden, die in weiterer Folge auf Trennwandelemente mit hohen Schallschutz- und Brandschutzanforderungen treffen, ohne auf deren zusätzliche Eigenschaften abgestimmt zu sein. Im Nachhinein stehen entsprechende Änderungen am Einreichplan in keiner Kosten-NutzenRelation mehr und lösen zu einem Zeitpunkt Planungsschleifen aus, an dem aber schon gebaut werden sollte. Das drängt uns alle zwangsläufig mehr und mehr in unsere Silos und unsere Energie für Dokumentation, Hinweise, Freibeweisen etc. geht völlig am wertschöpfenden Prozess vorbei. ad 3) Auf dieser Grundlage findet die Ausschreibung statt. Die einlangenden

Angebote entsprechen oft nicht den Erwartungen und Kostenschätzungen der Bauherren bzw. dessen Konsulenten. Denn sie lassen sich nicht vergleichen oder zeigen neue Varianten oder Hinweise auf Verbesserungen und technisch notwendige Änderungen auf, womit im Vorfeld nicht kalkuliert wurde. In Folge verschieben sich oft die Vergabetermine, die Vorschläge der Bieter werden zusammengefasst und geprüft, die Bietergespräche neu aufgerollt, die Planungen adaptiert, die Ausschreibungen erneut ausgesendet und die Preisverhandlungen beginnen vom Neuen. Diese eigentlich vermeidbare, zusätzliche Runde ist alles andere als optimal für den Bauprozess, findet aber fast zwangsläufig statt, weil die Bauherren oft nicht über die Erfahrung und das Wissen des „letzten Planers“ verfügen können. Unter der Voraussetzung ist klar, dass jedes einzelne Subunternehmen versucht, in seinen Möglichkeiten, seinem Silo, so wenig wie möglich zu verlieren und sich zuerst nur auf die ursprünglich beauftragten Leistungen konzentriert. Wer hier gesamtheitlich denkt oder handelt, verliert. Dazu kommt eine im Wesentlichen unpersönliche Kommunikation über E-Mails und Projektplattformen in der es darum geht, dass jeder in den Verteiler aufgenommen wird um später, bei der eventuellen Suche nach einem „Schuldigen“ sagen zu können: „Sie haben diese Information ebenfalls gehabt und hätten rechtzeitig warnen müssen …!“ Die kommunikativen Unverbindlichkeiten sind der perfekte Nährboden dafür, das Gesamtziel aus den Augen zu verlieren und das Gegeneinander-Sein zu perfektionieren. Im folgenden Kapitel möchte ich den Ausweg aus dieser unvorteilhaften Situation präsentieren. Schlanke Strukturen bringen mehr auf die Reihe – und schließen den Kreis Die gute Nachricht lautet: Besserung ist in Sicht! Es geht tatsächlich auch anders – und zwar mit einer gelebten Kultur des Zusammenarbeitens. Ich, als Vertreter eines mittelständischen Trockenbauunternehmens aus dem Bereich der Baunebenbranche (ein klassischer „Subler“), sage das aus Überzeugung und kann dazu sogar aus eigener Erfahrung berichten. Gleichzeitig schließt sich an

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Top-thema dieser Stelle der Kreis zu den Anfängen des Trockenbaus. LEAN Management hat seinen Ursprung in Japan, wo es von Toyota für die „schlanke Produktion“ entwickelt wurde. Das damals wie heute erfolgreiche Produktionssystem kam aber bereits in den 1980er-Jahren in der amerikanischen Baubranche in abgewandelter Form zur Anwendung. Daraus haben sich die Disziplinen LEAN Design und LEAN Construction weiterentwickelt, neue Methoden der Zusammenarbeit vom Planungsprozess bis zum Bauprozess. Da sich die Geschichte gerne wiederholt, ist LEAN Management, genauso wie der Trockenbau in den 60ern, über Amerika, England, Skandinavien, Dänemark nach Zentraleuropa gekommen. Da in dieser Ausgabe von WING von ausgewiesenen Experten ausreichend über das Entstehen, die Grundlagen und aktuelle Entwicklung von LEAN Management berichtet wird, möchte ich eher einen Überblick geben, warum wir in meinem Unternehmen LEAN Management als unsere „operative Strategie“ und damit zur Grundlage „wie wir was tun wollen“, gemacht haben. Ich selbst beschäftige mich mit LEAN Management bereits seit den 90er-Jahren und habe 2009 an einer entsprechenden Studienreise nach Japan teilgenommen. Dabei konnten wir das älteste Toyota-Werk in Nagoya besichtigen und vor Ort das Toyota Production System (TPS) in seiner reinsten Form in Echtbetrieb sehen. Wir konnten auch LEAN Management auf Hochhausbaustellen in Tokio erleben und haben sehr viel über die kulturellen Hintergründe erfahren, was für mich eine wesentliche Inspiration für mein weiteres unternehmerisches Tun und Handeln wurde. Im Herbst 2016 hat mich einer unserer größten Kunden zu einem echten Partnerschaftsprojekt „auf LEAN Methoden-Basis“ für einen Automobilhersteller in München eingeladen. Das war der emotionale Startschuss, meiner Unternehmensorganisation neue Strukturen zu geben und auf allen Ebenen Vereinbarungen zu schließen, LEAN Management zu unserer operativen Strategie zu machen. Denken wir zurück an die Bauprozesse des vorigen Kapitels, die durch Silodenken und die Kultur des Gegeneinander-Seins nicht gerade effizient ablaufen. Und stellen wir uns vor, der Bau-

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herr gestaltet den kompletten Prozess ab dem Entwurf und der Baubeschreibung völlig neu: Er stellt noch lange vor der Einreichplanung ein Team von echten Experten (im LEAN Kontext ist das derjenige, der die Arbeit auch wirklich tut) zusammen und vereinbart mit ihnen als Team, die Einreichplanung zu machen und diese Leistungen zu vergüten. Zusätzlich vereinbart er ein Zielbudget sowie den konkreten Nutzen des Gebäudes. Das Bekenntnis zu den Werten und Disziplinen von LEAN Management bedeutet auch, dass Umsatzverschiebungen zwischen den Gewerken zu Gunsten eines optimalen Gesamtprozesses zugelassen werden müssen. Finanzielle Vorteile durch den optimalen Verlauf und Einsparungen durch Optimierungen erreichen ebenfalls alle Beteiligten. Beim positiven Erreichen eines Zwischenziels sollen die Teammitglieder ihre Leistungsbeschreibung zur weiteren Beauftragung selbst schreiben, sodass er, der Bauherr, diese nur mehr freizugeben braucht! Last but not least: die Kommunikation untereinander wird wieder auf eine persönliche Ebene gehoben. Und, sehr gewagt aber, der Bauherr geht noch einen Schritt weiter: Er verzichtet völlig auf pönalisierte Termine! Verlangt aber im Gegenzug, dass man alle Leistungen in einem Tagestaktplan abbildet und so zeitliche Puffer vermeidet bzw. sichtbar macht. Was könnte unter diesen Voraussetzungen passieren? Womöglich entstehen eine dynamische zielgerichtete Kultur des Miteinanders und ein TeamSpirit. Silodenken wird überflüssig, weil es nichts zu verlieren gibt. Vielleicht macht es Freude sich nicht nur kooperativ zu zeigen, sondern sich kollaborativ zu beteiligen. Es entsteht womöglich eine unter den Gewerken abgestimmte Einreichplanung, die eine Ausführungs-, Montage-, und Werkplanung in der darauffolgenden Projektphase mühelos erscheinen lässt. Durch das konsequente persönliche Abstimmen könnten sich völlig andere Verbindlichkeiten entwickeln. Und, was passiert, wenn man zum Zeitpunkt der Abgabe der Einreichplanung unterschiedlicher Auffassung rund um Zielpreis und geforderten Qualitäten, Termine usw. ist? Nicht viel, weil für das AuftragnehmerTeam die Planungshonorare vergütet wurden, und der Bauherr einen bereits

auf Schnittstellen abgestimmten Einreichplan in Händen hält. Somit würde eine Trennung zu diesem Zeitpunkt für keinen der beteiligten einen frustrierten Aufwand hinterlassen. Alles nur Theorie? Nicht nur, denn ich habe es mit meinem Unternehmen in der Praxis gelebt und umgesetzt. Bei einem Kick-Off-Meeting im September 2016 wurde uns das Projekt als Entwurf und rudimentäre Baubeschreibung vorgestellt: ein Bürogebäude für die Automobilbranche in einer süddeutschen Großstadt. Die Eckpunkte lauten: Ende 2016 wurde den Behörden die Einreichplanung übergeben, die im April 2017 genehmigt wurde, sodass der avisierte Baubeginn mit Mai 2017 realisiert werden konnte. Unser Start als Schlüsselgewerk für Innenausbau/Trockenbau konnte pünktlich im Februar 2018 beginnen und plangemäß im Dezember 2018 mit der Inbetriebnahme und Übergabe an den Bauherren abgeschlossen werden. In nur 11 Monaten konnten wir ein Gesamtvolumen von 8 Mio. Euro umsetzen, und so wesentlich zum Schaffen eines rund 73.000 m2 großen Bürokomplexes beitragen. Ein spannendes Detail aus den Werkverträgen dazu: In keinem der Verträge wurde ein Endtermin, und daraus logischerweise auch keine Pönale, vereinbart. Trotzdem wurde das Projekt um 5(!) Monate schneller fertiggestellt, als es der Terminplan in einer Vorentwurfsphase des Bauherren vorgesehen hatte. LEAN Construction ist sowohl eine Philosophie als auch die Nutzung (moderner) Strukturen. An dieser Stelle möchte ich einen Einblick in unsere Werkzeuge und Methoden rund um LEAN Management, LEAN Design und LEAN Construction bieten, denn es braucht auch: integrierte Form des Bauvertrages (IFOA) integrierte Form Projektabwicklung (IPD) BIG Room: hier treffen sich wöchentlich alle, die die Arbeit wirklich tun, um persönlich weitere Vorgangsweisen der nächsten Woche bzw. nächsten 6 Wochen zu vereinbaren Last-Planner-System Taktplanung mittels Post-Its

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Uninachrichten Kennzahlentafeln: das Team wird an der Menge von eingehaltenen Zusagen (AEZ) gemessen PDCA-Problemlösungsprozess Pull-Planung, Phasen-Plan Tägliche kurze, rein informelle Jour-Fixe der Poliere und Bauleiter 6 Wochen Vorschau Für uns als rhtb: bedeutet LEAN das immerwährende und tägliche Streben nach Erkennen und Eliminieren von Verschwendung, im Einklang mit einem möglichst optimalen Verhältnis zwischen der Ressourcen- und Flusseffizienz. Sowohl die Zeit als auch die Branche sind reif für einen Trendwandel. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass LEAN Management, LEAN Design und LEAN Construction die

geeigneten Methoden dafür sind, das Silodenken aufzubrechen und die Unkultur des G egenei n a nder s zu einer Kultur des Miteinanders zu machen. Anstehende Generationenwechsel im Bauwesen werden diese Entwicklung beschleunigen. Autor: Rainer Haubenwaller ist Jahrgang 1970 und machte nach seiner Lehre zum Bauspengler den Trockenbaumeister

Rainer Haubenwaller Gründer rhtb: und weitere diverse Aus- und Weiterbildungen. Seine Hobbies sind seine Familie mit 3 Kindern, Segeln und Ski fahren. 1999 gründete er rhtb:. Das Unternehmen beschäftigt heute 90 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2018 einen Umsatz von 23,2 Millionen Euro.

UNINACHRICHTEN

Johannes Dirnberger

Internationale „Carousel Week“ am Institut Industrial Management Gelebter internationaler Austausch: An der FH JOANNEUM in Kapfenberg und an sechs Partnerhochschulen des Instituts Industrial Management in der Slowakei, in Deutschland, Litauen, Frankreich, Finnland und in den Niederlanden arbeiteten Studierende in der „Carousel Week“ an aktuellen Industriethemen.

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ean Logistics“, „Logistics Strategies in Production“, „Production & Customization“, „Transport Engineering“ und „Optimization of the Value Chain“ – die Themen an denen Wirtschaftsingenieurwesen-Studierende aus Frankreich, den Niederlanden und Österreich vom 1. bis zum 5. April in Kapfenberg arbeiteten, standen ganz im Zeichen des Supply Chain Managements. Neben Workshops, Planspielen und Case Study Präsentationen, führten die Field Trips zu Industrieunternehmen in der Region. Großer Beliebtheit erfreute sich dabei einmal mehr der Besuch der Brauerei in Göss inklusive Brauereimuseum und geselligem Ausklang mit Zeit zum Networking. Im Sinne des Networkings organisierten studentische Mitglieder des Industrial Management Club (IMC) Kapfenberg auch eine Stadttour durch Graz. Vor dem gemeinsamen Dinner in der Innenstadt wurde mit den Gästen aus Frankreich und den Niederlanden der Schloßberg erklommen.

Foto: Raffael Reisl; Studentische Mitglieder des IMC gemeinsam mit den Gästen aus den Niederlanden und Frankreich bei der Stadttour durch Graz im Zuge der internationalen „Carousel Week“ am Institut Industrial Management an der FH JOANNEUM in Kapfenberg. WINGbusiness 2/2019

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Top-Thema

Foto: Refine Projects AG

Claus Nesensohn

Lean Construction – Projektabwicklung mit Hochleistungsteams Von der Initiierung eines Bauprojekts bis zur Übergabe Warum kommen heute zahlreiche Bauvorhaben in Zeit- und Kostendruck sowie in den Ruf, dass Planen und Bauen schon in der Projektarbeit und folglich auch im Ergebnis unzufrieden macht? Aufgrund der steigenden Anzahl an Schnittstellen in Bauprojekten wächst die Komplexität in der Planung, dabei hat jede Entscheidung Konsequenzen für den gesamten Planungs- und Bauablauf. Aufgrund dieser Umstände ist trotz solider (Bedarfs-)Planung zu Projektstart das Risiko für Zeitverzüge und Kostensteigerungen im Verlauf des Prozesses nicht auszuschließen. Daher scheint ein generelles Umdenken erforderlich: Angelehnt an Lean Management, die Optimierung der Gesamtorganisation im Automobilkonzern Toyota, ist Lean Construction dessen Übertragung auf die Bauwirtschaft. Wie ein Bauvorhaben als fließender Prozess, in dessen Verlauf ganz im Sinne von Lean Construction immer neu nachjustiert werden kann, von Anfang an erfolgreich aufgesetzt und zum Abschluss gebracht werden kann, schildert folgender Beitrag anhand eines laufenden Bauprojekts für einen international agierenden Sportartikelhersteller am Headquarter im Süddeutschen.

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erade in der Entwicklung von Gebrauchsdesign und in der Modeindustrie verkürzen sich Innovationszyklen stetig. Das besagte Unternehmen will bei der Entwicklung innovativer Produkte die Potentiale von agilem Arbeiten in interdisziplinären Teams stärker nutzen. Ziel dieser Umplanung war es, für rund 1900 Mitarbeiter passgenaue Arbeitsbereiche herzustellen, welche durch ihre offene Gestaltung zu kreativem Arbeiten einladen, aber auch Stauraum für Modelle für die Produktentwürfe bieten sollten. Vor diesem Hintergrund war die Umgestaltung der bisherigen Arbeitsbereiche notwendig. So sollen offene Arbeitslandschaften als Shared-Desk in inter-

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aktiver und informeller Atmosphäre sowie Raumzonen für Konzentration und Rückzug entstehen. Hochleistung im Team Die Aufteilung der Ebenen und ihre räumliche Gestaltung der bisherigen Arbeitsbereiche entsprach nicht mehr den aktuellen und zukünftigen Anforderungen, da sie letztlich nicht die Nutzerbedürfnisse abbilden konnte. Die Bestandsimmobilie wurde vor sieben Jahren mit insgesamt rund 26.000 Quadratmetern Nutzfläche als Bürogebäude realisiert. Die Flächen verteilen sich über vier Geschosse in Cluster zu jeweils rund 700 Quadratmetern. Zen-

trale Projektherausforderung war die Umsetzung im laufenden Betrieb – 38 Cluster innerhalb von 18 Monaten zu entwerfen, zu planen und zu realisieren. Eine weitere Vorgabe seitens des Bauherrn war, dass die Mitarbeiter von den Eingriffen so weit es geht unbehelligt bleiben sollen und im besten Fall nur einmal – maximal zwei Mal – umziehen müssen. Diesen Vorgaben entsprechend muss jedes Cluster innerhalb von zehn Tagen umgestaltet sein, was bei klassischer Vorgehensweise einer Operation am offenen Herzen gleichkäme. Von Seiten des Auftraggebers wurde die Implementierung des LeanAnsatzes von Beginn an gewünscht

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Top-Thema und konnte innerhalb des 20-köpfigen Projektteams auf allen Ebenen und von Anfang an integriert werden. Für den Aufbau eines Hochleistungsteams ist entscheidend, das kollaborative Mindset zu Beginn fest zu etablieren. In diesem Falle galt es, hierzu auch das hauseigene Changemanagement-Team, welches die Nutzer auf das zukünftige Arbeitskonzept vorbereitete, zu überzeugen, als entscheidender Team-Player zu Projektstart mit ins Boot zu kommen. Lean bedeutet Perspektivwechsel, in diesem Fall das Ergebnis rückwärts und von hinten her zu denken und althergebrachte Strukturen zu verlassen. Dabei gewinnt die Baustelle an Bedeutung, da sie als Ort der Projektwertschöpfung zum Taktgeber der vorgelagerten Planung wird. Wo sich in der klassischen Bauprojektabwicklung Zeitpuffer in den einzelnen Phasen verstecken, ist bei Lean der Puffer für alle transparent erkennbar, weil am Ende eines Prozesses fest eingeplant. Lean Thinking Exkurs – 5 Prinzipien von Lean nach Womack und Jones Lean Construction ist durch die folgenden fünf Prinzipien nach Womack und Jones gekennzeichnet: Identifizierung und Maximierung des Kundenmehrwerts Optimierung der Prozesse kontinuierlicher Arbeitsfluss Pull-Prinzip für den Material-/Produktfluss kontinuierliche Verbesserung Zentrales Element der Projektabwicklung in der Lean Construction ist das in den 80er-Jahren von Glenn Ballard und Greg Howell entwickelte Last Planner System (LPS). Es handelt sich dabei um die weltweit in der Lean Construction am meisten eingesetzte Methode zur kollaborativen Projektabwicklung und termingerechten Projektfertigstellung. Dabei sind verbindliche Zusagen der jeweiligen Planer entscheidend. So sollen Unterbrechungen vermieden werden, was dadurch erreicht wird, dass alle Prozessbeteiligten kollaborativ auf das Erreichen eines gemeinsamen Projektzieles im Sinne des Kundenmehrwertes hinarbeiten.

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Probleme können damit frühzeitig identifiziert und gelöst werden, bevor sie den Arbeitsfluss behindern. Das LPS bildet die Basis für den Beratungsansatz von Refine für Lean Construction, in welchem wir nach einer verfeinerten Lean-Methodik arbeiten, die sich „Bottom-up und Face-to Face“ nennt. Diese wird zum einen in der Bauproduktionsplanung realisiert, die gemäß dem LPS vom Groben zum Feinen verläuft, zum anderen aber auch in der Kommunikation, die von unten nach oben erfolgt. Die Planung lässt sich besser umsetzen, wenn das Wissen der Mitarbeiter der ausführenden Ebenen einbezogen wird, denn diese können am besten beurteilen, wo die Probleme liegen. In direkten, persönlichen Gesprächen werden dann die Informationen ausgetauscht (Face-to-Face-Kommunikation) und in der Produktionsplanung verwertet. Zunächst geht es beim Projektstart also darum, bei den Projektteammitgliedern die Lean-Kompetenz und Lean-Denkweise zu etablieren und sie damit zu einem Hochleistungsteam aufzubauen. Durch kurzzyklische Dialoge – ob im Team oder mit Nutzern – etabliert sich ein neues Mindset im Sinne des „Project first“, welches mit dem zuvor identifizierten Kundenmehrwert gleichzusetzen ist . Dessen Umsetzung erfolgt nach dem „Pull-Prinzip“: Jeder Zwischenschritt im Prozess erklärt sich vom Kundenutzen, also vom Ergebnis im Sinne des Projektzieles, und vom Bedarf her. Schaltzentrale und Plattform BigRoom Das ganze Team eines Bauprojekts trifft sich wöchentlich physisch im „Big Room“, welcher auf der Baustelle eingerichtet. Dieser Begriff ist vom japanischen Wort „Obeya“ (großer Raum) abgeleitet. Dieser dient als zentraler Treffpunkt, an dem alle wichtigen Informationen zusammenkommen. Um diesen Raum herum werden die Arbeitsbereiche der Planer entsprechend ihren Aufgaben in funktionalen Clustern angeordnet. Innerhalb dieses Big-Room-Konzepts verfolgen alle Teammitglieder das gemeinsame Ziel, nämlich die Optimierung aller Prozesse im Rahmen des Bauprojekts. Bei der Kommunikation im Big-Room gelten folgende Prinzipien:

Transparenz aller Prozesse mittels einfacher Visualisierung Keep it short and simple (KISS) Niemand wird bloßgestellt Produktionsplan und Projektaktivität werden deutlich visualisiert und können von jedem verstanden werden. Es sind immer tages- und wochengenaue Kennzahlen vorhanden. Sie stellen den aktuellen Status, Fehlerquoten sowie das Einhalten von Zusagen dar. Die Erarbeitung von Lösungen findet kollaborativ mit allen Prozessbeteiligten statt. Das Konzept wird an Projekt und Team angepasst und nicht umgekehrt. Statt eines klassischen Terminplans werden „Projektmeilensteine“ vereinbart. Ein solcher gemeinsamer diskursiver Rahmen beschleunigt den Prozess: Was brauchst Du von mir, was ich von Dir, damit das Projekt weiterkommt? Beim Verhandeln von Zusagen geht es um Stabilität im Prozess und um Beweglichkeit im Sinne von Verbessern und Lernen. Dass es etwas Erfahrung bedarf, bis diese neuen Systeme auf der Baustelle funktionieren, ist klar. So hat sich etwa auch im Projekt mit dem Sportartikelhersteller erst mit der Zeit so mancher Skeptiker mitreißen und überzeugen lassen. Statt noch zu Beginn seitenlange Protokolle zu verfassen, kommen die Mitarbeiter jetzt nur noch mit Notizbuch und Bleistift zur eigenen Gedankenstütze. Auch die Zahl an E-Mails ging im Verlauf des Prozesses drastisch zurück, im CC-Modus wird bei Lean nur wenn es wirklich notwendig ist kommuniziert. In einem Prozess muss die Planungsphase immer weiter optimiert werden, um die Projektziele zu erreichen. Dazu wurde in unserem Fall von der Idee der integrierten Projektabwicklung insoweit gebraucht gemacht, dass nach einem Qualifizierungsverfahren ein Generalunternehmer (GU) als Berater für die sogenannte „Constructability Phase“ beauftragt wurde, um die Entwurfsplanung sinnvoll zu unterstützen. Ausgehend von den Enwurfsskizzen erfolgte der Aufbau eines Mock-Ups, eines Arbeitsmodells im Maßstab 1 : 1. Daran konnte das Team gemeinsam konkrete Erkenntnisse für die weitere Arbeit gewinnen, um in maximal 28

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Top-Thema Wochen das gesamte Projekt zu realisieren. Last Planner System Durch den Erfahrungsinput der Ausführung sowie einiger Handwerker aus dem Mock-Up-Prozess konnte innerhalb des Last Planner Systems kollaborativ mit allen Beteiligten ein Meilenstein- und Phasenplan (auch Produktionsplan genannt) erarbeitet werden: Umbau und Umzüge im ChangeProzess erfolgen in einer Taktung von je fünf Arbeitstagen – je Cluster von zwei Takten in einer Gesamtproduktionszeit von zehn Arbeitstagen. Aktuell beginnt die Realisierungsphase: Im Rahmen der wöchentlichen Produktionsevaluations- und Produktionsplanungsbesprechung (PEP) erfolgt turnusgemäß die Auswertung der vergangenen Woche, die kollaborative Planung für die anstehenden sechs Wochen sowie die Abstimmung und der Austausch über ein hindernisfreies Arbeiten der Gewerke untereinander. Diese drei Stunden reduzieren die Kommunikation und den Schriftverkehr außerhalb der Besprechung auf ein Minimum. Die PEP-Besprechung wird ebenso wöchentlich weiter optimiert wie die Baustellen-PEP-Besprechung. Diese wiederum wird im Rahmen von morgendlichen Besprechungen, den „Daily Huddles“, einem pointierten Format im Sinne gegenseitiger Zusagen und Zielvereinbarungen, ergänzt. Lean ist angewandte Methodik und wirkt sich somit ganz konkret auf der Baustelle aus: Entgegen der üblichen Vorgehensweise „Geschoss für Geschoss“ zu arbeiten, rotieren hier kontinuierlich die Gewerke als rollierende Teams im Tandem etwa von Elektriker und Maler, sodass, selbst wenn an der einen Stelle ein Verzug und an der anderen Stelle eine Zeitersparnis entstehen sollte, es zu keinen Lücken im Prozessablauf und zu einer Verstetigung der Produktion kommt. Ausblick – weiter Lernen mit Lean Bauprojekte scheitern im Allgemeinen nicht daran, dass die falschen Dinge getan werden, sondern weil zu lange Dinge getan werden, die in der Vergangenheit richtig waren. Die Immobilienwirtschaft ist historisch gewachsen traditionell geprägt von speziellen

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Kompetenzen und klaren Hierarchien. Damit einhergehend ist bisher eine gegenseitige Absicherung der eigenen Verantwortlichkeiten nach außen zentral. Das heute oftmals übliche reaktive Hetzen von einer Feuerwehraktion zur nächsten, wird bei Lean durch eine proaktive, fließende Planung abgelöst. Lean ist immer Teamleistung. Dadurch profitieren alle Projektbeteiligten und erreichen ihre Ziele mit weniger Stress, Nacharbeiten und Bearbeiten von Schriftverkehr termingerecht und zufriedener. Lean ist smart und setzt auf digitale Tools – zentral ist für das kollaborative Arbeiten jedoch auch, sich regelmäßig analog face to face im Big-Room zu begegnen, Soft Skills gewinnen deshalb an Bedeutung. Im BigRoom liegt der Schlüssel für das High Performance Team als zentrale Anlaufstelle für das Projektteam. Er macht die sonst oftmals so zeitintensiven aber ja vermeintlich unverzichtbaren Rückkopplungen überflüssig. Neben der Koordination macht diese Form der fließenden Kommunikation das Mindset der Kollaboration aller am Planen und Bauen Beteiligten erst möglich. Zentral für die Umsetzung von Lean ist eine Form der Kommunikation mit dem Verständnis für ein optimales Projektziel. Dabei geht es um einen optimalen Informationsfluss und der eigenen Informationsverantwortung gegenüber dem Projektziel und den anderen im Projekt Beteiligten. Lean kennt keinen Stillstand, es ist eine Frage der Bewusstseinsbildung und in gewisser Weise eine Haltung der Führung, wie man Projekte angeht, umsetzt und als Projekt auf Zeit zu Ende bringt: Dabei geht es um die Bereitschaft, Prozesse und Denkweisen stetig auf den Prüfstand zu stellen und bei Bedarf anzupassen, Dinge und Prozesse etwa auch später im laufenden Betrieb in Frage zu stellen, neu zu denken, Ideen auszuprobieren, Arbeit zu visualisieren – dabei ist auch Fehlermachen erlaubt.

Prof. Dr. Claus Nesensohn Professor für Lean Construction, Bau- und Projektmanagement, Hochschule für Technik Stuttgart (HFT), Mitgründer und Vorstand der Refine Projects AG, Stuttgart So versteht sich Lean Construction als ganzheitliche Managementphilosophie – großgeworden, angesichts der hohen Kostenintensität und des permanent steigenden wirtschaftlichen Drucks zunächst in den USA und nun in weiten Teilen der Welt immer öfter zur Anwendung. Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis zeigen, dass sich mit Lean-Methoden die Effizienz gerade im Planen und Bauen um bis zu 50 Prozent steigern lässt, wenn die Bauwirtschaft erkennt, dass es – wie auch in der Industrie – neben Projektmanagement auch Produktionsmanagement und Produktionssteuerung bedarf. Im besten Fall hört Lean Construction im Sinne des Verständnisses eines fließenden Prozesses nicht mit Fertigstellung eines Bauprojekts auf – sondern fließt, dem Credo einer allumfassenden Vertrauenskultur nach, weiter ins Unternehmen ein. Autor: Prof. Dr. Claus Nesensohn ist seit 2018 Professor für Lean Construction, Bauund Projektmanagement an der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) sowie Mitgründer und Vorstand der Refine Projects AG in Stuttgart (refineprojects.com). Zuvor mehrjährige Tätigkeit als ausgebildeter Zimmermann und staatlich geprüfter Bautechniker in der Bauindustrie, Master im Projektmanagement (Bau) an der Hochschule Biberach, Promotion an der Liverpool John Moores University (LJMU) in Großbritannien sowie freiberufliche Tätigkeit als BIM-Consultant und LCExperte. Diverse Veröffentlichungen zum Thema „Lean“ etwa als Mitautor von „Lean Construction – Das Management Buch. Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen“, sowie laufend Vorträge und Workshops.

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Uninachrichten

Viele interessierte Gäste folgten der Eröffnungsrede von Univ.-Prof. Dr. Christian Ramsauer; Foto: OBLIQUE Films

Modernster Makerspace Österreichs eröffnet Das Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz eröffnete am 25. April 2019 das neue Labor für Innovation Ab sofort stehen am Institut für Innovation und Industriemanagement auf über 800 Quadratmetern modernste Infrastruktur und neueste Technologien zur Verfügung, um eine stärkere Zusammenarbeit zwischen der Maker-Community, etablierten Industriebetrieben, jungen Start-ups und universitärer Forschung zu fordern.

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ektor Univ.-Prof. Dr. Harald Kainz und Dekan Univ.-Prof. Dr. Franz Heitmeir begrüßten die Gäste. Durch den weiteren Verlauf des Abends führte Andreas Jäger. Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Christian Ramsauer erklärte in seiner Eröffnungsrede die zentrale Aufgabe der neu geschaffenen Infrastruktur – die Verknüpfung von kreativen Potentialen und fachlichen Kompetenzen aus unterschiedlichen Domänen. Neue Produkte zu kreieren und damit auch neue Unternehmen (Start-ups) zu gründen ist ein wesentliches Ziel seiner Initiative. Vertreter von drei Start-ups unterschiedlicher Reife begeisterten in weiterer Folge die Gäste. Dr. Stefan Hauswiesner und Arjun Thomke zeigten eine Live-Demo zur virtuellen Kleideranprobe des erfolgreichen Spin-off der TU Graz Reactive Reality GmbH. Die Frage „Wie funktioniert Innovation?“ war zentrales Thema der anschließenden Podiumsdiskussion mit Dr. Martin Bartenstein (G.L. Pharma GmbH), Univ.-Prof. Dr. Karin Schaupp (TU Graz), Prof. Stefan Thomke (Har-

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vard Business School) und Dr. Michael Doberer (Start-up durchblicker.at). Neue Möglichkeiten durch die fortschreitende Digitalisierung, sowie eine entsprechende Qualifizierung von Mitarbeitern wurden hervorgehoben. Der Nutzen von akademischen Makerspaces für Gesellschaft, Industrie und Forschung wurde mit Vertretern führender US-amerikanischer Universitäten mit einer Live-Schaltung nach USA diskutiert. Marlo Kohn (Stanford University), Dean Vincent Wilczynski (Yale University), Prof. Björn Hartmann (University of California, Berkeley) und Prof. Malcolm Cooke (Case Western Reserve University) diskutierten wie der Abbau von Hemmschwellen zur Umsetzung von neuen, innovativen Produkten durch Makerspaces besser funktioniert. Auch Spaniens Unternehmer des Jahres 2018, der Steirer Meinrad Spenger, der 2006 sein Start-up MASMOVIL in Madrid gegründet hat, gab Einblicke in den Werdegang des Unternehmens und erwähnte die Bedeutung des neuen Makerspaces für Jungunternehmer. Sein Unternehmen hat heute acht Mil-

lionen Kunden und einen Börsenwert von zwei Milliarden Euro. Unter rund 150 eingeladenen Gästen waren neben Vertretern der Österreichischen Universitäten und der Gesellschaft auch viele Eigentümer, Geschäftsführer und Vorstände von namhaften Industrieunternehmen wie z. B. Univ.-Prof. Günter Knapp (Knapp AG), Heinz Moitzi (AT&S AG), Prof. Helmut List (AVL GmbH), Hans Höllwart (SFL), Dr. Manfred Gutternigg (Hilti GmbH), Andreas Schuster (Hirtenberger Holding GmbH) und Dr. Heinz Leitner (Komptech GmbH).

Univ.-Prof. Dr. Christian Ramsauer (Mitte) mit Studenten im neuen Labor für Innovation; Foto: Helmut Lunghammer / TU Graz

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Top-Thema

Foto: Riederbau GmbH & Co KG

Judith Kowarsch

Lean am Bau: Mit besseren Prozessen besser bauen In der Produktionsindustrie findet Lean Management, hergeleitet vom Toyota-Produktionssystem nach Taiichi Ohno, seit Jahren hohe Anerkennung und Nutzung. Aufgrund des großen Erfolges in der Produktion stellt sich die Frage: Funktioniert LEAN auch in der Bauindustrie? Die derzeitig hohe Baukonjunktur bringt immer mehr Projektbeteiligte mit sich, was zu Problemen führen kann. Ebenso steigen Anforderungen, Zeitdruck und Kosten, während die Prozessablaufqualität abnimmt. Wie schaffen wir es also, die Prozesse am Bau zu verbessern? Ein Selbstversuch zum Thema Lean Management auf der Baustelle.

1 Lean Management im Bauwesen Der Begriff „Lean Construction“ umfasst die Themen Effizienz, Vermeidung von Verschwendung, Kostenminimierung, Wertemaximierung, Kollaboration und ständige Verbesserung. Ziel ist es, die maximale Effizienz in Bauproduktionsprozessen zu erreichen. In vielen Bauprozessen sind die Abläufe bereits effizient, zum Beispiel wird das Maximum an Personal und Maschinen herausgeholt, mit optimal ausgenutzten Zeitressourcen geplant und Verschwendung mittels Just-In-Time-Lieferungen vermieden. Dies sind aber nur erste Schritte, um Bauabläufe zu perfektionieren, Verbesserungspotenzial gibt es weiterhin ausreichend. Lean Construction betrachtet stets das Gesamtpaket eines Bauprojektes, die Effizienz des Gesamtprozesses steht dabei im Fokus. Vom ersten Gedanken der Planung bis hin zur Schlüsselübergabe des vollendeten Gebäudes ist jeder

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Schritt Teil der LEAN-Prozessplanung. Dabei gilt es, jeden Prozessabschnitt zum notwendigen Zeitpunkt in den Fokus zu stellen und eine entscheidende Rolle im Prozessablauf spielen zu lassen.

ablauf Beteiligten gleich zugänglich zu machen, allerdings zahlt sich hier ein proaktiver Ansatz aufgrund dadurch gewonnener Kollaborationen aus, mit Hilfe derer die vorher investierte Zeit wiedergutgemacht werden kann.

Die anzustrebende das komplette Unternehmen umfassende LeanConstruction-Implementierung bedarf zwar einer ernsthaften Betrachtung aller Prozesse, jedoch können schon kleine Verbesserungen in Richtung LEAN große Auswirkungen auf Prozessabläufe haben. Einige Faktoren, die Lean Construction ausmachen:

Vermeidung von Verschwendung:

Die Ausrichtung: Lean Construction zielt darauf ab, jeden Prozessbeteiligten auf den gleichen Informationsstand zu bringen. Selbstverständlich bedarf es Zeit, die Informationen zwischen allen am Bau-

Die „schlanke“ Produktion erreicht fließende Prozesse, um somit Verschwendung aller Ressourcen zu vermeiden. Während der gesamten Projektdauer wird darauf geachtet, verschwendetes Potential zu vermeiden und Ressourcen z. B. in Form von Wissen der Mitarbeiter richtig einzusetzen. Durch die Nutzung aller vorhandenen Ressourcen werden Effizienzgewinne erreicht. Pull anstatt Push: Es wird nur dann produziert, wenn Bedarf besteht. Dadurch werden Liegezeiten, Arbeits- und Materialkosten

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Top-Thema eingespart und es gelingt eine dezentrale Steuerung. 2 Relevanz oder warum wir Lean Construction beachten sollten Betrachtet man die Kernfaktoren Produktivität und Profitabilität, ist es offensichtlich, dass Lean Construction Unternehmen Vorteile bringt. Ja die gesamte Branche verspricht sich von LEAN, maximalen Mehrwert zu schaffen. Dieser Mehrwert orientiert sich an der gesteigerten Effizienz der Wertschöpfungskette, der Planungsstabilität, Vermeidung von Störungen, Risiken und vorhersehbaren Einflüssen sowie an einer Verbesserung der Kommunikation und des Informationsflusses. 3 Nützliche Methode zur Umsetzung Bei der Umsetzung der grundlegenden Theorien des Pull-Prinzips, der Vermeidung von Verschwendung und der richtigen Ausrichtung und Planung, können bestimmte Methoden helfen. Eine dieser ist das Last-Planner-System. Es orientiert sich an allen Prozessbeteiligten und erstellt eine aufeinander abgestimmte Taktplanung, durch welche Kollisionen, Verschwendung und Terminüberschneidungen direkt erkannt und rechtzeitig behoben werden können. Das Last-Planner-System (LPS) von Glenn Ballard ist ein Konzept, um Kooperation und Visualisierung zu kombinieren. Es soll Projektbeteiligte proaktiv auf ihre Ziele fokussieren, welches durch Maßnahmen der Überwachung der Zielerreichungs-Fortschritte gelingt. Die Pläne zur Zielerreichung und der Überwachung des Fortschrittes sind gleichgewichtig auszuarbeiten. Wird die Performance zwar überwacht, die Produktion aber nicht kontrolliert, gilt das Ziel als verfehlt. Vergleichbar wäre eine Kontrolle des aktuellen Fortschrittes, ohne den Gesamtprojektfortschritt zu betrachten. Deswegen sollen verbundene Prozesse, die zum einen zur Festlegung von Projektzielen und zum anderen zur Steuerung von Projekten hin zu diesen Zielen dienen, gesammelt werden. Glenn Ballard stellt dazu folgende Regeln auf: 1. Alle Pläne und Vorgaben jeder Detailebene öffentlich zugänglich

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machen 2. Master-Kontrollpläne auf Meilenstein-Detaillierungsgrad durchführen 3. Detailliertere Planung hin zum Starttermin 4. Pläne mit Ausführenden gemeinsam ausarbeiten 5. Ablaufpläne an Realität konstant anpassen 6. Hindernisse für geplante Aufgaben gemeinsam erkennen und beseitigen 7. Verbessern der Verlässlichkeit 8. Aufgabe nur starten, wenn sie abgeschlossen werden soll oder kann 9. Sichere Zusagen geben 10. Aus Fehlern lernen 11. Keine Vollauslastung von Resourcen 12. Liste mit „Workable Backlogs“ erstellen, d.h. einen Puffer gegen Kapazitäts- und Zeitverlust erstellen (G. Ballard, 2018) Zeitgleich ist das LPS also Planungs-, Monitoring- und Kontrollsystem, welches den Prinzipien der Just-InTime Produktion, dem Value Stream Mapping sowie der Pull-Planung, also einer Planung, die im Prozessablauf nur zur Verfügung stellt, was im nächsten Schritt tatsächlich benötigt wird, entspricht. Anwendung: LPS wird von der Erstplanung an eingesetzt. Diese Erstplanung wird vorausschauend und unter Einbeziehung aller Projektbeteiligten durchgeführt. Das kann bedeuten, die Behörde genauso miteinzubeziehen wie den Tischler, der für den Innenausbau zuständig ist. Ein Ansatz des LPS ist es, Prozessschritte in eine Abfolge von „sollte“, „kann“, „wird“ und „wird erledigt“ zu bringen. Begonnen wird mit der Phasenplanung, in der Meilensteine definiert werden, die im Zuge der Planung festgelegt werden oder vertraglich geregelt sein können. In letzterem Fall können sie als Teil der Phasenplanung direkt übernommen werden. Folgend darauf gilt es, die konkrete Ablaufplanung zu regulieren – auch hier unter Einbezug aller Beteiligten. Dieser Einbezug aller dient auch dazu, Störfaktoren und Einschränkungen in den Prozessschritten zu identifizieren. Ein typischer Störfaktor ist beispielsweise die Lieferung der Bau-

materialien. Relevant ist dabei nicht nur die tatsächliche Lieferung auf die Baustelle, sondern auch der Zeitpunkt und die gelieferte Menge. Alle Baumaterialien auf einmal zu liefern, mag dem Bauleiter/der Bauleiterin zwar zuerst als praktisch erscheinen, eine große Liefermenge benötigt jedoch wiederum höhere Ressourcen, z. B. an Lagerplatzfläche. Damit Materialien dann geliefert werden, wenn sie benötigt werden, muss die Abstimmung der verschiedenen Gewerke im Vorhinein funktionieren und Einhaltung der Lieferziele garantiert sein. 4 Informieren und Kultur schaffen Wie gelingt es, Lean Management im gesamten Unternehmen zu kultivieren? Zwar ist es durchaus sinnvoll, wenn sich einzelne Personen oder Projektgruppen speziell mit Lean Management in einem Unternehmen und dem LEANGedanken beschäftigen, dennoch ist es unumgänglich, sämtliche Mitarbeiter, Projektpartner und am Prozess Beteiligte zeitnah miteinzubeziehen. Ein getakteter Prozess, der zwar von einzelnen Personen gut durchdacht, nicht aber mit allen Projektbeteiligten abgestimmt ist, führt nicht zum Ziel. Ein Beispiel: Eine Dachreparatur wird angefordert, die Baumaterialien sind bestellt, das Bauteam ist vor Ort. Jedoch weiß niemand, zu welchem genauen Zeitpunkt der Kran mitsamt Kranführer eintrifft und welcher Polier die Zuständigkeit für das Team übernimmt. Dieses Beispiel zeigt, dass LEAN nur unter Miteinbezug und Betrachtung aller Beteiligten funktionieren und den versprochenen Mehrwert bringen kann. Nicht anders läuft es auf der Baustelle. Werden alle Gewerke in die Terminund Phasenplanung miteinbezogen, können von Beginn an Kollisionen, Verzögerungen und Konflikte verhindert werden. Der Terminplan wird mit Meilensteinen und Phasen versehen und jede einzelne Phase mit ausreichend Puffer geplant. Verläuft jede dieser Phasen nach Plan, werden Zeitpuffer nicht benötigt und die Phasen verkürzen sich, was sich positiv auf das Gesamtprojekt auswirkt. Im Vergleich dazu ist folgend ein traditioneller Bauprozess zu sehen, der nicht LEAN abläuft. Die Prozessdauer erscheint kurz, durch die notwendige Bearbeitung

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Top-Thema

Abbildung 1: Grober Bauprozessablauf mit Hürden im Ablauf

und Lösung von Konflikten wird allerdings viel Zeit und damit verbundene Kosten in Anspruch genommen. Die Baubesprechungen erfolgen mit den betroffenen Gewerken zum jeweils festgelegten Zeitpunkt, bei Problemen wird eine zusätzliche Baubesprechung einberufen. Es kommt zu unvorhersehbaren Verzögerungen des Prozesses und folglich einem späteren Fertigstellungstermin. Bei Bauherrn und Ausführenden tritt Unzufriedenheit ein. Wird derselbe Bauprozess im Sinne des Lean-Gedankens gestaltet, dann werden die Gewerke noch vor der Terminplanung involviert. Jedes Gewerk stellt sich vorab z. B. folgende Fragen: Mit welchem Arbeitsschritt fange ich an welchem Ort an? Wieviel Zeit benötige ich für jeden einzelnen Schritt? Wieviel Ressourcen stehen mir zur Verfügung und welchen Puffer plane ich mir zusätzlich ein? Bei der gemeinsamen Besprechung werden diese Ergebnisse dann erläutert und diverse Möglichkeiten durchgesprochen, um Kollisionen und Ressourcenverschwendung zu verhindern. Natürlich ist in der gesamten Thematik zu betrachten, wann sich diese Besprechungen lohnen. Unterschieden werden muss hierbei zum Beispiel, ob es sich um ein Anliegen handelt, bei dem Gewerke in zeitlicher Abfolge tätig sind oder ob sich die Tätigkeiten überschneiden. Dies hängt meist von der Größe und Komplexität des Bauobjekts ab. Unnötiger Weise angesetzte Termine und Besprechungen widersprechen nämlich dem LEAN-Gedanken.

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5 Messbarkeit „Was bringt uns LEAN?“ Dieser Satz fällt oft, und das sicher zu Recht. Lean-Berater halten sich mit Angaben diesbezüglich oft zurück und sprechen mehr vom allgemeinen Mehrwert als von Fakten in Form konkreter Zahlen. In erster Linie ist auch dieser allgemeine Mehrwert zu betrachten, der in der Folge konkrete Zahlen liefern kann. Als Bewertungsfaktor können z.B. Bauzeiten herkömmlicher Projektplanung mit Bauzeiten einer LEANProjektplanung verglichen werden. Ein solcher Vergleich gestaltet sich jedoch als schwierig, da selten Bauprojekte entstehen, die komplett gleich verlaufen. Vergleichbare Zahlen können also kaum geliefert werden. Ebenso wird die Vergleichbarkeit bekannter Lean-Prozesse, beispielsweise aus einer Produktionsstrecke, mit jenen im Bauwesen aufgrund unvorhersehbarer Einflüsse, die die Branche mit sich bringt, angezweifelt. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, dennoch sind auch im Bau Prozesse identifizierbar, die optimiert und standardisiert werden können. 6 Die Hürde/Vor- und Nachteile Eine Hürde stellt das erste Verständnis und die Bekanntheit der Notwendigkeit von Lean-Prozessen bei externen Prozessbeteiligten dar. Zwar lässt sich der Zusammenhang zur effizienten Arbeit an Beispielen leicht erklären, dennoch steht der anfangs aufzubringende Mehraufwand oftmals nicht im Verhältnis zum zielführenden Output. Daher benötigt es immer wieder gute

Erklärung und Überzeugungskraft, um den erfahrenen Facharbeiter, den Bauherren oder den Spediteur in den Prozess miteinzubinden und vom Lean-Konzept zu überzeugen. Verständnis und Involvement kann bewirkt werden, indem Anschauungsbeispiele vorgestellt und somit ein direkter Bezug zum Thema erstellt wird. Letztendlich ist Lean Construction gewinnbringend, weil es eine allgemeine Verbesserung der Prozesse bringt. Natürlich sind es nach wie vor zuvorderst die Handwerkskunst und das Fachwissen, die ein gutes Bauobjekt ausmachen, aber es ist auch die Fähigkeit, Verbesserungsmöglichkeiten dort zu erkennen, wo sie zu finden sind und vor allem der Wille, diese Verbesserung nachhaltig umzusetzen, zu standardisieren und kontinuierlich zu verbessern. Damit gelingt LEAN am Bau. 7 Fazit LEAN als kurzlebige Lösung aller Prozessablaufprobleme zu betrachten ist falsch. LEAN bietet die Möglichkeit, sich tiefgehender mit Prozessabläufen und Strukturen zu beschäftigen, Routinen aufzubrechen und ständige Verbesserung zu erzielen. Dies beginnt mit einem geschulten Auge auf Verschwendung in alltäglichen Bauabläufen, schreitet fort in der effizienten Planungsgestaltung dieser und endet im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung nie. Autorin: Judith Kowarsch, BA in Business, ist Prozessmanagerin und Verantwortliche

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Top-Thema für Lean Construction bei Rieder Bau GmbH & Co KG in Kufstein, Tirol. Berufsbegleitend absolviert sie ihr Masterstudium im Studiengang ERP-Systeme & Geschäftsprozessmanagement an der Fachhochschule Kufstein Tirol. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie 2017 über die „Einführung eines BPMN-Tools zur

Modellierung des Workflowmanagements von Rieder Bau. Ihre Masterthesis befasst sich mit dem Thema der Nutzung von Lean Methoden im Bauwesen.

Judith Kowarsch, BA Masterandin an der FH Kufstein Tirol und Prozessmanagement/ Lean Construction Riederbau GmbH & Co KG

BUCHVORSTELLUNGEN

Den Herausgebern ist es mit den beiden Abschnitten „Theorie & Perspektiven“ sowie „Standpunkte“ in diesem zweiten Buch der Seminarreihe Bauunternehmensführung gelungen, einen Bogen zwischen Theorie und Praxis zu spannen. Neben den hochaktuellen Themen Digitalisierung und Lean Management gibt das Buch viele weitere Anregungen zu den verschiedensten Themen an der Schnittstelle zwischen Bauingenieurwesen und Baubetriebswirtschaft. Die zahlreichen Interviews mit namhaften Vertretern der österreichischen Bauwirtschaft geben interessante Impulse für Interessierte und vor allem auch für Führungskräfte eines Bauunternehmens. MMag. Michael Kraninger, Haberl Energieanlagen GmbH

Bauunternehmensführung 2018 Theorie - Perspektiven – Standpunkte G. Mauerhofer, C. Gutsche (Hrsg) Verlag der Technischen Universität Graz ISBN 978-3-85125-644-4

Aus dem Inhalt: Wettbewerbsfähigkeit von KMU-Bauunternehmen in Österreich Implementierung eines betriebsinternen Lean Construction Schulungskonzepts Geschäftsmodelle in der Bauwirtschaft Arbeitsplätze der Zukunft in der Bauwirtschaft Personalmanagement in Bauunternehmen Struktur der Ziviltechniker in Österreich Nachfolge in Familienunternehmen Führungsmodelle in der Bauwirtschaft Partnerschaftliche Abwicklung von Bauprojekten Jahresabschlussanalyse in Theorie und Praxis ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

forschungsreihe Bericht iBBW3 Wertschöpfungskette

Branchenstudie KMU-BAU Wettbewerbsfähigkeit Bauhauptgewerbe 2020

Univ.-Prof. Dr.techn. Gottfried Mauerhofer Michael Kraninger

Forschungsreihe des Instituts für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Graz

Branchenstudie KMU-BAU Wettbewerbsfähigkeit 2020 G. Mauerhofer, M. Kraninger Verlag der Technischen Universität Graz ISBN 978-3-85125-649-9

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Ende 2018 veröffentlichte das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der TU Graz die Ergebnisse eines Forschungsprojekts über die Wettbewerbsfähigkeit von KMUBauunternehmen in Österreich in Form eines Branchenberichts. Dieser soll den kleinen und mittelständischen Bauunternehmen helfen, ihre vereinzelten Schwächen im betriebswirtschaftlichen Bereich und im strategischen Denken zu überwinden, welche ihrer unbestrittenen Kompetenz im technischen und handwerklichen Bereich gegenüberstehen. Untersucht wurden acht Erfolgsfaktoren in 50 befragten Unternehmen. In anonymisierter Form kann der Leser erfahren, was die wirtschaftlich erfolgreichsten Unternehmen den weniger erfolgreichen Unternehmen voraushaben und hoffentlich geeignete Schlüsse für die eigene Praxis gewinnen. Aus dem Inhalt: Erfolgsfaktoren, Unternehmenserfolg und Wettbewerbsfähigkeit Leistungstiefe von KMU-Bauunternehmen Akquisition und Kalkulation Kundenorientierung Innovation Interne Prozesse Personal Unternehmensstrategie Finanz- und Kostenstruktur

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Top-Thema

Foto: Dominik Ehmann

Jürgen Schwarz, Philipp Wittenbrink

Anwendung von Methoden des Lean Construction Management im maschinellen Tunnelbau Der vorliegende Beitrag stellt die Anwendung von Lean-Construction-Methoden im maschinellen Tunnelbau am Beispiel des Rohrvortriebs vor. Ziel ist es, die Verfügbarkeit der Vortriebsprozesse zu erhöhen, indem bei Störungen während der Dauer der Störung andere Arbeiten erledigt werden. Hierzu wurde ein Prozessmodell entwickelt. Mit Anwendung die-ses als digitalem Hilfsmittel können dokumentierte Erfahrungsdaten objektiv ausgewertet und in die Entscheidungsvorschläge bei aktuellen Störungen mit einbezogen werden. Als Ergebnis werden die Bauzeit und damit die beim Tunnelbau maßgeblichen zeitgebundenen Kosten reduziert. Zusätzlich werden die Einzelprozesse ressourceneffizienter. 1. Lean Construction und Tunnelbau Der Begriff „Lean“ wird verwendet, um darzustellen, wie bestimmte Aufgaben im Vergleich zu traditionellen Verfahren verbessert ausgeführt werden können. Diese Verbesserung kann, als wörtliche Übersetzung von „Lean“, mit „schlank“ oder „effizient“ beschrieben werden. „Lean“ bedeutet also, „mit weniger, gleich viel oder mehr erreichen“ [1]. Der Begriff wurde durch eine im Jahr 1990 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) veröffentliche Studie von Womack et al. bekannt („Die zweite Revolution in der Automobilindustrie“ [2]). Der Tunnelbau hat in den letzten Jahren hoch technologische Vortriebsverfahren entwickelt [3]. Trotzdem bestehen die Risiken der klassischen Linienbaustellen bei Verzögerungen bzw. dem kompletten Ausfall der Vortriebsprozesse weiterhin. Um die

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Verfügbarkeit des Vortriebs zu steigern, sind Dauer und Häufigkeit der Stillstandzeiten zu verringern. Hierbei sind die ungeplanten Stillstandzeiten (Störungen) zu reduzieren und die geplanten Stillstandzeiten (notwendigen Unterstützungsprozesse) – mit Blick auf den Gesamtprozess – optimal zu ter-minisieren. Die Produktivitätsmaximierung ist das übergeordnete Ziel, welches am Erfolg der betrieblichen Tätigkeiten gemessen wird. Um diesen Erfolg zu erreichen, muss der Ein-satz der Produktionsfaktoren (insbesondere der Ressourcen) optimiert werden. Dies ge-schieht durch den Fokus auf das ökonomische Prinzip (mit vorgegebenem Input einen maximalen Output erreichen oder einen vorgegebenen Output mit minimalem Input erreichen) [1, 4]. In welchem Maße dieses Ziel erreicht wird, kann mit Hilfe der Betrachtung der Effizienz gemessen werden. „Unter Effizienz versteht man die Beurteilung

der Beziehung zwischen der erbrachten Leistung und dem Ressourceneinsatz“ [4]. Die Effizienz beschreibt so-mit die interne Leistungsfähigkeit des Unternehmens bezüglich der Abläufe und des Ressourceneinsatzes und kann durch einen Blick auf die Produktivität ermittelt werden. „Als Produktivität bezeichnet man das mengenmäßige Verhältnis zwischen Output und Input des Produktionsprozesses“ [4]. Als Möglichkeiten für die Produktivitätssteigerung sind die Projektplanung und der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnolgie bzw. digitalen Hilfsmitteln zu nennen. Die Projektplanung beinhaltet die Objektplanung, zeitliche Planung (Ablaufplanung), die Ressourcenplanung und die Steuerungsplanung. Strukturierte Daten und Kennzahlen stellen Mittel zur Steuerung, Kontrolle und Komplexitätsreduzierung dar [5, 10]. Für diese ist die Verwendung von Informations-

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Top-Thema und Kommunikationstechnologie unver-zichtbar. Das folgend beschriebene Prozessmodell vereint verschiedene Lean Methoden und erfüllt die geschilderten Notwendigkeiten zur Steigerung der Produktivität. 2. Prozessmodell Für das Prozessmodell gelten die folgenden Prämissen [1]: 1. Um die Produktivität zu erhöhen, ist es Ziel des Bauunternehmens, die Kosten für die Erstellung des Bauwerks so gering wie möglich zu halten. Dies optimiert den Ressourceneinsatz der Einzelprozesse. 2. Die Kosten werden umso geringer, je schneller das Bauwerk bei gleichem Ressourceneinsatz erstellt wird. Ziel ist es, das Projekt so schnell wie möglich, unter Einhaltung der Zielvorgaben bzgl. der Qualität, fertigzustellen. Dies minimiert die Bauzeit und reduziert zeitgebundene Kosten. 3. Die Kapazität des Vortriebs bestimmt den Gesamtfortschritt für die Erstellung des Tunnels. Auch hierbei liegt der Fokus auf der Zeitersparnis, nämlich auf dem kritischen Weg der Baumaßnahme. Diese Prämissen, die allesamt mit dem Lean-Gedanken vereinbar sind, führen in der Anwendung im Tunnelbau zu der Forderung: „Der Vortrieb sollte gemäß seiner Kapazität (= so oft wie möglich und so lange wie möglich) laufen, damit der Tunnel so schnell wie möglich fertiggestellt wird“ [1]. Bei der Entwicklung des Prozessmodells wurden darüber hinaus folgende Grundsätze erfüllt: Ganzheitlichkeit, Flexibilität, Prozessorientierung, Kundenorientierung, Einfachheit und Transparenz. Die beschriebene Anwendung erfolgte für den Rohrvortrieb. Die vereinfachte Aufteilung des Rohrvortriebs in drei Zustände dient als Ausgangspunkt für die Strukturierung der auftretenden und im Prozessmodell zu beachtenden Prozesse [1]: Teilprozess 1 (= Vortrieb): Der Boden wird vom Bohrkopf/Schneidrad gelöst/ ausgebrochen und mit Hilfe der Suspension gefördert. Der Vorschub erfolgt durch das Ausfahren der Hauptpressen und damit das Schieben des gesamten Rohrstrangs durch den Untergrund. Teilprozess 2 (= Rohreinbau): Die Hauptpressen sind maximal ausgefahren, der Vortrieb wird angehalten, die Pressen

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zurückgefahren und ein neues Rohr wird in die frei gewordene Lücke in der Pressanlage im Startschacht abgesenkt. Der Vortrieb (Teilprozess 1) könnte erneut starten. Teilprozess 3 (= Stillstand): Weder Tätigkeiten des ersten noch des zweiten Teilprozesses sind ausführbar. Ursache hierfür können geplante oder ungeplante Prozesse sein. Geplante Prozesse werden in diesen Zusammenhang als Unterstützungsprozesse oder systembedingte Ausfallzeiten bezeichnet. Zu diesen zählen in regelmäßigen Abständen durchzuführende Wartungs-, Kontroll-, Vor- und Nacharbeiten. Ungeplante Prozesse werden als Störprozesse bezeichnet. Zu diesen zählen Wartezeiten, Betriebsstörungen oder

regelmäßigen, präventiven Kontrollen sinnvoll sind, um dies zu vermeiden, wird ebenfalls mit dem Prozessmodell ermittelt. Beide Ursachen für einen Still-stand (innere und externe Faktoren) dürfen nicht unberücksichtigt und unbehandelt bleiben [1]. Ein Stillstand bedeutet aber auch eine Chance, da durch Stillstand Ressourcen (Personal, Zeit, Maschinen) freigesetzt werden, welche für den ausfallenden Prozesse eingeplant waren. Diese Ressourcen können und sollen genutzt werden. Für die Entwicklung des Modells werden im ersten Schritt verschiedene Prozesskategorien [1] definiert, Bild 1 zeigt eine Zusammenstellung von Prozessen beim Rohrvortrieb:

Bild 1: Teilprozesse beim Rohrvortrieb

Defekte. Alle den dritten Teilprozess bedingenden Unterprozesse reduzieren die Verfügbarkeit des Vortriebs. Die Anzahl dieser Störungen ist zu minimieren, werden aber nie gänzlich zu ver-meiden sein, da es sich bei einem Tunnelbauvorhaben um ein von äußeren und inneren Einflüssen abhängiges Projekt handelt. Diese Einflüsse sind nur eingeschränkt kontrollierbar. Beispielsweise können Wartezeiten, die nur durch größere Pufferzeiten vermieden werden können, durch einen aufgrund von Stau verspätet eintreffenden LKW verursacht werden. Welche Pufferzeiten dabei sinnvoll sind, ist Gegenstand des Prozessmodells. Ein zweites Beispiel ist ein defektes Vortriebswerkzeug am Schneidrad, dessen Austausch den Vortrieb zum Erliegen bringt. Welche

1. Direkt Werterzeugende Prozesse (DWEP) - Schlüsselprozesse (SP) 2. Indirekt Werterzeugende Prozesse (IWEP) - Unterstützungsprozesse (UP) 3. Nicht Werterzeugende Prozesse (NWEP) - Störprozesse (StP) Im zweiten Schritt kann zu jedem Zeitpunkt der Leitprozess bestimmt werden, welcher der Ausgangspunkt für die Ermittlung weiterer möglicher Parallelprozesse ist. Definition Leitprozess (LP) [1]: „Ist die Ausführung eines Schlüsselprozesses möglich, so ist dieser der Leitprozess. Ist die Ausführung eines Schlüsselprozesses nicht möglich, ist der Prozess, der die Ausführung eines Schlüsselprozesses verhindert, der Leitprozess. Dieser kann entweder ein Un-

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Top-Thema terstützungsprozess oder die Behebung einer Störung (= Störprozess) sein. Die Ausführung des Leitprozesses hat die höchste Priorität.” Die Prozesskategorien lassen sich auf die Prozesse des Rohrvortriebs übertragen [1]: DWEP: Diese sind das Bohren (inkl. Boden-Abtransport) und der Einbau der Rohre. Die DWEP bestimmen die Kapazität (= Vortriebsgeschwindigkeit) und erzeugen tatsächlichen Wert. Sinkt die Kapazität dieser Prozesse, so sinkt auch die Gesamtkapazität und die Kosten (z.B. Miet-, Lager-, Stromkosten) steigen an. Fällt einer dieser Prozesse aus, kommt es zum Erliegen des Gesamtprozesses (der Baustelle). Somit haben alle Aktivitäten Priorität, die dafür sorgen, dass die DWEP gemäß ihrer Kapazität ausgeführt werden können. IWEP: Diese werden auch als systembedingte Ausfallzeiten bezeichnet und senken die mögliche Vortriebsgeschwindigkeit, was aufgrund ihrer Notwendigkeit (z.B. Kontrolle, Reini-gung, Verlängerung der Stromversorgung) unvermeidbar ist. Sie erzeugen somit keinen di-rekten Wert für den Kunden, sind jedoch für die Werterzeugung notwendig. Zu beachten ist, dass die Durchführung der IWEP zu den falschen Zeitpunkten und bei unflexibler zeitlicher Ausführung, die Vortriebsgeschwindigkeit vermeidbar stört. Zu den IWEP im Rohrvortrieb zählen beispielsweise Kabelverlängerungen, Kontrollvermessungen oder das Auffüllen von Hydrauliköl. NWEP: Diese werden auch als nicht-systembedingte Ausfallzeiten bezeichnet. Bei diesen handelt es sich um das Beheben von unplanmäßigen Stillständen wie beispielsweise Wartezeiten oder Betriebsstörungen. Diese sind zu vermeiden bzw. zu minimieren, da sie Verzögerungen, Kosten (keinen Wert) und somit Verschwendung verursachen. Bild 2 zeigt den Entscheidungsbaum, mit welchem der Leitprozess ermittelt wird [1]. Der nächste Schritt ist die optimale Nutzung der durch die Störung freiwerdenden Ressourcen mit dem Ziel, zukünftige Störungen durch IWEP zu vermindern: Anhand gewisser Kriterien werden die Prozesse ermittelt, deren Ausführung parallel zu einem Störprozess möglich ist. Ist mehr als ein Prozess

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stimmten Dauer bzw. nach einer bestimmten Vortriebslänge notwendig. Sie sind in regelmäßiger Wiederholung auszuführen, haben eine zyklische Fälligkeit. Die Fälligkeiten sind zum einen zeitlich, zum anderen örtlich bedingt. Beispielsweise sind die Kabel für die Pumpe ca. alle 40 bis 60 m Bild 2: Entscheidungsbaum zur Bestimmung des Leitprozesses zu verlängern. Um (Beispiel Rohrvortrieb) einen Vergleich und möglich, werden die Prozesse bzgl. die Erstellung einer Rangliste bzgl. der ihres zukünftigen Einflusses sinnvoll Fälligkeit aller ausführbaren Prozesse anhand spezieller Filter geordnet (= pri- zu ermöglichen, wird eine einheitliche orisiert). Skala (0-10) verwendet. Beide FälligDas erste Kriterium zur Ermittlung keiten (örtlich und zeitlich) werden solcher Prozesse ist die „Technische auf diese Skala normiert. Weitere FilMöglichkeit“. In diesem Schritt werden ter können die Häufigkeit, die durchProzesse ausgeschlossen, deren paralle- schnittliche Dauer oder die Prozessle Ausführung zum aktuellen Störpro- nummer sein [1]. zess aus technischen Gründen nicht möglich ist. Zu diesen ausschließenden 3. Anwendung Gründen zählen z.B. der verfügbare Platz oder Sicherheitsaspekte. Das zwei- Eine erste Anwendung des Prozessmote Kriterium stellen die „Verfügbaren dells erfolgte bei einem Rohrvortrieb Ressourcen“ dar, anhand derer Pro- in der Hamburger Innenstadt. Bei diezesse ausgeschlossen werden, für wel- sem Projekt wurden die kritischen Resche die verfügbaren Ressourcen nicht sourcen auf die Arbeitskräfte (Kranausreichen würden, um parallel auch führer, Schlosser, Schichtführer, etc.) am Störprozess arbeiten zu können. eingegrenzt. Die Implementierung des Das dritte Kriterium ist die Prozessdau- Modells auf der spezifischen Baustelle er. Mit diesem werden Prozesse ausge- dauerte weniger als einen Arbeitstag. schlossen, für die eine größere ProzessDas Anwendungsbeispiel in Bild dauer zu erwarten ist, als für aktuellen 3 zeigt, dass bei Tunnelmeter 435 der Störprozess angenommen wird. Die Störprozess „Betriebsstörung WiderAusführung eines IWEP, der länger als lager/Hauptpressenstation“ auftrat. der eigentliche Störprozess dauert, steht Nach den Erfahrungsdaten wurde für im Gegensatz zur Zielanforderung der die Behebung dieser Störung die DauPriorisierung des Leitprozesses. Der er 0,5 Stunden angesetzt. Anhand der Parallelprozess würde selbst zu einem im Prozessmodell definierten Kriterien (neuen) Störprozess werden, da er die wurden mögliche Parallelprozesse erAusführung der Schlüsselprozesse ver- mittelt und diese anhand von Filtern hindert [1]. in eine definierte Rangfolge gebracht. Die möglichen Prozesse werden an- Dies ergab als Empfehlung, dass die hand der Filter in eine Rangfolge ge- Zeit während dieser Störung genutzt bracht. Hierbei wird ein Abgleich mit werden kann, um das Hydrauliköl aufdem aktuellen Zustand der Baustelle zufüllen. Die Fälligkeit zeigt, dass diebzgl. des aktuellen Ortes und der Dau- ser Prozess in unmittelbarer Zukunft er des Vortriebs sowie der dokumen- zu einem erneuten Stillstand geführt tierten Daten (Abhängigkeiten der Pro- hät-te, was der Projektleiter innerhalb zesse, Prozesshäufigkeit, letztmalige kürzester Zeit und mit wenigen MausDurchführung hinsichtlich des Ortes klicks in Erfahrung bringen kann. und der Zeit) vorgenommen [1]. Die Filter, z. B. Prozessdauern, sind Der erste Filter ist die Fälligkeit. mit Erfahrungswerten hinterlegt. In IWEPs werden jeweils nach einer be- der aktuellen Anwendung werden feste

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TOP-Thema index.php/lexikon/512-7-verschwendungsarten. html, Zugriff: 24.04.2018 [9] Maidl, Bernhard: Handbuch des Tunnel- und Stollenbaus. 1994, S.361 [10] Langemann, T.: Modellierung als Kernfunktion einer systemorientierten Analyse und Bewertung der diskreten Produktion. 1999, S.21.

Autoren:

Bild 3: Beispiel Anwendung Prozessmodell [1]

(deterministische) Werte verwendet. Entsprechend dem Lean-Prinzip „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)“ werden im Zuge weiterer Modellanwendungen Daten gesammelt und ausgewertet, damit die tatsächlich unsicheren Parameter („Dauer“) durch Häufigkeitsverteilungen beschrieben werden. Die Bewertung, ob ein Parallelprozess kürzer als der Leitprozess ist, erfolgt dann mit einer Wahrscheinlichkeit. Ebenso können damit erforderliche Pufferzeiten und die Wirtschaftlichkeit präventiver Wartung begründet werden. 4. Ausblick Die Anwendung des Prozessmodells zeigt, dass nur naheliegende Tätigkeiten, die während eines Störprozesses ausgeführt werden können, auch ohne Hilfsmittel von den Mitarbeitern erkannt werden. Tätigkeiten in ferner Zukunft werden dementsprechend oft nicht berücksichtigt oder nur von sehr erfahrenen Bauleitern erkannt. Interessant ist, dass gerade diese erfahrenen Bauleiter für ein digitales Werkzeug, wie das beschriebene Prozessmodell, sehr aufgeschlossen sind, da die Anwendung eine Hilfestellung und Unterstützung bietet und somit mehr Zeit für andere, wichtigere Aufgaben bleibt. Das Prozessmodell wurde für den Rohrvortrieb konzipiert. Eine Adaption auf weitere Bauverfahren des Tunnelbaus und auch auf andere Bereiche des Bauwesens mit derselben Methodik ist möglich. Es ist insbesondere sinnvoll, wenn die zeitgebundenen Kosten einen herausragenden Anteil an den Gesamtkosten haben. Eine Anpassung der bekannten Prozesse des jeweiligen

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Verfahrens, deren Eingangsparameter und Abhängigkeiten sind hierfür notwendig. Bei der Adaption auf den konventionellen Tunnelbau ist eine veränderte Anzahl der Schlüsselprozesse zu berücksichtigen. Literaturverzeichnis [1] Wittenbrink, Philipp (Stand 20.04.18): Modulares Prozessmodell zur Optimierung des Rohrvortriebs mit Lean Construction Methoden; Bericht Nr. 11 des Instituts für Baubetrieb der UniBw München, Herausgeber Prof. J. Schwarz, Verlag Dr. Hut, 2019 [2] Womack, James P.; Jones, Daniel T.: Die zweite Revolution in der Automobilindustrie; original Titel: The machine that changed the world. 1991 [3] Maidl, Ulrich; Nellessen, Philipp: Zukünftige Anforderungen an die Datenaufnahme und -auswertung bei Schildvortrieben. 2003, S.150 [4] Thommen, Jean-Paul; Achleitner, Ann-Kristin; Gilbert, et al.: Allgemeine Betriebs-wirtschaftslehre. 2017, S.46 [5] Ohno, Taichi: Das Toyota-Produktionssystem. 1993, S.7 ff., 45 f. [ 6] Womack, James P.; Jones, Daniel T.: Lean thinking. 2013, S.16, 46, 51 [7] Burrows, Mike: Kanban - Verstehen, einführen, anwenden. 2015, S.123 f. [8] leanmagazin.de: 7 Verschwendungsarten. 2018. Verfügbar unter: http://leanmagazin.de/

Univ. Prof. Dr.-Ing. Jürgen Schwarz Jürgen Schwarz studierte Bauingenieurwesen an der TU Berlin. Nach fünf Jahren Bauleitung im Tunnelbau promovierte er an der TU München. Er ging dann weitere 20 Jahre in die Bauindustrie und arbeitete im Ingenieurbau und Tunnelbau für Projekte im In- und Ausland. Seit 2006 ist er Leiter des Instituts für Baubetrieb an der UniBw München, und seit 2010 Inhaber der Prof. Jürgen Schwarz Consulting GmbH. Dr. Philipp Wittenbrink Philipp Wittenbrink studierte Bauingenieurwesen an der TU München. Anschließend begann er als Projektmanager bei der PJS Consulting in Neubiberg. Parallel dazu promovierte er an der Universität der Bundeswehr München. Seit 2019 arbeitet er als Senior Projektmanager in der Projektsteuerung bei Stein und Partner Projektmanagement in München.

Univ. Prof. Dr.-Ing. Jürgen Schwarz Leiter des Instituts für Baubetrieb an der UniBw München

Dr. Philipp Wittenbrink Senior Projektmanager bei Stein und Partner Projektmanagement

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IMPRESSUM

WING to your success …wir sind für Sie garantiert von Nutzen …

Gerade in Zeiten wie diesen stellen ein reizvoller Workshop, das Verteilen von lukrativen Flyern oder eine interessante Firmenpräsentation effiziente und kostengünstige Möglichkeiten zur Werbung für Unternehmen in Fachkreisen dar.Hervorzuheben ist der Zugang zur Technischen Universität als Innovations- und Forschungsstandort der besonderen Art, denn im Zuge von Bachelor- und/oder Masterarbeiten können Sie Studenten in Ideen für Ihre Firma miteinbeziehen und mit ihnen innovative Lösungen ausarbeiten. Nicht zuletzt wird auf diesem Weg auch für die Zukunft vorgesorgt. Denn schließlich sind es die heutigen Studenten der Technischen Universität, die morgen als Ihre Kunden, Händler oder Lieferanten fungieren. Mit WINGnet-Werbemöglichkeiten kann man diese nun schon vor dem Eintritt in das Berufsleben von sich und seiner Firma überzeugen und somit eine gute Basis für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen. WINGnet Wien veranstaltet mit Ihrer Unterstützung Firmenpräsentationen, Workshops, Exkursionen sowie individuelle Events passend zu Ihrem Unternehmen. WINGnet Wien bieten den Studierenden die Möglichkeit- zur Orientierung, zum Kennenlernen interessanter Unternehmen und Arbeitsplätze sowie zur Verbesserung und Erweiterungdes universitären Ausbildungsweges. Organisiert für Studenten von Studenten.Darüber hinaus bietet WINGnet Wien als aktives Mitglied von ESTIEM (European Students of Industrial Engineering and Management) internationale

WINGbusiness Impressum Medieninhaber (Verleger) Österreichischer Verband der ­Wirtschaftsingenieure Kopernikusgasse 24, 8010 Graz ZVR-Zahl: 026865239 Editor Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Siegfried Vössner E-Mail: voessner@tugraz.at Redaktion/Layout Chefin vom Dienst & Marketingleiterin: Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at Redakteure Dipl.-Ing. Sigrid Weller BSc. E-Mail: sigrid.weller@tugraz.at Dipl.-Ing. Ines Korajman BSc. E-Mail: ines.korajman@tugraz.at Dipl.-Ing. Dr. Dietmar Neubacher E-Mail: dietmar.neubacher@tugraz.at Dipl.-Ing. Theresa Passath BSc. E-Mail: theresa.passath@unileoben.ac.at Ortbauer Bernhard MSc., BSc. E-Mail: bernhard.ortbauer@tugraz.at Dipl.-Ing. Andreas Kohlweiss, BSc E-Mail: andreas.kohlweiss@tugraz.at Anzeigenleitung/Anzeigenkontakt Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795,E-Mail: office@wing-online.at

Veranstaltungen und Netzwerke. In 24 verschiedenen Ländern arbeiten 66 Hochschulgruppen bei verschiedenen Aktivitäten zusammen und treten so sowohl untereinander als auch zu Unternehmen in intensiven Kontakt. Um unser Ziel - die Förderung von Studenten - zu erreichen, benötigen wir Semester für Semester engagierte Unternehmen, die uns auf verschiedene Arten unterstützen und denen wir im Gegenzug eine Möglichkeit der Firmenpräsenz bieten. Die Events können sowohl in den Räumlichkeiten der TU Wien als auch an dem von Ihnen gewünschten Veranstaltungsort stattfinden. Weiters können Sie die Zielgruppe individuell bestimmen. Sowohl alle Studienrichtungen als auch z.B. eine Festlegung auf Wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ist möglich. Außerdem besteht die Möglichkeit eine Vorauswahl der Teilnehmer, mittels Ihnen vorab zugesandten Lebensläufen, zu treffen. Auf unserer Webseite http://www.wing-online.at/de/wingnetwien/ finden Sie eine Auswahl an vorangegangenen Events sowie detaillierte Informationen zu unserem Leistungsumfang WINGnet Wien: Theresianumgasse 27, 1040 Wien, wien@wingnet.at ZVR: 564193810

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Druck Universitätsdruckerei Klampfer GmbH, 8181 St. Ruprecht/Raab, Barbara-Klampfer-Straße 347 Auflage: 2.500 Stk. Titelbild: Adobe Stock WING-Sekretariat Kopernikusgasse 24, 8010 Graz, Tel. (0316) 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at WING-Homepage: www.wing-online.at Erscheinungsweise 4 mal jährlich, jeweils März, Juni, Oktober sowie Dezember. Nachdruck oder Textauszug nach Rück­sprache mit dem Editor des „WINGbusiness“. Erscheint in wissenschaftlicher Zusammen­arbeit mit den einschlägigen Instituten an den Universitäten und Fachhochschulen Österreichs. Der Wirtschaftsingenieur (Dipl.-Wirtschaftsingenieur): Wirtschaftsingenieure sind wirtschaftswissenschaftlich ausgebildete Ingenieure mit akademischem Studienabschluss, die in ihrer beruflichen Tätigkeit ihre technische und ökonomische Kompetenz ganzheitlich verknüpfen. WING - Österreichischer Verband der Wirtschaftsingenieure ist die Netzwerkplattform der Wirtschaftsingenieure. ISSN 0256-7830

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Die Österreichische Vereinigung für Instandhaltung und Anlagenwirtschaft präsentiert

33. Internationaler Instandhaltungskongress

DIGITALISIERTE INSTANDHALTUNG Stand und Perspektiven 9. – 10. Oktober | Falkensteiner Hotel & Asia Spa Leoben Folgende Aspekte der Digitalisierung werden thematisiert:

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