WINGbusiness Heft 01 2019

Page 1

ISSN 0256-7830; 52. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M

1/19

WING

business

Digitale Geschäftsmodelle

Geschäftsmodelle im Zeitalter der Digitalisierung

10

Mit Daten Wert schaffen

IoT-basierte Geschäftsmodelle 16

21


Einstellung zählt.

Passion für Präzision.

#weareknapp 'LHWHU HQWZLUIW /RJLVWLNDQODJHQ -HGHV 0DO ZHQQ HLQ 3URMHNW EHJLQ QW LVW HU EHLP .LFN Rႇ GDEHL (U ZHL ZRUDXI HV DQNRPPW 9RUDXV GHQNHQ XQG ÀH[LEHO EOHLEHQ ± GDV JLOW DXFK DOV )DPLOLHQYDWHU XQG %LOODUGVSLHOHU /XVW DXI HLQ VWDUNHV 7HDP" /XVW DXI ULFKWLJ YLHOH 0|JOLFKNHLWHQ" :LU OH EHQ XQG DWPHQ /RJLVWLN $OV 7HLO GHV .1$33 7HDPV DUEHLWHQ 6LH DQ VSDQ QHQGHQ 3URMHNWHQ I U .XQGHQ LQ DOOHU :HOW XQG JHVWDOWHQ GLH =XNXQIW GHU /RJLVWLN PLW 'DPLW 6LH ,KU %HVWHV JHEHQ N|QQHQ OHJHQ ZLU :HUW DXI HLQ IDPLOLHQIUHXQGOLFKHV $UEHLWVXPIHOG )UHLUDXP I U .UHDWLYLWlW XQG HLQH RႇHQH 8QWHUQHKPHQVNXOWXU

Jetzt Bewegung in Ihre Karriere bringen und bewerben. knapp.com/karriere


Editorial

Digitale Geschäftsmodelle

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Siegfried Vössner Liebe Leserin, lieber Leser, es gibt wohl keinen anderen Stoff, der so fein und mit so viel Begeisterung gewoben wird, wie der aus Seemannsgarn. Hier wird aus Gründen der Gendergerechtigkeit auf die weibliche Form des Seemanns verzichtet. Schließlich ist dies eine der wenigen verbliebenen Männerdomänen – das Spinnen von Garn zum Thema der Seefahrt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich immer noch viele Vertreter der Erstgenannten zu sogenannten „Männertörns“ zusammenfinden und streng geschlechtsgetrennt meist jährlich eine Selbsterfahrungswoche auf See einlegen. Natürlich ranken sich, vor allem bei den Zurückgelassenen bzw. ausgeschlossenen Vertreterinnen des anderen Geschlechts wilde Spekulationen und Gerüchte um Sinn, Zweck und Natur dieser Veranstaltungen. Die Spekulationen reichen von der Suche nach Meerjungfrauen, über Wikinger ähnliche Saufgelage auf See, bis zu infantilen, kindischen Spielen von Männern, die nie erwachsen werden wollen. Schon seit jungen Jahren habe ich (inspiriert durch einen Gebirgsfluss vor dem Elternhaus) eine hohe Affinität zum Wassersport entwickelt und einige „Selbstmordversuche“, wie es mir nahestehende Vetterinnen des anderen Geschlechts liebevoll genannt haben, mit Kajaks, Kanus, Flößen, Rafting- und Segelbooten erfolgreich überlebt. Daher war es nur mehr eine Frage der Zeit, bis ich vor 15 Jahren zu meinem ersten „Männertörn“ eigeladen wurde, dem viele weitere folgten – neben anderen Segelabenteuern. Daher kann ich nun aus berufenem Munde ein wenig Klarheit zu den Spekulationen über Männertörns und für die mittlerweile ungeduldig gewordenen Leser über digitale Geschäftsmodelle beitragen. Bei unseren Männertörns ging es neben Segeln fast ausnahmslos darum, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Über das Segeln und über gutes Essen und wo man es bekommen könnte – das Essen. In der vordigitalen Zeit war dies das dominante Thema: „Wenn wir nach Vodice kommen, müssen wir unbedingt wieder zum „Gušte! Dort hatten wir vor 7 Jahren herrliche Steaks!“ „Zum „Gušte“? – Ja lebt der denn noch? Ich denke der hat an seinen Sohn übergeben und man hört, es soll nicht mehr so sein wie früher.“ So ging es eine ganze Überfahrt lang. Dazu muss man sagen, dass dies damals die einzige verlässliche Möglichkeit war, einigermaßen den kroatischen Touristenfallen zu entgehen. Richtig gut haben wir allerdings, wie man sich vorstellen kann, dadurch auch nie gegessen. Wie haben sich die Zeiten geändert. Heutzutage sucht Rudi, unser SocialMedia Beauftragter an Bord, in höchstens 15 Minuten das „be-

ste“ Restaurant heraus. Im Zivilberuf ist er CIO und Chef von Digital Business eines Medienkonzerns – was ihm bei dieser Aufgabe natürlich zu Gute kommt. Nach anfänglicher Skepsis und Erheiterung der älteren Crewmitglieder lacht nun niemand mehr. Ich hatte noch niemals in Kroatien so gut gegessen, wie seit der Einführung der Bewertungsplattformen für Restaurants und Rudis kritischen Plausibilitätschecks der Bewertungen. Ich habe durch ihn erfahren dürfen, dass sogar „Dalmatinischer Mangold mit Kartoffeln“ äußerst delikat schmecken kann und keine zerkochte, geschmacklose Pampe sein muss. Genauso wie heute niemand mehr am Abend „das elektrische Licht aufdreht“, sind Digitale Geschäftsmodelle selbstverständlich geworden – ja man muss sich schon bemühen, „NICHT-Digitale“ Geschäftsmodelle zu finden. Dabei reicht die Palette von lediglich digital unterstützten, wie es die Restaurantbewertung ist, bis zu solchen Geschäftsmodellen, die erst durch die Digitalisierung ermöglicht wurden – wie beispielsweise das Universum der Alphabet Inc. mit Firmen wie Facebook, Google etc.. Die erste Digitalisierungswelle hat vor etwa 25 Jahren mit der informationstechnischen Verbindung unserer Welt für jeden die Möglichkeit geschaffen, schnell und einfach an Informationen heranzukommen. Die dazugehörigen Business-Modelle haben damals nicht lange auf sich warten lassen. Dieser mittlerweile historische Wandel hat aber auch dazu geführt, dass ehemalige Profiteure eines exklusiven Zugangs zu Information und Wissen heute mit Existenzproblemen zu kämpfen haben. Die aktuelle Digitalisierungswelle ist hingegen eine, die massiv Anwendungswissen unterstützt und anwendungsbezogen ist. Hierbei steht die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) nicht mehr im Mittelpunkt, sondern eben Anwendungswissen aus den Bereichen der Informatik, Mathematik und vor allem der Ingenieurwissenschaften – z.B. Maschinenbau. Beispiele dafür sind Analytik- und auf Maschinelles Lernen / KI gestützte Diagnose und Vorhersagesysteme für die Anlageinstandhaltung, Marketinganalysen sowie autonomes Fahren um nur einige zu nennen. Zur wirtschaftlichen Machbarkeit bzw. Nachhaltigkeit sind natürlich Geschäftsmodelle für die damit geschaffenen Produkte und Dienstleistungen notwendig. Ein, wenn, nicht DAS Thema für eine technoökonomische Betrachtung, wofür ja das Wirtschaftsingenieurwesen steht. Darum haben wir uns moderne „Digitale Geschäftsmodelle“ zum Heftthema gewählt und versuchen Ihnen einen guten Überblick sowie neue Perspektiven zu diesem Thema zu bieten. Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz besonders bei meinem Kollegen, Univ.-Prof. Dr. Stefan Vorbach und seinem Team vom Institut für Unternehmungsführung und Organisation der TU Graz, für die Unterstützung bei der Zusammenstellung dieses Heftes. Ich verbleibe im Namen des Redaktionsteams mit freundlichen Grüßen und wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen! Ihr Sieg fried Vössner

Sonnenuntergang auf See © fineartpictures

WINGbusiness 1/2019

3


Top-Thema: Digitale Geschäftsmodelle Christiana Müller, Stefan Vorbach, Michael Rachinger, Ines Korajman

Geschäftsmodelle im Zeitalter der Digitalisierung

10

Eine Betrachtung digitaler Reifegrade von Geschäftsmodellen

Michael Fruhwirth, Gert Breitfuß, Christiana Müller

Mit Daten Wert schaffen

16

Datengetriebene Geschäftsmodelle als Weg in die Zukunft

Christian Bischof, Herbert Kohlbacher, Gottfried Obmann

IoT-basierte Geschäftsmodelle

21

Matthias Müller, Wolfgang Slany

Phänomen Open Source – Wertschöpfung durch Offenheit und Zusammenarbeit

25

Josef Haintz

ANDRITZ – Digitalisierung / Smart Services

28

Martin Glinik, Elisabeth Maria Poandl

Digital Entrepreneurship: Geschäftsaufbau undGeschäftstätigkeit im digitalen Zeitalter

32

Daniel Theuermann, Stefan Tödling, Philipp Töbich

Das Digitalisierungsdilemma – im Spagat zwischen Digitalisierung und IT-Security Johannes Dirnberger, Uwe Brunner, Suhier Elsayed

Mobile Payment – Ein Stimmungsbild unter Österreichs Studierenden

4

38

42

WINGbusiness 1/2019


Inhaltsverzeichnis

EDITORIAL

Digitale Geschäftsmodelle

3

FÜHRUNG/PROFESSION Hermann Papst Anerkennung und Wertschätzung: Das zweite Gehalt im Job

6

WING-INTERVIEW

Interview mit Dipl.-Ing. Christian Diewald Geschäftsführer Bombardier Transportation Austria GmbH

8

UNINACHRICHTEN

Theresa Passath Preisträger eAward 2019 - Kategorie Industrie 4.0

WING-REGIONAL

WING-Regionalkreis Tirol Veranstaltung Besuch der Firma Thöni Industriebetriebe GmbH in Telfs

20

Robert Lackner

30

Alexander Marchner, Bernd Neuner

WING-Regionalkreis Kärnten & Osttirol Veranstaltung Einblicke in Infineons Milliardeninvestition in Villach

CALL FOR PAPERS

Themenschwerpunkt : "Maker, Industry & Research" in WINGBusiness Heft 03/2019

37

IMPRESSUM

Impressum

50

WINGbusiness 1/2019

48

5


Führung/Profession

Foto: Adobe Stock

Hermann Papst

Anerkennung und Wertschätzung: Das zweite Gehalt im Job In diesem Artikel werden die motivations- und gesundheitsfördernden Aspekte von Anerkennung und Wertschätzung dargestellt. Zudem erhalten Sie Anregungen, wie Sie dieses „zweite Gehalt“ an Ihre MitarbeiterInnen auszahlen können.

W

enn ich meine SeminarteilnehmerInnen (und das sind auch viele Führungskräfte) frage: „Was wünschen/erwarten Sie sich von Ihren Vorgesetzten bzw. dem Arbeitgeber?“, so fallen wie das Amen im Gebet die Begriffe Anerkennung und Wertschätzung. Dass Anerkennung ein psychisches Grundbedürfnis ist, dürfte außer Streit stehen. Wobei im Wortstamm schon ein Teil der Begründung mitgeliefert wird, warum Anerkennung für uns so wichtig ist: Wir wollen an-erkannt, also wahrgenommen und wertgeschätzt werden für das, was wir tun und wie wir sind. Wir wünschen uns die Anerkennung der eigenen Leistung, des persönlichen Bemühens und unserer Beiträge zum Unternehmenserfolg. Wir freuen uns, wenn unsere Meinung anerkannt wird bzw. wir als ganze Person geschätzt werden. Nicht umsonst wird der Faktor Anerkennung im beruflichen Kontext als zweites Gehalt bezeichnet.

6

Die gesundheitsfördernde Wirkung von Anerkennung und Wertschätzung Dieses Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung und die Wirkungen, wenn man ausreichend oder zu wenig davon erhält, wurden in den vergangenen Jahrzehnten durch die Arbeitspsychologie und –soziologie sowie in den letzten Jahren durch die Neurowissenschaften gut erforscht. Daraus einige Befunde: Anerkennung und Wertschätzung + fördern die Arbeitsfähigkeit + reduzieren das Depressionsrisiko + reduzieren Ängste + setzen Endorphine frei + entstressen als Form sozialer Unterstützung + setzen Dopamin frei => verbesserte Konzentration und Leistungsfähigkeit + setzen Oxytocin frei (Bindungsund Vertrauenshormon) + reduzieren die Gefahr von Gratifi-

kationskrisen Zum letztgenannten Punkt gibt es eine umfangreiche Untersuchung des deutschen Medizinsoziologen Johannes Siegrist, der sich mit der Bedeutung fehlender Belohnung (u.a. durch Wertschätzung und Anerkennung) für erbrachte Leistungen als wichtige Krankheitsursache beschäftigte. Fehlende Belohnung für den eigenen Einsatz (etwa in Form von Engagement, Wissen, Zeit, Identifikation, Leistung und Persönlichkeit) führt zur sog. „Gratifikationskrise“. Berücksichtigt man neben der fehlenden Anerkennung auch noch den Faktor Gewicht, so ergibt sich hinsichtlich Herz-Kreislauferkrankungen folgendes Bild (Abb.: 1): Der Befund ist damit recht dramatisch. Man kann es auch so formulieren: Viele Menschen nehmen sich fehlende Anerkennung buchstäblich zu Herzen. Umgekehrt wirken Anerkennung und Wertschätzung extrem motivierend.

WINGbusiness 1/2019


Führung/Profession

Anerkennen – aber wie? Frage ich meine SeminarteilnehmerInnen, wie sehr sie sich anerkannt fühlen, so antworten viele mit „zu wenig“. Frage ich speziell Führungskräfte, ob sie meinen, ihren MitarbeiterInnen ausreichend Anerkennung zuteilwerden zu lassen, so antworten fast alle mit einem überzeugten „JA!“. Woraus erklärt sich diese Diskrepanz? Ich vermute, einerseits dadurch, dass Anerkennung tatsächlich ein rares Gut im fordernden und schnellen beruflichen Alltag ist. Rar sowohl im Geben durch die Absender als auch in der Wahrnehmung durch die Adressaten sprich MitarbeiterInnen. Andererseits sind Anerkennung und Wertschätzung kein Produkt von der Stange, d.h. ich kann als Führungskraft nicht davon ausgehen, dass sich durch ein und dasselbe (anerkennende) Verhalten meinerseits alle MitarbeiterInnen angesprochen fühlen. Der eine will vor versammelter Mannschaft gelobt werden, die andere freut sich über eine positive Rückmeldung in einem Vieraugengespräch und der Dritte wiederum betrachtet es als Wertschätzung, durch den Vorgesetzten (oder KollegInnen) um Rat gefragt zu werden. Wie vermittle ich nun Anerkennung und Wertschätzung? Vor einiger Zeit war ich als Moderator einer Gruppe hochrangiger Ministerialbeamter engagiert. In einer Pause sah ich, wie eine Teilnehmerin eine sms-Nachricht las und sich ein Lächeln in ihrem Gesicht ausbreitete. Neugierig, wie ich es manches Mal bin, sprach ich sie darauf an. „Ich freu mich gerade sehr“, antwortete sie, „weil ich bin heute bis lange in die Nacht hinein am Entwurf einer Gesetzesvorlage gesessen, die mein zuständiger Minister

WINGbusiness 1/2019

für eine Verhandlungsrunde heute vormittags gebraucht hat. Jetzt hat er mir geschrieben und sich für die gute Vorbereitungsarbeit bedankt und sogar dazu geschrieben, was genau besonders hilfreich für ihn war …“. Ich denke, dieses Beispiel beschreibt gut, worauf es bei der Anerkennung (beruflicher) Leistungen ankommt: Ich signalisiere, dass ich a) mir Zeit nehme für das Feedback b) differenziert benenne, was genau ich gut finde/für mich unterstützend war etc. c) weiß, was ich an meiner/m MitarbeiterIn habe und ggf. auch meinen Dank ausspreche.

wie gesagt: Alle brauchen es ein wenig anders. Und wo bleibe ich? Anerkennung soll keine Einbahnstraße sein. Natürlich sind sich die meisten Führungskräfte dessen bewusst, dass Sie mit ihrem Verhalten großen Einfluss auf Motivation und Demotivation ihrer MitarbeiterInnen haben. Berechtigterweise stellen sie sich aber auch die Frage: „Und woher bekomme ich meine Anerkennung und Wertschätzung?“ Wenn ich nun den Eindruck habe, dass ich hier zu kurz komme, so rege ich immer an, sich aktiv darum zu kümmern: Warum nicht meinen eigenen Vorgesetzten zu passender Gelegenheit fragen, was er/sie an mir schätzt? Und wo er oder sie noch Entwicklungspotentiale bei mir sieht? Warum nicht auch auf kollegialer Ebene dasselbe tun?

Wobei sich Anerkennung und Wertschätzung eben gerade nicht nur in einem schnellen Lob im Vorbeigehen ausdrücken, sondern durch eine Grundhaltung gegenüber dem anderen mitteilen: Interesse an der Person und ihrer Arbeit zeigen Zeit zur Verfügung stellen Begegnungsmöglichkeiten zum informellen Austausch bieten „Management by walking around“ MitarbeiterInnen um ihre Meinung und Verbesserungsvorschläge fragen Einladung zum Erfahrungsaustausch Auch kritisches, aber grundsätzlich wohlwollendes Feedback ist ein Ausdruck von Anerkennung Und falls Sie sich unsicher sind, ob die von Ihnen empfundene Anerkennung und Wertschätzung auch beim Gegenüber ankommen, können Sie – zB in einem MitarbeiterInnengespräch – ja auch nachfragen, woran Ihr Mitarbeiter/Ihre Mitarbeiterin denn merken würde, dass Sie ihn/sie schätzen. Denn

Und damit das nicht als Heischen oder Betteln um Streicheleinheiten rüberkommt, kann man ja anbieten, auch dem Anderen diesbezüglich Rückmeldung zu geben – ohne dabei in gegenseitige Lobhudelei zu verfallen. Wobei ich der Überzeugung bin, dass auch in dieser Thematik das Prinzip der Echokammer zum Tragen kommt: Sende ich positive Signale aus, werde ich in der Regel auch solche zurückbekommen. So möchte ich Sie mit meinem Beitrag einladen zu reflektieren, wie Sie es denn mit diesem „zweiten Gehalt“ halten: Bekommen Sie genug davon und, falls nicht, wie könnten Sie eine „Gehaltserhöhung“ erreichen? Und zahlen Sie auch genug davon an Ihre

7


Führung/Profession MitarbeiterInnen aus? Der „return on investment“ ist jedenfalls enorm.

www.activity.co.at; papst@aon.at

Autor:

Literatur:

Mag.

Mag. Hermann Papst ist seit 30 Jahren als Trainer und Coach tätig. Arbeitsschwerpunkte: Führungskräftetrainings, Moderation von Teams und Klausuren, Rhetorik und Kommunikation, Coaching, Gesundheitsthemen. Seit 2002 ist er Gesellschafter der Beratergruppe activity mit Sitz in Graz

1 Johannes Siegrist: Arbeitswelt und stressbedingte Erkrankungen. Forschungsevidenz und präventive Maßnahmen. München: Elsevier 2015.

Hermann Papst Unternehmensberater, Trainer und Coach, Gesellschafter der Beratergruppe activity, Graz

WINGbusiness Interview

Dipl.-Ing. Christian Diewald Geschäftsführer Bombardier Transportation Austria GmbH Wirtschaftsingenieur Foto: © Bombardier Transportation

Bombardier Transportation weist als weltweit tätiger Hersteller mit rund 40.000 Beschäftigten das umfassendste Produktportfolio für Bahntechnik auf und ist der Weltmarktführer im Bereich Straßen- und Stadtbahnen. Der Standort Wien ist Kompetenzzentrum für den Geschäftsbereich Straßen- und Stadtbahnen und hat mit derzeit rund 520 Beschäftigten eine Produktionskapazität von 90 Fahrzeugen pro Jahr. In etwa 80 % der in Wien hergestellten Fahrzeuge werden exportiert. Herr Dipl.-Ing. Diewald, die weitere Urbanisierung ist ein Megatrend. Im Jahr 2050 werden 70 % der Gesamtbevölkerung in urbanen Räumen leben. Wie kann Bombardier Transportation hier geeignete Mobilitätslösungen anbieten? Der Anstieg der Bevölkerung im urbanen Bereich erfordert öffentliche Verkehrsmittel, denn sie sind die einzige Lösung, um große Personenmengen vor allem in Städten transportieren zu können. Deshalb bietet Bombardier auch das umfangreichste Produktportfolio für den öffentlichen Verkehr an, das Stra-

8

ßen- und Stadtbahnen, U-Bahnen, Regionalzüge, Intercity- und Hochgeschwindigkeitszüge umfasst. Während bei den Regional- und Intercityzügen nach starken Jahren das Wachstum derzeit stagniert, sehen wir bei den Straßen- und Stadtbahnen und vor allem bei den U-Bahnen ein Wachstum von 4 % bis 6 % pro Jahr. Bombardier Österreich ist ein Kompetenzzentrum für Straßen- und Stadtbahnen. Welche Produkte werden hier gefertigt und welche Services werden erbracht? Bombardier Transportation Österreich ist das weltweite Kompetenzzentrum

für Straßen- und Stadtbahnen, das heißt, dass alle weltweit verkauften Bombardier-Straßenbahnen in Wien entwickelt und zum großen Teil auch hier gebaut werden. Im Bereich Services haben wir vor sechs Jahren mit der Entwicklung des Instandhaltungssystems FlexCare einen Durchbruch geschafft. Dieses System vermarkten wir mittlerweile weltweit. Dabei stellt der Fahrzeugbetreiber die Infrastruktur, also Werkstätten und Personal zur Verfügung, und Bombardier liefert Knowhow, Arbeitspläne und Material und

WINGbusiness 1/2019


Interview garantiert dazu auch noch einen Fixkostensatz pro Jahr für das Fahrzeug.

zeuges regeln. Dies ermöglicht bedeutende Energieeinsparungen.

Ihre Kunden sind ja überwiegend öffentliche Auftraggeber. Ist das gegenwärtige Marktumfeld günstig für Ihr Unternehmen?

Wird es die selbstfahrende Straßenbahn geben?

Ja, das derzeitige Marktumfeld ist sehr günstig für uns. Die Urbanisierung und der Klimawandel führen dazu, dass die Städte weiterhin in den öffentlichen Verkehr investieren werden. Das geht so weit, dass wir momentan einzelne Ausschreibungen gar nicht anbieten, da wir diese aus Kapazitätsgründen nicht abwickeln könnten. Und welche Großaufträge sind derzeit in Bearbeitung? Wir fertigen den FLEXITY Wien, von dem bereits 2 Fahrzeuge ausgeliefert wurden und die Fahrzeuge 3 und 4 in der Fertigung sind. Wir bauen die Straßenbahnen für die Stadt Innsbruck, 6 Fahrzeuge sind ausgeliefert und die Fahrzeuge 7 und 8 sind in der Fertigung, wir sind beim ersten Fahrzeug für die Stadt Göteborg und im Produktionsanlauf befinden sich die Straßenbahnen für Manchester, Karlsruhe, Brüssel und Zürich. Damit steuern wir wieder auf eine Vollauslastung des Werkes Wien zu. Stichwort Mobilität 4.0: Herr Diewald, wie werden die Straßen- und Stadtbahnen der Zukunft aussehen? Vom Design her hat jede Zeit ihren besonderen Schliff. Technisch gesehen werden wesentlich mehr Passagierinformationen mit der Anzeige von Umsteigemöglichkeiten, eventuellen Verspätungen und weiteren Informationen zur Verfügung stehen. Bombardier forscht auch intensiv an der „sehenden“ Straßenbahn, bei der Assistenzsysteme für den Fahrer die Straßenbahn im gemischten Verkehr mit Individualfahrzeugen und Fußgängern noch sicherer machen werden. Ein weiterer Entwicklungsbereich ist der Energieverbrauch. Bei der Straßenbahn Wien werden CO2-gesteuerte Klimatisierungen eingesetzt, welche die Kühl- bzw. Heizleistung abhängig vom jeweiligen Besetzungsgrad des Fahr-

WINGbusiness 1/2019

Anders als bei den U-Bahnen wird die selbstfahrende Straßenbahn durch den gemischten Verkehr mit Fußgängern und Individualverkehr meines Erachtens in den nächsten 10 Jahren nicht serienreif umzusetzen sein. Das genannte Marktumfeld wird sich auch positiv auf die Entwicklung des Standortes Wien auswirken. In den letzten 18 Monaten haben wir 120 Ingenieure eingestellt und wir suchen weitere 50 Ingenieure. Das soll auch ein Aufruf sein, sich bei Bombardier zu bewerben. Wir werden weiter investieren in das Know-how der Entwicklung und der effizienten Abarbeitung der Aufträge. Heuer werden wir geplanter Weise 46 Straßenbahnen ausliefern und nächstes Jahr werden es aus heutiger Sicht 94 sein, der Standort entwickelt sich also sehr gut. Welche sind die wichtigsten Projekte, die Sie derzeit im Unternehmen verfolgen? Wir investieren zurzeit 6 Millionen Euro in die Modernisierung und wollen Industrie 4.0 in die Fertigungshallen bringen. Wir haben eine Halle für die Fertigung des FLEXITY Wien komplett umgebaut, mit dem klaren Ziel, die Durchlaufzeiten drastisch zu reduzieren. Was sind Ihre Erfolgsfaktoren im Management dieses Werkes und welche Führungsprinzipien wenden Sie an? Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Standort ist die Internationalität, die Bombardier bietet. Wir geben in unserer Strategie der Diversität großes Gewicht und versuchen, Ingenieure aus der ganzen Welt hierher zu holen, um unterschiedliche Blickwinkel einzubringen. So haben wir über 30 Nationen in unserem Engineering-Team vertreten. In der Führung ist es mir sehr wichtig, den Leuten genügend Freiraum zu geben, vor allem wenn es darum geht, Innovationen zu schaffen. Im Zuge der Projektumsetzung ist das Korsett enger. Hier geht es um die Standardisie-

rung der Prozesse, um einen Mengeneffekt als Gesamtkonzern erreichen zu können. Werden in Ihrem Unternehmen Wirtschaftsingenieure eingesetzt? Jederzeit, wir freuen uns über jede Bewerbung. Die Tätigkeitsbereiche sind dabei vielfältig, vom Mechanical und Electrical Engineering über die Arbeitsvorbereitung, Instandhaltungsservices bis zur kaufmännischen Steuerung der Projekte. Hier sind auch Wirtschaftsingenieure tätig. Welche Anforderungen stellen Sie an die jungen Absolventinnen und Absolventen? Ich beginne bei den persönlichen Aspekten: Einsatzwille, Zielstrebigkeit, Offenheit und internationales Denken. Fachlich kann ich jedem Wirtschaftsingenieur nur empfehlen, im Zuge des Studiums ein Auslandssemester zu absolvieren, weil dieses auch das internationale Denken fördert. Ansonsten bietet die TU Wien ein perfektes Basiswissen und was daraus gemacht wird, liegt in unseren Händen und natürlich auch in den Händen jedes Absolventen. Abschließend, Herr Diewald, zum Thema Work-Life-Effectiveness: Welche Interessen verfolgen Sie in Ihrer Freizeit? Ich habe drei große Hobbys, meinen Sohn, meine Tochter und meine Frau. Ich schöpfe sehr viel Energie aus der Zeit mit meiner Familie, deshalb verbringe ich auch jede freie Minute mit ihnen. Dipl.-Ing. Christian Diewald, Wirtschaftsingenieur, 42 1998 – 2006 Studium Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau, TU Wien 2006 – heute Bombardier Transportation Austria GmbH 2006 – 2009 Head of Operations 2009 – 2010 Country Coordinator Austria 2010 – 2015 Director Services & Sales Austria 2015 – heute Geschäftsführer 2015 – heute Vorstandsmitglied Verband der Bahnindustrie Österreich Das Interview führte Herr Dipl.-Ing. Dr. Hans-Jörg Gress

9


Top-Thema

Foto: https://pixabay.com/de/k%C3%BCnstliche-intelligenz-gehirn-hirn-3382507/

Christiana Müller, Stefan Vorbach, Michael Rachinger, Ines Korajman

Geschäftsmodelle im Zeitalter der Digitalisierung Eine Betrachtung digitaler Reifegrade von Geschäftsmodellen Die Möglichkeiten digitaler Technologien stellen Unternehmen nicht nur vor neue Herausforderungen, sondern bieten auch, eingebettet in digitale Geschäftsmodelle, Potenziale zur Generierung strategischer Wettbewerbsvorteile. Die digitale Reife dieser Geschäftsmodelle variiert jedoch in der Praxis. Dieser Artikel zeigt Klassifizierungsmöglichkeiten und Beispiele für die Reife digitaler Geschäftsmodelle auf. 1. Einleitung Herausforderungen und Trends in der globalen Wirtschaft - allgemein ein zunehmend hoher Grad an Flexibilität, Reaktivität und Produktindividualisierung bei mindestens gleicher oder sogar besserer Effizienz – werden durch unterschiedliche Entwicklungen getrieben. Wesentliche Treiber stellen technologische Entwicklungen dar. Vor allem digitale Technologien und deren Überführung in geeignete Geschäftsmodelle (Baden-Fuller und Haefliger, 2013) haben zu Veränderungen kompletter Branchen geführt. Geschäftsmodelle, die auf digitalen Technologien basieren, sind besonders erfolgversprechend, da Geschäftsmodelle in der Literatur nicht nur als Werkzeug für Innovation sondern selbst auch als Zielobjekt von Innovation gesehen werden (Zott et al., 2011; Berman & Bell, 2011). Obwohl es in der wissenschaftlichen Literatur bis dato noch keine einheitliche Definition des “Geschäftsmodell”Begriffs gibt, kristallisieren sich zuse-

10

hends zentrale Merkmale heraus (Zott und Amit, 2013). Diese sind Müller (2014) zufolge der Kundennutzen im Sinne von Produkten und Services, die Erstellung des Kundennutzens und der dafür notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten, sowie das Generieren von Einnahmen aus dem Kundennutzen. Nicht zuletzt wird auch der Kunde selbst im Sinne von verschiedenen Kundengruppen als auch von Kanälen und Beziehungen einer Unternehmung zum Kunden als Teil des Geschäftsmodells verstanden. Die Digitalisierung als Treiber verändert einzelne Elemente des Geschäftsmodells oder ermöglicht die Realisierung komplett neuer, digitaler Geschäftsmodelle. Das Potenzial der Digitalisierung und neuartiger Anwendungen verändern die Art und Weise, wie Wert geschaffen und neue, innovative Geschäftsmodelle entwickelt werden (Arnold, Kiel und Voigt 2016; Burmeister, Lüttgens und Piller 2016, Rachinger et al., 2018). Neue, auf digitalen Produkten oder Dienstleistungen

basierende Geschäftsmodelle, verdrängen beispielsweise etablierte Marktteilnehmer (Kaufmann, 2015; Loebbecke und Picot 2015) und können in die Restrukturierung gesamter Branchen münden (siehe z.B. Berman & Bell, 2011). Sowohl die "digitale Transformation" als auch die "Digitalisierung" werden in diesem Kontext als Prozesse gesehen, welche bereits alle Phasen der industriellen Wertschöpfung erfasst haben (Bloching et al., 2015). Das Gartner IT Glossar (2018) definiert Digitalisierung im Zusammenhang mit Geschäftsmodellen als "den Einsatz digitaler Technologien zur Änderung eines Geschäftsmodells und zur Erschließung neuer Umsatz- und Wertschöpfungspotenziale; es ist der Prozess des Übergangs zu einem digitalen Geschäft". Das Verständnis der digitalen Transformation umfasst jedoch nicht nur die Anpassung an neue digitale Technologien, sondern auch das Suchen und Aufrollen neuer Probleme, welche mit

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema

Modell und Autor

Reifegradstufen

Dimensionen

Digitalisierungsbarometer PriceWaterhouseCoopers AG (2014)

4 Entwicklungsphasen der digitalen Transformation: 1) Digitaler Handel 2) Digitaler Konsum 3) Digitale Identitäten 4) Digitales Ökosystem

4 Themenbereiche: 1) Prozesse und Infrastruktur 2) Vision, Strategie und Geschäftsmodell 3) Kundenorientierung 4) Menschen, Kultur, Unternehmensführung und Organisation

Digital Business Maturity Kane et al. (2015)

3 Reifegradstufen: 1) Früh (Lösung einzelner Geschäftsprobleme mit einzelnen Technologien) 2) Entwickelnd 3) Reifend (Integration von digitalen Technologien)

5 Dimensionen: 1) Barrieren 2) Strategie 3) Kultur 4) Nachwuchsförderung 5) Leadership

Industrie 4.0Reifegradmodell Kaufmann (2015)

6 Stufen: 1) 0-Offline 2) 1-Rudimentär 3) 2-Angebunden 4) 3-Fortgeschritten 5) 4-Aktionsbasiert 6) 5-Geschäftsmodell

Kategorien generelle Reifegradermittlung: 1) Maschinenanbindung 2) Daten 3) Analyse 4) Integration Reifegrad für einzelne Anwendungsfälle: 1) Erhöhung Qualität 2) Verkürzung Lieferzeit 3) Personalisierte Produkte 4) Verfügbarkeit on Demand 5) Intelligente Lösungen 6) Offene Geschäftsmodelle

Readiness Assessment Model für Industrie 4.0 Geissbauer et al. (2016)

4 Stufen: 1) Digitaler Einsteiger 2) Vertikaler Integrator 3) Horizontaler Kooperationspartner 4) Digitaler Champion

7 Dimensionen: 1) Digitale Geschäftsmodelle und Kundenzugang 2) Digitalisierung von Produkt- und Dienstleistungsangeboten 3) Digitalisierung und Integration von vertikalen und horizontalen Wertschöpfungsketten 4) Data & Analytics als Kernkompetenz 5) Agile IT-Architektur 6) Compliance, Sicherheit, Recht & Steuern 7) Organisation, Mitarbeiter und digitale Kultur

Industrie 4.0 Maturity Index Schuh et al. (2017)

6 Entwicklungsstufen: 1) Computerisierung 2) Konnektivität 3) Sichtbarkeit 4) Transparenz 5) Vorhersagefähigkeit 6) Anpassungsfähigkeit

4 Dimensionen (Industrie 4.0 Fähigkeiten); jede Dimension wird durch 2 Prinzipien definiert: 1) Ressourcen 2) Informationssysteme 3) Organisationsstruktur 4) Kultur

Digital Maturity Model Colli et al. (2018)

6 aufeinanderfolgende digitale Reifegradstufen: 1) Keine 2) Basis 3) Transparent 4) Bewusst 5) Autonom 6) Integriert

5 Dimensionen (digitale Fähigkeiten): 1) Unternehmensführung 2) Technologie 3) Konnektivität 4) Wertschöpfung 5) Kompetenz

Tab. 1: Reifegradmodelle zur Messung des digitalen Fortschritts in Unternehmen Hilfe von Technologien gelöst werden (Schallmo, 2017). Des Weiteren betrifft die digitale Transformation beinahe alle Lebensbereiche, wie etwa den Buchmarkt mit der Entwicklung vom analogen Buch zum eBook oder den Handel, der verstärkt auf Online-Verkauf setzt. Durch die Digitalisierung ergänzen sich Technologie- und Geschäftsmodellinnovationen in einem zunehmenden Maße (Chesbrough, 2010). Um in der Praxis einen Mehrwert aus der Digitalisierung von Geschäftsmodellen schlagen zu können, sind ein transparentes und strukturiertes Vorgehen bei der Innovation von Geschäftsmodellen unabdingbar. Dabei ist in einem ersten Schritt notwendig, den derzeitigen Einsatz di-

WINGbusiness 1/2019

gitaler Technologien zu evaluieren um darauf aufbauend den Zielzustand festzulegen. Reifegradmodelle können dabei eine Hilfestellung bieten. Dazu sollen nachfolgend einige exemplarische Reifegradmodelle beleuchtet werden. Anhand des Digitalisierungbarometers von PricewaterhouseCoopers (PwC, 2014) sollen die digitalen Reifegrade einiger Geschäftsmodelle eingeschätzt werden, die ihre Geschäftsmodelle transformiert und erfolgreich auf den Markt gebracht haben. 2. Modelle zur Bestimmung der digitalen Reife Reifegradmodelle oder Maturity Models zeigen den Entwicklungspfad von

einem Ausgangszustand hin zu einem gewünschten Zustand. Ein bekanntes Modell ist das Capability Maturity Model Integration (CMMI), das die Fähigkeiten eines Unternehmens analysiert um Prozessverbesserungen zu ermöglichen. Der Reifegrad eines Unternehmens wird dabei durch die Bewertung von qualitativen und quantitativen Aspekten ermittelt. (Egeli, 2016) Ein Standard-Reifegradmodell zur Bestimmung der digitalen Reife eines Geschäftsmodells gibt es derzeit noch nicht. Vielmehr liegt der Fokus in der Entwicklung von Reifegradmodellen zur Messung des digitalen Fortschritts des Gesamtunternehmens (PricewaterhouseCoopers, 2014; Kane et al., 2015), häufig mit dem Schwerpunkt Industrie 4.0 (Geissbauer et al., 2016; Schuh et al., 2017; Colli et al. 2018; Kaufmann, 2015). Die Unternehmensberatung PwC (2014) betrachtet in ihrem Modell, inwieweit Unternehmen über eine klar definierte digitale Strategie verfügen und neue digitale Technologien für das Geschäftsmodell nutzen. Kaufmann (2015) bewertet das Geschäftsmodell hinsichtlich seiner Offenheit. Geissbauer et al. (2016) beschreibt Entwicklungsstufen des Geschäftsmodells als 1) einzelne digitale Lösungen in isolierten Anwendungen, 2) digitale Produkte und Services, 3) integrierte Kundenlösungen in Zusammenarbeit mit externen Partnern und schließlich als höchste Stufe 4) die Entwicklung von neuen disruptiven Geschäftsmodellen mit innovativen Produkt- und Serviceportfolios. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über mögliche Stufen und Dimensionen von Reifegradmodellen. Bei digitalen Reifegradmodellen liegt der Fokus im Speziellen in der Einordnung eines Unternehmens hinsichtlich dessen Einsatz von digitalen Technologien. Die niedrigste Stufe zeigt keinen bzw. einen geringen Einsatz digitaler Technologien in einzelnen Prozessen (z.B. Online-Werbung, online Verkauf von Produkten) oder isolierten digitalen Anwendungen. Der höchste Reifegrad beschreibt Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle hinsichtlich der digitalen Möglichkeiten verändern und dem Thema Digitalisierung einen strategischen Stellenwert geben.

11


Top-Thema Beispiel Automobilzulieferer: ZF Friedrichshafen5

Modell zur Bestimmung der digitalen Reife Der Digitalisierungsbarometer von PwC (2014) gliedert sich in vier Entwicklungsphasen der digitalen Transformation sowie in vier Themenbereiche zur Bestimmung des digitalen Fortschritts. Folgende Phasen der digitalen Transformation werden vorgestellt: 1. Digital Commerce: Online-gestützter Absatz von Produkten und Online-Werbung 2. Digital Consumption: Nutzung von Kundendaten 3. Digital Identities: Kunden verwalten ihre digitalen Profile selbst und kommunizieren ihre Bedürfnisse und ihren Bedarf an Waren und Dienstleistungen 4. Digital Ecosystem: Kunden stehen selbst im Mittelpunkt der Unternehmen und deren Geschäftsmodellen Die vier Themenbereiche zur Bestimmung des digitalen Fortschritts umfassen: 1. Process & Infrastructure: z.B. Unternehmensweite IT-Standards, Einbindung von Mitarbeitern und Kunden mittels digitaler Technologien in den Produktentwicklungsprozess, Integration der Vertriebskanäle mit anderen Systemen 2. Vision, Strategy & Business Model: z.B. Nutzung von digitalen Technologien um Informationen über Kunden zu erhalten oder mit ihnen zu kommunizieren, klar definierte digitale Strategie, regelmäßige Bewertung digitaler Technologien, Allianzen mit anderen Unternehmen 3. Customer Engagement: z.B. Nutzung von Kundendaten zur Erstellung von Kundenprofilen oder zur Steuerung von Marketing- und Vertriebsaktivitäten, gezielte Ansprache der Kunden, Qualität der Kundendaten 4. People, Culture, Governance & Organisation: Topmanagement ist Treiber neuer digitalter Technologien, Mitarbeitermotivation in der Umsetzung digitaler Projekte, Förderung der Digitalkompetenz der MitarbeiterInnen Anhand unterschiedlicher Fragen und der daraus resultierenden Punkte wird der Reifegrad ermittelt. Je höher der Wert, desto höher der Grad der Digitalisierung.

3. Beispiele digitaler Geschäftsmodelle und Bestimmung ihrer digitalen Reife Im folgenden Abschnitt wird anhand des Digitalisierungsbarometers von PwC (2014) beispielhaft der digitale Reifegrad von vier Unternehmen bestimmt. Dazu wird zu Beginn das Model kurz erläutert (siehe Textblock 1). Im Anschluss werden die Beispiele vorgestellt und in das Modell eingeordnet. Modell zur Bestimmung der digitalen Reife Die nachfolgenden Beispiele aus der Praxis sollen zeigen, wo und wie aus der (durch die Digitalisierung getriebene) technologischen Disruptionen tragfähige Geschäftsmodelle abgeleitet werden konnten sowie die Einschätzung deren digitaler Reife (siehe Abb. 1). Beispiel Automation: Pia Automation1 Für das Unternehmen Pia Automation ist die Automation in der Produktion ein Schlüsselkonzept der digitalen Transformation. Vernetzte Fertigungsprozesse ermöglichen erhöhte Flexibilität und Leistungsfähigkeit von Produk1 https://www.piagroup.com/ 12

tionsverfahren.2 Konkrete Produkte sind dabei beispielsweise Anlagen für innovatives und hardwareunabhängiges Messen oder Softwarelösungen um Prozesse und Engpässe für Montageanlagen zu optimieren.3 Ein Ziel ist es dabei die Wettbewerbsfähigkeit von Kunden bestmöglich zu unterstützen. Pia Automation fokussiert sich hierbei auf modulare Architekturen für „Integrated Assembly Solutions“ und die Erweiterung von Abwicklungsprozessen von Smart Engeneering und Lean-Ansätzen. Obwohl das Unternehmen sich derzeit noch in der Adoptionsphase befindet, wird langfristig mit der Erschließung von neuen Geschäftsfeldern und Geschäftsmodellen gerechnet. Pia Automation verfügt hierfür über eine ambidextere Struktur, die ein stabiles operatives Geschäft bei gleichzeitiger Innovationstätigkeit in einem agilen Umfeld ermöglicht. Der Wandel in Richtung Digitalisierung wird dabei auch als Teil der Vertriebsstrategie gesehen.4 2 https://www.piagroup.com/leistungen/industrie-40/ 3 https://www.piagroup.com/leistungen/industrie-40/smarte-produkte-von-pia/ 4 https://www.piagroup.com/news/digitalisierung-und-industrie-40-kurz-pia-40/

Die ZF Friedrichhafen, gegründet 1915, ist einer der weltweit größten Automobilzulieferer. Trotz ihrer Wurzeln im klassischen Maschinenbau zeigt die ZF ein hohes Innovationstempo im Bereich der Digitalisierung. Unter dem Motto „See – Think – Act“ hat sich der Zulieferer die Erschließung neuer Technologien auf die Fahnen geschrieben, um Lösungen für die Mobilität der Zukunft anzubieten. Dies reicht von der Erarbeitung von innovativen Hardwarekomponenten (z.B. Sensoren für autonomes Fahren), der Nutzung von Daten für „Predictive Maintanence“, dem Einsatz von künstlicher Intelligenz bis hin zu Entwicklungen in Richtung autonomer und elektrifizierter Logistiklösungen.6 Bis zum Jahr 2025 sollen alle Produkte von ZF vernetzt sein. Am Weg dorthin ist ZF auch neue Partnerschaften in seinem Kompetenznetzwerk eingegangen – z.B. mit dem „visual computing“ Unternehmen NVIDIA, mit dem gemeinsam der Supercomputer ZF ProAI vorgestellt wurde, um die Entwicklung des autonomen Fahrens voranzutreiben.7 ZF bietet innovative Produkte um Kunden zu ermöglichen, sich vom Wettbewerb zu unterscheiden. Die Innovationen werden hierbei nicht als Selbstzweck gesehen, sondern müssen einen möglichst hohen Mehrwert für Fahrzeughersteller als auch Flottenhalter und Fahrer offerieren.8 Zudem erkennt die ZF in Mobilitätsdienstleistern potenzielle Neukunden. Digitalisierung wird bei ZF aber nicht nur im Sinne des direkten Kundennutzens eingesetzt, sondern auch in der Erstellung des Kundennutzens. So bietet ZF auch cloudbasierte IoTLösungen und Apps an. Zum Beispiel lässt sich mit der App „ZF Part Finder“ das länderspezifische Ersatzteilangebot der ZF durchsuchen. Mit der App „deTAGtive logisitics“ lässt sich jederzeit und überall der Zustand von Frachtgütern überprüfen.9 5 https://www.zf.com/mobile/de/homepage/ homepage.html 6 https://vision.zf.com/site/magazine/de/home/ magazine_homepage.html 7 https://press.zf.com/site/press/de_de/microsites/press/list/release/release_38672.html 8 https://www.zf.com/mobile/de/technologies/ innovations/research_development/research_development.html 9 https://www.zf.com/mobile/de/technologies/ WINGbusiness 1/2019


Top-Thema 4. Diskussion und Schlussfolgerungen

Abb. 1: Einschätzung der digitalen Reife der vier Beispiele Beispiel Medienbranche: Axel Springer 10 Vor der digitalen Revolution operierte Axel Springer mit demselben Geschäftsmodell wie fast alle anderen Zeitungsverlage. Der Verlag produzierte die redaktionellen Inhalte, sorgte für Auflagenreichweite und monetarisierte die Inhalte durch den Verkauf von Print-Medien, Werbung und Kleinanzeigen. Zudem kontrollierten die Zeitungsverlage in diesem Modell auch die Distributionskanäle. Dies änderte sich mit der digitalen Transformation. Es entwickelte sich eine Internet-Umgebung mit frei zugänglichen Inhalten. Dem stand das Lager der Produzenten von redaktionellen Inhalten gegenüber, die für ihre Produkte und Services bezahlt werden wollten. Zahlreiche Verlage antworteten auf diesen digitalen Wandel mit Restrukturierungsprogrammen, Partnerschaften mit anderen Verlagen, reduzierten Auflagen etc. Axel Springer hingegen, ausgestattet mit der Vision, der führende digitale Verlag zu werden, konterte mit folgenden Ansätzen: Bezahlangebote, Vermarktungsangebote, und Rubrikenangebote (Kleinanzeigen) mit dem Geschäftsmodellnukleus „Journalismus“. Es wurde die Online-Vermarktung konsequent weiter ausgebaut. Zudem wurden im Online-Rubrikenmarkt und bei den Marktplätzen eigene Portale und Beteiligungen erweitert. Der Axel Springer-Verlag vollzieht die digitale Transformation somit über vier Hebel: 1. Transformation der verlagseigenen Medienmarken (Digitalisierung von Inhalten) 2. Digitale Neuentwicklungen 3. Strategische Akquisitionen in den Bereichen Bezahl-, Rubriken- und Vermarktungsangebote 4. Vernetzung mit impulsgebenden Start-up-Unternehmen als Plattform für neue Ideen, domains/digitalization/zf_apps/zf_apps_content.html 10 https://www.axelspringer.com/de WINGbusiness 1/2019

Innovationen, (Jaekel, 2015)

Erfahrungsaustausch.

Beispiel Modebranche: Burberry Burberry ist eine luxuriöse britische Modemarke, die durch ihren karierten Trenchcoat weltweit bekannt wurde. Durch die Dynamik in der Modebranche und andere Wettbewerber kam das Unternehmen zusehends in Bedrängnis und lag in den Wachstumszahlen hinter der Konkurrenz. Um Burberry wieder wettbewerbsfähig zu machen wurde 2006 ein umfassendes Transformationsprogramm mit dem Fokus auf digitale Technologien ins Leben gerufen. Burberry fokussierte nun auch auf eine neue Zielgruppe, die „Millenials“. Die Vision von Burberry war die Entwicklung zu einem Omni-Channel Retailer, der seinen Kunden integrierte Produkt- und Serviceleistungen anbieten kann. Dazu müssen online und offline Kanäle miteinander verknüpft werden. Dies hat Burberry erflogreich gelöst. Das Unternehmen investierte 60 % ihres Marketingbudgets in neue digitale Kanäle um sich zu einer Social Platform zu entwickeln. Dazu wurden unterschiedliche Initiativen ins Leben gerufen – neue Produkte werden auf Facebook vorgestellt, die Kampagne „Tweetwalks“ mit Twitter, wo Kunden neue Kollektionen vor ihrer offiziellen Präsentation gezeigt werden, oder die Möglichkeit für Kunden und Fans, auf einer eigenen Plattform private Fotos hochzuladen11. Neben dem externen Auftritt stand auch die „operational excellence“, also die interne digitale Transformation, im Fokus. Dies wurde durch die Einführung von SAP als unternehmensweites Informationssystem für interne Prozesse angestoßen. (Müller et al., 2016; Capgemini, 2012) 11 https://www.digitalvidya.com/blog/case-studyon-how-burberry-became-a-digital-luxury-brand/

Mit den Beispielen konnte gezeigt werden, wie ursprünglich „analoge“ Unternehmen ihre Geschäftsmodelle ins digitale Zeitalter transformiert haben – mit unterschiedlichen Fortschrittsgraden in der digitalen Reife. Pia Automation befindet sich noch in der digitalen Transformation, weshalb die digitale Reife geringer eingeschätzt wurde als bei Burberry, die ihr Geschäftsmodell bereits erfolgreich transformiert haben. Im Bereich Prozesse und Infrastruktur zeigt das Beispiel von Burberry sehr gut, dass eine einheitliche IT-Infrastruktur zur Verwaltung von internen Prozessen von Bedeutung ist. Die Beispiele von ZF und Pia Automation streichen dazu die Vernetzung von Produktionsprozessen bzw. den Einsatz digitaler Technologien zur Wertschöpfung hervor. Alle vier genannten Beispiele weisen eine klare digitale Strategie auf; ihre Geschäftsmodelle sind digital ausgerichtet. Burberry sticht dabei besonders im Einsatz von Sozialen Medien hervor - der Kunde steht im Mittelpunkt des Unternehmens. Der Kunde spielt bei ZF Friedrichshafen in der Entwicklung von Kundenlösungen eine große Rolle. Die Unterstützung durch das Management ist bei allen Unternehmen hoch, da sie die Treiber der digitalen Transformation sind. Burberry und Axel Springer heben besonders die Wichtigkeit der Entwicklung von digitalen Fähigkeiten bei den MitarbeiterInnen hervor und haben diesbezüglich einige Maßnahmen gesetzt. Aus den obigen Ausführungen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten: Digitale Transformation ist messbar, trotz der möglicherweise subjektiven Einschätzung der Reifegrade und damit einer möglichen Unschärfe. Unterschiedliche Reifegradmodelle helfen bei der Einschätzung; eines davon wurde exemplarisch angewendet. Es zeigt Potenziale und Verbesserungsmöglichkeiten auf und zwingt zur Reflexion des aktuellen Geschäftsmodells. Digitale Transformation findet unabhängig von Branche, Alter oder Gegenstand der Unternehmen auf verschiedenen Ebenen der Organisation statt. Die Transformation ist nicht auf Sachleistungen oder auf Dienstleistungen beschränkt. Junge Unterneh-

13


Top-Thema men sind nicht automatisch reifer in der Digitalisierung. Und Digitalisierung ist nicht nur für Technologieunternehmen ein bestimmendes Thema. Digitalisierung hat massive Konsequenzen für das Geschäftsmodell von Unternehmen. Eine sorgfältige Analyse des Reifegrades und die Ableitung von Handlungsfeldern für das bestehende Geschäftsmodell oder die Entwicklung eines komplett neuen Geschäftsmodells ist im kompetitiven Umfeld erfolgsentscheidend. Die Digitalisierung von Geschäftsmodellen stellt schließlich keine einmalige Handlung dar, sondern erfordert die stetige Weiterentwicklung etablierter Geschäftsmodelle. Quellen: Arnold, C., Kiel, D. and Voigt, K.-I. (2016): How the Industrial Internet of Things changes business models in different manufacturing industries, International Journal of Innovation Management, 20(8), S. 1640015-1-1640015-25. Berman, S.J. and Bell, R. (2011): Digital transformation: creating new business models where digital meets physical, Executive report, IBM Global Business Service, New York, NY, April. Bloching, B., Leutiger, P., Oltmanns, T., Rossbach, C., Schlick, T., Remane, G., Quick, P. and Shafranyuk, O. (2015): Die digitale Transformation der Industrie. Was sie bedeutet. Wer gewinnt. Was jetzt zu tun ist, Roland Berger Strategy Consultants and BDI, Munich, Berlin. Burmeister, C., Lüttgens, D. and Piller, F.T. (2016): Business model innovation for industrie 4.0: why the ‘industrial internet’ mandates a new perspective on innovation, Die Unternehmung, 70(2), S. 124-152. Capgemini, 2012, “Digital Leadership – An interview with Angela Ahrendts, CEO of Burberry: Burberry’s Digital Transformation”. Chesbrough, H. (2010): Business Model Innovation: Opportunities and Barriers, Long Range Planning, 43, S. 354-363. Colli, M., Madsen, O., Berger, U., Møller, C., Wæhrens, B. V., Bockholt, M. (2018): Contextualizing the outcome of a maturity assessment for Industry 4.0, IFAC-PapersOnLine, 51(11), S. 13471352. Egli, M. (2016): Erfolgsfaktoren von Mobile Business - Ein Reifegradmodell zur digitalen Trans-

14

formation von Unternehmen durch Mobile IT, Springer Vieweg, Zürich. Gartner IT Glossar (2018): “Digitalization” [online], available at: https://w w w.gartner. com /it-glossa r y/digitalization/ [Accessed 20.02.2019]. Gausemeier, J., Wieseke, J., Echterhoff, B., Isenberg, L. Koldewey, C., Mittag, T., Schneider, M. (2017): Mit Industrie 4.0 zum Unternehmenserfolg. Integrative Planung von Geschäftsmodellen und Wertschöpfungssystemen, herausgegeben von Heinz Nixdorf Institut, Universität Paderborn. Geissbauer, R., Vedso, J., Schrauf, S. (2016): Industry 4.0: Building the digital enterprise Asia Pacific Highlights, 2016 Global Industry 4.0 Survey, PricewaterhouseCoopers. Jaekel, M. (2015): Die Anatomie digitaler Geschäftsmodelle, Springer Vieweg, Wiesbaden. Kane, G. C., Palmer, D., Philips, A., Kiron, D., Buckley, N. (2015): Strategy, Not Technology, Drives Digital Transformation, MIT Sloan Management Review and Deloitte University Press. Kaufmann, T.(2015): Geschäftsmodelle in Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge, Springer

Dipl.-Ing. Dr.techn. Christiana Müller Assistant Professor am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der TU Graz

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Stefan Vorbach Vorstand des Instituts für Unternehmungsführung und Organisation an der TU Graz

DDipl.-Ing. Michael Rachinger, BBSc Universitätsassistent am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der TU Graz

Dipl.-Ing. Ines Korajman, BSc Universitätsassistentin am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der TU Graz

Vieweg, Wiesbaden. Loebbecke, C. and Picot, A. (2015): Reflections on societal and business model transformation arising from digitization and big data analytics: a research agenda, Journal of Strategic Information Systems, 24(3), S. 149-157.

Müller, C. (2014): Change of Business Models and the Role of the Business Ecosystem - Creating Flexibility in Business Models by Companies in High-Technology Industries, Dissertation, Technische Universität Graz.

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema Müller, S. C., Böhm, M., Schröer, M., Bakhirev, A., Baiasu, B.-C., Krcmar, H., Welpe, I. M. (2016): Geschäftsmodelle in der digitalen Wirtschaft. Vollstudie, Studie zum deutschen Innovationssystem, No. 13-2016.

Zott, C., Amit, R., (2013): The business model: A theoretical ancored robust construct for strategic analysis, Strategic Organization, 11(4), S. 403-411.

AutorInnen: PwC (2014): Digitalisierungsbarometer: https:// www.pwc.de/de/digitale-transformation/assets/ pwcdigitalisierungsbarometer_2014.pdf (Zugriff am 19.12.2018). Rachinger, M., Rauter, R., Müller, C., Vorraber, W., Schirgi, E. (2018): Digitalization and its influence on business model innovation, Journal of Manufacturing Technology Management Schallmo, D., Rusnjak, A., Anzengruber, J., Werani, T., Jünger, M. (2017): Digitale Transformation von Geschäftsmodellen - Grundlagen, Instrumente und Best Practices, Springer Gabler, Wiesbaden. Schuh, G., Anderl, R., Gausemeier, J., ten Hompel, M., Wahlster, W. (2017): Industrie 4.0 Maturity Index - Managing the Digital Transformation, acatech STUDY. Zott, C., Amit, R., Massa, L., (2011): The Business Model: Recent Developments and Future Research, Journal of Management, 37(4), S. 1019–1042.

Dipl.-Ing. Dr.techn. Christiana Müller ist seit 2009 am Institut für Unternehmungsführung und Organisation tätig. 2015 hat sie ihre Dissertation zum Thema Flexibilisierung von Geschäftsmodellen abgeschlossen. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit der Entwicklung und Innovation von technologieorientierten Geschäftsmodellen, speziell mit dem Hintergrund der steigenden Digitalisierung. Derzeit ist Frau Müller für ein halbes Jahr als Visiting Researcher an der Business School der University of Auckland in Neuseeland. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Vorbach ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur. Er promovierte an der Technischen Universität Graz und habilitierte sich an der Karl-FranzensUniversität Graz. Seit 2010 ist Prof. Vorbach Vorstand des Instituts für

Unternehmungsführung und Organisation an der Technischen Universität Graz. Sein Interesse gilt u.a. den Themen strategisches Technologie- und Innovationsmanagement, Entrepreneurship und Business Model Management. DDipl.-Ing. Michael Rachinger ist seit 2017 Universitätsassistent am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der Technischen Universität Graz. Zuvor absolvierte er die Studien Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau mit Schwerpunkt „Energietechnik“ und Maschinenbau mit Schwerpunkt „Computational Engineering und Mechatronik“.Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Business Model Management. Dipl.-Ing. Ines Korajman ist seit 2018 Universitätsassistentin am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der Technischen Universität Graz. Sie studierte Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau an der Technischen Universität Graz. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Technologiemanagement.

KREATIVE VISIONEN, DIE ANTREIBEN

ELEKTRIFIZIERUNG, ADAS, BRENNSTOFFZELLE Nur die Mutigen schauen hinter den Horizont! AVL ist der perfekte Schaffensplatz für kreative Menschen, die aktiv an den Technologien von morgen mitwirken wollen. Werde Teil eines kompetenten, interdisziplinären Teams! Wir bieten ein ideales Umfeld, um innovative Lösungen zu entwickeln und diese dann auch in der Serie zu realisieren – das macht uns einzigartig.

Eine Herausforderung für Visionäre: www.avl.com/career

WINGbusiness 1/2019

15


Top-Thema

Foto: https://2xbbhjxc6wk3v21p62t8n4d4-wpengine.netdna-ssl.com/wp-content/uploads/2017/06/425979-1024x768.jpg

Michael Fruhwirth, Gert Breitfuß, Christiana Müller

Mit Daten Wert schaffen Datengetriebene Geschäftsmodelle als Weg in die Zukunft Die Nutzung von Daten in Unternehmen zur Analyse und Beantwortung vielfältiger Fragestellungen ist “daily business”. Es steckt aber noch viel mehr Potenzial in Daten abseits von Prozessoptimierungen und Business Intelligence Anwendungen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Aspekte bei der Transformation von Daten in Wert bzw. bei der Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle. Dabei werden die Charakteristika von datengetriebenen Geschäftsmodellen und die benötigten Kompetenzen näher beleuchtet. Vier Fallbeispiele österreichischer Unternehmen geben Einblicke in die Praxis und abschließend werden aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen diskutiert. Daten als Ressource des 21. Jahrhunderts Durch die zunehmende Digitalisierung werden in allen Branchen und Industrien immer mehr Daten generiert. Daten werden als “Öl des digitalen Zeitalters” gesehen und lösen damit Öl als wertvollste Ressource ab (Rotella, 2012). Sie sind allgegenwärtig, unterstützen Unternehmen in ihren täglichen Abläufen und liefern einen wichtigen Input für Entscheidungen auf jeder Unternehmensebene. Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, Marktnischen oder innovativen Produkten und Dienstleistungen lassen sich Daten nahezu unbegrenzt kombinieren. Daten zählen, neben Information und Wissen, zu den Ressourcen des Informationszeitalters. Levitin und Redman (1998) haben Daten im Vergleich zu anderen Ressourcen (z.B. materielle

16

Ressourcen) untersucht und dabei herausgefunden, dass Daten einzigartige Charakteristiken besitzen. Daten zählen grundsätzlich zu den immateriellen Ressourcen. Dabei wird zwischen Daten per se und Datendarstellung durch ein spezielles Medium unterschieden. Daten per se sind immer immateriell, wohingegen die Datendarstellung, z.B. durch Speicherung am Computer oder Darstellung auf Papier, zu den materiellen Ressourcen gezählt wird. Daten sind im Vergleich zu Geld oder Rohstoffen nicht verbrauchbar und können von mehreren Nutzern simultan genutzt werden. Daten können kopiert und sofort transportiert werden (abhängig von der Transportgeschwindigkeit) und sind nicht einfach ersetzbar, wie z.B. Geld. Daten sind versatil und daher vielseitig einsetzbar. Durch die schiere Verwendung von Daten wird deren Wert nicht geschmälert (wie z.B.

bei Rohstoffen). Es kann jedoch eine Wertminderung über die Zeit entstehen, da neuere Daten oft wertvoller sind. Durch den Einsatz von Smartphones und dem Internet sind Daten allgegenwärtig und von beträchtlichem Wert. Durch das Internet der Dinge steigt das Datenvolumen und jede Aktivität hinterlässt eine digitale Spur. Schätzungen zufolge erzeugt ein selbstfahrendes Auto 100 Gigabyte pro Sekunde (The Economist, 2017). Der gezielte Einsatz von adäquaten Datenanalysemethoden kann Unternehmen vielfältig unterstützen. Die Analyse von Big Data hilft zum Beispiel den aktuellen Marktbedingungen standzuhalten, die Kunden besser zu verstehen, die Online-Reputation zu kontrollieren, Einsparungspotenziale zu erkennen und natürlich auch bei der Entwicklung neuer da-

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema tengetriebener Services und gänzlich neuer Geschäftsmodelle. Die Liste der Möglichkeiten durch die Auswertung von Daten scheint unendlich. Datengetriebene Geschäftsmodelle entstehen, die genau diesen Wert an Kunden verkaufen. Aktuelle Forschungsarbeiten sehen das Thema “Servitization”, also das Entwickeln und Anbieten von Zusatzservices (zu physischen Produkten) bereits in der Sättigungsphase (Schüritz et al., 2017). “Datatization” wird somit als logische Weiterentwicklung, als nächster Schritt, auf dem Weg zur Differenzierung bzw. zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen gesehen. Dieser Trend wird auch von einer Automotive Studie gestützt, die beispielsweise bei Fahrzeugherstellern einen Umsatzanteil von Digitalen Daten-Business von bis zu 50% im Jahr 2050 vorhersagen (Seibert und Gründinger, 2018). Charakteristika von datenbasierten Geschäftsmodellen Bislang gibt es noch keine gefestigte Definition für datenbasierte Geschäftsmodelle. In einem allgemeinen Verständnis haben sie Daten als zentrales Element bzw. Schlüsselressource (Hartmann et. al, 2016) und beschreiben als Business Blueprint, wie Daten verwendet werden um einen Wert beim Kunden zu stiften und wie sich dieser Wert direkt oder indirekt monetarisieren lässt (Seibert und Gründinger, 2018). Big Data, Analytics und Digitalisierung haben einen transformativen Effekt auf die gegenwärtigen Geschäftsmodelle vieler Unternehmen. Schüritz und Satzger haben dazu beispielsweise über 100 öffentlich verfügbare Fallbeispiele von Unternehmen untersucht und fünf Muster identifiziert, wie Daten Elemente eines Geschäftsmodells (Werterzeugung, Werterfassung und Wertversprechen) anreichern oder beeinflussen (Schüritz und Satzger, 2016): Daten können dazu verwendet werden, um die Werterzeugung zu verbessern und effizienter zu gestalten, etwa durch die Optimierung von Prozessen oder die Unterstützung von Entscheidungen. Beispielsweise kann durch die Analyse von Daten aus der Produktion ein Fertigungsprozess optimiert und

WINGbusiness 1/2019

somit die Zahl der Ausschüsse vermindert werden. Die Werterfassung kann ebenfalls durch Daten verbessert werden um ein größeres Erlöspotential abzuschöpfen. So können Daten über das Nutzungsverhalten eines Produktes Aufschluss über Kundenbedürfnisse geben. Daten können auch dazu genutzt werden, um Preise zu individualisieren, beispielsweise durch die Identifikation der individuellen Zahlungsbereitschaft oder durch standortabhängige Preise. Bestehende Produkte oder Services können mit Daten kombiniert werden, um einen Zusatznutzen für den Kunden zu stiften. Hier wird das Wertversprechen durch Daten erweitert, um den Kunden bei seiner Problemlösung zu unterstützen oder um das Nutzungserlebnis des Produktes zu verbessern. Online Banking Angebote bieten etwa ihren Kunden visualisierte Analysen der monatlichen Zahlungsströme als integriertes Zusatzfeature an. Durch Daten ist auch die Individualisierung eines bestehenden Wertversprechens möglich. Beispielsweise kann ein Kunde durch sein Nutzungsverhalten den Preis einer Dienstleistung aktiv beeinflussen, womit das Wertversprechen angepasst bzw. verstärkt wird, wie etwa in einer Pay-as-you-Drive Versicherung. Unternehmen können das volle Potential von Daten und Analytics nutzen, indem sie alle Elemente des bestehenden Geschäftsmodells mit Daten anreichern oder Daten auch auf ganz andere Art und Weise nutzen um damit neue datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln. Die Muster zeigen, dass Daten Unternehmen eine Vielzahl an Möglichkeiten bieten, um ihr Geschäftsmodell mit Daten weiterzuentwickeln. Analysen mehrerer Studien (bspw. Schüritz und Satzger (2016)) zeigen jedoch, dass die meisten Unternehmen Daten noch primär für die interne Optimierungen nutzen. Dies deckt sich auch mit den Erfahrungen des Know-Centers (Kompetenzzentrum für Data-Driven Business und Big Data Analytics) aus einer Vielzahl an Industrieprojekten. Interne Optimierung stellt einen guten Startpunkt dar, um Kompetenzen im Be-

reich Data Analytics aufzubauen und um einen schnellen ROI zu sehen. Größeres Potential für Innovation und Disruption liegt in neuen Geschäftsmodellen auf Basis von Daten mit allen damit verbundenen Herausforderungen und Hürden (Wixom und Ross, 2017). Voraussetzungen für datengetriebene Geschäftsmodelle Daten können als Rohdaten oder aggregierte Daten etwa über ein API (Application Programming Interface) dem Kunden bereitgestellt werden. In vielen Fällen haben reine Rohdaten keinen direkten Wert; erst durch die “Veredelung” der Daten wird ein Wert für den Kunden generiert. Dazu sind für Unternehmen, neben anderen Faktoren, die am Ende dargestellt werden, zwei Fähigkeiten notwendig (Wixom und Schüritz, 2017): (i) Kundennähe, um ein Verständnis über die Probleme und Aktivitäten der Kunden zu bekommen und (ii) um mit Data Analytics aus Daten Erkenntnisse zu generieren, diese in Datenprodukte zu verpacken um damit Kundenprobleme zu lösen. Data Analytics umfasst das Erkennen und Interpretieren von Mustern in und das Ziehen von Erkenntnissen aus Daten, welche zur (besseren) Entscheidungsfindung verwendet werden. Es kann, wie in Abbildung 1 dargestellt, zwischen verschiedenen Stufen von Analytics unterschieden werden (Gartner, 2013), je nachdem wie weit in den Entscheidungsfindungsprozess eingegriffen und dieser automatisiert wird: Descriptive Analytics umfasst die vergangenheitsbezogene Auswertung von Daten um daraus Erkenntnisse abzuleiten, welche von Menschen für die Entscheidungsfindung herangezogen werden. Das Datenprodukt können beispielsweise Kennzahlen, Reports oder Dashboards sein. Predictive Analytics macht auf Basis von Daten aus der Vergangenheit Vorhersagen für die Zukunft, etwa durch den Einsatz von maschinellen Lernverfahren. Ein Datenprodukt kann beispielsweise eine sehr präzise Verkaufsprognosen für einzelne Produkte einer Bäckerei auf Basis von Wetterdaten sein.

17


Top-Thema Prescriptive Analytics geht noch einen Schritt weiter und generiert Handlungsempfehlungen bzw. -alternativen zur Entscheidungsunterstützung oder -automatisierung auf Basis von Daten. Das Datenprodukt spielt als automatisierte Handlung oder Handlungsempfehlung eine aktive Rolle im Entscheidungsfindungsprozess des Kunden.

oder Drivability, an. Um diesen Benchmark zu erstellen, werden jedes Jahr 150 Fahrzeuge umfassend vermessen und mit speziellen Methoden 815 Einzelkriterien für die Attribute auf Basis der Daten berechnet. Der Kunde kann mit diesen Erkenntnissen die eigenen Modelle mit dem Mitbewerb vergleichen (best in class), braucht den Benchmark nicht selbst durchführen, und kann daraus Entwicklungsziele für zukünftige

Analytics

Menschliches Zutun

Entscheidungen

Daten

Was ist passiert?

Predictive

Was wird passieren? Entscheidungsunterstützung

Prescriptive

Was soll ich tun?

Daten

Handlungen

Descriptive

Entscheidungsautomatisierung

Erkenntnisse

Handlungen

Abbildung 1: Mögliche datengetriebene Wertversprechen: von Daten über Erkenntnisse zu Handlungen (adaptiert von Gartner (2013) und Wixom und Schüritz (2017)). Das Wertversprechen kann somit je nach Tiefe der Verankerung im Entscheidungsprozess Daten, Erkenntnisse, oder automatisierte Handlungen umfassen (Wixom und Schüritz, 2017). Je näher man sich an den Entscheidungen und Handlungen des Kunden befindet, desto höher ist der potentielle Wert der Daten bzw. des Datenproduktes. Der amerikanische Professor Thomas Davenport schreibt in diesem Zusammenhang beispielsweise: “Google, Amazon, and others have prospered not by giving customers information but by giving them shortcuts to decisions and actions.” (Davenport, 2013)

Modelle ableiten. (AVL List GmbH, 2019) Invenium - Location Insights: Invenium, ein Hochtechnologie Spin-Off der TU Graz und des Know-Centers errechnet mittels Big Data Algorithmen und künstlicher Intelligenz Bewegungsströme auf Basis von anonymisierten Mobilfunkdaten. Damit können Passanten-Frequenzen und Kundenpotentiale an spezifischen Standorten, Touristenströme in Regionen oder BeDatenquellen Selbst-generierte Daten

AVL

Beispiele für datenbasierte Geschäftsmodelle

sucherströme auf Veranstaltungen analysiert werden. Diese Erkenntnisse beantworten Fragestellungen für Kunden von Invenium aus Tourismus, Wirtschaft oder Verkehr und dienen ihnen als Entscheidungsunterstützung etwa bei der Optimierung ihrer Angebote. (Invenium, 2019) KNAPP AG - Digitaler Assistent: Die KNAPP AG ist Technologieführer in den Bereichen Lagerautomation und Logistiksoftware. Der neu entwickelte digitale Assistent nutzt Daten aus allen Software-Modulen - vom Warehouse Management System bis zur Maschinensteuerung, um Transparenz in den operativen Betrieb und die Wartung zu bringen. Das neue Datenservice stellt jederzeit die richtige Information – für den Zweck richtig aufbereitet – am richtigen Endgerät (Smartphone, Tablet, Desktop) zur Verfügung. Relevante Kennzahlen und Tasks können so jederzeit abgerufen werden. Die damit erreichte Transparenz, die bessere Erreichbarkeit und sofortiges Feedback machen ein effizienteres Arbeiten möglich. (Knapp, 2018) SmaxTec - Inside Monitoring: SmaxTec entwickelt Sensoren für Rinderpansen, mit denen Bewegungsaktivität, Temperatur, Herzfrequenz, Wasseraufnahme oder Pansen-pH-Wert gemessen werden kann. Mithilfe der Sensordaten wird beispielsweise der Gesundheitszustand von Rindern überwacht oder mit Erkenntnissen aus den Datenanalysen das Fütterungsmanagement oder Reproduktionsmanagement einer ganzen Herde optimiert. SmaxTec verkauft keine Sensoren, sondern bietet die Überwachung von Rindern und Erkenntnisse aus Messdaten als Datenprodukt

Datenprodukt Add-on zu bestehenden Engineering Dienstleistungen

Messdaten über Zustände in und Verhalten von Fahrzeugen

Benchmark Report (Scatter Band) bei Bedarf die dazugehörigen Daten

Nutzung von externen Daten

Eigenständiges Datenservice

Mobilfunkdaten

Report bzw. Dashboard

Invenium

Vier Beispiele für datenbasierte Geschäftsmodelle zeigen, wie aus Daten Datenprodukte generiert werden, welche für Kunden einen Nutzen stiften (vgl. Tabelle 1). AVL - Global Vehicle Benchmarking: AVL bietet als Service einen Benchmark der weltweit wichtigsten PKW Modelle anhand von 10 Attributen, wie beispielsweise Real Driving Emission

18

Knapp

SmaxTec

Daten aus Software-Modulen (Maschinen, Warehouse Management System) von Logistikanlage beim Kunden Generierung von Daten durch Einsatz des Produktes beim Kunden Sensordaten (wie pH Wert oder Temperatur)

Add-on zur Anlage (physisches Produkt) Visualisierungen, Dashboards, KPIs

Datenservice gekoppelt mit physischem Produkt Dashboard, Visualisierungen, Benachrichtigungen

Kundennutzen Entscheidungsunterstützung für die Fahrzeugentwicklung Benchmark muss nicht selbst durchgeführt werden Unterstützung zur Entscheidungsfindung bzw. zur Optimierung des eigenen Angebotes Transparenz Effizienteres Arbeiten Entscheidungsunterstützung

Entscheidungsunterstützung für Reproduktions- oder Fütterungsmanagement

Überwachung von Rinderherden

Tabelle 1: Beispiele für datengetriebene Geschäftsmodelle (eigene Darstellung).

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema in einem Subscription Modell an, damit die Kunden die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt treffen können. (SmaxTec, 2019) Diskussion und Herausforderungen in der Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle Themen wie Big Data und künstliche Intelligenz haben sich von rein technischen Themen zu wirtschaftlichen Herausforderungen entwickelt. Daten werden als Ressource des 21. Jahrhunderts gesehen, die neue Geschäftsmodelle ermöglichen und Unternehmen Wettbewerbsvorteile schaffen. Daten können unterschiedliche Elemente des Geschäftsmodells verändern (z.B. Prozesse in der Produktion verbessern und effizienter gestalten), oder aber sie rücken ins Zentrum und transformieren das gesamte Geschäftsmodell - datengetriebene Geschäftsmodelle entstehen. Um solche Geschäftsmodelle zu realisieren, stehen Unternehmen vor technischen, wirtschaftlichen als auch organisationalen Herausforderungen. Schüritz et al. (2017) haben Herausforderungen auf dem Weg zum datengetriebenen Geschäftsmodell analysiert und diese auf unterschiedlichen Ebenen dargestellt. Auf strategischer Ebene muss detailliert festgelegt werden, wie der Zugang zu Daten gesichert wird und wie die Daten in weiterer Folge verwendet werden. Dies erfordert die Entwicklung einer eigenen Datenstrategie, die mit der Gesamtstrategie des Unternehmens übereinstimmen muss. Weitere Herausforderungen betreffen die Organisation und Prozesse (Wie sollen diese neuen Services in die bestehende Struktur und Prozesse integriert werden?), die Entwicklung zusätzlicher Kompetenzen und die Änderung von einer produktorientierten in eine serviceorientierte Unternehmenskultur, die Entwicklung neuer Erlösquellen, der Eintritt in einen neuen Markt sowie die Transformation des bestehenden Geschäftsmodells. Die Unternehmensbeispiele in diesem Beitrag haben jedoch gezeigt, dass einige österreichische Firmen diesen Schritt gewagt und erste datengetriebene Geschäftsmodelle erfolgreich umgesetzt haben.

WINGbusiness 1/2019

Literaturverzeichnis: AVL List GmbH (2019): AVL Global Vehicle Benchmarking, https:// www.avl.com/de/web/ guest /vehicle-benchmarking (15.01.2019) Chapman, P.; Clinton, J.; Kerber, R.; Khabaza, T.; Reinartz, T.; Shearer, C. & Wirth, R. (2000), 'CRISP-DM 1.0 Step-bystep data mining guide' , Technical report, The CRISP-DM consortium. Davenport, Thomas H. (2013): Analytics 3.0. In: Harvard Business Review 91 (12), S. 64–72. Online verfügbar unter https://hbr.org/2013/12/ analytics-30. Gartner (2014): Gartner Says Advanced Analytics is a Top Business Priority. https:// w w w. g a r t n e r . c o m / newsroom/id/2881218 (14.11.2017) Invenium Data Insights. https://invenium.io/de/ (15.01.2019) Knapp AG (2018): Der Digitale Assistent von KNAPP, https://www. knapp.com/der-digitalea ssistent-von-k napp/ (31.01.2019) Levitin, A. V., & Redman, T. C. (1998): Data as a Resource: Properties, Implications and Prescriptions. Sloan Management Review, Fall 1998, S. 89-101. Rotella, P. (2012): Is Data The New Oil?, https:// www.forbes.com/sites/perryrotella/2012/04/02/ is-data-the-new-oil/#73cbb9847db3 (14.01.2019) Schüritz, Ronny; Satzger, Gerhard (2016): Patterns of Data-Infused Business Model Innovation. IEEE 18th Conference on Business Informatics, S. 133–142. Schüritz, R., Seebacher, S., Satzger, G. and Schwarz, L. (2017), “Datatization as the Next Frontier of Servitization. Understanding the Challenges for Transforming Organizations”, Proceedings of the Thirty-Eighth International Conference on Information Systems (ICIS), Seoul. Seiberth, Gabriel; Gründinger, Wolfgang (2018): Data-driven business models in connected cars, mobility services and beyond (BVDW Research,

Dipl.-Ing. Michael Fruhwirth, MLBT Researcher am KnowCenter

Ing. Mag. Gert Breitfuß Senior Researcher am Know-Center

Dipl.-Ing. Dr.techn. Christiana Müller Assistant Professor am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der TU Graz 01/18), https://bvdw.org/datadrivenbusinessmodels/ (23.01.2019) SmaxTec https://www.smaxtec.com/ (15.01.2019) The Economist (2017): The world’s most valuable resource is no longer oil, but data, https://www. economist.com/leaders/2017/05/06/the-worldsmost-valuable-resource-is-no-longer-oil-but-data (14.01.2019). Wixom, Barbara H.; Ross, Jeanne W. (2017): How to Monetize Your Data. In: MIT Sloan Management Review, 58 (3), S. 10–13. Wixom, Barbara H.; Schüritz, Ronny (2017): Creating Customer Value Using Analytics. MIT CISR Research Briefing, Volume XVII, No 11.

AutorInnen: Dipl.-Ing. Michael Fruhwirth ist seit 2018 Researcher am Know-Center (Kompetenzzentrum für Data Driven Business und Big Data Analytics) und

19


Top-Thema Doktorand an der TU Graz. Im Forschungsbereich „Data Driven Business“ beschäftigt er sich vorrangig mit der Erforschung von Methoden zur Entwicklung von datengetriebenen Geschäftsmodellen. Davor hat er Telematik, Recht und Wirtschaft studiert und war parallel in der Industrie (Anton Paar, ams, Rosenbauer) und in der Lehre an der TU Graz tätig. Ing. Mag. Gert Breitfuß ist seit 2017 Senior Researcher am Know-Center (Kompetenzzentrum für Data Driven Business und Big Data Analytics). Im

Forschungsbereich „Data Driven Business“ beschäftigt er sich vorrangig mit der Erforschung von Methoden und Tools zur Unterstützung datengetriebener Geschäftsmodellinnovationen. Nach seiner technischen und betriebswirtschaftlichen Ausbildung und nach mehreren Stationen in der Industrie (Siemens, AT&S, EPCOS), lehrte und forschte er von 2009 bis 2012 als hauptberuflicher Lektor an der Studienrichtung Innovationsmanagement der FH CAMPUS 02 in Graz. Danach wechselte er als Senior Researcher zu Evolaris (Kompetenzzentrum für digitale Assistenzsysteme) und leite-

te den Forschungsbereich Open Innovation. Dipl.-Ing. Dr.techn Christiana Müller ist seit 2009 am Institut für Unternehmungsführung und Organisation tätig. 2015 hat sie ihre Dissertation zum Thema Flexibilisierung von Geschäftsmodellen abgeschlossen. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit der Entwicklung und Innovation von technologieorientierten Geschäftsmodellen, speziell mit dem Hintergrund der steigenden Digitalisierung. Derzeit ist Frau Müller für ein halbes Jahr als Visiting Researcher an der Business School der University of Auckland in Neuseeland.

UNINACHRICHTEN

Theresa Passath

Preisträger eAward 2019 – Kategorie Industrie 4.0

D

as von der FFG geförderte Projekt Smart Maintenance (Laufzeit 2014-2017) fokussierte sich auf die Entwicklung eines ressourceneffizienten Instandhaltungsansatzes. Zu diesem Zweck wurde eine Predictive-Analytics-Applikation zur Störungsvorhersage entwickelt, die zur lernorientierten und dynamischen Strategieanpassung, ganz nach dem Grundgedanken des Lean-Smart Maintenance Konzepts beiträgt. Dem Projektkonsortium be-

Foto: Reportverlag

20

stehend aus dem Konsortialführer WBW - Lehrstuhl für Wirtschafts- und Betriebswissenschaften der Montanuniversität Leoben, sowie der Projektpartner Software Competence Center Hagenberg, BMW, BRP-Rotax und Messfeld GmbH, gelang die Umsetzung dieses Vorhabens. Es wurde über die Applikation zur Störungsvorhersage hinaus, ein Modell zur Dynamisierung und wertschöpfungsorientierter Optimierung der Instandhaltungsstrategie entwickelt, welches bei den Industriepartnern BMW und BRP-Rotax in Pilotbereichen evaluiert wurde. Das entwickelte Predictive-AnalyticsModell trug zur Weiterentwicklung des „Predictive Analytics Message Board“ (Abbildung 1) des Software Competence Center Hagenberg bei. Dieses soll den Prozess der Überwachung und der frühzeitigen Fehlerdetektion von Maschinen und Produktionsanlagen unterstützen und Input für Strategieanpassungen geben. Durch die Analyse lokaler Sensordaten und dem Einsatz von Predictive Maintenance können Verfügbarkeiten dauerhaft erhöht und Instandhaltungs-, Material-, aber auch Energiekosten deutlich reduziert werden. Die steigende Automatisierung von Produktionsanlagen macht das Message-Board ganz besonders zu

einem sehr nützlichen Tool für Industriebetriebe. Der innovative Charakter des Predictive Maintenance Boards wurde mit dem eAward 2019 in der Kategorie Industrie 4.0 ausgezeichnet. Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung und bedanken uns bei den Projektpartnern für die gute Zusammenarbeit!

Abbildung 1: Auszug aus dem Predicitive Analytics Message Board; Foto: SCCH WINGbusiness 1/2019


Top-Thema

Foto: (c) die Industrie, Fotograf: Mathias Kniepeiss

Christian Bischof, Herbert Kohlbacher, Gottfried Obmann

IoT-basierte Geschäftsmodelle Kaum ein Begriff wurde in letzter Zeit sowohl in der betriebswirtschaftlichen Theorie als auch in der betrieblichen Praxis so intensiv diskutiert wie das Internet of Things (IoT). Die Ziele des IoT sind dabei die Vernetzung von Gegenständen in Kombination mit der Bereitstellung von neuen oder zusätzlichen Funktionalitäten und Dienstleistungen zur Schaffung neuer Geschäftsmodelle. Es besteht breiter Konsens darüber, dass diese Entwicklung neuer Geschäftsmodelle von grundlegender Bedeutung für eine erfolgreiche Positionierung im Zuge der digitalen Transformation ist. Schlüssel dazu ist das IoT, welches physische Produkte und digitale Services zu hybriden Lösungen integriert. 1. Digitalisierung als Herausforderung Die Globalisierung, der technologische Fortschritt und die zunehmende Digitalisierung stellen Unternehmen vor immer neue und größere Herausforderungen. Diese Zeit der Digitalisierung, Vernetzung und Kommunikation der Systeme mittels Internettechnologien wird auch als „Industrie 4.0-Zeitalter“ bezeichnet. Eine einheitliche und eindeutige Definition des Begriffs der Digitalisierung gibt es bislang nicht. Grundsätzlich wird unter Digitalisierung die Überführung analoger in digitale Daten und damit die Veränderung der Geschäftstätigkeit von der realen in die virtuelle Welt verstanden (BITKOM 2016). Neben einer effizienteren und flexibleren Gestaltung der Wertschöpfung sowie einer Individualisierung der Produkte über Standardkonfigurationen hinaus besteht das Potential der Digitalisierung aber auch darin, Geschäftsmodelle disruptiv zu verändern.

WINGbusiness 1/2019

Für Industrieunternehmen bedeutet dies eine große Herausforderung, gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung aber auch viele Chancen. Zum einen sinken die Margen im klassischen Industriegütergeschäft durch Konkurrenten aus Schwellenländern (Kindström 2010), zum anderen steigt die Nachfrage von Kunden nach individuellen Lösungen für spezifische Problemstellungen (Porter/Heppelmann 2014). Setzen sich die Unternehmen nicht mit der digitalen Transformation ihrer Geschäftsmodelle auseinander, besteht daher die Gefahr, Marktanteile zu verlieren oder zu Commodity-Lieferanten physischer Produkte zu werden (Gimpel/Röglinger 2015). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren ein wesentlicher Teil aller bestehenden Geschäftsmodelle verschwinden und durch neue Modelle ersetzt werden wird (Gerberich 2017). So zeigt eine empirische Erhebung von KMPG, dass 34 % der befragten Unternehmen der Meinung sind, dass sich ihr Geschäftsmodell bis

zum Jahr 2020 fundamental ändern wird. Dementsprechend findet Wettbewerb nicht mehr zwischen Produkten, sondern zwischen Geschäftsmodellen statt (Aagaard/Lindgren 2015). Wesentliche Grundlage für neue Geschäftsmodelle sind innovative digitale Technologien rund um das Internet of Things, wie cyber-physische Systeme, In-Memory-Computing oder Big Data Analytics (Hecker/Koch/Heydecke/ Werkmeister 2016). So ist zum Beispiel davon auszugehen, dass durch multiple Wertversprechen und kundenindividuelle Lösungsangebote die Komplexität des Geschäftsmodells steigt. Darüber hinaus sind Aspekte wie die Abhängigkeit zwischen dem physischen Produkt und den digitalen Services zu berücksichtigen sowie spezifische Erlösmodelle auf der Basis von pay-per-use zu gestalten (Übelhör 2017). In diesem Beitrag werden daher in weiterer Folge die Auswirkungen, Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung im Allgemeinen und von IoT-Technologien im

21


Top-Thema Speziellen auf die Geschäftsmodelle von Industrieunternehmen betrachtet. 2. Digitale Transformation Obwohl nach wie vor in einem Wachstumsstadium – die Zahl vernetzter Geräte soll von geschätzten 21 Milliarden im Jahr 2018 auf 50 Milliarden Geräte bis 2025 steigen – hat das IoT bereits die Weichen für neue digitale Geschäftsmodelle gestellt. Durch die Vernetzung von physischen Objekten durch Sensoren und/oder Aktoren mit dem Internet oder anderen vernetzten Systemen steigen die Möglichkeiten, digitale Geschäftsmodelle in die nichtdigitale Welt zu übertragen. Für Unternehmen ergeben sich daraus Chancen, neue innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Insbesondere die Kombination der von vernetzten Geräten generierten Daten mit intelligenten Wertschöpfungsprozessen im Unternehmen ermöglicht es, „smarte“ Produkte und Dienstleistungen noch individueller auf den jeweiligen Kunden zuzuschneiden (Oswald/Setzke/Riasanow/Krcmar 2018). Die digitale Transformation eines produzierenden Unternehmens und seines Geschäftsmodells kann, wie in Abbildung 1 dargestellt, über zwei unterschiedliche Pfade erfolgen. Ausgangspunkt des Transformationsprozesses ist ein traditionelles Unternehmen mit klarem Fokus auf physische Produkte in Kombination mit produktnahen Dienstleistungen. Mit der Realisierung smarter Produkte und Services sowie der Nutzung von digitalen Technologien zur Implemen-

tierung einer smarten Produktion können zwei unterschiedliche Pfade der digitalen Transformation unterschieden werden. Diese beiden Pfade können sequentiell oder simultan verfolgt werden und führen am Ende des Transformationsprozesses zu einem digitalisierten Unternehmen, in dem Daten die Grundlage für die Erhöhung von Effizienz, Flexibilität und Agilität der Produktionsprozesse einerseits und für die Steigerung des Umsatzes durch kundenindividuelle Produkte und Services andererseits darstellen (Pflaum/ Schulz 2018). Somit führt die digitale Transformation des Geschäftsmodells in letzter Konsequenz nicht nur zu einer Änderung der Produkte und Services und somit des Werteversprechens des Unternehmens dem Kunden gegenüber, sondern erfordert auch eine Anpassung der in der Produktion eingesetzten Technologien und in weiterer Folge der Prozesse (Pflaum/Schulz 2018). 3. Smart Production

Das Konzept der Smart Production beschreibt die Anwendung von IoT-Technologien in Produktionsumgebungen. Führende Industrieunternehmen setzen bereits auf IoT-Lösungen als Kerntechnologie, um zum einen die Leistung und den Zustand von Produktionssystemen in Echtzeit überwachen und zum anderen kundenindividuellere Produkte kostengünstig herstellen zu können. Hierzu werden identifizierbare physische Objekte (Things) mit einer virtuellen Repräsentation in einer Internet-ähnlichen Struktur definiert (Ashton 2009). Zu d i e s e m Zweck werden Sensoren, aber auch Aktoren sowie i n f or m at ionslesende Devices mit Hilfe von Micro-Controllern mit On-Premiseoder cloudbasierten Abbildung 1: Pfade der digitalen Transformation (Pflaum/Schulz Informa2018, modifiziert) t ionssyste -

22

men verbunden (Andelfinger/Hänisch 2015). Die Kommunikation zwischen Sensor- bzw. Feldebene und Micro-Controllern erfolgt zumeist kabelgebunden und basiert auf in der Automatisierung etablierten Protokollen wie 1-wire, SPI oder i2c, während sich zur Datenübertragung an die Informationssysteme zunehmend Standardprotokolle wie Message Queuing Telemetry Transport (MQTT) oder Open Platform Communications Unified Architecture (OPC UA) etablieren (Huber 2016). In einer ersten Ausbaustufe von Smart Production werden auf diese Art und Weise umfangreiche Daten der physischen Produktion erfasst und mit Hilfe von In-Memory-Systemen oder IoT-Plattformen in Echtzeit verarbeitet (Klostermeier/Haag/Benlian 2018). Diese quasi verzögerungsfreie Kommunikation mit den Businesssystemen ermöglicht es, kurzfristig Anpassungsentscheidungen zu treffen sowie Planänderungen unmittelbar durchzuführen. Auf Unregelmäßigkeiten oder Unterbrechungen im Produktionsprozess sowie sich verändernde Kundenbedürfnisse oder äußere Einflüsse kann zeitnah reagiert werden, indem die relevanten Informationen am entscheidenden System sofort und vollständig zur Verfügung stehen. Anwendungsfälle sind zum Beispiel das Condition-Monitoring, bei dem Daten hinsichtlich Maschinenzustand sowie Umgebungsdaten gesammelt und analysiert werden, um auftretende Defekte oder Wartungsbedarfe frühzeitig zu erkennen, oder die präzise Verfolgung von Werkzeugen bis hin zu Fahrzeugteilen mit automatischer Nachbestellung in der Automobilindustrie zu ermöglichen (Oswald/Setzke/Riasanow/ Krcmar 2018). In der zweiten Ausbaustufe von Smart Production werden die erfassten Daten mit einem digitalen Datenmodell der physischen Produktion kombiniert. Auf diese Weise entsteht ein digitaler Zwilling, welcher die Daten unterschiedlicher Objekte und Systeme integriert. Das auf diese Weise generierte virtuelle Abbild der Produktion ist jedoch nicht statisch, sondern entwickelt sich durch den konstanten Datenfluss evolutionär mit den physischen Objekten mit. Durch das digitale Modell ist ein digitaler Zwilling darüber hinaus nicht nur in der Lage, physische Objekte sowie Prozesse abzubilden,

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema sondern auch zu simulieren und zu optimieren (Cheng et al. 2018). Bei Bosch Rexroth werden beispielsweise derzeit rund 200.000 verschiedenen Bauteilvarianten mit minimalen Rüstzeiten gefertigt. Zur Bewältigung dieser hohen Varianz sind alle Maschinen untereinander und mit den IT-Systemen vernetzt. Zudem wird für jeden Kundenauftrag ein virtuelles Abbild der bestellten Komponenten erzeugt. Erst dies ermöglicht die Realisierung einer Losgröße-1-Fertigung bei hoher Variantenvielfalt (Engelhardt 2018, Bosch 2018). Diesen Nutzenpotentialen von Smart Production und den dadurch ermöglichten neuen Geschäftsmodellen stehen Kosten für die Konzeption, Implementierung sowie die Wartung einer umfassenden IoT-Infrastruktur im Bereich der Produktion gegenüber, die aus heutiger Sicht schwer vorhersehbar sind und die mit jeder zusätzlichen Lösung bzw. der hierfür zu implementierenden Technologien tendenziell steigen. Dies führt zu einem erneuten Auftreten des bereits Mitte der 1980er Jahre festgestellten Produktivitätsparadoxons. Demnach stehen den tendenziell hohen und quantifizierbaren Kosten von IoT wenig oder kaum messbare Produktivitätsgewinne gegenüber bzw. treten diese erst mit einem gewissen zeitlichen Verzug ein (Nicolescu/Huth/ Radanliev/De Roure 2018). 4. Smart Products & Services Smarte Produkte und Services sind digitale Produkte und Dienstleistungen und decken die meisten Anwendungsszenarien im IoT-Umfeld ab. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf der Basis vernetzter Systeme vom Herstellprozess bis hin zum Endkunden Daten generieren und aggregieren, miteinander kommunizieren oder sogar standardisierte Aufgaben autonom verrichten (Pöppelbuß 2016). Vor diesem Hintergrund verschiebt sich im IoT-Umfeld der Wettbewerb, weg von physischen Produkten hin zu serviceorientierten Geschäftsmodellen (Huber 2016). Das wesentliche Potential von IoT-Technologien besteht dabei in der Entwicklung integrierter, datenbasierter Produkt-Dienstleistungskombinationen, sogenannter smarter oder hybrider Produkte. Mit Hilfe eingebauter Sensoren erzeugen smarte Pro-

WINGbusiness 1/2019

dukte im laufenden Betrieb beim Kunden umfangreiche Datenmengen. Dies umfasst nutzungs-, umgebungs- und zustandsbezogene Daten, wodurch ein umfassendes Monitoring sowie eine tiefergehende Analyse ermöglicht werden, als dies heute der Fall ist (Huber 2016). Auf dieser Basis können in weiterer Folge innovative Geschäftsmodelle aufgebaut werden. Zwar werden sich ergänzende Bündel aus Produkt und Dienstleistungen bereits seit langem am Markt angeboten, jedoch ermöglichen IoT-Technologien nunmehr eine internetbasierte Vernetzung von Unternehmen und Kunden und damit die Entwicklung bezahlbarer, kundenindividueller und datenbasierter Serviceangebote. Die Ausgestaltungsformen reichen dabei von der Ergänzung des physischen Kernprodukts um digitale Dienstleistungen bis hin zum Lösungsanbieter, bei dem das physische Produkt nur mehr einen Teil der Lösung darstellt (Übelhör 2017). Präventive Wartung, einfache AppSteuerung von jedem Ort der Welt, Funktionserweiterung durch „over-theair-update“ und verbrauchsabhängige Abrechnungen (pay-per-use) sind als erste Geschäftsmodelle bereits implementiert, werden aber in absehbarer Zukunft den Standard definieren, da sowohl Anbieter als auch Kunden davon profitieren (Gerberich 2017). Folglich nimmt sowohl im industriellen Umfeld als auch im privaten Leben die Dichte an intelligenten Produkten und darauf aufbauender Services kontinuierlich zu (Pflaum/Schulz 2018). Die Datenhoheit wird sich dabei weiter in Richtung der Hersteller verschieben (Huber 2016). Smarte Produkte stellen somit ein Geschäftsmodell für Industrieunternehmen dar, welches nicht nur zu einer Differenzierung im Wettbewerb, sondern auch zu einer Diversifikation des Leistungsportfolios und damit einer Verbreiterung der Erlösbasis beiträgt (Kamp/Ochoa/Diaz 2016). Zugleich erlangen die Hersteller einen tieferen Einblick in die Anwendungs- und Problemfelder, aber auch die Kostenstrukturen ihrer Kunden, wodurch langfristige Kundenbeziehungen über den gesamten Lebenszyklus des smarten Produkts etabliert und Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Produkte

gewonnen werden können (Kamp/ Ochoa/Diaz 2016, Beverungen et al. 2017). 5. Fazit Das Internet of Things ist ein wesentlicher Treiber für neue Geschäftsmodelle. Immer mehr Industrieunternehmen setzen auf digitale Technologien, um innovative Produkte und Services anzubieten. In Theorie und Praxis herrscht jedoch häufig eine Fokussierung auf die technischen Aspekte vor, während strategische Überlegungen sowie der potentielle Kundennutzen eher vernachlässigt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden für den von IoT-Technologien generierten Zusatznutzen häufig gering ist. Demensprechend herausfordernd ist es, Geschäftsmodelle zu identifizieren, welche umfangreiche InitialInvestitionen in diese Technologien rechtfertigen. Nach wie vor bestehende Sicherheitsrisiken sowie eine tendenziell hohe Integrationskomplexität stellen weitere Herausforderungen für die erfolgreiche Umsetzung IoT-basierter Geschäftsmodelle dar (Gartner 2017). Dem gegenüber stehen jedoch die vielfältigen Möglichkeiten, mit smarten Prozessen, Produkten oder Dienstleistungen erfolgreich zu sein. Diese bestehen im Wesentlichen in einer optimierten und agilen Produktion sowie Produkten und Services, die auf individuelle Kundenbedürfnisse ausgerichtet sind. Die hierfür erforderlichen Technologien sind mittlerweile weitgehend ausgereift, leistungsfähig, zunehmend standardisiert und zu günstigeren Konditionen verfügbar. Dies führt aber auch zu teilweise überzogenen Erwartungen hinsichtlich der Möglichkeiten und Nutzenpotentiale des Einsatzes dieser Technologien. Die Konzeption und Implementierung IoT-basierter Geschäftsmodelle bedarf daher einer umfassenden Analyse des Use Cases, des daraus resultierenden Kundennutzens sowie der technologischen Implikationen (Kamp/Ochoa/Diaz 2016). Referenzen: Aagaard A. & Lindgren P. (2015): The opportunities and challenges of persuasive technology in creating sustainable innovation and business model innovation. In: Wireless Personal Communications, Vol. 81, Issue 4, S. 1511-1529.

23


Top-Thema Andelfinger V. & Hänisch T. (2015): Internet der Dinge – Technik, Trends und Geschäftsmodelle, Wiesbaden. Ashton K. (2009): That ‚internet of thing‘ thing. In: RFiD Journal, 22. Jg., Heft 7, S.97-114. https:// www.rfidjournal.com/articles/view?4986, abgerufen am 28.11.2018. BITKOM (2016): Industrie 4.0 – Die neue Rolle der IT, https://www.bitkom.org/sites/default/ files/pdf/noindex/Publikationen/2016/Leitfaden/Industrie-40-Die-neue-Rolle-der-IT/160421LF-Industrie-40-Die-neue-Rolle-der-IT.pdf, abgerufen am 4.12.2018. Beverungen D., Müller O., Matzner M., Mendling J. & vom Brocke J. (2017): Conceptualizing smart service systems. In: Electron Markets (online), DOI: https://doi.org/10.1007/s12525-0170270-5. Bosch (2018): Die Fabrik der Zukunft steht im Spessart, https://www.boschrexroth.com/de/de/ unternehmen/presse/press-detail-1-125504 abgerufen am 5.12.2018. Cheng. Y., Zhang Y., Ping J., Xu W., Zhou Z. & Tao F. (2018): Cyber-physical integration for moving digital factories towards smart manufacturing: a survey. In: The International Journal of Advanced Manufacturing Technology, Vol. 97, Issue 1-4, S. 1209-1221. Engelhardt C. (2018): Losgröße 1 – so geht’s!, https://www.produktion.de/trends-innovationen/ losgroesse-1-so-gehts-115.html, abgerufen am 5.12.2018. Helmold M. & Terry B. (2016): Lieferantenmanagement 2030: Wertschöpfung und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in digitalen und globalen Märkten, Wiesbaden. Gartner (2017): IoT Technology Disruptions: A Gartner Trend Insight Report, Stamford. Gerberich C.W. (2017): Industrie 4.0 – Digitalisierung, Innovationsmanagement und Führung. In: Elektrotechnik & Informationstechnik, Vol. 134, Issue 7, S. 374-376. Gimpel H. & Röglinger M. (2015): Digital transformation: Changes and Chances – Insights based on an empirical study. Project Group Business and Information Systems Engineering (BISE) of the Fraunhofer Institute for Applied Information Technology FIT, Augsburg/Bayreuth. Hecker D., Koch D.J., Heydecke J. & Werkmeister Ch. (2016): Big-Data-Geschäftsmodelle – die drei Seiten der Medaille. In: Wirtschaftsinformatik & Management, Vol. 8, Issue 6, S. 20-30. Huber W. (2016): Industrie 4.0 in der Automobilproduktion: ein Praxisbuch, Wiesbaden. Kamp B., Ochoa A. & Diaz J. (2016): Smart servitization within the context of industrial usersupplier relationships: contingencies according to a machine tool manufacturer. In: International Journal on Interactive Design and Manufacturing, Vol. 11, Issue 3, S. 651-663.

24

Kindström D. (2010): Towards a service-based business model – Key aspects for future competitive advantage. In European Management Journal, 20. Jg., Heft 6, S. 479-490. Klostermeier R., Haag, S. & Benlian A. (2018): Digitale Zwillinge – Eine explorative Fallstudie zur Untersuchung von Geschäftsmodellen. In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik (online), DOI: https:// doi.org/10.1365/s40702018-0406-x. Nicolescu R., Huth M., Radanliev P. & De Roure D. (2018): Mapping the values of IoT. In: Journal of Information Technology, Vol. 33, Issue 4, S. 345-360. Oswald G., Setzke D.S., Riasanow T. & Krcmar H. (2018): Technologietrends in der digitalen Transformation. In: Oswald G., Krcmar H. (HG.): Digitale Transformation: Fallbeispiele und Branchenanalysen, Wiesbaden, S. 11-34. Pflaum A. & Schulz E. (2017): Auf dem Weg zum digitalen Geschäftsmodell: „Tour de Force“ von der Vision des digitalisierten Unternehmens zum disruptiven Potential digitaler Plattformen. In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik (online), DOI: https://doi.org/10.1365/s40702-018-0401-2. Pöppelbuß, J. (2016): Smart Service, http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/lexikon/informationssysteme/ Sektorspezifische-Anwendungssysteme/smart-service , abgerufen am 15.01.2019. Porter, M.E. & Heppelmann, J.E. (2014): How smart, connected products are transforming competition. In: Harvard Business Review, 92. Jg., Heft 11, S. 64-88. Übelhör J. (2018): Industrieunternehmen und die Transformation von Geschäftsmodellen im Kontext der Digitalisierung – Eine empirische Studie über die Auswirkungen anhand des Business Model Canvas. In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik (online), DOI: https://doi. org/10.1365/s40702-018-0429-3.

Mag. Dr. Christian Bischof, MBA FH JOANNEUM Kapfenberg

Ing. Herbert Kohlbacher, MSc FH JOANNEUM Kapfenberg

Dr. Gottfried Obmann, MAS, MSc, MBA FH JOANNEUM Kapfenberg Autoren: Mag. Dr. Christian Bischof, MBA Assoziierter Professor für Angewandte Informatik am Institut Industrial Management und Leiter des berufsbegleitenden Masterstudiums International Supply Management an der FH JOANNEUM Kapfenberg Ing. Herbert Kohlbacher, MSc Hochschullektor (FH) für Angewandte Informatik am Institut Industrial Management der FH JOANNEUM Kapfenberg Dr. Gottfried Obmann, MAS, MSc, MBA Dozent für Einkauf und Supply Management am Institut Industrial Management der FH JOANNEUM Kapfenberg

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema

Das “Catrobat Team” an der TU Graz; Foto: Catrobat Projekt

Matthias Müller, Wolfgang Slany

Phänomen Open Source – Wertschöpfung durch Offenheit und Zusammenarbeit Vor 20 Jahren wurde der Begriff „Open Source” ins Leben gerufen und prägt seitdem die weltweite Technologielandschaft. Kooperative und offene Entwicklung von Software wurde seither zum Standard in vielen Bereichen und bietet nicht nur Möglichkeiten für die Entwicklung, sondern eröffnete auch neue Möglichkeiten für Geschäftsmodelle, Innovation und dem Schutz von Intellectual Property (IP). Anhand des an der TU Graz gegründeten Catrobat Projekts können Einblicke in dieses spannende Umfeld gegeben werden und konkrete Beispiele zur Wertschöpfung durch offene Communities und dem sich weiterentwickelnden digitalen Ökosystem Open Source gegeben werden.

O

bwohl ein offenes Vorgehen in der Softwareentwicklung an Universitäten und Forschungseinrichtungen bereits lange zu finden ist, wurde Ende der 1990’er Jahre der Begriff „Open Source” aufgegriffen um die kollaborative Entwicklung von Source Code in gewissen Maßen auch für die Industrie zu formalisieren. Mit der Definition von Lizenzen, wie MIT, Apache oder GPL, wurden für die Praxis anerkannte Richtlinien geschaffen, um die Verbreitung dieser offenen Software zu vereinheitlichen und regeln. Neben davon motivierten enthusiastischen Entwicklern und ideellen Communities, brachten sich auch vermehrt Unternehmen in diese Bewegung mit ein, begannen sie zu unterstützen und zu fördern. Mit gesponserten Open Source Projekten legten insbesondere in den letzten Jahren auch große Konzerne Teile ihrer Entwicklung offen und machten ihre Arbeit für jeden zu-

WINGbusiness 1/2019

• Grundlegend ist jedoch ein Geben und Nehmen um das Gleichgewicht im Ökosystem zwischen den verschiedenen Parteien ausgewogen zu halten. • Insbesondere in einem Ökosystem, in dem mehrere unterschiedliche Geschäftsmodelle realisiert werden können, ist Kommunikation und ein holistisches Verständnis über das Netzwerk der Schlüssel zum Erfolg. • Dieses Phänomen der Offenheit und Gemeinschaft zeigt die Chancen, die die digitale Transformation in dem Bereich ermöglicht, wie Geschäftsmodelle vernetzt und Organisationen verbunden werden können. gänglich. Doch wo liegen die großen Vorteile dieses offenen Ansatzes, warum investieren Unternehmen verstärkt in das Ökosystem Open Source und wie generiert es Profit? Einblicke in ein etabliertes Open Source Projekt geben Antworten darauf und zeigen die vielschichtigen Zusammenhänge auf.

Ein österreichisches Beispiel Das 2010 an der TU Graz gegründete Catrobat Projekt hat es sich zum Ziel gesetzt, mit kostenlosen mobilen Tools Jugendlichen das Erlernen von Programmierkenntnissen so einfach wie möglich zu erlauben. Mit der App „Pocket Code“ konnten bereits mehr als eine Million Benutzer weltweit erreicht werden. Als Open Source Projekt wird es einerseits von internationalen Freiwilligen getragen, aber auch grundlegend von Studierenden der Universität im Rahmen ihres Studiums gestützt. Doch neben den beitragenden Entwicklern, bildete sich auch ein Netzwerk aus Firmen und Organisationen, die heute entweder direkt oder indirekt mit dem Projekt verbunden sind. Diese Firmen bauen, zumindest zum Teil, ihre Geschäftsmodelle auf dem Projekt auf, profitieren von dessen offenen Entwicklung und fördern diese im Gegenzug. Resultierend muss das

25


Top-Thema Management eines solchen Projekts die Balance zwischen den verschiedenen Motivationen der einzelnen Mitwirkenden verstehen, sowie allen Beteiligten eine entsprechende gemeinsame Richtung und Vision kommunizieren. Essentiell dafür ist agiles Projektmanagement aber insbesondere ein Verständnis über das vielfältige Netzwerk von verschiedenen Aktoren. Das Open Source Ökosystem Während Open Source in der Bevölkerung oft nur mit „gratis” Software in Verbindung gebracht wird, konnten über die Jahre erfolgreiche Geschäftsmodelle rund um diese Offenheit aufgebaut werden. Bekannte Beispiele wie Red Hat, Mozilla oder auch Wordpress zeigen nachhaltig, wie mit Open Source Software Profit generiert werden kann. Über die Jahre haben sich mehrere Geschäftsmodelle etabliert, die rund um Open Source Projekte aufgebaut sind und in verschiedenen Variationen realisiert werden. Das Anbieten von Zusatzleistungen wie Wartung oder Support, der Vertrieb von kompatibler Hardware oder der Weiterentwicklung spezifischer Komponenten, sind nur einige der Möglichkeiten die eröffnet wurden. Die Profit-Generierung erfolgt hier in der Regel im Umfeld des Projekts selbst, was eine klare Trennung ermöglicht und möglichen Konflikten mit der Freiheit der dahinterstehenden Communities vorbeugt. Grundlegend ist jedoch ein Geben und Nehmen um das Gleichgewicht im Ökosystem zwischen den verschiedenen Parteien ausgewogen zu halten. Bereits früh bauten auch Unternehmen Catrobat und dessen Software in ihre Geschäftsmodelle ein. Anfangs oft auch ohne direkte Einbindung des Open Source Projekts an sich, sodass die Nutzung der freien Software für kommerzielle Vorhaben erst spät ersichtlich und unabhängig vom Projekt an sich initiiert wurde. Als Programmierwerkzeug fanden bereits bald nach erster Veröffentlichung erste Trainer Anwendung für die gratis App in kostenpflichtigen Workshops oder Ausbildungen. Mehrere Anbieter nutzen die kostenlose Software heute für verschiedene Kurse im Bereich der IT Bildung oder außerschulischen Aktivitäten, erstellen Unterlagen und vermarkten ihre Kurse mit der App. Folgend wurden auch

26

Hardware-Hersteller und Entwickler auf das Projekt aufmerksam, die eigene Hardware für die Nutzung mit Pocket Code produzieren und vertreiben. Als nächsten Schritt wird mit Partnern der Einsatz der Apps im Bereich des Rapid Prototyping getestet und somit das Netzwerk um einen weiteren Bereich erweitert, was die Vielfältigkeit solcher offenen Organisationen weiter stützt und deren Chancen für die Zukunft aufzeigt. Communities als Innovationstreiber Ein bedeutender Grund um auch als Unternehmen eigene Software offenzulegen ist das dadurch mögliche aktive Mitwirken einer breiten Community von Entwicklern, Organisationen, aber auch den verbundenen Anwendern. Durch das Öffnen der Software, speziell im entwicklungstechnischen Bereich von Software-Bibliotheken oder Entwickler-Ressourcen, wird damit auch vermehrt deren Einsatz gefördert. Ein Hauptaspekt ist, dass Entwickler auch aktive Anwender der Software sind, sodass sie sie aus eigener Motivation weiter vorantreiben und verbreiten. Dies hat den Vorteil, dass Fehler schnell gefunden und auch behoben werden. Aber auch die Wünsche der Anwender, die selbst Teil der Entwicklung sind, können schnell erfasst und umgesetzt werden. Die Vorteile der Offenheit überwiegen hier dem Schutzgedanken von geistigem Eigentum, insbesondere auch durch die Zusammenarbeit verschiedener Organisationen. Durch die wachsenden Communities hinter Open Source Projekten kann schnell und effizient auf notwendige Änderungen reagiert werden. Da alle Mitwirkenden

im Ökosystem daraus profitieren, kommt es hier auch zunehmend zur Zusammenarbeit zwischen ansonsten konkurrierenden Organisationen, wie im Falle von Catrobat verschiedenen Anbietern von Programmier-Kursen die dem gemeinsamen Interesse einer funktionierenden App und breiten Community folgen. Das Einbringen von Innovation und neuen Ideen ist in diesen Fällen nicht auf einzelne Knoten beschränkt, sondern bietet für alle sich einbringenden Beteiligte Vorteile in verschiedenem Ausmaß. Essentiell für die Umsetzung dieser Ideen und Innovationen ist jedoch ständige Kommunikation und ein aktives Zusammenspiel aller Beteiligten. Chancen und Herausforderungen Das Besondere am Ökosystem Open Source ist das Vereinen von unternehmerischen Interessen und der Motivation einer freiwilligen Community. Ausschlaggebend hierbei ist, dass diese beiden Aspekte richtig balanciert werden. Dies führt dazu, dass einerseits offene Communities solche Projekte stützen, aber andererseits auch verschiedenste externe Interessen umgesetzt werden können. Insbesondere in einem Ökosystem, in dem mehrere unterschiedliche Geschäftsmodelle realisiert werden können, ist Kommunikation und ein holistisches Verständnis über das Netzwerk der Schlüssel zum Erfolg. Das Bilden dieses Verständnisses gerät auch immer mehr in den Fokus von Unternehmen und Forschern, insbesondere wenn verschiedene, auch konkurrierende, Unternehmen und Organisationen im gleichen Netzwerk mit verschiedenen Geschäftsmodellen auf-

Ein abgehaltener Coding Workshop in Indien; Foto:

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema einandertreffen. Dieses Phänomen der Offenheit und Gemeinschaft zeigt die Chancen, die die digitale Transformation in dem Bereich ermöglicht, wie Geschäftsmodelle vernetzt und Organisationen verbunden werden können. Das Verständnis für diese Verbindungen, das Wertschöpfungsnetzwerk, das hinter offenen Konzepten wie Open Source Projekten steht und aktive Mitarbeit ermöglichen es aufbauend auf diesem Netzwerk einen individuellen Profit zu generieren, der im besten Falle das gesamte Ökosystem weiter stärkt. Aus Sicht eines Open Source Projekts ist zu erwarten, dass in Zukunft diese Verbundenheit und Vernetzung zwischen offenen Projekten, Unternehmen und Nutzern noch weiter verstärkt wird. Sich immer schneller ändernde Technologien, insbesondere im Endnutzer-Segment, machen Zusammenarbeit und Wiederverwendung von bestehenden Software-Lösungen unumgänglich um schnell und qualitativ Dienste für Kunden zur Verfügung stellen zu können. Das Mitwirken in diesem digitalen und virtuellen Ökosystem aus verschiedenen, auch individuellen, Mitwirkenden erlaubt die Realisierung

von verschiedenen, auch miteinander verknüpften, Geschä f t smo dellen in dem potentiell alle Beteiligten (in-) direkt profitieren können. Autoren: Dipl.-Ing. Matthias Müller Jahrgang 1993 Ausbildung: Studium Softwareentwicklung-Wirtschaft, TU Graz Universitätsassistent am Institut für Softwaretechnologie Univ.-Prof. Dipl.Ing. Dr.techn. Wolfgang Slany Jahrgang 1966 Ausbildung: Studium Informatik + Maschinenbau TU Wien und Universität Tokio Leiter Institut für Softwaretechnologie

Dipl.-Ing. Matthias Müller Universitätsassistent am Institut für Softwaretechnologie an der TU Graz

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Wolfgang Slany Leiter des Instituts für Softwaretechnologie an der TU Graz

Schwerpunkt-Themen WINGbusiness 2019

Heft 02/2019: „Lean Management im Bauwesen“

Heft 03/2019: „Maker, Industry & Research“

Heft 04/2019: „Valuation: Start-ups & Tech-Comps“

WINGbusiness 1/2019

27


Top-Thema

Josef Haintz

ANDRITZ – Digitalisierung / Smart Services Digitalisierung transformiert die globale Wirtschaft mit unglaublicher Schnelligkeit und beeindruckender Intensität. Die Erfassung, Sammlung und Auswertung von Daten, die in der industriellen Produktion täglich anfallen, ist in vielen Branchen zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Durch die digitale Vernetzung der Industrieproduktion mittels intelligenter Kommunikations- und Informationstechnik werden Wertschöpfungsketten stabiler, produktiver, rentabler und – das ist sehr wichtig – auch nachhaltiger. ANDRITZ ist fest entschlossen und fokussiert, diese Veränderungen proaktiv mitzuprägen und optimal nutzbar zu machen. Ziel ist es, durch digital gestützte Produkte und Lösungen die Anlagen der Kunden mit einem Höchstmaß an Automatisierung, Effizienz und Intelligenz auszustatten. Die Digitalisierungsaktivitäten von ANDRITZ umfassen drei große Bereiche: Erstens, innovative Industrie-4.0-Produkte, die unter der Technologiemarke Metris gebündelt sind und bei denen es im Wesentlichen um die Optimierung von Anlagen und Prozessen mittels Sensorik, ausgeklügelter und hoch komplexer Datenanalyse und Augmented Reality geht. Dazu gehört zum Beispiel Metris OPP (Optimization of Process Performance), das eine Reihe digital gestützter Werkzeuge zur Optimierung von industriellen Prozessen beinhaltet, damit Anlagenbetreiber z.B. in einer Zellstofffabrik ihre Produktion, den Energieverbrauch und die Produktqualität optimieren können. Der Kunde erzielt dadurch wesentliche Einsparungen in seinen Produktionsprozessen und damit einen Kostenvorteil, der den Aufwand für die Installation und die Betriebsunterstüt-

28

zung durch ANDRITZ um ein Vielfaches übersteigt. Zweitens den Bereich „Ventures“, in dem die ANDRITZ–Forschungs- und Beteiligungsaktivitäten im digitalen Sektor gebündelt sind. Aus diesen Aktivitäten ist auch eine Tochtergesellschaft in Israel entstanden, die sich mit Cyber Security auseinandersetzt. Die genaue Identifizierung von Schwachstellen in IT Netzwerken, als auch in Software Tools sowie deren Behebung um Angriffe in Firmennetzwerke bzw. Industriestandorte zu verhindern, ist Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Einführung von digitalen Lösungen. Drittens der Bereich „Smart Service". Aber was bedeutet nun Smart Service? Die Definition der „Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik“ zu dem Begriff „Smart Service“ lautet:

„Ein Smart Service ist eine digitale Dienstleistung, die auf der Basis vernetzter, intelligenter technischer Systeme und Plattformen Daten aggregiert und analysiert. Die dabei entstehenden Informationen und Wertangebote werden im Rahmen dienstleistungsbasierter Geschäftsmodelle über digitale Marktplätze und Schnittstellen vermarktet“. Kurz gesagt sind das Services, die durch Einsatz von speziellen Softwarelösungen verschiedene Geschäftsprozesse unterstützen, wie zum Beispiel ein Ersatzteilkatalog, der über eine WebApplikation die Online-Bestellung von Ersatzteilen durch die Kunden ermöglicht und damit den Beschaffungsprozess effizienter gestaltet. Eine von ANDRITZ in Auftrag gegebene Umfrage unter Kunden aus Industrie und Kommunen in Europa belegte hohes Interesse speziell an drei Arten digitaler Serviceleistungen gereiht nach der Wichtigkeit der Themen:

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema 1 – Webshop zum Anfragen und Bestellen von Ersatzteilen, 2 – Alarme, die auf eine anstehende Wartung oder einen Teileaustausch aufmerksam machen und 3 – Helpdesk, um ANDRITZ zu kontaktieren und bei Bedarf umgehend Unterstützung von Spezialisten zu erhalten. Ebenfalls als wichtig wurden Fernwartung und der Einsatz digitaler Lösungen für Serviceeinsätze eingestuft. Damit war die Entscheidung einfach als erstes Smart Service Projekt mit einem Online-Ersatzteilkatalog zu starten. Im privaten Bereich sind wir es mittlerweile alle gewohnt, verschiedenste Produkte über E-Shops zu bestellen. Endkunden, die während der Entwicklungsphase interviewt wurden, sahen den Hauptvorteil des Katalogs zum einen im schnelleren Erhalt von Ersatzteilangeboten, aber auch darin, dass sie zukünftig Teile einfacher identifizieren und den Status einer Anfrage oder Bestellung jederzeit einsehen können. Gut kommt auch die Möglichkeit an, ganze Ersatzteilpakete, die für regelmäßige Servicearbeiten benötigt werden, auszuwählen. Und so funktioniert der ANDRITZ Ersatzteilkatalog: Mit dem Katalog arbeiten Kunden und ANDRITZ-Servicemitarbeiter. Nachdem sich der Kunde über die InternetAdresse mit seinem Passwort angemeldet hat, sieht er im Katalog genau seine Anlage, seine Prozesse und alle eingebauten ANDRITZ-Maschinen. Über verschiedene Suchfunktionen oder anhand von 2D-Zeichnungen bzw. 3D-Modellen kann er die benötigten Teile sehr einfach identifizieren und in den Warenkorb legen. Die Anfrage mit allen nötigen Informationen (Kunden-, Maschinen-, Teiledaten) gelangt dann ins ANDRITZ-SAP-System. Hier wird automatisch ein Angebot generiert. Der zuständige Servicemitarbeiter prüft das Angebot, gibt dieses frei und ein E-Mail mit dem Offert wird automatisiert an den Kunden übermittelt. Der Vorteil für den Kunden: Er erhält das Ersatzeilangebot in wesentlich kürzerer Zeit – das Ziel ist,

WINGbusiness 1/2019

dass innerhalb von max. 24h dieses beim Kunden einlangt. An der Implementierung einer direkten Bestellfunktion wird auch bereits gearbeitet. Als nächster Schritt wurde das Smart Service Projekt für „Field Service Management“ umgesetzt. Dieses Field Service Management Tool unterstützt Servicemitarbeiter bei der Planung, Durchführung und Dokumentation von Serviceeinsätzen. Es zeigt an, welche Techniker für einen Einsatz in einem bestimmten Zeitraum zur Verfügung stehen, die erforderliche Qualifikation besitzen und schon Kenntnisse der Kundenanlage haben – und das nicht nur regional, sondern global. Der beauftragte Mitarbeiter bekommt sämtliche Unterlagen für seinen Einsatz elektronisch zugestellt, kann über das Tool auf ChecklistenFormulare zugreifen und diese gleich online – auf seinem Laptop, Tablet oder Smartphone – ausfüllen. Diese Checklisten bilden in weiterer Folge die Basis für einen automatisch erstellten Servicebericht für den Kunden, den dieser gleich vor Ort unterzeichnen kann, sowie für die Verrechnung. Damit verringert sich die Zeit bis zur Rechnungslegung deutlich. Werden Ersatzteile benötigt, kann der Field Service-Techniker über den Ersatzteilkatalog Angebote für den Kunden anfordern, die dieser dann nur mehr anzunehmen braucht. Des Weiteren kann der Kunde jederzeit den aktuellen Status seines Serviceeinsatzes abrufen und hat auch Zugriff auf sämtliche Dokumente in Verbindung mit aktuellen und früheren Serviceeinsätzen. Somit bietet dieses Tool nicht nur Vorteile für die interne Organisation, sondern auch für unsere Kunden. Nachdem neben den vorgenannten Smart Service Tools auch andere digitale Services und Apps in der ANDRITZ-GRUPPE im Einsatz sind, ist es naheliegend, dass man den Kunden und Mitarbeitern über einen zentralen Zugang Zugriff zu den digitalen Lösungen der ANDRITZ sowie zu weiteren Informationen in Zusammenhang mit Kundenanfragen, -projekten und Bestellungen ermöglicht. Das wird zukünftig durch ein eigenes Portal möglich sein. Dieses Portal wird die Kommunikationsplattform mit unseren Kunden im Servicebereich werden. Sie werden darauf alle ihre lau-

fenden Aktivitäten mit ANDRITZ auf einen Blick wiederfinden. Kunden müssen sich beim Einstieg einmalig registrieren, erhalten anschließend ihre Zugangsdaten und bekommen dann bei jeder Anmeldung genau die für sie relevanten Informationen auf einem personalisierten Dashboard angezeigt. Dieses beinhaltet neben einer Liste der installierten Maschinen den Status der laufenden Aktivitäten (Anfragen, Angebote, Bestellungen, Serviceeinsätze, etc.), Hinweise auf bevorstehende regelmäßige Service- und Wartungsarbeiten, sowie Alarme zum Austausch von Ersatz- und Verschleißteilen. Wie wird damit nun die Kommunikation unterstützt werden? Künftig sollen Kundenanfragen zu Servicethemen bevorzugt über das Portal laufen, um eine strukturierte und rasche Bearbeitung zu unterstützen. Neben einer Hotline für dringende Anfragen erhält der Kunde auch verschiedenste Möglichkeiten, ANDRITZ zu kontaktieren, da am Portal seine ANDRITZ-Spezialisten angezeigt werden. Der Kunde hat dann die Wahl, durch Anklicken der entsprechenden Funktion, entweder ein Telefonat oder einen Live-Chat zu starten sowie ein E-Mail abzusenden. Dabei wird jede einzelne Anfrage über ein Ticketing-System erfasst, dokumentiert und, wenn das Anliegen nicht sofort lösbar ist, an die zuständigen Experten weitergeleitet. Der Kunde wird zusätzlich über das Portal jeweils den aktuellen Stand der Bearbeitung seines Anliegens verfolgen können. Ein weiterer Vorteil des Portals ist der direkte Zugriff und die Vernetzung der einzelnen Softwaremodule, die über das Portal zugänglich sind. Benötigt der Kunde beispielsweise dringend ein Ersatzteil, kann der Servicetechniker ihn mithilfe von Screen Sharing in einem Videotelefonat in den Ersatzteilkatalog begleiten und dort gemeinsam den Anfrageprozess starten. Gibt es ein Problem an der Kundenanlage, verbindet sich der Kunde zum Fernwartungsmodul, das eine Online-Verbindung zur vernetzten Maschine aufbaut. Es unterstützt die Fehleranalyse und -behebung und – sofern erforderlich – die Organisation eines

29


Top-Thema Service-Technikers mithilfe des Field Service Management Tools. Schritt für Schritt sollen schließlich sämtliche ANDRITZ-Serviceangebote in diesem Portal gesammelt und zugänglich werden. Mit dem Portal bietet ANDRITZ seinen Kunden und Mitarbeitern einen zentralen Einstiegspunkt und kann so alle Serviceanfragen strukturiert entgegennehmen, verfolgen und analysieren. Außerdem werden die Anzeigen am Dashboard mit dem notwendigen Datenmaterial – beispielsweise Informationen über Kundenanlagen – aus den Hintergrund-Systemen, wie SAP oder CRM, versorgt. Damit ist ein Einstieg in diese Systeme für unsere Servicemitarbeiter zur Beantwortung eines Großteils der Kundenanfragen nicht mehr nötig. Zusätzlich erhält der Kunde sofort am Portal die wesentlichen Informationen zum Status seiner Anfragen und es erübrigt sich daher häufig eine Kontaktaufnahme mit den Servicetechnikern. Neben diesen Informationen wird der Kunde zukünftig auch verschiedene Dokumente, die für den Betrieb und die Wartung seiner Anlage relevant sind, auf dem Portal vorfinden, seien es Betriebsanleitungen, Konstruktionszeichnungen, Ersatzteillisten oder

Wa r t u ng sa nweisungen. Auch Online-Schulungen (e-learning), die bei Reparaturen oder Wartungsarbeiten unterstützen, werden verfügbar sein. Alle diese Smart Service-Aktivitäten haben zum Ziel den Kunden einerseits mit verschiedenen Software Tools als auch mit dem Portal zu helfen, Zeit zu sparen und damit eine hohe Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit ihrer ANDRITZ-Maschinen und Anlagen zu gewährleisten. Aber auch innerhalb der ANDRITZ-Organisation erreicht man damit eine schnellere und effizientere Durchführung von Serviceleistungen.

Autor: Dipl.-Ing. Josef Haintz startete seine berufliche Karriere 1982, nach Studie-

Dipl.-Ing. Josef Haintz Program Manager Smart Service, Group Information Technology, ANDRITZ AG nabschluss der Verfahrenstechnik, Bereich Chemieanlagenbau, an der TU Graz, bei der ANDRITZ AG. Nach mehr als 3 Jahrzehnten in verschiedensten Funktionen im Geschäftsbereich Separation (mechanische und thermische Separationsverfahren) – als Projektsachbearbeiter, Verkaufsleitung, Leitung Prozesstechnik für thermische Trocknungsverfahren, Qualitätsmanagement bis zum globalen ServiceProduktmanager – ist er nun seit mehr als 2 Jahren in der globalen ANDRITZ IT tätig. Im Rahmen der Digitalisierung von Geschäftsprozessen, liegt seine Aufgabe in der Entwicklung und Einführung von Smart Service Software Tools für die ANDRITZ-GRUPPE.

WING-Regional Tirol

Robert Lackner

WING-Regionalkreis Tirol Veranstaltung Besuch der Firma Thöni Industriebetriebe GmbH in Telfs

B

ei wenig herbstlichen Temperaturen hat der Regionalkreis Tirol zusammen mit dem WING-Net Innsbruck am 14. Nov. eine Exkursion zur Fa. Thöni in Telfs durchgeführt. Hr. DI Heinz Berger, Bereichsleiter der Sparte Umwelt Energietechnik, Hr. Ing. Raggl, Geschäftsführer des Bereichs Automotive Components, und Hr. Dr. Robert Lackner, Leiter des Vertriebs im Bereich Umwelt Energietechnik, konnten den rund 30 Teilnehmern

30

einen umfangreichen Einblick in das Unternehmen verschaffen. Thöni ist ein Tiroler Paradeunternehmen, das sich seit seiner Gründung im Jahr 1964 als zwei Mann Schlosserei in unterschiedlichen Geschäftsbereichen entwickelt hat. Heute beschäftigt Thöni ca. 680 Mitarbeiter und erwirtschaftet in der Unternehmensgruppe einen Jahresumsatz von ca. € 260 Mio. Zu den Hauptgeschäftsfeldern zählen der Bereich Aluminium, dem auch

der Geschäftsbereich Automotive Components zugeordnet ist, und der Bereich Umwelt Energietechnik. Im Geschäftsfeld Schlauch produziert Thöni High End Gewebeschläuche für unterschiedliche Anwendungen in vielen Bereichen der Industrie als auch für Feuerwehren. Während im Bereich Manufacturing großvolumige Maschinenteile mechanisch bearbeitet werden, widmet sich das Geschäftsfeld Casting Equipment der Entwicklung und dem weltweiten

WINGbusiness 1/2019


WING-Regional

Vertrieb von Maschinen und Anlagen für das Stranggießen von Buntmetallen. Über die Produktionsanlagen für den Bereich Aluminium am Standort Telfs hinaus stellt das Metallwerk Landeck den zentralen Produktionsbereich für den Maschinen und Anlagenbau des Unternehmens dar. Im Bereich Aluminium werden ca. 42.000 to Aluminium pro Jahr verarbeitet. Dabei deckt Thöni die gesamte Prozesskette ab; beginnend mit dem Recycling von Aluminiumschrott im Umschmelzwerk in Kempten, über das Strangpressen dieses Vormaterials zu Aluminiumprofilen in den Werken in Telfs, bis hin zur Herstellung von Leichtbau-Komponenten für die Automobilindustrie.

WINGbusiness 1/2019

Als neuester Entwicklungsschritt dieser Sparte wird derzeit in unmittelbarer Nähe des Stammhauses, in Pfaffenhofen, ein weiterer Fertigungsstandort realisiert. Mit einem Investitionsvolumen von ca. € 70 Mio. entsteht hier ein hochmodernes, hoch automatisiertes Produktionswerk, in dem, unter Nutzung modernster Fertigungsmethoden und unter Einsatz der neuesten Erkenntnisse im Sinne von Industrie 4.0, komplexe Aluminium Leichtbaukomponenten für zukünftige Fahrzeuggenerationen im Automobilbau erzeugt werden sollen. Die Sparte Thöni Umwelt Energietechnik agiert als Anlagenbauer für die Entwicklung und Installation von Biogasanlagen zur Vergärung von organischen Abfällen und Reststoffen. Die-

se Anlagen werden weltweit vermarktet und bieten nicht nur eine hoch innovative Systemlösung im Zusammenhang mit der wachsenden Abfallproblematik, sondern tragen zudem auch einen wesentlichen Anteil zur Verbesserung der CO2 Bilanz bei. In einem stark wachsenden Umfeld ist der Wettbewerb um die besten Köpfe eine zentrale Frage der zukünftigen Entwicklungspotenziale des Unternehmens. Mit der Thöni Akademie hat das Unternehmen eine Plattform geschaffen, die nicht nur für die laufende Qualifizierung der Mitarbeiter sorgt, sondern im Besonderen auch den Nachwuchs an bestens ausgebildeten, zukünftigen Mitarbeitern sicherstellt. Die tragenden Säulen dieses Konzeptes sind die Lehrlingsausbildung sowie ein technisches Gymnasium, das im Stammhaus des Unternehmens untergebracht ist und in dem die Matura mit Lehre absolviert werden kann. Darüber hinaus werden in der Thöni Akademie die Entwicklungsaktivitäten gebündelt und zusätzlich ein Umfeld für die Begegnung vor allem auch mit externen Partnern geschaffen, in dem neue Ideen entstehen und einen fruchtbaren Boden finden. Im Namen der Regionalkreisleitung bedanken wir uns bei der Fa. Thöni für den eindrucksvollen Einblick, den wir in dieses interessante Unternehmen gewinnen konnten. Fotos: Thöni Industriebetriebe GmbH; FH-Prof. Dr. Gerhard Hillmer, MSc.

31


Top-Thema

Foto: Pixabay

Martin Glinik, Elisabeth Maria Poandl

Digital Entrepreneurship: Geschäftsaufbau und Geschäftstätigkeit im digitalen Zeitalter Der steigende Einsatz von digitalen Technologien in Prozessen, Produkten und Dienstleistungen ist bei der Weiterentwicklung bestehender Geschäftsmodelle genauso zu berücksichtigen wie bei der Erarbeitung neuer Geschäftsideen. Neue, disruptive Geschäftsmodelle, die das Potenzial digitaler Technologien nutzen, bieten sowohl Chancen als auch Risiken. Zahlreiche etablierte Unternehmen sehen in der digitalen Transformation neben den Herausforderungen auch Potenziale, die es auszuschöpfen gilt. In diesem Zusammenhang erweist sich die Zusammenarbeit mit digitalen Startups als gangbare Lösung. Zum besseren Verständnis, welche Rolle Digitalisierung in Geschäftsmodellen von Startups einnimmt, gewähren die Co-Founder Andreas Ploier (Drone Rescue Systems) und Dominik Wieser (Arivo) in einem Interview Einblicke rund um die Digitalisierung in ihren Unternehmen. Index Terms—Digital Business Models, Digital Entrepreneurship, Digital Transformation, Startups

Einleitung Digital Entrepreneurship ist ein sozioökonomisches und technologisches Phänomen, das als Verbindung zwischen traditionellem Unternehmertum und dem Schwerpunkt der Nutzung digitaler Technologien auf neuartige Weise betrachtet werden kann. Mit Hilfe von neuen Technologien erfolgt eine Digitalisierung traditioneller Geschäftstätigkeiten, was wiederum zu neuen (digitalen) Geschäftsmodellen führt. Folglich erleben wir weltweit eine Fülle von Initiativen zur Förderung der Beschleunigung digitaler unternehmerischer Aktivitäten im Zusammenhang mit der Gründung und Entwicklung von digitalen Startups. (Zhao/Collier 2016)

32

Digitale Geschäftsmodelle weisen ein hohes Erfolgspotenzial auf, was an amerikanischen Unternehmen wie Amazon, Google und Facebook deutlich wird. Jedes der drei Unternehmen hat als Startup begonnen und erreichte in nur wenigen Jahren eine vielfach höhere Marktkapitalisierung als etablierte Wirtschaftsunternehmen in Deutschland (High-Tech Gründerfonds Management 2016). Am Beispiel von Uber wird sichtbar, wie eine „einfache App“ die komplette Mobilitätsbranche revolutioniert hat und damit zum größten Personenbeförderungsunternehmen geworden ist, ohne dabei selbst Autos zu besitzen. Damit jedoch Startups derart erfolgreich werden können, müssen auch geeignete Rahmenbedingungen vorhanden sein. Digitale Startups entstehen und entwickeln sich in der Regel

in bestimmten Umgebungen. Isenberg (2011) spricht dabei von sogenannten Startup Ökosystemen, in denen Politik, Finanzen, Kultur, Unterstützungsangebote, Humankapital und Märkte eine grundlegende Rolle spielen. Darüber hinaus ist es notwendig, das Thema Entrepreneurship auch im Bildungssystem stärker zu verankern und damit die Voraussetzungen für mehr Gründungen in sämtlichen Wirtschaftsbereichen und speziell in Wachstumsbereichen wie der Digitalwirtschaft zu schaffen. Damit die Bereitschaft zum Unternehmertum erhöht wird, sind Bildungseinrichtungen gefordert, Kompetenzen im Bereich Entrepreneurship zu vermitteln, um ein gesamtgesellschaftliches Umdenken und eine größere Offenheit gegenüber Neuem zu bewirken. (Röhl 2016)

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema In den letzten Jahren haben sich die Standortbedingungen für GründerInnen in der steirischen Landeshauptstadt deutlich verbessert und Graz zu einem der Startup-Hotspots in Österreich gemacht (Up to Eleven 2018). Initiativen wie die „Gründungsgarage“ zählen zu den Unterstützungsangeboten und verfolgen das Ziel, Studierende und Bedienstete steirischer Hochschulen ein Semester lang bei der Erstellung und Weiterentwicklung ihrer (digitalen) Geschäftsmodelle zu unterstützen. Das Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der Technischen Universität Graz ist aktiv an dem Lehrprogramm der Gründungsgarage beteiligt, um die Gründungsquote an technischen Universitäten zu erhöhen und technologieorientierte Gründungen voranzutreiben. Startups als digitale Beschleuniger Die Bezeichnung Startup bezieht sich auf junge Unternehmen mit Fokus auf digitale Geschäftsmodelle, denen laut Ripsas/Tröger (2015) folgende Eigenschaften zugrunde liegen: Startups sind jünger als zehn Jahre. Startups haben einen signifikanten Mitarbeiter- und/oder Umsatzwachstum (oder streben es an). Startups sind mit ihrer Technologie und/oder ihrem Geschäftsmodell (hoch)innovativ. Startups gelten als Speerspitze des technologischen und wirtschaftlichen Wandels, denn sie schaffen die Märkte von morgen und wirken sich positiv auf Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes aus. Anhand des Austrian Startup Monitors (ASM) wurde 2018 erstmals eine Erhebung und Analyse über die Gruppe der Startups durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass die überwiegende Mehrzahl der österreichischen Startups ein „digitales“ Geschäftsmodell besitzen (siehe Abbildung 1) und damit eine Vorreiterrolle in der Digitalwirtschaft einnehmen. (Zahradnik et al. 2018)

WINGbusiness 1/2019

Die Affinität von Startups hinsichtlich digitaler Geschäftsmodelle bietet auch mittelständischen Unternehmen und Großunternehmen die Möglichkeit von deren Knowhow zu profitieren und durch gezielte Zusammenarbeit einen Rückstand schneller aufzuholen. Die beliebteste Form der Kollaboration ist die Vernetzung von Mitarbeitern von etablierten Unternehmen mit Startups bzw. die direkte Beteiligung oder Übernahme dieser. Der Zugang zu neuen Technologien sowie die schnellere Entwicklung von Innovationen stehen hier im Fokus der Zusammenarbeit. Etablierte Unternehmen sehen in der Kooperation mit Startups auch die Möglichkeit dem Kunden verbesserte Produktangebote bieten zu können. Die Vielzahl an Synergien, die sich daraus ergeben, machen eine Zusammenarbeit mit Startups für zahlreiche Unternehmen zu einem strategischen Faktor, um etwa fehlende Geschwindigkeit, Umsetzungskompetenz oder mangelnde Digitalerfahrungen zu kompensieren. Dennoch ist der bloße Kauf eines Startups oder die Implementierung eines Accelerator-Programms nicht ausreichend, um die Vorteile einer Kooperation im vollen Umfang zu nutzen, zumal die beiden Unternehmenskulturen völlig unterschiedlich sind. Zur Steigerung der Innovationskraft von etablierten Unternehmen gilt es, die Kompetenzen beider Unternehmenskulturen zu vereinen. Damit dieser Veränderungsprozess erfolgreich

umgesetzt werden kann, muss dies auch von der Unternehmensspitze begünstigt werden, weil selbst die vielversprechendste Digitalisierungsstrategie wirkungslos bleibt, wenn diese nicht von allen im Unternehmen getragen wird. (etventure-Studie 2017) Um schnell herauszufinden, ob eine Partnerschaft für beide Seiten nützlich ist, haben sich Pilotprojekte als ressourcenschonendes und pragmatisches Kooperationsformat bewährt. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist es die Aufgabe des etablierten Unternehmens, geeignete Strukturen zu schaffen und mit ressourcenschonenden Formaten den Beginn der Zusammenarbeit einzuleiten. Für Startups ist es wichtig, die richtigen Ansprechpartner (Champions) seitens der etablierten Unternehmen zu finden. Speziell die Überwindung von Machtgefällen und eine Kooperation auf Augenhöhe sind notwendige Voraussetzungen, damit auch Startups von der gemeinsamen Arbeit profitieren und eine Win-Win Strategie umgesetzt werden kann. (Wrobel et al. 2017) Digitale Geschäftsmodelle bei Startups

Die Gründungsgarage wurde im Jahr 2013 als eine Art Spielwiese für Ideen mit Fokus auf Umsetzung gestartet und ist heute als Academic Startup Accelerator ein etablierter Bestandteil der steirischen Gründungsszene. Interuniversitär unterstützen dabei die Technische Universität Graz und die Karl-FranzensUniversität Studierende und Bedienstete aller Hochschulen jedes Semester bei der Weiterentwicklung innovativer Gründungsideen. An der Technischen Universität Graz ist das Institut für Unternehmungsführung und Organisation im Vorstand der Gründungsgarage vertreten und für Interessierte als Ansprechpartner sowie Berater rund um akademische Gründungen tätig. Nach elf Semestern der Gründungsgarage kann eine positive Bilanz gezogen werden: Insgesamt 100 Teams haben am Programm teilgeAbb. 1. Geschäftsmodelle österreichischer Startups, N=366 nommen, 33 Startups wur(Zahradnik et al. 2018)

33


Top-Thema den gegründet und haben bisher über 130 Arbeitsplätze geschaffen. Weitere erfolgversprechende Startup Projekte stehen kurz vor der Unternehmensgründung und jedes Semester kommen weitere zukunftsträchtige Projekte hinzu. Der Einfluss der Digitalisierung ist bei den gegründeten Startups und aktuellen Projekten der Gründungsgarage deutlich erkennbar. Fast 90 % der tatsächlich gegründeten oder kurz vor der Gründung stehenden Projekte der Gründungsgarage sind in ihrem Geschäftsmodell von Digitalisierung geprägt. Mehr als ein Drittel der Startups basiert auf rein digitalen Geschäftsmodellen (z.B. mittels Apps, Webportalen oder Softwarelösungen) und etwas mehr als die Hälfte setzen auf hybride Geschäftsmodelle, bei denen analoge und digitale Elemente kombiniert eingesetzt werden. Gründungsprojekte mit rein digitalen Geschäftsmodellen sind beispielsweise CROSSCLOUD zur Vernetzung verschiedener Cloud Storage Services, TELLERS mit einem digitalen Feedback-Tool für die Gastronomie und MOSHBIT mit der App Studo zur Digitalisierung von Hochschulen. Digitalisierung ist allerdings keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Gründung, wie beispielsweise die Auftragskonditorei MEHLSPEISENFRÄULEIN oder das Gründungsprojekt DORO-TURBINE mit einer wirtschaftlichen Kleinwasserkraftturbine beweisen. Zu den etablierten Startups mit einem hybriden Geschäftsmodell gehört TIMEULAR, das die Zeiterfassung mittels physischem Produkt und Softwarelösung in Unternehmen vereinfacht. Jeder Seite eines Oktaeders wird einer Aufgabe oder einem Projekt zugewiesen, die Zeiterfassung erfolgt beim Weiterdrehen des Oktaeders automatisiert über eine Software und kann anschließend zur Optimierung des Arbeitsalltages analysiert werden.

WING: Bitte beschreibt kurz euer Unternehmen und das Geschäftsmodell.

Interview

ARIVO: Genau genommen ist es bei Arivo eine Mischform. Die Welt ist ja nach wie vor großteils analog. Wir haben Hardware vor Ort, welche die analoge Welt mit der digitalen verbindet. Der Großteil der Innovation und des Mehrwertes für unsere Kunden wird allerdings durch die digitale Komponente (die Software) geschaffen. Bei unseren Usecases, z.B. Kurzparker,

Zwei Startups mit analogen und digitalen Elementen im Geschäftsmodell sind ARIVO und DRONE RESCUE SYSTEMS. Die Co-Founder Andreas Ploier (Drone Rescue Systems) und Dominik Wieser (Arivo) gewähren im folgenden Interview Einblicke rund um die Digitalisierung bei ihren Startups.

34

ARIVO: Arivo macht das Parken für alle einfach - den Endnutzer und unseren Kunden. Dazu kombinieren wir unterschiedliche Technologien, wie z.B. unsere weltweit führende Kennzeichenerkennung mit innovativer Software. Die Software ermöglicht es Wohnbauten und Unternehmen, ihre Parkfläche einfach und optimal zu verwalten. Für öffentliche Garagen können über eine Plattform Stellplätze online gekauft werden. Unser gesamtes System kommt komplett ohne bewegliche Teile und Verbrauchmaterialien wie Tickets oder ähnlichem aus und ist daher wartungslos. Zu den Kunden von Arivo zählen große Wohnbaugenossenschaften, namhafte heimische und international tätige Unternehmen. DRONE RESCUE SYSTEMS: Drone Rescue Systems entwickelt primär autonome Sicherheitssysteme, um die kommerzielle Nutzung von Drohnen zu ermöglichen. Der Fokus liegt dabei klar auf der Entwicklung von autonomen Fallschirmrettungssystemen, um die Drohne, das teure Equipment sowie Mensch und Material vor Schäden zu schützen. Durch die intensive Zusammenarbeit mit Behörden und Versicherungen haben wir des Weiteren eine digitale Komponente entwickelt. WING: Würdet ihr eure Produkte und Services als digital, analog oder als hybride Mischform bezeichnen? Was ist die digitale Komponente bei euch? DRONE RESCUE SYSTEMS: Primär ist das Fallschirmrettungssystem eine Hardwarelösung, welche mittels Software durch lernende Algorithmen potenzielle Gefahren erkennt. Der digitale Aspekt wird durch die von uns entwickelte mobile Applikation und Webplattform geliefert.

Dauerparker und Besucher, kommt so wenig Hardware wie möglich zum Einsatz. Dadurch werden die Systeme wartungsfreier und kostengünstiger bei gleichzeitiger Steigerung der Kundenfreundlichkeit. Aus diesem Grund gibt es bei uns auch keine Papiertickets oder Bargeld. WING: Habt ihr digitale Aspekte bereits frühzeitig im Geschäftsmodell eingeplant? DRONE RESCUE SYSTEMS: Ja auf jeden Fall. Es hat sich angeboten eine Blackbox für Drohnen zu entwickeln und Kunden eine Möglichkeit zu bieten, ihre Flüge einzusehen und analysieren zu können. Darauf aufbauend haben wir eine App und eine Webplattform entwickelt. Nachdem wir bis dato immer den Fokus auf ein B2B-Modell gelegt haben, werden wir ab März 2019 auch Services für den B2C-Bereich anbieten können. ARIVO: Als Softwareunternehmen war für uns bereits bei der Gründung klar, dass der Großteil unseres Geschäftsmodells digital ist. WING: Wo in eurem Geschäftsmodell spielt Digitalisierung eine Rolle? ARIVO: In so gut wie jedem Bereich. Hauptsächlich natürlich in der Software und in den Services, welche von uns angeboten werden. DRONE RESCUE SYSTEMS: Digitalisierung ist mittlerweile auf allen Ebenen vertreten. Das Geschäftsmodell geht über den reinen Verkauf von Hardwarelösungen hinaus, indem wir zahlreiche B2B-Kooperationen haben und diese unseren Kunden anbieten können. Die mobile Applikation und die Webplattform sind dabei unsere Kommunikationstools. WING: Inwieweit sind einzelne Elemente eures Geschäftsmodells digital? DRONE RESCUE SYSTEMS: Wir bieten Versicherungen eine eigene App an, die es deren Kunden ermöglicht, einen automatisch generierten Versicherungsbericht für Drohnen zu erstellen. Das hilft den Versicherungen, den Piloten und unseren direkten Kunden.

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema ARIVO: Der Großteil unseres Geschäftsmodelles ist digital. Der Kunde kann bei uns gegen eine monatliche Gebühr die Software für die komplette Parkanlage mieten.

ARIVO: Die ganze Parkbranche kommt gerade erst so richtig in die Digitalisierungsphase. Hier sind wir Vorreiter und kommen so auch zu vielen interessanten Aufträgen.

DRONE RESCUE SYSTEMS: Dieser wird definitiv immer mehr ausgeweitert werden. Durch unser Kundenfeedback bieten wir im Jahr 2019 nun auch Lösungen für den B2C-Bereich an.

Dafür erhält er immer alle Updates kostenlos eingespielt und muss sich um nichts kümmern. Gerade in Zeiten, in denen der Produktlebenszyklus immer kürzer wird, macht das für den Kunden sehr viel Sinn.

DRONE RESCUE SYSTEMS: Ich glaube, dass das in fast allen Industrien gleich ist – eine sehr große Rolle. Der Drohnenmarkt im Besonderen baut sehr stark auf den unterschiedlichen digitalen Aspekten auf. Was unsere Lieferanten betrifft, so ist es durch die Digitalisierung für uns wesentlich leichter möglich unsere eigenen Planungen und Qualitätsstandards einzuhalten.

WING: Habt ihr euer Geschäftsmodell seit der Gründung hinsichtlich Digitalisierung weiterentwickelt?

WING: Auf welchen Technologien basiert euer Geschäftsmodell? DRONE RESCUE SYSTEMS: Primär Big Data und mobile Technologien. Die Datenauswertungen die im Hintergrund stattfinden sind wesentlich für unsere Kunden, um ihnen noch bessere Lösungen anbieten zu können. ARIVO: Ein großer Teil unseres Geschäftsmodells basiert auf Machine Learning Algorithmen. Nur so haben wir es in kurzer Zeit geschafft, die meisten professionellen Ken n z eichenerken nu ng s s y steme hinsichtlich Detektionsrate und Geschwindigkeit zu übertreffen. Zusätzlich könnte man unser Geschäftsmodell auch unter den Begriffen IoT (Internet of Things) und Webapplikationen zusammenfassen. WING: Ist der Zugang zum Kunden über digitale Kanäle essentiell für euer Geschäftsmodell? ARIVO: Dadurch, dass unser Geschäftsmodell ein B2B-Modell ist, sind für uns klassischer Sales und der persönliche Kontakt im Vertrieb nach wie vor sehr wichtig. Der Erstkontakt erfolgt jedoch oft über digitale Kanäle. DRONE RESCUE SYSTEMS: Absolut. Durch die unterschiedlichen Kanäle ist es uns erst möglich mit den großen anderen Firmen zu konkurrieren. Mit relativ bescheidenen, jedoch intelligent eingesetzten Mitteln, haben wir einen sehr guten Zugang zu unseren Kunden. WING: Welche Rolle spielt Digitalisierung bei euren Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern?

WINGbusiness 1/2019

WING: Welche Entwicklungen oder Anforderungen, insbesondere hinsichtlich Digitalisierung, nehmt ihr in eurem geschäftlichen Umfeld war? ARIVO: Wir sehen, dass die Benutzer immer bessere digitale Produkte gewohnt sind und sich diese auch erwarten. Die gesamte Verwaltung und Prozesse in der Parkbranche sind noch sehr analog und daher nicht sehr kundenfreundlich. Oft dauert das Beantragen einer Parkkarte über eine Woche. Mit Arivo geht der Kunde online und kauft sich seine Dauerparkberechtigung in einem Webshop. Sekunden später kann er über sein Kennzeichen medienlos einfahren. Diese Services werden immer mehr nachgefragt. DRONE RESCUE SYSTEMS: Der Drohnenmarkt ist einer der am schnellsten wachsenden Märkte überhaupt. Das ist gilt im Besonderen für den kommerziellen Drohnenmarkt. Damit einhergehend ist der Überbegriff des U-Space essentiell, um eine integrierte unbemannte Luftfahrt in der generellen Luftfahrt zu ermöglichen. Aus diesem Grund gibt es immer mehr Applikationen, die benötigt werden und Beispiele wie Softwarelösungen, die Kartenmaterialen zur Verfügung stellen, B2B-Lösungen anbieten oder Versicherungen unterstützen, werden immer wichtiger. WING: Wie schätzt ihr die zukünftige Entwicklung rund um digitale Aspekte in eurem Geschäftsmodell ein? ARIVO: Sehr positiv, da wie bereits oben erwähnt, der Markt die Services sehr stark nachfragt.

ARIVO: Als Startup entwickelt man sich laufend weiter. Wir haben mit einer sehr einfachen Anwendung angefangen und diese immer weiter ausgebaut. Mittlerweile können wir komplette Parksysteme basierend auf einer Kennzeichenerkennung liefern. Seit neuestem auch mit Payment per Kreditkarte und Bankomatkarte vor Ort. DRONE RESCUE SYSTEMS: Bei jeder erfolgreichen Firma gibt es die Notwendigkeit der Flexibilität in diesem Bereich. Wir sind jedoch unserem Fokus immer treu geblieben und haben stets versucht nur Lösungen zu entwickeln, welche erstens mit unserer Unternehmensphilosophie und zweitens unserem Zielgruppenfokus entsprechen. WING: Wie könnte man seitens Gründungsgarage rund ums Thema Digitalisierung weiter unterstützen? ARIVO: Ich denke, dass die Startups der Gründungsgarage, gerade wenn es um das Thema Digitalisierung geht, sehr gut aufgestellt sind, da der Großteil digitale Geschäftsmodelle verfolgt oder berücksichtigt. Ich denke, für Gründer ist daher eine Begleitung während der ersten Schritte im Unternehmertum wichtiger, z.B. (Weiter) Entwicklung des Geschäftsmodells, Einstellung der ersten Mitarbeiter, usw. Und gerade dort hat uns die Gründungsgarage wirklich sehr weitergeholfen. DRONE RESCUE SYSTEMS: Meiner Meinung nach ist rund ums Thema Digitalisierung ein gutes Projektmanagement entscheidend. Daher würde ich versuchen, die Erfahrungen von Projektmanagern aus diesen Bereichen zu gewinnen. Reine Programmierung ohne klare Pflichtenhefte und Strukturierung ist zu wenig. Wenn man es schafft, den Projekten solche Erfah-

35


Top-Thema rungen zur Seite zur Stellen, ist ein wichtiger Schritt gemacht worden. WING: Bitte noch um einen Tipp für andere Startups oder etablierte Unternehmen auf Basis eurer Erfahrung mit der Digitalisierung. ARIVO: Ich würde nicht zwanghaft versuchen jetzt alles "digital" zu machen oder sich auf Digitalisierung aufzuhängen. Die Digitalisierung bietet sicherlich immer noch sehr viel Potential an Vereinfachungen und Effizienzsteigerungen, da viele Bereiche noch überhaupt nicht erschlossen sind. Allerdings muss auch nicht jedes Geschäftsmodell digital sein um erfolgreich zu sein. DRONE RESCUE SYSTEMS: Struktur und Meilensteine sind die Essenz in diesem Bereich. Ohne gute Struktur verliert man sich leicht in den alltäglichen Aufgaben. Nur durch gute Struktur kann man gute Produkte auf den Markt bringen bzw. die Möglichkeiten der Digitalisierung ideal nutzen. WING-Interview Fazit: Sowohl Arivo als auch Drone Rescue Systems sehen in den digitalen Komponenten ihres Geschäftsmodells einen großen Mehrwert für ihre Kunden. Beide Startups besitzen digitale Aspekte in ihrem Geschäftsmodell und der Kundenkontakt über digitale Kommunikationskanäle ist essentiell. Die frühzeitige Berücksichtigung digitaler Aspekte und Chancen ermöglicht es den beiden Unternehmen, mit etablierten bzw. größeren Unternehmen am Markt zu konkurrieren. Vor allem in Branchen, die derzeit noch von analogen Anwendungen geprägt sind, nehmen Startups mit überwiegend digitalen Geschäftsmodellen eine Vorreiterrolle ein und erhalten dadurch wertvolle Aufträge. Durch die Digitalisierung von Prozessen schaffen die beiden Startups kundenfreundlichere Lösungen, mit denen sie sich gegenüber etablierten Unternehmen am Markt durchsetzen können. Auch wenn nicht jedes Geschäftsmodell zu 100 % digital sein muss, um sich als Unternehmen erfolgreich am Markt zu positionieren, erfordert der aktuelle Zeitgeist digitale Elemente. Um die Möglichkeiten der Digitalisierung bei der (Weiter-)

36

Entwicklung eines Geschäftsmodells bestmöglich auszuschöpfen, wird sowohl Startups als auch bestehenden Unternehmen zu Projektmanagement mit strategischer Ausrichtung geraten – denn mehr als Programmierkenntnisse sind erforderlich, um digitale Lösungen erfolgreich umzusetzen und das Potenzial der Digitalisierung zu heben. Unternehmensinfo

Literatur 1. Zhao, F., Collier, A. (2016): Digital en-

trepreneurship: Research and practice, 9th Annual conference of the EuroMed academy of business, 14-16 September 2016, Warsaw, Poland 2. High-Tech Gründerfonds Management GmbH (2016): Start-Ups beschleunigen digitale Transformation, https://high-techgruenderfonds.de/de/start-ups-beschleunigen-digitale-transformation/, 01.02.2019 3. Isenberg, D. (2011): The Entrepreneurship Ecosystem Strategy as a New Paradigm for Economic Policy: Principles for Cultivating Entrepreneurship, Invited Presentation at the Institute of International and European Affairs, 12 May 2011, Dublin, Ireland

DRONE RESCUE SYSTEMS entwickelt ein innovatives Fallschirmrettungssystem für kommerzielle Drohnen, welches autonom Gefahrensituationen erkennt und selbst bei einem Totalausfall die Drohne sicher landet. Ziel ist die kommerzielle Drohnennutzung sicher zu ermöglichen, ohne dass es zu Personen- oder Materialschäden kommt. Unique Selling Proposition: Unabhängig von der Drohne funktionierendes, automatisches System und zugleich die leichteste Lösung am Markt. Die Datenanalyse hilft zudem im Versicherungsfall. www.dronerescue.com

ARIVO erleichtert das Ankommen am Parkplatz und die Verwaltung von Parkflächen. Die smarte Software in Kombination mit der neuen Kennzeichenerkennung (Automated Number Plate Recognition System) wird bei Büro- und Wohnimmobilien eingesetzt. Unique Selling Proposition: In Sekunden Einladungen per Mail/SMS mit Parkplatzzugang versenden. Kunden werden dann mit offenem Tor empfangen mit Hilfe der neuartigen Kennzeichenerkennung. www.arivo.co

4. Röhl, K.H. (2016): Unternehmensgründungen: Mehr innovative Startups durch einen Kulturwandel für Entrepreneurship?, IW Policy Paper, No. 2/2016, Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln, Deutschland 5. Up to Eleven (2018): Grazer Startup Barometer 2018, https://www.ideentriebwerkgraz.com/wp-content /uploads/2018/10/ Grazer-Startup-Barometer-2018_plakat.pdf, 22.12.2018 6. Ripsas, S., Tröger, S. (2015): 3. DSM - Deutscher Startup Monitor, Bundesverband Deutsche Startups e.V. (BVDS), KPMG (Hrsg.), https://deutscherStartupmonitor. de/fileadmin/dsm/dsm-15/studie_dsm_2015. pdf, 27.12.2018 7. Zahradnik, G., Leitner, K.H., Dömötör, R., Raunig, M., Pardy, M., Mattheiss, E. (2018): Austrian Startup Monitor 2018, http://austrianstartupmonitor.at/ wp-content /uploads/2018/10/AustrianStartUpMonitor2018_12MB.pdf, 02.03.2018 8. etventure-Studie (2017): Digitale Transformation und Zusammenarbeit mit Startups in Großunternehmen in Deutschland und den USA, https://bzi40.eu/ de/ser vice-kompetenz /publikationen / studien/172-digitale-transformation-undzusammenarbeit-mit-Startups-in-grossunternehmen-in-deutschland-und-den-usa-1/ file, 28.12.2018 9. Wrobel, M., Preiß, K., Schildhauer, T. (2017): Kooperationen zwischen Startups und Mittelstand. Learn. Match. Partner.,

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema Alexander von Humboldt Institute for Internet and Society, Berlin, Deutschland

AutorInnen: Martin Glinik, MSc ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der Technischen Universität Graz. Seine Forschung beschäftigt sich mit nachhaltigen Geschäftsmodellen von Startups. Als Teammitglied der Gründungsgarage begleitet er Studierende und wissenschaftliche Bedienstete bei

der Realisierung ihrer Geschäftsideen und unterstützt damit die Umsetzung einer unternehmerischen Universität. Zuvor hat er das Masterstudium Betriebswirtschaftslehre an der Universität Graz mit den Schwerpunkten Informationswissenschaft und Wirtschaftsinformatik sowie Marketing abgeschlossen. Mag. Elisabeth Maria Poandl ist Universitätsassistentin am Institut für Unternehmungsführung und Organi-

sation an der Technischen Universität Graz. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen Entrepreneurship und Geschäftsmodelle. Sie hat einen interdisziplinären Studienhintergrund mit mehrjähriger Berufserfahrung und beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit der Zusammenarbeit von etablierten Unternehmen und Startups. Als Vorstandsmitglied der Gründungsgarage berät sie akademische Gründerteams und unterstützt die lokale Startup-Szene.

Martin Glinik, MSc

Mag. Elisabeth Maria Poandl

wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der TU Graz

Universitätsassistentin am Institut für Unternehmungsführung und Organisation an der TU Graz

Call for Papers Themenschwerpunkt: „Maker, Industry & Research“ in WINGbusiness 03/2019 Für die Oktober-Ausgabe laden wir Sie recht herzlich ein, Beiträge zum Themenschwerpunkt „Maker, Industry & Research einzureichen. Von Interesse sind Artikel zu Projekten und Forschungstätigkeiten, die sich mit Themenstellungen rund um die Kooperation zwischen Makern (Personen, welche Produkte oder Services selbst herstellen bzw. erstellen), Industrievertretern und Universitäten befassen. Die Themen reichen von Produktentwicklung und Prototypenherstellung mit Unterstützung durch

WINGbusiness 1/2019

akademische Fertigungsstätten über Wissenstransfer im Rahmen von Executive Education Programmen bis hin zu universitären Lehrprogrammen mit Anwendungsbezug zu Industriepartnern. Seitens Industrie bitten wir Stimmen aus KMUs, Großunternehmen und Start-ups Ihre Erfahrungen/Ansichten zu teilen. Im universitären Bereich bitten wir um Forschungsergebnisse der österreichischen techno-ökonomischen Institutionen. Es werden zwei unterschiedliche Beitragsarten angenommen:

Die Verfassung eines Textes als Bericht aus der Praxis. Die Einreichung eines wissenschaftlichen Beitrags in Form eines WING-Papers mit Reviewverfahren. Die Ergebnisse des Reviewverfahrens erhalten Sie 4-8 Wochen nach der Einreichfrist. Bitte senden Sie Ihre Beiträge als PDF an office@wing-online.at. Annahmeschluss: 02.08.2019

37


Top-Thema

Foto: https://www.123rf.com/photo_45136339_abstract-internet-network-communication-concept-background-cg-render.html?downloaded=1:

Daniel Theuermann, Stefan Tödling, Philipp Töbich

Das Digitalisierungsdilemma – im Spagat zwischen Digitalisierung und IT-Security Die herausragende Marktposition österreichischer und deutscher Unternehmen ist bedroht. Der Megatrend der Digitalisierung erfordert strategische Unternehmensentscheidungen und die zielgerichtete Anpassung bestehender Geschäftsmodelle. Gleichzeitig gilt es zu bedenken, dass Digitalisierungsprozesse Hand in Hand mit strukturierten Security Konzepten gehen müssen. Die Digitalisierung ist zugleich Chance und Risiko, öffnet sie Cyberkriminellen bei leichtsinniger Umsetzung doch Tür und Tor und stürzt Unternehmen sprichwörtlich in ein Digitalisierungsdilemma. I. EINFÜHRUNG INS DIGITALISIERUNGSDILEMMA Die deutsche und österreichische Volkswirtschaft zeichnet sich auf verschiedenste Arten aus: Hohe Qualität, Innovationskraft und (teils versteckte) Marktführerschaft. Beiden gemeinsam ist dabei die starke Rolle der KMUs als volkswirtschaftliches Rückgrat, wobei mittelständische Unternehmen oftmals zu den Weltmarktführern in den bedienten Nischen oder gar gesamten Branchen zählen. Die Anzahl an sog. „Hidden Champions“ ist in Deutschland und Österreich ausgesprochen hoch. Hier werden weltweit die meisten Roboter, insbesondere im Bereich der Automatisierungstechnik, erzeugt1; die Anzahl an Studien und Veröffentlichungen für Robotik und verwandte, zukunftskritische Themen gehören global mit zu den höchsten; bei den (absoluten) Ausgaben für Forschung und Entwicklung, insbesondere in den 1 Vgl. FAZ, Deutschlands Roboter sind stark, am 13. Jänner 2019, online unter URL: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/diginomics/deutschland-ist-stark-in-robotik-z-b-mit-franka-emika15985731.html

38

Bereichen Innovation und Digitalisierung, rangiert Deutschland weltweit auf dem vierten Platz – hinter den USA, der VR China und Japan. MADE IN GERMANY / MADE IN AUSTRIA steht seit langem für höchste Qualität und Präzision – von Industrieprodukten bis zu Dienstleistungen. Eine Aufzählung des Erreichten ließe sich lange fortsetzen, stünde hier nicht ein unaufhaltsamer Megatrend und damit verbunden die Bedrohung im Raum, diese hart erarbeitete globale Stellung zu verlieren: die Digitalisierung. Die Digitalisierung alleine betrachtet stellt Unternehmen bereits vor beträchtliche Herausforderungen. Ist der erste Schritt dann getan, eröffnen sich jedoch noch weitere Problemfelder: Je höher der Digitalisierungsgrad von Unternehmen wird, desto stärker sind sämtliche Akteure von den neuen Technologien abhängig und desto höher wird die Gesamtverwundbarkeit digitaler Infrastrukturen und Wertschöpfungsketten. Insbesondere nutzen Cyberkriminelle und Spione das entstehende Einfallstor

für digitale Erpressung, Schädigung und Konkurrenzkampf. Je höher der Digitalisierungsgrad in Wirtschaft und Gesellschaft, desto höher sind auch Verwundbarkeit und digitale Angriffsfläche – wir stehen dem Digitalisierungsdilemma gegenüber! Im Folgenden werden zunächst die Digitalisierung selbst, ihre Herausforderungen und potentielle Wege in die Digitalisierung beschrieben und danach wird auf das Thema Security eingegangen. II. DIGITALISIERUNG ALS WACHSTUMSGARANT UND HERAUSFORDERUNG A. Der Wachstumsgarant2 „Die Digitalisierung treibt den Markt und ist ein Garant für mehr Arbeitsplätze.“3 Der global erzielte Umsatz 2018 mit Produkten und Dienstleistungen der .

2 Vgl. Jahres-Pressekonferenz, Bitkom, Berlin, 14. Februar, 2018

3

A. Berg (Bitkom-Präsident), Jahres-Pressekonferenz, Bitkom, Berlin, 14. Februar, 2018.

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema ITK-Branchen betrug ca. 3,29 Billionen Euro und erreichte damit Wachstumsraten zwischen 6,2 % (VR China) und 1,3 % (EU...). Davon wurde ca. ein Fünftel in der EU umgesetzt. Drei Viertel der Unternehmen planen neue IT-Arbeitsplätze für ihr Unternehmen. Der KMU-Bereich hat hierbei höheren Bedarf im Vergleich zu großen Unternehmen in Deutschland. Der deutsche Branchenverband Bitkom prognostiziert für 2018 einen Beschäftigungsanstieg von ca. 40.000 neuen MitarbeiterInnen im ITK-Bereich, was einem Anstieg von 1,092 Mio. auf 1,134 Mio. Beschäftigten entspricht. B. Die Schattenseiten Trotz überdurchschnittlicher Wachstumschancen ist der Megatrend der Digitalisierung nicht ausschließlich positiv zu bewerten. So sehen 25% der befragten Unternehmen dadurch ihre derzeitige Marktstellung bedroht.4 Zahlreiche Studien prophezeien massive Arbeitsplatzveränderungen, sogar von Arbeitsplatzvernichtung im Millionenbereich ist die Rede. Dass Veränderung sich dabei nicht einfach ignorieren lässt, zeigt die Geschichte anhand der beiden ehemaligen Vorzeigeunternehmen Polaroid und Kodak. Beide Konzerne fielen einem verschlafenen Megatrend zum Opfer. In der Telekommunikationsbranche dienen Nokia und Blackberry ebenso als Beispiele, wie schnell ein Unternehmen von der Spitze ins Hintertreffen geraten kann. C. Stand der Digitalisierung, derzeitige Herausforderungen und schöpferische Zerstörung 5 In einer 2013 vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte durchgeführten Studie gaben 88 % der befragten Unternehmen an, dass aus ihrer Sicht ein Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Unternehmenserfolg besteht.6 So schätzten 56 % der Befragten die Bedeutung der Digitalisierung als hoch und 37 % sogar als sehr hoch ein. Gleichzeitig beurteilte mit 71 % aber die 4 Vgl. Jahres-Pressekonferenz, Bitkom, Berlin, 14. Februar, 2018. 5 Vgl. Digitalisierung im Mittelstand. Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“, Deloitte, 2013. https://www2.deloitte. com/de/de/pages/mittelstand/contents/Studienserie-Erfolgsfaktoren-im-Mittelstand.html 6 Vgl. Digitalisierung im Mittelstand. Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“, Deloitte, 2013. https://www2.deloitte. com/de/de/pages/mittelstand/contents/Studienserie-Erfolgsfaktoren-im-Mittelstand.html

WINGbusiness 1/2019

Mehrheit der Befragten den derzeitigen Digitalisierungsgrad im eigenen Unternehmen als sehr niedrig oder zumindest als niedrig. Um diesen Megatrend unternehmensspezifisch richtig zu deuten, notwendige Veränderungen erfolgreich umzusetzen und somit aktiv resultierende Chancen auszunutzen, benötigen Unternehmen im Zuge ihrer Transformation Erfahrung und Know How, strategisch fundierte Entscheidungsfindung und -umsetzung sowie geschulte und überzeugte MitarbeiterInnen. Die Frage wie Prozesse und Produkte mit digitaler Unterstützung effektiver oder zumindest effizienter gestaltet werden können, sollte dabei im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig verliert sich die Umsetzung gern in operativen Details. Eine der häufigsten Herausforderungen im Digitalisierungsprozess findet sich bei der grundlegendsten Zutat: den Daten. Datenqualität und Datensicherheit stellen viele Unternehmen auf eine harte Probe. Ohne entsprechendes Datenmanagement lässt sich das „Öl des 21. Jahrhunderts“ nicht fördern und weiterverarbeiten.7 Dazu kommen die Überwachung und Steuerung der nötigen, häufig fragmentierten Infrastrukturen und Systeme, eine transparente Abbildung und Umlage der entsprechenden Kosten und nicht zuletzt die schwierig zuzuordnenden Entwicklungs- und Umsetzungskosten. Die Einbettung neuer Technologien in bestehende, bis dato gut funktionierende Systeme schafft neben der technologischen auch noch eine „emotionale“ Herausforderung, die stets mit großen Veränderungsprozessen einhergeht. Eine oftmals kaum genannte, dennoch schwerwiegende Herausforderung ist die Ungewissheit über die eigentlichen Ziele im Digitalisierungsprozess und welche konkreten Chancen und Risiken sich für das eigene Unternehmen daraus ergeben. Das allerdings scheinbare Unwissen fußt in der Schwierigkeit der Einschätzung zukünftiger Geschäftsmodelle und dafür notwendiger interner und externer Prozesse. So geben 37% der befragten Unternehmen an, dass sich ihr bestehendes Geschäftsmodell, insbesondere hinsichtlich Wertschöpfung, Wettbe7 Vgl. Parkins, D.: The world’s most valuable resource is no longer oil, but data, in: Economist, print edition, 06.05.2017, https://www.economist.com/ leaders/2017/05/06/the-worldsmostvaluable-resource-is-no-longer-oil-but-data (Zugriff am 03.12.2018)

werb und Nachfrage, in den nächsten 36 Monaten voraussichtlich stark bis sehr stark verändern wird. Weiters sieht sich die Digitalisierungsherausforderung einem (noch) kargen Angebot an Fachkräften gegenüber. Doch diese Herausforderungen sind allesamt lösbare Aufgaben, wenn sie strukturiert geplant und umgesetzt werden. III. DER WEG ZUR DIGITALISIERUNG Damit Themenfelder wie Artificial Intelligence, Blockchain und Big Data nicht nur verheißungsvolle Schlagwörter in Hochglanzprospekten bleiben, müssen die vorausgehenden Überlegungen und die darauffolgende Umsetzung am Weg zur Digitalisierung auf das Bedarfsprofil des Unternehmens maßgeschneidert sein. Die strukturierte Analyse gegebener und potentieller Wertschöpfungsketten, auch mit Einbettung ins unternehmerische Umfeld – Lieferanten, Partner, Kunden, Mitarbeiter etc. – ist einer der ersten strategischen Schritte hin zur (digitalen) Wertschöpfungskette. Diese Aufgabenstellungen beruhen nicht zwangsläufig auf dem Aufbau eines neuen Geschäftsmodells und der damit einhergehenden Zerstörung des „alten“, sondern können auch integrativer Bestandteil bestehender Systeme sein. So kann Digitalisierung bspw. auch „nur“ Geschäftsprozesse optimieren, Abläufe verschlanken, Produktion und Logistik messbarer machen, HR-Management effizienter gestalten, Kosten einsparen, vorhandene Daten besser nutzen oder andere Vorteile erzielen. Ein möglicher Ansatz zur phasenweisen Erarbeitung und Umsetzung einer digitalen Wertschöpfungskette wird im Folgenden beispielhaft umrissen: A. Phase I – Initiale Bearbeitung Gemeinsam ein klares Verständnis für bestehende Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten aufbauen, um zielgerichtet potentielle Funktionen neuer Technologien zu identifizieren. Überblick über verfügbare und leistbare Technologien herstellen, die den identifizierten Funktionen und dem Bedarf entsprechen. Mögliche Anwendungsfälle – Optimierungsfelder, Geschäftsfelder, sonstiges – im Einklang

39


Top-Thema mit dem erzielbaren Ergebnis definieren und bereits umgesetzte Beispiele analysieren. B. Phase II – Proof of Concept (PoC) Die aussichtsreichsten Anwendungsfälle den Stakeholdern präsentieren, um Feedback, Bedürfnisse und Entscheidungen einzuholen. Nach Adaptierungen konkrete PoCs ausplanen und hinsichtlich Roadmap, Zeitplan und Inhalt finalisieren. Verantwortliches Projektteam definieren. Milestones, Überprüfungen und Reporting festlegen. C. Phase 3 – Umsetzung PoC Die Entwicklungen werden in bestehende Plattformen und Systeme integriert und erprobt. Laufende Evaluierung und Reporting an Stakeholder ermöglicht zeitnahe Anpassung des PoCs. Ergebnisse und Erkenntnisse des finalisierten PoCs werden den Stakeholdern präsentiert sowie Mehrwert für zukünftige Anwendung(en) diskutiert. Finale Entscheidung über die Einführung. Bereits ein umgesetzter PoC erhöht die ausnutzbare Angriffsfläche für Cyberkriminelle und Spione. So der Weg zur Digitalisierung weiter erfolgsversprechend beschritten wird, muss als begleitende Maßnahme das SecurityKonzept angepasst oder ein solches eben entwickelt und implementiert werden, um der aktuellen Bedrohung durch Cyberkriminalität und Spionage vorbereitet begegnen zu können. IV. DIGITALISIERUNG = SECURITY-BEDARF Bereits während der strategischen Entscheidungsfindung zur Digitalisierung muss das Themenfeld der Cybersicherheit zur Erhöhung der Gesamtresilienz des Unternehmens unbedingt mitbearbeitet werden. Mehr Digitalisierung bedeutet mehr Angriffsfläche für jeden – vom Gelegenheitstäter bis zum professionellen Spion! A. Bedrohungslandschaft Zumindest seit den Großangriffen und damit einhergehenden Flächenbränden großer IT-Infrastrukturen im Jahr 2016

40

(bspw. WannaCry) ist das Bewusstsein für Cyberangriffe und hybride (Cyber-)Kriegsführung weitestgehend im deutschsprachigen Raum angekommen. Die Bewusstseinsbildung als erster Schritt sollte im Folgenden in ein ganzheitliches Security-Konzept einfließen. Der Markt für Cyberkriminalität hat mehreren Studien zufolge dem globalen Drogenmarkt in absoluten Zahlen bereits den Rang abgelaufen. Cyberkriminelle greifen gezielt Unternehmen, Behörden, kritische Infrastrukturen, bekannte Marken und Organisationen mit dem Ziel an, in kürzestmöglicher Zeit hohe Geldbeträge (zumeist in digitaler Währung) zu erpressen oder die Unternehmen langfristig auszuspionieren. Die Spannweite potentieller Angriffe ist enorm: Gefälschte E-Mails, die das Opfer trickreich dazu bringen wollen, enthaltene Links zu öffnen und Schadsoftware zu installieren; beim CEO-Trick/Fraud wird einem/r „unvorsichtigen“ Mitarbeiter(in) unter Zeitdruck durch den vermeintlichen CEO vorgelogen, er/sie habe Geld an verschiedene Konten zu überweisen, bpsw. aufgrund einer spontanen Unternehmensübernahme – prominentes Beispiel wäre ein globaler Player der Luftfahrtbranche. Angreifer entwenden Daten – Kundendaten, Preisdaten, Finanzdaten, strategische Entwicklungen – und erpressen damit Unternehmen oder verschlüsseln Daten, sodass eine weitere Bearbeitung im Unternehmen nicht möglich ist (Kryptotrojaner). Viele dieser Angriffe laufen mittlerweile vollautomatisiert ab und suchen sich lohnende Ziele über bspw. Zufallsalgorithmen aus. Daraus folgt unvermeidlich, dass jedes Unternehmen ein potenzielles Angriffsziel ist! B. Vorgehensweise eines Angreifers Werden die Angriffe nicht vollautomatisiert, sondern manuell durch einen Hacker ausgeführt, sind die Unternehmen dem Angreifer oftmals schutzund hilflos ausgeliefert. (Derartige Angriffe können auch im Darknet beauftragt werden.) Schafft es ein Angreifer unentdeckt die Kontrolle (i.S.v. totaler Systemkontrolle) über die ITInfrastruktur zu erlangen, verbleibt er meist mehrere Monate im System und hat über diese Zeitspanne hinweg Zugriff auf sensible Informationen aller Art „Die Unternehmen haben großteils

ihre IT-Infrastruktur nicht an die modernen Bedrohungen angepasst. Lange Zeit wurde versucht die äußeren Perimeter [bildlich die Burgmauer; Firewalls, etc.] immer höher zu bauen, allerdings wurde dabei verabsäumt, auch die Infrastruktur dahinter [i.S.v. der inneren IT-Infrastruktur sobald der Angriff/Breach gelungen ist] abzusichern und zu überwachen.“,8 so Patrick Bardel, CEO der BPN Group, der sich in seinem Beruf seit über 15 Jahren intensiv mit Cyber Security beschäftigt. Somit können sich Angreifer bei einmaliger (!) Überwindung äußerer Verteigungsanlagen problemlos innerhalb des Unternehmens und der IT-Infrastruktur bewegen. „Es ist davon auszugehen [in der Beurteilung des Security-Konzepts], dass ein Angreifer, der zielgerichtet ein Unternehmen angreift, irgendwann sein Ziel erreichen wird. Der Angreifer hat quasi unendlich viele Pfeile im Köcher und muss nur einmal treffen, wohingegen beim verteidigenden Unternehmen ein Treffer reicht, um gewaltigen Schaden zu erzielen.“,9 so Bardel weiter. C. Angriffsphasen Greift der Hacker das Zielunternehmen an, untergliedert sich der Angriff in mehrere Phasen: Reconnaissance, Intrusion und Exploitation und schließlich Backdoors installieren und Spuren verwischen. In der Reconnaissance-Phase wird ein umfassender Überblick über das Unternehmen und die Ziel-IT-Infrastruktur hergestellt. Welche Abwehrmaßnahmen sind im Einsatz (Firewalls, Anti-Malware-Programme, Verschlüsselung, etc.)? Weiters werden lohnende Ziele bzw. die Kronjuwelen des Unternehmens identifiziert. Das sind für gewöhnlich Forschungsergebnisse, Finanzdaten, Kundendaten, Personaldaten, Preislisten – kurzum: sämtliche Informationen und Systeme, deren Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit das Unternehmen „zum Überleben“ braucht. Sind die Ziele identifiziert, werden Angriffsvektoren, also Möglichkeiten das Netzwerk zu infizieren bzw. anzugreifen, festgelegt und durchgeführt. Aus Unternehmenssicht bedrohlich ist die Tatsache, dass sich eine schier endlose Zahl an Angriffsmöglichkeiten bietet. Infiltration kann über Webser8 Experteninterview mit Patrick Bardel, CEO der BPN Group GmbH, am 30. Jänner, 2019. 9 Experteninterview mit Patrick Bardel, CEO der BPN Group GmbH, am 30. Jänner, 2019.

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema vices- und -applikationen (bspw. ein Online-Shop oder ein Partnerportal), ungeschützte internetfähige Geräte, die häufig ohne Wissen des Unternehmens in der bestehenden IT-Infrastruktur angreifbar sind (bspw. Zeitschaltuhren, Videokameras, Multifunktionsgeräte), Spear Phishing (Infiltrationsversuche mittels E-Mail) oder Platzieren von mit Schadsoftware infizierten USB-Sticks und ähnlichen Social Engineering-Ansätzen erfolgen. Wurde das Ziel infiltriert, bewegt sich der Angreifer innerhalb der IT-Infrastruktur weiter, um Kontrolle über möglichst viele Gerätschaften zu erlangen – sog. Lateral Movement – und in der Folge weitere Schwachstellen auszunutzen und die jeweiligen Ziele zu erreichen. Sollte der manuelle Angreifer an „seine/ihre technischen Know-How Grenzen“ gelangen, sind im Darknet unzählige Angriffswege, Aufklärungsergebnisse und erprobte Angriffsverfahren zu finden. Hier lassen sich auch unternehmensinterne angriffsrelevante Informationen finden, so z.B. Insider Informationen bzw. Mitarbeiterinformationen, d.h. von Mitarbeitern zur Verfügung gestellte Materalien, Personallisten, Kundenlisten, originalgetreue Rechnungen und Belege. Unternehmen sehen sich folglich gezwungen ihre Abwehrbereitschaft zu erhöhen und fortlaufend auf dem „aktuellen Stand der Technik“ zu halten, um mit der wachsenden Anzahl bedrohlicher Angriffe Schritt zu halten. Auch in diesem Sinne ist eine strategische Festlegung der Key Assets zu treffen, verbunden mit abgestimmten und zielgerichteten Sicherheitskonzepten, Risikoanalysen und wahrscheinlichen Bedrohungsszenarien. V. SCHLUSSFOLGERUNGEN Es gilt festzuhalten: im Zuge der unabdingbaren und unvermeidlichen Digitalisierung unserer Unternehmen, ist ein maßgeschneidertes, zielgerichtetes Security-Konzept im Kampf gegen Cyberkriminalität und Industriespionage unumgänglich. Unternehmen stehen vor der großen Herausforderung einerseits dem Megatrend „Digitalisierung“ erfolgreich gerecht zu werden und andererseits die damit einhergehende Bedrohung in Form von permanenter Angreifbarkeit zu meistern – das Digi-

WINGbusiness 1/2019

talisierungsdilemma. REFERENCES 1. Digitalisierung im Mittelstand. Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“, Deloitte, 2013, online unter URL: https://www2.deloitte.com/de/de/pages/ mittelstand/contents/ Studienserie-Erfolgsfaktoren-im-Mittelstand. html (Zugriff am 13. Jänner 2019). 2. Experteninterview mit Patrick Bardel, CEO der BPN Group GmbH, am 30. Jänner, 2019. 3. FAZ, Deutschlands Roboter sind stark, am 13. Jänner 2019, online unter URL: https:// w w w.faz.net /aktuell/ wirtschaft/diginomics/ deutschland-ist-stark-inrobotik-z-b-mit-frankaem ik a-159 85731 .ht m l (Zugriff am 13. Jänner, 2019). 4. Jahres-Pressekonferenz, Bitkom, Berlin, 14. Februar, 2018. 5. Parkins, D.: The world’s most valuable resource is no longer oil, but data, in: Economist, print edition, 06.05.2017, https://www. economist.com/leaders/2017/05/06/the-worldsmost-valuable-resource-is-no-longer-oil-but-data (Zugriff am 03. Dezember, 2018).

Autoren: D. Theuermann, Mag. rer. soc. oec, MIM, Jahrgang 1980. Absolvent der WU Wien und des CEMS Master’s Degree in International Management (WU Wien und Stockholm School of Economics). Mehrjährige Berufsund Managementerfahrung in der ITBranche. Bei der BPN Group für die Geschäftsentwicklung in Deutschland und den Bereich SIEM verantwortlich. Mitglied der Geschäftsführung. S. Tödling, BA BSc MSc, geboren 1989, Absolvent der Theresianischen

Mag. rer. soc. oec, MIM Daniel Theuermann BPN Group, Deutschland

Stefan Tödling, BA BSc MSc, BPN Group, Deutschland

Philipp Töbich, BA BPN Group, Deutschland Militärakademie (2012), Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Finance an der Karl-Franzens-Universität in Graz (2015, 2017). Mehrjährige Berufsausübung als Offizier des Österreichischen Bundesheeres. Bei der BPN Group im Bereich Geschäftsentwicklung und Schutz vor Industriespionage und Cyberkriminalität tätig. Mitglied der Geschäftsführung. P. Töbich, BA, geboren 1990, Absolvent der Theresianischen Militärakademie (2012). Mehrjährige Berufsausübung als Offizier des Österreichischen Bundesheeres. Bei der BPN Group im Bereich Geschäftsentwicklung und Schutz vor Industriespionage und Cyberkriminalität tätig. Mitglied der Geschäftsführung.

41


Top-Thema Johannes Dirnberger, Uwe Brunner, Suhier Elsayed

Mobile Payment – Ein Stimmungsbild unter Österreichs Studierenden Abstract — Neue, digitale Geschäftsmodelle erfordern häufig neue, digitale Zahlungsmethoden, wie beispielsweise Mobile Payment. Gegenwärtig ist Mobile Payment zur Begleichung von Rechnungen in Österreich jedoch nicht weit verbreitet. Im globalen Vergleich oder im Gegensatz zu europäischen Vorreiterländern wie etwa Schweden hinkt Österreich hinterher. Die Gründe dafür liegen zum einen in den Bedenken der Konsumenten aufgrund von Sicherheitsaspekten und zum anderen im gesellschaftlichen Stellenwert des Bargeldes. Welche Faktoren letztendlich das Verhalten der User beeinflussen, ist jedoch nicht umfassend belegt. Studierende sind mit Smartphone-Technologien stärker vertraut und aufgrund der Altersstruktur prägen sie die Landschaft zukünftiger Mobile Payment User. Daher stellt sich dieser Beitrag die Forschungsfrage, auf welche Kriterien österreichische Studierende hinsichtlich der Verwendungsbereitschaft von Mobile Payment besonderen Wert legen. Ziel ist es durch Beantwortung dieser Frage ein Stimmungsbild unter Studierenden festzuhalten, das als Entscheidungsgrundlage für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die Mobile Payment Lösungen berücksichtigen oder gar erfordern, berücksichtigt werden kann. Diese Arbeit analysiert dabei die Daten aus einer Online-Umfrage. Das unserer Untersuchung zugrundeliegende Sample umfasst 221 Studierende, die den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben. Es werden zum einen die Verbreitung, zum anderen Erfolgsfaktoren und schließlich Barrieren für die Nutzung von Mobile Payment analysiert. Index Terms — Mobile Payment, Digitale Geschäftsmodelle, Studierende, Empirische Untersuchung

I. MOBILE PAYMENT – GEGENWÄRTIGE ENTWICKLUNGEN UND PROBLEMFELDER Mobile Payment (M-Payment) beschreibt die Art der Zahlungsvorgänge, bei denen mindestens ein Teilnehmer die Transaktion über ein mobiles Endgerät durchführt (Weberschläger 2013). Mobile Endgeräte sind vom Aufbau her einem Smartphone oder einem Tablet ähnlich (Hierl 2017). Generell lässt sich M-Payment in zwei Zahlungsarten unterteilen: Remote Mobile Payment und Proximity Mobile Payment. Diese Arten unterscheiden sich zum einen durch den Ort und zum anderen durch die Technologie, die für die Transaktion benötigt wird (Johnson 2018). Dabei befinden sich bei Proximity MPayment die Transaktionsobjekte physisch nah beieinander, was bei Remote M-Payment nicht der Fall ist (Fundinger 2016). Diese Technologien sind im Folgenden beschrieben. Remote M-Payment und Proximity MPayment Bei Remote M-Payment können Transaktionen direkt über das Web, über eine Applikation (App) oder mittels Short Message Service (SMS) durchgeführt werden, wobei Remote die räumliche

42

Ferne bezeichnet. In Verbindung mit der Transaktion über das Internet steht der Begriff WAP (Wireless Application Protocol). Es beschreibt einen Übertragungsstandard, der einem Benutzer ermöglicht, mit dem Smartphone oder Tablet auf diverse Anwendungen und Dienstleistungen zuzugreifen. Das Smartphone kann dabei ohne Komplikationen mit dem Server kommunizieren und Authentifizierungen schützen vor unbefugten Zugriffen (Lerner 2013). Diese Technologie komprimiert die Internetinhalte, sodass sie auf dem Smartphone angezeigt werden können. Auch die Nutzung von für den mobilen Betrieb optimierten Apps basiert nahezu auf demselben Prinzip (Siepermann 2016). Bei SMS-Zahlungen wird dem Benutzer nach Aufforderung der Eingabe seiner Mobilfunknummer ein Zugangscode per SMS zugesendet, der in Folge dessen beispielsweise in einem Online Shop oder an Automaten eingegeben werden kann und somit die Transaktion vom Smartphone ausgehend auslöst. Belastet wird zeitgleich entweder die Telefonrechnung oder das Bankkonto, je nachdem für welche Option sich der Benutzer im Vorhinein entschieden hat (Lerner 2013). Proximity Mobile Payment hingegen beschreibt den Prozess, bei dem die Transaktion direkt am Point of Sale

(PoS) in einem Einzelhandelsgeschäft, an einem beweglichen Transaktionsort (etwa bei einer Taxifahrt) oder auch an einem Automaten (Bezahlung eines Parktickets) per mobilem Endgerät getätigt wird (Rouse 2016). Zu den hierbei verwendeten Technologien gehören NFC (Near Field Communication) und der QR-Code. Near Field Communication ermöglicht es dem Benutzer mit seinem Mobiltelefon aus einer Distanz von bis zu 100 Millimeter eine offene Rechnung über eine drahtlose Datenübertragung bargeldlos zu begleichen. Dieser Technik liegt die Anwendung eines magnetischen Feldes zu Grunde, sodass zwei Geräte miteinander kommunizieren können. Einerseits wird ein NFC-fähiges mobiles Endgerät, andererseits ein NFC-fähiges Lesegerät benötigt. Dass die NFC-Technologie an Relevanz gewinnen wird, zeigt eine Prognose der weltweit vorhandenen NFC-fähigen Mobiltelefone: Waren es 2013 noch 146 Millionen NFC-fähige Mobiltelefone, so werden für 2018 1.907 Millionen prognostiziert (IDATE DigiWorld 2014). Auf einem anderen Prinzip basiert die Nutzung des QR-Codes. Um die Informationen hinter dem QR-Code verstehen zu können, ist dieser mit Hilfe der Handy-Kamera zu fotografieren und anschließend durch eine Software

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema zu decodieren. Eine Lesesoftware kann in verschiedenen kostenlosen Versionen in App-Stores heruntergeladen werden. Da Smartphones heutzutage mit modernen Kameras ausgestattet sind, sind QR-Zahlungen gegenwärtig verbreitet (Judt 2014). Neuste M-Payment Technologien Auch neue M-Payment Technologien finden Verwendung, wie beispielsweise Blue Code, ZOIN oder Ubcoin. Blue Code ist eine Technologie, die von einem Tiroler Start-Up Unternehmen erfunden wurde und die bei jedem österreichischen Bankkonto anwendbar ist. Hierbei handelt es sich um ein speziell für Smartphones entwickeltes System, das den Bezahlvorgang direkt vom Bankkonto auslöst. Dazu wird die Blue Code App benötigt, die in jedem App Store heruntergeladen werden kann. Via PIN oder Fingerabdruck wird ein Barcode generiert, der ungefähr für vier Minuten gültig ist und mit dem die Transaktion an der Kassa durchgeführt wird. Im Anschluss wird der Betrag wie bei einer Lastschrift vom Bankkonto abgebucht. Jedoch gibt es ein Limit, das zu beachten ist: nicht mehr als zehn Transaktionen mit einem Gesamtbetrag von 200€ pro Tag dürfen durchgeführt werden (Diewald 2017). ZOIN hingegen besitzt einen anderen Zweck als die bisher beschriebenen Lösungen. Diese Bezahltechnologie ist nicht auf das Bezahlen an der Kassa ausgerichtet, sondern auf das Bezahlen von Smartphone zu Smartphone. Voraussetzung hierfür sind der Besitz einer aktiven Bankomatkarte eines österreichischen Kreditinstituts, das ZOIN unterstützt sowie ein aktuelles Android oder iOS Betriebssystem (PSA Payment Service Austria n.d.). Auch das mobile Bezahlen mittels Kryptowährungen findet Einzug in den Consumer-Bereich, wie es sich etwa bei Ubcoin zeigt. Seit September 2018 besitzen LG-Nutzer die Möglichkeit mit neuen LG-Smartphones mobil mit Kryptowährungen zu bezahlen. Per Ubank App können Nutzer Transaktionen auf dem Ubcoin Market mit Ubcoins durchführen (Bitcoin News 2018). Status der Verwendung von M-Payment Die genannten M-Payment Technologien bieten eine Reihe an Vorteilen in

WINGbusiness 1/2019

der Abwicklung von Zahlungen. Hierzu gehören einerseits die ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, da das Smartphone zu jeder Zeit mitgeführt wird (Janisch/Mader 2011). Auch auf die Mitführung von Bar- und Münzgeld kann verzichtet werden, da die Transaktionen über das Smartphone stattfinden (Dittrich/Egner 2012). Vorteile bestehen ebenfalls darin, dass bei der Nutzung von M-Payment nur geringe oder bestenfalls gar keine zusätzlichen Kosten anfallen (Teichmann et al. 2001). Ein weiterer Nutzen, den MPayment mit sich bringt, ist die Zeitersparnis, da Geschäftswege eingespart werden können bzw. die Suche nach dem exakten Geldbetrag wegfällt (Dittrich/Egner 2012). Trotz der angeführten Benefits zeigen Statistiken, dass sich die Bereitschaft für die Nutzung von M-Payment in Österreich zurückhält. Im Allgemeinen verdeutlicht dies schon die Nutzung bargeldloser Bezahlformen: 2017 wurden in Österreich 203 bargeldlose Transaktionen pro Einwohner durchgeführt, während in den Niederlanden mit 456, in Finnland mit 494 und in Schweden mit 501 jeweils mehr als doppelt so viele bargeldlose Transaktionen durchgeführt wurden (EZB 2017. Die Anzahl an Transaktionen pro Einwohner wurde aufgrund der Einwohnerzahlen im Jahr 2017 ermittelt). Erweitert um die globale Perspektive und eingegrenzt auf M-Payment, zeigt eine Umfrage, deren Ergebnis in Abbildung 1 dargestellt ist, dass Europa weltweit das Schlusslicht ist, wenn es um die Nutzung von M-Payment Services geht (GlobalWebIndex 2018). China

45%

Indien

41%

Weltweit

33%

Asien-Pazifik-Raum

27%

Nordamerika

27%

Lateinamerika Naher Osten und Afrika Europa

27% 23% 22%

Abbildung 1: Anteil der befragten Internetnutzer, die im letzten Monat (Q 3/2017) einen M-Payment Service genutzt haben. n=91.134

Bei dieser Umfrage ist anzumerken, dass ausschließlich Internetnutzer befragt wurden und in Europa 2016 mit 82 % der Haushalte prozentuell am meisten Personen weltweit überhaupt

über einen Internetzugang verfügen. Zur selben Zeit waren es etwa in Afrika nur 16 %. Somit sind diese Werte nur bedingt vergleichbar (ITU 2018). Interessant als afrikanisches Beispiel ist hingegen wiederum Kenia, wo Bankomaten bzw. Kreditkartenterminals wenig verbreitet sind. Schon im Jahr 2007 entwickelte der kenianische Mobilfunkanbieter Safaricom mit Vodafone das M-Payment System „M-Pesa“, um den Usern bargeldlose Zahlungen zu ermöglichen (Werner 2014). Die Gründe, warum M-Payment in Europa und v.a. in Österreich vergleichsweise gering verbreitet ist, liegen zum einen in der Beliebtheit des Bargelds sowie dem daraus resultierenden dichten Bankomatnetz und zum anderen in Sicherheitsbedenken (Watermann 2018). Letzteres zeigt sich beispielsweise daran, dass 60 % der Österreicher kontaktloses Bezahlen via NFC für unsicher halten. In den Niederlanden trifft dies nur auf 32 % zu; der europäische Durschnitt liegt bei 48 % (ING-DiBa. 2014). In Anbetracht dessen, dass beispielsweise das Bezahlen mittels Kryptowährung aufgrund der zugrundeliegenden, als fälschungssicher geltenden, Blockchain-Technologie als besonders sicher angesehen wird, ist festzustellen, dass Aufklärungsbedarf hinsichtlich M-Payment besteht. Wenngleich andere Risiken bestehen, die Kryptowährungen derzeit aufgrund ihrer Volatilität bergen (Techfacts.de n.d.). Welche Faktoren das Verhalten der österreichischen User letztlich wie beeinflussen ist derzeit noch nicht umfassend belegt, weshalb eine empirische Untersuchung anhand einer Teilerhebung durchgeführt wurde. Diese ist im folgenden Kapitel beschrieben. II. FORSCHUNGSDESIGN – DURCHFÜHRUNG EINER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG ZU MOBILE PAYMENT Zum einen sind die Vorteile von M-Payment evident: man denke nur daran, wie sich Bezahlvorgänge, wie etwa mittels Zahlscheinen, noch vor gar nicht allzu langer Zeit zugetragen haben. Zum anderen ist die geringe Verbreitung von M-Payment in Europa und speziell in Österreich frappant. Welche Faktoren sind es, die Ablehnung unter Studierenden hervorrufen bzw. welche Faktoren können zur Steigerung

43


Top-Thema Angabe des Geschlechts Studieren Sie Vollzeit oder der Verwendungsbereitschaft von weniger Männer als Frauen an der UmBerufsbegleitend? M-Payment beitragen? frage teilgenommen haben, sind 18 % 19% Männlich Vollzeit Studierende der Generation gegenüber 13 % derer, die vor einer Wo1% Weiblich Berufsbegleitend 46% Y zählen zu einer wachsenden che eine Bank besucht haben, Männer. 53% Keine Angabe 81% potenziellen Anwendergruppe Das Ergebnis fasst Abbildung 3 zusamvon M-Payment in der nahen Zumen. Aus welchem Bundesland Welcher Altersgruppe gehören Sie kommen Sie? an? kunft. Einerseits aufgrund der Bei einer Umfrage des BundesverSteiermark 60% Y 92% Altersstruktur, da zur Generation Generation bands deutscher Banken aus dem Jahr Wien 9% Generation X 5% Niederösterreich 7% Y Personen zählen, die zwischen Babyboomer 2% 2015 mit 651 Befragten zeigte sich, dass Oberösterreich 7% Kärnten 7% den frühen 1980er-Jahren geboren Keine Angabe 1% 39 % der 14-24-Jährigen mindestens einSonstiges 5% Generation Z wurden und älter als 18 Jahre sind Traditionalisten 0% mal im Monat ihre Bankfiliale besuSalzburg 3% 0% Tirol 1% – wobei anzumerken ist, dass der chen und 17 % besuchen diese gar minBurgenland 1% Vorarlberg 0% Geburtszeitraum je nach Quelle destens einmal in der Woche. Gesamt unterschiedlich definiert wird. An- Abbildung 2: Teilnehmerstruktur der Umfrage. n=221 besuchen somit 56 % der deutschen dererseits handelt es sich bei der 14-24-Jährigen mindestens einmal im Generation Y um die erste „High-Tech enteilnehmer ist in Abbildung 2 ange- Monat eine Bank (Bundesverband Generation“ (Lissitsa/Kol 2016 und führt. deutscher Banken 2015). Knapp 3 Jahre Carrington 2017). Dementsprechend ist Vorweg ist anzumerken, dass in den später kommen wir zum Ergebnis, dass auch der Begriff „Digital Natives“ für Grafiken Rundungsfehler auftreten Vor mehr als einem 3% Jahr die Angehörigen der Generation Y weit können, da zur Steigerung der LeserVor einem Jahr verbreitet. Diese Generation ist über- lichkeit Prozentwerte auf- bzw. abgedies tendenziell konsumorientiert und rundet wurden. Zum einen zeigt Ab- Vor mehreren Monaten 13% 20% im Kaufverhalten anspruchsvoll (Lissi- bildung 2, dass Frauen und Männer in Vor einem Monat 10% 16% tsa und Kol, 2016). den Daten nahezu gleich verteilt sind. Vor einer Woche 18% 13% Aufgrund obiger Überlegungen Zum anderen ist ersichtlich, dass mit Sonstiges wurden Studierende der Generation 81 % vorwiegend Vollzeit-Studierende Y als Datengrundlage für diese Ana- an der Umfrage teilgenommen haben. Keine Angabe Männlich Weiblich lyse herangezogen. Der Fragebogen Die am stärksten vertretene Generation Abbildung 3: Der letzte Bankbesuch der Teilwurde letztlich an Studierende der ist die Generation Y. Die meisten teil- nehmer in Prozent der gesamten Antworten FH JOANNEUM und der WU Wien nehmenden Personen kommen aus der und nach dem Geschlecht. n=194 übermittelt, da beide Institutionen ein Steiermark. Da es sich um eine Analyse breites Themenspektrum abdecken österreichischer Studierender der Ge- 57 % der österreichischen Studierenden und so Personen mit unterschiedlichen neration Y handelt, blieben Antworten zumindest im letzten Monat eine Bank Themenschwerpunkten und Interessen von Nicht-Österreichern (dabei handelt besuchten. Da es sich bei der deutschen sowohl von einer Fachhochschule als es sich um Personen, die bei der Frage Umfrage um Jugendliche und nicht auch von einer Universität in der Stich- nach dem Bundesland „Sonstiges“ an- Studierende handelt und die Frage probe vertreten sind. gegeben haben) sowie von Personen, nicht nach dem letzten Bankbesuch, die nicht zur Generation Y zählen, in sondern „Wie häufig besuchst du eine Zur Entwicklung relevanter Frage- der Analyse unberücksichtigt. Dem- Bank?“ gestellt wurde, sind die Ergebstellungen wurde vorab eine Litera- nach wurden schließlich die vollstän- nisse nur bedingt vergleichbar. Jedoch turrecherche durchgeführt. Die On- digen Antworten von 194 Personen zeigen beide Fälle, dass die Mehrheit line-Befragung umfasste schließlich 13 ausgewertet. sowohl österreichischer als auch deutFragen. Neben allgemeinen Fragen zur scher Personen unter 34 Jahren noch Person wurde beispielsweise gefragt III. ERGEBNISSE DER UMFRAGE – immer regelmäßig Banken aufsuchen. was die Teilnehmer unter M-Payment ERFOLGSFAKTOREN UND BARWie letztlich der Status von M-Payverstehen, welche Technologien dazu RIEREN ment ist, wird im Folgenden beschriezu zählen sind sowie welche Vorteile, ben. Zum einen wird die Verbreitung Barrieren und Erfolgsfaktoren zur Nut- Der Gedanke an M-Payment lässt uns von M-Payment, zum anderen Erfolgszung von M-Payment derzeit bestehen. annehmen, dass Bankbesuche weitest- faktoren und schließlich potenzielle gehend obsolet werden. Daher stellte Barrieren für dessen Nutzung aufgeRücklaufquote und Teilnehmer-Struktur sich zu allererst die Frage, wann die zeigt. Teilnehmer das letzte Mal eine Bank Die Online-Umfrage wurde im Juni besuchten. Die Mehrheit der Befragten Bekanntheit und Nutzung von M-Pay2018 mittels LimeSurvey ausgesendet. (33 %) gibt an, vor mehreren Monaten ment Technologien Die Grundgesamtheit stellten 4.250 bzw. vor einem Monat (26 %) das letzte Studierende dar. Die Umfrage wurde Mal eine Bank besucht zu haben. Für Rund 90 % (174 Personen) der Befragten Ende Juli 2018 geschlossen. Bis zu die- knapp ein Drittel der Befragten (31 %) wissen, worum es sich bei M-Payment sem Zeitpunkt wurden 221 Fragebögen liegt der letzte Besuch erst eine Woche im Allgemeinen handelt. Nachfolgend vollständig ausgefüllt – dies entspricht zurück. Dabei liegt bei den Männern verdeutlicht Abbildung 4, dass der Beeiner Rücklaufquote von 5,2 %. Eine der letzte Bankbesuch kürzer zurück kanntheitsgrad der eingangs beschrieÜbersicht über die Struktur der Studi- als bei den Frauen. Denn obwohl etwas benen M-Payment Technologien jedoch

44

WINGbusiness 1/2019


Top-Thema Bezahlung via Webbrowser von Zahlungen mittels M-Payment wird am häufigsten genutzt. (86 % bewerteten diesen Aspekt mit Dies ist insofern interessant, „sehr hoch“ bzw. „hoch“). Generell APP 87% 7% 7% als dass Kreditinstitute die zeigt sich, dass jene Aspekte, die eiSMS 72% 15% 13% Online-Banking Dienste i.d.R. nen Zeitvorteil in der Abwicklung von auch als App anbieten. Bezug- Zahlungen versprechen, als am stärkNFC 56% 31% 13% nehmend auf den prognosti- sten nützlich empfunden werden – die QR-Code 54% 25% 22% zierten starken Anstieg in der ersten drei Faktoren zielen im Wesent0% 50% 100% Zahl NFC-fähiger mobiler lichen genau darauf ab. Dies ist ein InJa Nein Unsicher Devices bis 2018 ist auffällig, diz für das Zeitalter der „Sofortness“, Abbildung 4: Bekanntheit von M-Payment Bezahlungsarten. dass nur 8 % der Befragten di- eine Wortneuschöpfung, die aussagt, ese Dienste häufig bzw. eher dass die heutige Gesellschaft sowohl n=194 häufig nutzen. im Privat- als auch Arbeitsleben keine variiert und im Falle von NFC und des Nach den bisherigen Betrachtungen Lust hat zu warten (Scherb 2013). ÜberQR-Codes sogar gering ist. ist offen, für welche Zwecke M-Pay- raschend ist, dass Hygiene als gering Während 98 % der Befragten M- ment eingesetzt wird. Diese sind in Ab- nützlich wahrgenommen wird. Hier Payment via Online Banking bekannt bildung 6 dargestellt. ist festzuhalten, dass die Hygiene von ist, so sind die Möglichkeiten per SMS Bargeld nur überall dort wirklich zum (72 %), NFC (56 %) und QR-Code (54 %) Problem werden kann, wo ein Kontakt zu bezahlen unbekannter. Auffallend mit Lebensmitteln möglich ist, wie beiist, dass je weniger Personen eine Bespielsweise beim Bäcker (Consorbank zahlform bekannt ist, desto höher die 2017). Die Ergebnisse der Frage nach Anzahl jener ist, die sich bei der Antdem Nutzen fasst Abbildung 7 zusamwort unsicher sind. In Hinblick auf die men. Sicherheitsbedenken bei der Nutzung Neben dem persönlich empfunvon NFC, welche in der ING-DiBa-Stu- Abbildung 6: Zwecke mobiler Bezahlungen. denen Nutzen wurden auch jene Gründie von 60 % der Österreicher geäußert Mehrfachnennung möglich. n=194 de abgefragt, die für die Befragten als wurden, stellt sich die Frage, inwieweit besonders relevant für die Nutzung dies beurteilt werden kann, wenn nur Am häufigsten wird M-Pay0% 50% 100% 56 % der Studierenden diese Bezah- ment bei Überweisungen eingeSchnelle und unkomplizierte 69% 17% 4%4%6% Durchführung (n=185) lungsform überhaupt bekannt ist. Die setzt. Dies bestätigt wiederum Keine Berücksichtigung der Unbekanntheit der Technologie (31 %) die Ergebnisse aus Abbildung 70% 14% 7% 8% Banköffnungszeiten (n=183) sowie die Unsicherheit darüber, worum 5, die zeigen, dass Online-Ban- Zeitersparnis, da man sich etwaige 67% 15% 8% 4%6% es sich dabei genau handelt (13 %) sind king die am häufigsten genutzte Geschäftswege erspart (n=185) Geldbewegungen sind immer mögliche Erklärungen für die großen M-Payment Bezahlungsart ist. 52% 22% 12% 5% 8% aktuell abrufbar (n=183) Bedenken gegenüber NFC. Auffällig ist die geringe VerbreiGenaue Nachverfolgbarkeit 50% 22% 14% 7% 7% der Transaktion (n=183) Die nächste Frage, die sich im Zuge tung in der Gastronomie. Als Geringe/keine 28% 26% 19% 12% 14% der Recherchen stellte, war, wie inten- sonstige Antwortmöglichkeiten Kosten (n=180) siv die unterschiedlichen M-Payment nannten die Befragten „UrGegenwärtig weit 25% 24% 29% 8% 15% verbreitete Anwendung (n=182) Bezahlungsarten genutzt werden (siehe laubsbuchungen“ (zwei Mal), Keine Verwendung von Bargeld oder Karten 15% 13% 15% 16% 41% Abbildung 5). „Online Handel“ (zwei Mal), nötig und somit hygienischer (n=181) „Alles“ (zwei Mal), „An- Stornierung leicht möglich (n=166) 10% 17% 45% 16% 11% Wie oft haben Sie diese Technologien genutzt? meldegebühren“ (einmal) 0% 50% 100% 5 (sehr hoch) 4 (hoch) 3 (mittel) 2 (gering) 1 (sehr gering) und „Premium Content Webbrowser/ 65% 15% 11% 9% Abbildung 7: Vorteile von M-Payment nach persönlich Online Banking (n=174) in Apps“ (einmal). Sind Ihnen die soeben genannten Bezahlungsarten bekannt? Webbrowser (Online Banking)

98%

Überweisungen

88%

Abrufen des aktuellen Bankkontostandes

81%

Kauf von Fahrscheinen, Kleidung und sonstigen Gütern

71%

Bezahlen direkt am Point of Sale (Kassa)

43%

Bezahlung für Dienstleistungen in der Gastronomie Bezahlen von Taxi-Fahrten Sonstiges

APP (n=133)

38%

QR-Code (n=106)

22%

SMS (n=110)

21%

14% 16%

8%

16%

11%

32% 51%

20%

51%

20%

10%

7%

empfundenem Nutzen

Erfolgsfaktoren im MPayment

Die Erfolgsfaktoren im M-Payment werden zum einen durch die Frage nach dem persönlich Häufig Eher häufig Selten Nie empfundenen Nutzen durch Abbildung 5: Häufigkeit der Nutzung ausgewählter Mdie Anwendung von M-Payment Payment Bezahlungsarten und zum anderen durch die Frage nach den Aspekten, die den Der QR-Code ist die unbekannteste Befragten in Hinblick auf M-Payment Bezahlungsform (siehe Abbildung 4), wichtig sind, adressiert. jedoch zeigt Abbildung 5, dass der QRDen größten Nutzen von M-Payment Code sowohl häufiger als SMS als auch sehen die Befragten in der schnellen häufiger als NFC genutzt wird. Die und unkomplizierten Durchführung NFC (n=91) 4%4% 13%

WINGbusiness 1/2019

78%

von M-Payment gelten. Das Ergebnis ist in Abbildung 8 in Form eines semantischen Differentials dargestellt. Dabei wurden sowohl für Männer als auch Frauen die Mittelwerte aus den jeweiligen Antworten gebildet und gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass keine wesentlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Bewertung der Relevanz von Gründen zur Nutzung von M-Payment bestehen. Die Erwartungshaltung potenzieller und tatsächlicher User geht dabei klar hervor: Hohe Verfügbarkeit,

45


Top-Thema verwendeten M-Payment Lösungen im September 2017. Aktuelle Studien weisen zumeist Sicherheitsbedenken als Ursache für die zögerliche Nutzung von M-Payment aus. Tatsächlich besuchen junge Menschen regelmäßig Bankfilialen, um stationäre Dienstleistungen der Banken zu nutzen: Ähnlich wie in einer Umfrage des Bundesverbands deutscher Banken aus dem Jahr 2015 zeigte sich in unseren Daten, dass 57 % der österreichischen Studierenden zumindest im letzten Monat eine Bank besuchten. Weiter konnten wir herausfinden, dass M-Payment knapp 90 % der Befragten ein Begriff ist, der Bekanntheitsgrad der zugrundeliegenden Technologien wie NFC oder QR-Code jedoch gering ist. Geht es um die Häufigkeit der Nutzung von M-Payment Technologien zeigt sich, dass Online-Banking die am häufigsten genutzte M4 5 Payment Variante ist (80 % nutzen Online-Banking häufig bzw. eher häufig). M-Payment wird vor allem dazu genutzt, um Überweisungen zu tätigen oder den aktuellen Bankkontostand Schlechter Überblick über abzurufen. Direkt am POS Ausgaben [n=187] bezahlen nur 43 % via MKein internetfähiges Mobilgerät [n=180] Payment und in der GasKein Bedarf / Grundsätzliche tronomie 20 %. Der größte Ablehnung [n=181] Schlechte empfundene Nutzen liegt Benutzerfreundlichkeit [n=186] dabei darin, sich via MKomplizierte Bedienung [n=186] Payment Zeit zu sparen, was die drei identifizierten Männer Frauen Hauptvorteile „SchnelAbbildung 9: Negative Beeinflussung der Nutzung von Mle und unkomplizierte Payment nach Geschlecht. Bewertung von 1 (sehr niedrig) bis 5 (sehr hoch) Durchführung“, „Keine Berücksichtigung der Banköffnungszeiten“ und „Zeitersparnis, IV.AUSBLICK UND HANDLUNGSda man sich etwaige Geschäftswege erEMPFEHLUNGEN spart“ sichtbar machen. Wenig Nutzen Gegenwärtig existieren unterschied- verspüren die Befragten in Hinblick auf liche M-Payment Technologien. Wäh- Hygiene oder die einfache Stornierung rend die Bezahlung via SMS, QR-Code von Bezahlvorgängen. Als relevant für und NFC kein Novum darstellt, so die Nutzung eingeschätzt werden v.a. entwickeln sich laufend neue Möglich- eine „hohe und ständige Verfügbarkeit“, keiten des M-Payment wie etwa durch „Schnelligkeit“, „keine zusätzlich anfalspezifische Apps oder mittels Kryp- lenden Kosten“, „Sicherheit – Schutz towährungen. Auffällig ist jedoch, dass vor Cyberkriminalität“, „Datenschutz“ die Konsumenten diese Entwicklungen und eine „Benutzerfreundliche Oberweltweit nur zaghaft mittragen. Das fläche“. „Schönes Design“ und „Mehr Erstaunliche dabei ist, dass Europa Platz in der Geldbörse“ werden hingelaut einer Studie des GlobalWebIndex gen als wenig relevante Vorteile von Maus dem Jahr 2017 das Schlusslicht in Payment eingestuft. Als größte Barrieder Nutzung von M-Payment unter re bzw. Hemmnis wird die „Sicherheit den Internetnutzern weltweit ist: Nur vor Hackerangriffen, Daten-Weitergabe 22 % der europäischen Internetnutzer und Phishing“ gesehen, was bisher pu-

Ablehnung von MPayment zwar im Hohe und ständige Verfügbarkeit [n=182] Mittel nicht als neSchnelligkeit [n=185] gativ beeinflussend wa hrgenommen Keine zusätzlich anfallenden Kosten [n=182] wird, jedoch imSicherheit - Schutz vor Cyberkriminalität merhin 22 % der Be[n=185] fragten (n=181) dieDatenschutz - keine unbefugte Weitergabe an Dritte [n=183] sen Aspekt als sehr hoch bzw. hoch neBenutzerfreundliche Oberfläche [n=185] gativ beeinflussend Erweiterte Funktionen wie etwa Hilfestellungen [n=179] beurteilen. Hier ist die Frage zu stellen, Umfassender Service [n=183] wie Anbieter von Schönes Design [n=180] M-Payment Services einer grundsätzMehr Platz in der Geldbörse [n=178] lichen Ablehnung entgegenwirken Männer Frauen können. Abbildung 8: Relevante Gründe für die Nutzung von M-Payment nach Das gesamte ErGeschlecht. Bewertung von 1 (sehr niedrig) bis 5 (sehr hoch) gebnis stellt Abbilschnelle Lösungen, keine Zusatzko- dung 9 abschließend dar. sten, Schutz vor Cyberkriminalität, Da1 2 3 Sicherheit vor Hackerangriffen, tenschutz und Benutzerfreundlichkeit Daten-Weitergabe, Phishing [n=186] der Lösungen wurden im Mittel zwi- Datenübertragung kann fehlschlagen, schen 4 (hoch) und 5 (sehr hoch) be- ohne dass System dies anzeigt [n=180] Ungewissheit vor anfallenden wertet. Erweiterte Funktionen, Service, Zusatzkosten [n=184] schönes Design und mehr Platz in der Ich bevorzuge andere Zahlungsmittel [n=184] Geldbörse wurden hingegen schlechter Kein einheitliches Vorgehen [n=180] bewertet. 1

2

Barrieren im M-Payment Um analog zu den Erfolgsfaktoren auch mögliche Barrieren bzw. Hemmnisse in Bezug auf M-Payment zu identifizieren, stellte sich weiter die Frage, welche Aspekte die Nutzung von M-Payment negativ beeinflussen. Auch die Antworten auf diese Frage verdeutlichen die Bedeutung des Sicherheitsaspekts für die Nutzung von M-Payment. Auffällig ist diesbezüglich der Unterschied zwischen Männern und Frauen. Während die weiblichen Teilnehmerinnen im Mittel mit 4 (hoch) bewerteten, bewerteten die männlichen Teilnehmer diesen Aspekt mit 3,3 um 0,7 Punkte niedriger. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass das Finanzverhalten von Frauen und Männern im Allgemeinen etwas unterschiedlich ist. Frauen sind i.d.R. weniger risikofreudig, investieren seltener in Investmentprodukte und legen Investmententscheidungen häufiger ethische Kriterien zugrunde (Sparkasse 2013). An dieser Fragestellung zeigt sich jedoch, dass die abgefragten Faktoren allgemein als eher wenig hemmend wahrgenommen werden. Auffällig ist, dass eine grundsätzliche

46

3

4

5

WINGbusiness 1/2019


TOP-Thema blizierte Ergebnisse bestätigt. Dafür werden M-Payment Lösungen eher nicht als kompliziert wahrgenommen bzw. wird die Benutzerfreundlichkeit eher nicht als negativ beeinflussend beurteilt. 22 % der Befragten empfinden jedoch, dass grundsätzliche Ablehnung bzw. kein Bedarf die Nutzung von MPayment negativ beeinflusst. Ein Blick auf die gegenwärtige Situation in Österreich zeigt, dass selbst Studierende der konsumorientierten High-Tech Generation Y Vorbehalte gegenüber der Nutzung von M-Payment haben. Es liegt an den Anbietern von M-Payment Dienstleistungen zum einen die Vorteile von M-Payment hinsichtlich Schnelligkeit und Benutzerfreundlichkeit hervorzuheben und zum anderen vertrauensbildende Maßnahmen umzusetzen, um die Vorbehalte gegenüber M-Payment zu reduzieren. REFERENCES 1. Bitcoin News: LG: Handyhersteller integriert Mobile Payment App inklusive Kryptowährungen, Retrieved December 16, 2018, https:// www.bitcoinnews.ch/8918/lg-handyherstellerintegriert-mobile-payment-app-inklusive-kryptowaehrungen/. 2. Bundesverband deutscher Banken. 2015. Wie häufig besuchst Du die Filiale Deiner Bank?. In Statista - Das Statistik-Portal. Retrieved De-cember 3, 2018, of https://de.statista.com/statistik/ daten/studie/507183/umfrage/umfrage-zur-haeufigkeit-des-bankbesuchs-von-jugendlichen/. 3. Carrington C. 2017. Millennial survey shows youth feeling aggrieved, frustrated by the way country is being run. Retrieved December 16, 2018, https://www.abc.net.au/news/2017-02-08/ millennials-worried-about-the-future/8250250. 4. Consorbank 2017. Geld und Hygiene – Macht Geld krank. Retrieved December 3, 2018, https:// wissen.consorsbank.de/t5/Blog/Geld-und-Hygiene-macht-Geld-krank/ba-p/48780. 5. Diewald F. 2017. Mobiles Zahlen: Wie das Handy zur Geldbörse wird, Retrieved December 16, 2018 https://derstandard.at/2000064375353/ Mobiles-Bezahlen-Wie-das-Handy-zur-Geldboerse-wird. 6. Dittrich, A., Egner, T. 2012. Trends im Zahlungsverkehr. Cologne. 190. 7. EZB. 2017. Mitgliedsländer der EU mit den meisten Transaktionen im bargeldlosen Zahlungsverkehr im Jahr 2017 (in Millionen). In Statista - Das Statistik-Portal. Retrieved November 26, 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/202813/umfrage/eu-laender-mit-den-meisten-transaktionen-im-bargeldlosen-zahlungsverkehr/.

WINGbusiness 1/2019

8. Elektrojournal. 2018. Bitcoin und Blockchain kommen auch in Österreich an. Retreived December 16, 2018, https://www.elektrojournal. at/elektrojournal/bitcoin-blockchain-kommenauch oester reich-151416. 9. Fundinger D. 2016. Proximity and remote mobile wallets: what’s the difference?, Retrieved November 20, 2018, https://mobilebusinessinsights.com/2016/08/proximity-remote-mobilewallets-whats-difference/. 10. GlobalWebIndex. 2018. Anteil der befragten Internetnutzer, die im letzten Monat einen Mobile-Payment-Service genutzt haben, nach Regio-nen weltweit im 3. Quartal 2017. In Statista - Das Statistik-Portal. Retrieved November 26, 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/882857/umfrage/mobile-payment-nutzung-in-ausgewaehlten-regionen-weltweit/. 11. Hierl L. 2017. Mobile Payment - Grundlagen Strategien – Praxis. Wiesbaden. 84. 12. IDATE DigiWorld. 2014. Prognose zum weltweiten Bestand an NFC-fähigen Mobiltelefonen von 2013 bis 2018 (in Millionen). In Statista - Das Statistik-Portal. Retrieved November 26, 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/320924/umfrage/weltweiter-bestand-annfc-faehigen-mobiltelefonen/. 13. ING-DiBa. (n.d.). 2018. Anteil der Bevölkerung, die kontaktloses Bezahlen via NFC für unsicher halten in ausgewählten europäischen Län-dern im Jahr 2014. In Statista - Das StatistikPortal. Retrieved November 26, 2018, https:// de.statista.com/statistik/daten/studie/313942/ umfrage/umfrage-zum-vertrauen-in-kontaktloses-bezahlen-via-nfc-im-laendervergleich/. 14. ITU. (n.d.). 2018. Anteil der Haushalte mit Internetzugang nach Region weltweit von 2005 bis 2017. In Statista - Das Statistik-Portal. Retrieved December 4, 2018, https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/699821/umfrage/anteilder-haushalte-mit-internetzugang-nach-regionweltweit/. 15. Janisch S. Mader P. 2011. E-Business. Wien. 7. 16. Johnson K. 2016. Was ist Client-Authentifizierung, und brauche ich sie? Retrieved December 16, 2018, https://www.globalsign.com/de-de/ blog/einfuehrung-client-authentifizierung/. 17. Judt E. 2014. Bankmarketing & Bankmanagement, Frankfurt am Main. 227. 18. Karsten W. 2014. Wie sich Mobile Payment weltweit auszahlt und welche Zahlen den deutschen Markt bestimmen. Retrieved December 16, 2018, http://etailment.de/news/stories/Mobile-Payment-Markt-Europa-Asien-USA-und-Afrika-im-Vergleich-1522. 19. Lerner T. 2013. Mobile Payment: Springer Gabler Verlag, Wiesbaden. 44-46. 20. Lissitsa S. Kol, O. 2016. Generation X vs. Generation Y – A decade of online shopping, in Journal of Retailing and Consumer Services 31. 304-312.

21. PSA Payment Service Austria. 2018. Was ist Zoin. Retrieved December 16, 2018, https:// www.zoin.at/was-ist-zoin/. 22. Rouse, Margaret: E2EE (End-to-End Encryption) – Ende-zu-Ende-Verschlüsselung 2016. Retrieved December 16, 2018, https://www. searchsecurity.de/definition/E2EE-End-to EndEncryption-Ende-zu-Ende-Verschluesselung. 23. Scherb R. 2013. Sofortness. Retrieved December 16, 2018, http://ipl-mag.de/scm-praxis/289sofortness. 24. Siepermann, M. 2018. Anwendung. Retreived December 16, 2018, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/anwendung-30014?redirectedfrom=Applikation. 25. Sparkasse. 2013. Studie: Das Finanzverhalten von Frau und Mann ist sehr unterschiedlich. Retrieved December 4, 2018, https://newsroom.sparkasse.at/2013/11/26/studie-finanzverhalten-vonfrau-und-mann-ist-sehr-unterschiedlich/17842. 26. Statista GmbH: Anteil der Bevölkerung in Österreich, die das Internet für Online-Banking nutzen von 2007 bis 2017. Retrieved December 16, 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/431727/umfrage/nutzung-des-internetsfuer-online-banking-in-oesterreich/. 27. Techfacts.de (n.d.). 2018. Vor- und Nachteile von Kryptowährungen und Blockchain in 2018. Retrieved November 30, 2018, https://www. techfacts.de/ratgeber/vor-und-nachteile-vonkryptowaehrungen-und-blockchain-2018. 28. Teichmann R., Nonnenmacher, M., Henkel, J. (editors): E-Commerce und E-Payment, 1. Auflage, Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2001. 29. Watermann B. 2018. Google Pay, Sparkasse Play: MOBILES BEZAHLEN Geld vergessen, Handy dabei? Google Pay will den Markt für das Bezahlen per Handy aufrollen. Dabei könnten andere Lösungen für Verbraucher viel attraktiver sein, in: Börse Online, Heft 29, 76-77. 30. Weberschläger M. 2013. Mobile Payment am Point of Sale - Maßnahmen und Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Markteinführung. Hamburg. 18.

Autoren: Dipl.-Ing. Johannes Dirnberger studierte International Industrial Management (Abschluss 2016) mit den Schwerpunkten Supply Chain Management, Controlling und Business Systems an der FH JOANNEUM. Überdies legte er im Rahmen eines Double-Degrees das Diplom an der Universität in Udine ab. Seit März 2016 ist er als Researcher am Institut für Industriewirtschaft-Industrial Management an der FH JOANNEUM in Kapfenberg beschäftigt. Dipl.-Ing. Dirnberger ist WING-Mitglied und

47


WINGREGIONAL Geschäftsführer des Industrial Management Club (IMC). Dipl.-Ing. (FH) Uwe Brunner studierte Industrial Management (Abschluss 2001) mit den Schwerpunkten Logistik und Prozessmanagement an der FH JOANNEUM. Danach war er Bereichsleiter Logistik und SCM von Saint-Gobain Rigips Austria und Universitätslektor an der Montanuniversität Leoben. Seit zehn Jahren ist er nun als Dozent an der FH JOANNEUM/Industrial Management in Kapfenberg und Graz beschäftigt. Er leitet die Expertenrunde Transportmanagement des Vereins Netzwerk Logistik und ist als Sachver-

ständiger und Gutachter tätig. Dipl.Ing. (FH) Brunner ist WING-Mitglied und auch Vizepräsident des WING Industrial Management Clubs. Suhier Elsayed, BSc. studierte Industrial Management an der FH JOANNEUM. Sie ist Preisträgerin eines ECR Awards und derzeit als Mitarbeiterin an der FH JOANNEUM beschäftigt.

Dipl.-Ing. Johannes Dirnberger FH JOANNEUM Kapfenberg

Dipl.-Ing. (FH) Uwe Brunner

Suhier Elsayed, BSc.

FH JOANNEUM Kapfenberg

FH JOANNEUM Kapfenberg

WING-Regional Kärnten

Alexander Marchner, Bernd Neuner

Einblicke in Infineons Milliardeninvestition in Villach 39. Treffen der Wirtschaftsingenieure von Kärnten und Osttirol, 16. Jänner 2019, Infineon, Villach

D

ie öffentliche Aufmerksamkeit war Infineon sicher, als vergangenes Jahr die Investition von rund 1,6 Milliarden Euro in den Ausbau des Standorts Villach publik gemacht wurde. Mit Herrn Dipl.-Ing. Dr. Andreas Wittmann ist auch ein Wirtschaftsingenieur und WING-Mitglied an vorderster Front an diesem Großprojekt beteiligt. Dr. Wittmann verantwortet die Projektleitung des Neubaus der Chipfabrik. Auf seine Einladung hin bekam der WING-Regionalkreis Kärnten und

48

Osttirol Gelegenheit, tiefere Einblicke in dieses technologisch und wirtschaftlich gleichermaßen herausragende Projekt aus erster Hand zu erlangen. Neben zahlreichen Wirtschaftsingenieuren kamen zu dieser Veranstaltung auch WING-Präsident Dr. Hans-Jörg Gress und Vizepräsident Univ.-Prof. Dr. Ulrich Bauer. Frau Dr. Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG, persönlich begrüßte die Teilnehmer und präsentierte zum

Auftakt Unternehmen und erläuterte die Eckpunkte der Strategie. Energieeffizienz, Mobilität, Sicherheit und Agieren in einer vernetzten Welt sind vier der zentralen Bedürfnisse der modernen Gesellschaft, welche Infineon mit seinen Halbleiter- und Systemlösungen adressiert. Im Auto, im Smartphone, in der Industrieelektronik oder bei Geldkarten und Ausweisen – vielfältige Anwendungen des Alltags werden durch Technologie und Know-how von Infineon erst ermöglicht. Innovation

WINGbusiness 1/2019


Wingregional

Grafik Standortausbau Infineon Villach (copyright Infineon)

lautet das treibende und gleichzeitig verbindende Element über alle Produktgruppen hinweg, von Analog- und Mixed-Signal-Schaltungen über Hochfrequenz- und Leistungshalbleiter bis hin zu Embedded Control Lösungen. Infineon Austria bildet neben Deutschland den einzigen Standort im Konzern, an dem die Kompetenzen für Forschung und Entwicklung, Fertigung und globale Geschäftsverantwortung gebündelt sind. Basis für den Erfolg in Österreich leisten über 4.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus rund 60 Nationen, davon über 1.800 in Forschung & Entwicklung. Der Erfolg setzte sich auch im letzten Geschäftsjahr fort: Eine Umsatzsteigerung von 17 % auf 2,96 Mrd. Euro bestätigte den Wachstumskurs. Der Trend der Digitalisierung des täglichen Lebens verstärkt sich weiter und damit die Nachfrage nach Leistungselektronik für Automobil-, Industrie- und Konsumenten-An-

wendungen. Dies lässt eine weiterhin positive Entwicklung im Kerngeschäft von Infineon Austria erwarten. Dr. Wittmann stellte im Anschluss das Projekt im Detail vor. Grundgedanke für den Ausbau ist die Kombination von Forschung, Entwicklung und Hochvolumenfertigung von Leistungshalbleitern in 300-Millimeter-Dünnwafer-Technologie am Standort Villach, um so durch optimale Bündelung der Kompetenzen kurze Durchlaufzeiten von der Idee bis zum fertigen Produkt zu ermöglichen. Diese besonders dünnen Energiesparchips sorgen für noch effizientere Energiewandlung in elektronischen Systemen. Gleichzeitig wird die Massenfertigung deutlich produktiver. Herzstück der Investition bildet der Bau einer neuen, vollautomatisierten Chipfabrik für die Fertigung auf 300Millimeter-Dünnwafern. Die neue, hocheffiziente Fabrik wird im End-

ausbau eine Gebäudefläche von etwa 60.000 m2 umfassen. Der Produktionsstart ist in der ersten Hälfte 2021 geplant. Darüber hinaus wird ein neues Gebäude für Forschung und Entwicklung mit einer Fläche von rund 20.000 m2 errichtet, dessen Finalisierung 2020 erfolgen soll. Insgesamt schafft der Ausbau rund 750 zusätzliche Arbeitsplätze, wovon 400 in der neuen Chipfabrik und 350 im Bereich Forschung und Entwicklung angesiedelt sein werden. Vor allem Instandhaltungstechniker, Elektrotechniker, IT-Fachkräfte, Chemiker und Physiker werden hier benötigt. Den gesteigerten Anforderungen an die Infrastruktur wird mit der parallelen Errichtung eines neuen Parkhauses für 900 Fahrzeuge begegnet. Den Abschluss des offiziellen Teils bildete eine Präsentation über die Projektorganisation von Frau Peggy Möbius. Darin wurde gezeigt, wie mittels Multiprojektmanagement die Beherrschung der Komplexität erfolgt und wie das eigens installierte Projektmanagementoffice den Projekterfolg unterstützt. Ausklang der Veranstaltung bildeten interessante Gespräche bei Brötchen und Getränken auf Einladung von Infineon. Unser herzlicher Dank für die Initiative und Organisation dieser sehr interessanten Veranstaltung gilt Herrn Dr. Andreas Wittmann. Seitens des Regionalkreises wünschen wir alles Gute für den weiteren erfolgreichen Ablauf dieses herausragenden Großprojekts.

WING-Regionalkreis Kärnten und Osttirol - Veranstaltung; Fotos: Sigrid Weller

WINGbusiness 1/2019

49


IMPRESSUM

WING to your success …wir sind für Sie garantiert von Nutzen …

Gerade in Zeiten wie diesen stellen ein reizvoller Workshop, das Verteilen von lukrativen Flyern oder eine interessante Firmenpräsentation effiziente und kostengünstige Möglichkeiten zur Werbung für Unternehmen in Fachkreisen dar.Hervorzuheben ist der Zugang zur Technischen Universität als Innovations- und Forschungsstandort der besonderen Art, denn im Zuge von Bachelor- und/oder Masterarbeiten können Sie Studenten in Ideen für Ihre Firma miteinbeziehen und mit ihnen innovative Lösungen ausarbeiten. Nicht zuletzt wird auf diesem Weg auch für die Zukunft vorgesorgt. Denn schließlich sind es die heutigen Studenten der Technischen Universität, die morgen als Ihre Kunden, Händler oder Lieferanten fungieren. Mit WINGnet-Werbemöglichkeiten kann man diese nun schon vor dem Eintritt in das Berufsleben von sich und seiner Firma überzeugen und somit eine gute Basis für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen. WINGnet Wien veranstaltet mit Ihrer Unterstützung Firmenpräsentationen, Workshops, Exkursionen sowie individuelle Events passend zu Ihrem Unternehmen. WINGnet Wien bieten den Studierenden die Möglichkeit- zur Orientierung, zum Kennenlernen interessanter Unternehmen und Arbeitsplätze sowie zur Verbesserung und Erweiterungdes universitären Ausbildungsweges. Organisiert für Studenten von Studenten.Darüber hinaus bietet WINGnet Wien als aktives Mitglied von ESTIEM (European Students of Industrial Engineering and Management) internationale

WINGbusiness Impressum Medieninhaber (Verleger) Österreichischer Verband der ­Wirtschaftsingenieure Kopernikusgasse 24, 8010 Graz ZVR-Zahl: 026865239 Editor Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Siegfried Vössner E-Mail: voessner@tugraz.at Redaktion/Layout Chefin vom Dienst & Marketingleiterin: Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at Redakteure Dipl.-Ing. Sigrid Weller BSc. E-Mail: sigrid.weller@tugraz.at Dipl.-Ing. Ines Korajman BSc. E-Mail: ines.korajman@tugraz.at Dipl.-Ing. Dr. Dietmar Neubacher E-Mail: dietmar.neubacher@tugraz.at Dipl.-Ing. Theresa Passath BSc. E-Mail: theresa.passath@unileoben.ac.at Ortbauer Bernhard MSc., BSc. E-Mail: bernhard.ortbauer@tugraz.at Dipl.-Ing. Andreas Kohlweiss, BSc E-Mail: andreas.kohlweiss@tugraz.at Anzeigenleitung/Anzeigenkontakt Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795,E-Mail: office@wing-online.at

Veranstaltungen und Netzwerke. In 24 verschiedenen Ländern arbeiten 66 Hochschulgruppen bei verschiedenen Aktivitäten zusammen und treten so sowohl untereinander als auch zu Unternehmen in intensiven Kontakt. Um unser Ziel - die Förderung von Studenten - zu erreichen, benötigen wir Semester für Semester engagierte Unternehmen, die uns auf verschiedene Arten unterstützen und denen wir im Gegenzug eine Möglichkeit der Firmenpräsenz bieten. Die Events können sowohl in den Räumlichkeiten der TU Wien als auch an dem von Ihnen gewünschten Veranstaltungsort stattfinden. Weiters können Sie die Zielgruppe individuell bestimmen. Sowohl alle Studienrichtungen als auch z.B. eine Festlegung auf Wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ist möglich. Außerdem besteht die Möglichkeit eine Vorauswahl der Teilnehmer, mittels Ihnen vorab zugesandten Lebensläufen, zu treffen. Auf unserer Webseite http://www.wing-online.at/de/wingnetwien/ finden Sie eine Auswahl an vorangegangenen Events sowie detaillierte Informationen zu unserem Leistungsumfang WINGnet Wien: Theresianumgasse 27, 1040 Wien, wien@wingnet.at ZVR: 564193810

50

Druck Universitätsdruckerei Klampfer GmbH, 8181 St. Ruprecht/Raab, Barbara-Klampfer-Straße 347 Auflage: 2.500 Stk. Titelbild: Adobe Stock WING-Sekretariat Kopernikusgasse 24, 8010 Graz, Tel. (0316) 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at WING-Homepage: www.wing-online.at Erscheinungsweise 4 mal jährlich, jeweils März, Juni, Oktober sowie Dezember. Nachdruck oder Textauszug nach Rück­sprache mit dem Editor des „WINGbusiness“. Erscheint in wissenschaftlicher Zusammen­arbeit mit den einschlägigen Instituten an den Universitäten und Fachhochschulen Österreichs. Der Wirtschaftsingenieur (Dipl.-Wirtschaftsingenieur): Wirtschaftsingenieure sind wirtschaftswissenschaftlich ausgebildete Ingenieure mit akademischem Studienabschluss, die in ihrer beruflichen Tätigkeit ihre technische und ökonomische Kompetenz ganzheitlich verknüpfen. WING - Österreichischer Verband der Wirtschaftsingenieure ist die Netzwerkplattform der Wirtschaftsingenieure. ISSN 0256-7830

WINGbusiness 1/2019


BUSINESS MODEL LAB Im Business Model Lab arbeiten wir gemeinsam mit Unternehmen an Ihren Problemstellungen rund um das Thema Geschäftsmodelle. Unsere Kompetenzen bringen wir in Form von Know-how Transfer, maßgeschneiderten Workshops und Betreuung von Studierendenarbeiten ein. Das Lab ist angesiedelt am Institut für Unternehmungsführung und Organisation der Technischen Universität Graz.

UNSER LEISTUNGSANGEBOT

SCIENCE-INDUSTRY-

KNOW-HOW TRANSFER

COLLABORATION

Unternehmen können aus einer

Vernetzung mit Studierenden in

Vielzahl an Modulen die für Sie

ausgewählten Lehrveranstaltungen

passenden auswählen.

des Instituts.

Kick-Off

Grundlagen-Module

Wissenschaftliche Arbeiten:

Geschäftsmodellentwicklung

ż Bachelorarbeit

Geschäftsmodell-Umfeldanalyse

ż Masterarbeit ż Dissertation Ausarbeitung von Fallstudien Studierenden-Projekte

PROJECTS Abwicklung von Projekten, an die Problemstellung des Unternehmens angepasst.

Analyse des bestehenden Geschäftsmodells

Projektabwicklung Umfeldanalyse, Lösungserarbeitung, Implementierungsplan

Wrap-up Zusammenfassung der Projektergebnisse, weiteres Vorgehen

Aufbau-Module Digitale Geschäftsmodelle Disruptive Geschäftsmodelle Szenariobasierte Geschäftsmodelle

UNSERE ZIELGRUPPE

Technische Universität Graz Institut für Unternehmungsführung und Organisation

Das Business Model Lab ist konzipiert für Geschäftsführer, Manager, interdisziplinäre Teams, Projektgruppen und Entrepreneure, die vor der Herausforderung stehen, teils disruptive neue Geschäftsmodelle entwickeln zu müssen oder den Status-quo des bestehenden Geschäftsmodells zu hinterfragen und innovative Lösungen zu entwickeln.

IHR NUTZEN Identifikation von Potenzialen und Entwicklungsmöglichkeiten für Ihr Geschäftsmodell auf Basis

IHRE ANSPRECHPARTNER Univ.-Prof. DI Dr. Stefan Vorbach stefan.vorbach@tugraz.at Tel.: +43 316 873 7500

Diskussion von Status Quo und Best-Practice Beispielen mit Expertinnen und Experten Vernetzung mit Studierenden – Ihren potentiellen zukünftigen Mitarbeiterinnen

Ass. Prof. DI Dr. Christiana Müller christiana.mueller@tugraz.at

Lunghammer – TU Graz

neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.