Winterliches Brandenburg (Leseprobe)

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Winterliches

BRANDEN BURG

Die schönsten Ziele für Spaziergänge und Wanderungen

Frank Goyke BeBra Verlag

Jede Begehung der beschriebenen Wege geschieht auf eigene Verantwortung. Für Unfälle oder Gefährdungen, die sich aus der Wegeführung ergeben, übernehmen Autor und Verlag keine Haftung. Die Angaben zu Öffnungszeiten von Museen, Gaststätten und dergleichen erfolgen ohne Gewähr.

Stand der Informationen: August 2022

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© edition q im be.bra verlag GmbH Berlin-Brandenburg, 2022 Asternplatz 3, 12203 Berlin post@bebraverlag.de

Lektorat: Matthias Zimmermann, Potsdam Umschlag: Fernkopie, Berlin Satz: typegerecht berlin Schrift: Milo 9/12,5 pt Druck und Bindung: DZS GRAFIK, Ljubljana ISBN 978-3-86124-757-9

www.bebraverlag.de

Inhalt

Nördliches Brandenburg

1 Ein Muss für Winterausflügler mit Kindern 12 Himmelpfort mit dem Wunschbriefkasten des Weihnachtsmannes

Auf dem Weg zum Weihnachtspostamt 20 Fürstenberg

3 Jagdreviere der Mächtigen und die Heiden von Kummerow 28 Angermünde und der Wolletzsee

Auch für Nichtverliebte geeignet 38 Rheinsberg

Gotische Träume eines Baumeisters 46 Chorin

Noch mehr gotische Träume 54 Joachimsthal

»In der Bahnhofshalle geht ein Huhn« 58 Ein Wintertag in Birkenwerder

Östliches Brandenburg 66

Wo auch Kurfürsten kurten 68 Bad Freienwalde

Um, bei, nach oder von Freienwalde fort 86 Winterwanderungen in der Umgebung

Braunkohle, Brecht und der Buckower Kessel 102 Rundwanderung um dem Schermützelsee

Vorwort 8
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Denn das Gute liegt so nah 110 Strausberg und der Straussee

12 Das Gute noch näher 120

Winterwanderung durchs Erpetal von Hoppegarten nach Friedrichshagen

Südliches Brandenburg 126

13 Böse Riesen, Mühlenspuk und ein Schwarzer Berg 128

Der Moorlehrpfad bei Raddusch im Spreewald

14 Auf dem Weg in den Spreewald 136 Lübbenau

15 Pilgern im Winter 142

Auf dem Jakobsweg von Beelitz nach Treuenbrietzen

16 Der Landsitz eines Operettengenerals 148 Winterspaziergang durch Blankensee bei Trebbin

17 Rundwanderung um den Schwielowsee 154 Caputh – Baumgartenbrück – Petzow – Ferch – Caputh

Westliches Brandenburg 172

18 Ein Schulreformer, Fischteiche und ein Künstlerhof 174 Der Rochow-Wanderweg Reckahn

19 Winterpilgern in der schönen Prignitz 180

Der Annenpfad bei Kloster Heiligengrabe

20 Für Einkehrwillige 186 Wittstock/Dosse

21 Undine im Schlosspark 190 Nennhausen

22 Ein Sommersitz im Winter 194 Spaziergang durch Paretz und Ketzin

23 Brandenburg alpin 200

Die Glindower Alpen

24 Vom Waffenplatz zur Wildnis 208 Döberitzer Heide

25 Ein Heiliger See, ein Jüdischer Friedhof und ein russisches Dorf 212 Ein Winterspaziergang in Potsdam

Anhang Tipps für Winterausflüge 219 Quellen und Literatur zum Weiterlesen 221 Übersichtskarte 222 Bildnachweis 224 Der Autor 224 Winterliche Ausflugsfreuden

Vorwort

Ein Tag Winterurlaub sei so gesund wie zwei Tage im Sommer, weiß der Volks mund. Ob dies so stimmt, sei einmal dahingestellt, auf jeden Fall eignet sich auch der Winter für zahlreiche schöne Ausflüge ins Land Brandenburg. Bereits an dieser Stelle möchte man Pontius Pilatus’ Frage »Quid est veritas?« (Was ist Wahrheit?) abwandeln zu: »Was ist Winter?« Die Erfahrungen der letzten Jahre –und auch die Fotos in diesem Buch – weisen ja darauf hin, dass es so einen rich tigen Winter mit Eis und Schnee kaum mehr gibt, und der weltweite Anstieg der Temperaturen lässt für die Zukunft nicht allzu viel hoffen. Umso mehr müsste ein knackiger Wintertag Ansporn sein, sofort die Sachen zu packen und sich auf den Weg zu machen. Andererseits sollte zum Wandern oder wenigstens für einen Spaziergang in freier Luft immer Zeit und Gelegenheit sein, auch wenn sich die Winterwanderung als noch Herbst- oder als schon Frühlingsausflug darstellt.

Das Buch »Winterliches Brandenburg« enthält eine Vielzahl von Ausflügen in alle Himmelsrichtungen – von Spaziergängen durch romantische Schloss parks über Spaziergänge, die sich nach Lust und Laune zu kleinen oder grö ßeren Wanderungen ausweiten lassen, bis zu regelrechten Ganztags-Wander ausflügen, wobei die Grenzen natürlich fließend sind: Was dem einen noch ein Spaziergang, ist dem anderen schon eine Wanderung. Hier und da gibt es Tipps für winterliche Spezialangebote von Hotels oder anderen touristischen Einrichtungen, manchmal wird auch auf Möglichkeiten für Wintersport ver wiesen – es würde die Intelligenz der Leserinnen und Leser beleidigen, wenn angemerkt würde, unter welchen Bedingungen Rodeln, Eislaufen und Skifahren nur möglich sind. Das Ordnungsprinzip folgt dabei nicht der Länge des Weges, sondern in der Regel der Entfernung von Berlin, sodass die ferneren Ziele zuerst dargestellt werden; mitunter wird die Regel aber auch gebrochen, etwa, um ein besonders schönes oder interessantes Ziel herauszustellen.

Zu jedem Ausflugsziel gibt es Hinweise zu besonderen Sehenswürdigkeiten, zur Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Museen und zu gastro nomischen Einrichtungen. Leider ist es so, dass Gaststätten in kleineren Orten in den Wintermonaten geschlossen, dass Kirchen nicht besichtigt werden kön nen, dass Museen eingeschränkte Öffnungszeiten haben. Auch die Erreichbar keit mancher Orte ist problematisch, oft verkehren an den Wochenenden keine Busse. Das heißt, mitunter wird man auf Rucksackverpflegung zurückgreifen müssen und sich für die Anreise mit dem Auto entscheiden. Allerdings gibt es

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für all die Wanderungen, bei denen am Wegesrand keine Einkehr für Speis und Trank möglich ist, immer ein paar Gaststättentipps in benachbarten größeren Orten; meistens handelt es sich um Orte, die man ohnehin passieren muss, und oft sind sie auch als eigenständiges Ausflugsziel reizvoll.

Abschließend sei noch auf zweierlei hingewiesen: Wie jedes Buch hat auch »Winterliches Brandenburg« nur einen beschränkten Umfang. Das heißt, es gibt natürlich noch viel mehr schöne und interessante Städte, Dörfer, Schlösser und Landschaften, deren Besuch sich auch im Winter lohnt. Und um noch einmal auf die Fotos zurückzukommen: Verlag und Autor sind sich einig, dass ein Buch zu winterlichen Ausflügen, das nur Bilder schneebedeckter Landschaften ent hält, inzwischen unglaubwürdig wäre. Die Fotos spiegeln die verschiedenen Wettervarianten wider, die den Autor bei seinen Recherchen begleitet haben: Sozusagen die »winterliche Wahrheit« unserer Zeit.

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Döberitzer Heide

Nördliches Brandenburg

1 Ein Muss für Winterausflügler mit Kindern Himmelpfort mit dem Wunschbriefkasten des Weihnachtsmannes

Wenn man sich vorstellt, dass es allein in Deutschland neben drei Postämtern für das Christkind und zwei für den Nikolaus auch zwei für den Weihnachts mann gibt, daneben auch noch welche im Ausland – z. B. Österreich, Schweiz, Grönland, Dänemark, Finnland, Schweden, Großbritannien, Belgien, Frankreich u. a. – dann kommt einem der Weihnachtsmann beinahe wie der CEO eines Großkonzerns namens »Der Weihnachtsmann« vor, der überall auf der Welt De pendancen unterhält.

Eine dieser Niederlassungen befindet sich in dem kleinen Dorf und staatlich anerkannten Erholungsort Himmelpfort, seit 2003 Teil der Stadt Fürstenberg/ Havel und nahe an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern gelegen. 1299 stiftete Markgraf Albrecht von Brandenburg ein Kloster für Mönche des Zisterzienserordens, das er auch als seine Grablege bestimmte. In einer alten Schrift, dem 1858 erschienenen und vom Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg herausgegebenen Band 6 der »Märkischen Forschungen« heißt es zur Entstehung des Klosters in der blumig-umständlichen Sprache der Zeit: »Al brecht III. … wurde im Jahre 1299 Stifter des Klosters Himmelpforte, und zwar, wie er selbst in der Stiftungs-Urkunde sagt, auf den Rath und mit Hülfe des ehr würdigen Vaters und Herrn Johannes, Abts des Klosters Lehnin. […] Mitten in meilenweiten Kiefern- und Buchenwaldungen, in der Nähe von vielen fisch reichen Seen und auf einer schmalen Landenge zwischen dem größeren, von der Havel durchflossenen Stolp-See und drei kleineren: dem Haus-See, Siedow und Moderfitz, deren ersterer mit dem Stolp-See durch zwei Kanäle verbunden ist, da, wo der Boden sich zu sandigen Hügeln erhebt, hatte jener Abt eine neue Zufluchtstätte der Anbetung erwählt, welche durch keine bedeutende Heer straße berührt wurde, und welche die Mönche von dem Getümmel der Welt geschäfte vollkommen absondern sollte. […] Nur gegen Westen war der Blick frei über den mit dunklen Wäldern umgebenen Stolp-See, an dessen Ende wir den Thurm der mecklenburgischen Stadt Fürstenberg in den Horizont hinein reichen sehen.« Soweit Ernst Kirchner (1802–1879), Theologe, Schriftsteller und Superintendent in Gransee.

Abgesondert vom Getümmel der Weltgeschäfte kommt einem Himmelpfort im Winter tatsächlich vor; fast alle gastronomischen Einrichtungen haben ge schlossen. An Wochentagen kann man allerdings in der Tourist-Information einen Kaffee bekommen, ansonsten gibt es im nahen Fürstenberg zahlreiche Cafés und Restaurants. Doch dazu später.

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1309 wurden erstmals Abt und Konvent zu Himmelpfort (lat. Coeli porta) er wähnt, zu diesem Zeitpunkt waren also bereits Mönche aus dem Mutterkloster Lehnin auf die Landzunge zwischen Haussee und Stolpsee gezogen. Das Kloster erhielt reiche Besitzungen im Umland (Dörfer, Seen, Wald u. a.), aber so recht wollte es mit seinem Wachstum nicht vorangehen – vor allem Überfälle und Plünderungen verhinderten es. Auch die wechselnde weltliche Herrschaft trug dazu bei: Als es sich unter mecklenburgischer Oberhoheit befand, plünderten es Ritter aus der Mark, als es unter brandenburgischer Oberhoheit stand, kamen die Räuber aus Mecklenburg. Die Grenzlage erwies sich also als schicksalhaft. 1541 wurde das Kloster dann als erstes in der Mark säkularisiert.

Von der Klosteranlage ist nicht mehr viel erhalten, trotzdem lohnt sich die Visite. Direkt an der Klosterstraße steht die Ruine des sogenannten Brauhauses, eines früheren Wirtschaftsgebäudes, dessen Funktion unklar ist. Im »Dehio« für Brandenburg – dem von den Kunsthistoriker Georg Dehio begründeten Hand buch der Deutschen Kunstdenkmäler – heißt es: »Ehem. Kornhaus, sog. Brau haus, jetzt Wohnungen, im südl. Klosterareal. Langgestreckter zweigeschossiger Backsteinbau mit Satteldach, vermutlich E. 14. Jh. Im schönen Westgiebel an steigende Zwillingsblenden, das Obergeschoss mit schmalen Lanzettfenstern, die Ostseite und das Untergeschoss im 19. Jh. verändert. – Westl. der Anlage Reste der Klostermauer.«

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Tourist-Information Himmelpfort

Als diese Zeilen geschrieben wurden, hatte der Feuerteufel noch nicht ge wütet: Das »Brauhaus« fiel einer Brandstiftung zum Opfer. »In den frühen Mor genstunden des 21. August 2010 ist in Himmelpfort das Brauhaus bis auf die Umfassungsmauern niedergebrannt«, heißt es auf der Webseite kloster-him melpfort.de. »Als die Feuerwehr am Brandort eintraf, stand bereits der gesamte, fast 50 Meter lange Dachstuhl in Flammen. Daher war es nicht mehr möglich, die Zerstörung der ganzen Dach- und Innenkonstruktion des Gebäudes zu verhindern. Über die Ursache des Brandes kann nach so kurzer Zeit lediglich spekuliert werden. Leider gab es in den vergangenen Monaten in Himmelpfort eine ganze Serie von Brandlegungen an leerstehenden Gebäuden, viele davon in direkter Nähe zum jetzt niedergebrannten, so daß vielerseits von einem Zu sammenhang dieser Ereignisse ausgegangen wird. […] Die große ortsbildprä gende und historische Bedeutung des Gebäudes macht diesen Brandschaden zu einem sehr schweren Verlust für Himmelpfort.« Inzwischen gibt es eine Bürgerstiftung, die sich für die Sanierung des schwer beschädigten Gebäudes einsetzt.

Wenn man in Himmelpfort ist, lohnt sich ein Spaziergang um den Haussee, der Weg ist knappe 4 km lang (damit soll nicht gesagt sein, dass es sich nicht ebenso lohnt, die anderen Seen wie Sidowsee oder Moderfitzsee und vielleicht noch den Piansee zu umrunden, die Wege sind nur länger). Die Wanderung

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Brandenburg Ruine des Brauhauses (li.) und der Klosterkirche

Klosteranlage zur Weihnachtszeit

kann am Brauhaus beginnen, dahinter gibt es einen schönen Spielplatz. Lin ker Hand erhebt sich die Ruine der ehemaligen Klosterkirche. Dabei handelt es sich um eine Anfang des 14. Jhs. geschaffene Backsteinbasilika, die in teilweise romanischen, also eigentlich schon aus der Zeit gefallenen Formen errichtet worden war. Nur der Ostteil ist unter Dach und dient seit 1663 als Pfarrkirche, während das Langhaus 1858, als Kirchner die hiesigen Bauten beschrieb, als Scheune diente – die Arkaden waren zugemauert oder mit Toren verschlossen. Inzwischen wurden sie wieder freigelegt und die romantisch mit Efeu berankte Ruine kann betreten werden.

Der mit einem gelben Kreis auf weißen Grund markierte Hausseerundweg führt immer am Seeufer entlang. Zwei Brücken sind zu überqueren: eine über die Verbindung zwischen Haus- und Moderfitzsee, eine über die Woblitz. Kurz vor oder kurz nach der ersten Brücke kann man sich entscheiden, ob man den Rundweg um den Moderfitzsee machen möchte. Am Haussee bleibend, erreicht man eine Badestelle mit kleinen offenen Holzhäusern, in denen man sich zu einem Imbiss niederlassen kann – allerdings haben auch Vögel dieses Quartier entdeckt, und entsprechend sehen die Sitzbänke aus. Wenig später gelangt man zu der imposanten hölzernen Brücke über die Woblitz, einem linken Nebenfluss der Havel, der den Haussee durchfließt und nach der Himmelpforter Schleuse in den Stolpsee und damit in die Havel mündet, da dieser von der Havel durchflos

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sen wird. Der Rundweg entfernt sich nun vom Haussee, und nach einer Wande rung durch Feuchtgebiete im südöstlichen Uferbereich ist man bald wieder in Himmelpfort.

Um die Mitte des 19. Jhs. begann in Himmelpfort die Binnenschifffahrt zu einem wichtigen, wenn nicht dem wichtigsten Wirtschaftszweig zu werden. In der 1891 gegründeten Innung waren immerhin 42 Schiffer vertreten. Als der Ort 1899 allerdings einen Bahnanschluss bekam – an die inzwischen längst einge stellte Bahnverbindung von Fürstenberg nach Britz –, avancierte der Fremden verkehr zur bedeutenden Einkommensquelle. Davon zeugt z. B. das Landhaus Himmelpfort am See, das auf eine fast 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, zu der auch eine »Karriere« als FDGB-Erholungsheim »Werner Schau mann« gehört. Der Kaufmannssohn Schaumann (1908–1943) gehörte gemein sam mit seiner Ehefrau Elfriede während der NS-Herrschaft einer kommunis tischen Widerstandsgruppe an, die Flugblätter und -schriften verbreitete. Im Frühjahr 1942 flog die Gruppe auf. Elfriede Schaumann nahm sich in der Haft das Leben, Schaumann und weitere Widerstandskämpfer wurden vom Volksge richtshof zum Tode verurteilt und in Plötzensee hingerichtet. Ein auffälliges Gebäude linker Hand am Beginn der Stolpseestraße ist die Mühle, ein Bauwerk, dessen Ursprünge in das 18. Jh. zurückreichen, das aber vielfach umgebaut wurde. Um 1920 soll der Mühlenbetrieb aufgegeben worden

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Nördliches Brandenburg Am Haussee (o. li.), Mühle Himmelpfort (o. re.) und Woblitzbrücke

sein, das Speichergebäude wurde zur Unterkunft umgebaut, das Mühlengebäude zum Elektrizitätswerk. Während der DDR-Zeit diente das Areal als Kinder- und Ferienheim. Inzwischen haben mutige Enthusiasten Speicher, Mühle, Remise und Anbau einer neuen Nutzung zugeführt: Sie dienen als Gästehaus für Urlaub oder Arbeitsaufenthalt, es gibt Seminar- und Entspannungsräume, Veranstal tungen werden durchgeführt, die Bürgerstiftung hat hier ihren Sitz und die Salz mann-Bibliothek hat in den Räumen der Mühle ein Domizil gefunden. Zu dieser Bibliothek heißt es auf der Webseite der Mühle: »DIE SALZMANN BIBLIOTHEK der Familie Sommer beherbergt rund 5.000 deutschsprachige literarische, poli tische und philosophische Werke aus allen Perioden des 20. Jahrhunderts. Dazu Kataloge bedeutender Sammlungen und Ausstellungen, Bildbände und Biogra fien von Künstler, Schauspielern und Musikern, die der Sammler während rund fünf Jahrzehnten gesammelt hat. Für sein ›Archiv der Verbotenen und Verbrann ten‹, also jener Bücher, die 1933 von den Nazis verbrannt wurden, wurde Georg P. Salzmann vielfach ausgezeichnet. Die Sammlung ging 2009 auf Vermittlung des Bayerischen Kultusministeriums als Forschungsbibliothek an die Universi tät Augsburg. Die Bibliothek in Himmelpfort ist die Hinterlassenschaft an seine Kinder, die sich 2013 in Himmelpfort niederließen. Seit September 2017 ist die Salzmann Bibliothek wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.« Übrigens gehört auch eine Krimi-Bibliothek dazu.

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Badestelle am Haussee

Weg an der Klosterkirche

Auf der Klosterstraße geht es zurück zum Ausgangspunkt, dem Klosterge lände. Dem Brauhaus gegenüber befindet sich der Klostergarten, wenige Meter weiter auf der rechten Seite erscheint das Gebäude der Tourist-Information mit dem Weihnachtsmann-Postamt. Alles begann 1984, als zum ersten Mal zwei von Kindern an den Weihnachtsmann geschriebene Briefe in Himmelpfort eintra fen. Eine Mitarbeiterin beantwortete sie und entfesselte damit einen Sturm, den niemand mehr einfangen kann: Im Jahr 2020 wurde mit 320.000 Zuschriften ein Rekord erreicht.

Achtung: Am Wochenende gibt es keinen Busverkehr zwischen Fürstenberg/ Havel und Himmelpfort. Es empfiehlt sich also die Anreise mit dem PKW. Sehr Sportliche können auch wandern: Die Etappe 1a des Märkischen Landwegs führt von Fürstenberg nach Himmelpfort, sie ist allerdings 20 km lang! Die 11 km lange Fortsetzung führt von Himmelpfort nach Lychen – von dort gibt es auch Sa/So einen Öffentlichen Nahverkehr (Bus nach Fürstenberg).

Entfernung: Rundweg von der Ruine des Brauhauses um den Haussee = ca. 4 km

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Tourist-Information Fürstenberger Seenland, Markt 5, 16798 Fürstenberg/Havel, Tel.: 033093/322 54, Mail: info@fuerstenberger-seenland.de, Nov–Apr Mo–Fr 10–12 Uhr u. 13–16 Uhr

Es empfiehlt sich unbedingt, die hier aufgeführte gastronomische Einrichtung vor einem Besuch zu kontaktieren! Im Winter sind die meisten Einrichtungen geschlossen. Café und Bistro im Weihnachtshaus, Klosterstr. 23, Tel.: 033089/418 88, info@weihnachtshaus-himmelpfort.de

 Klosterruine, Klostergarten, die umgebenden Seen

 Eine Besichtigung der Klosterkirche St. Marien ist im Winter nicht möglich.

Von Berlin (Hbf und/oder Gesundbrunnen) verkehren mehrmals täglich Regionalzüge nach Fürstenberg/Havel. Vom dortigen Bahnhof verkehrt Bus 839 nach Himmelpfort (Richtung Bredereiche). Achtung: Kein Busbetrieb an den Wochenenden!

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HAUSSEE KLOSTER HIMMELPFORT

2 Auf dem Weg zum Weihnachtspostamt Fürstenberg

Wer sich mit dem Zug nach Himmelpfort aufmacht, kommt auf jeden Fall nach Fürstenberg, sodass man einen Besuch beim Weihnachtsmann durchaus mit einer Besichtigung der »Wasserstadt« an der Havel verbinden kann – zumal das gastronomische Angebot namentlich im Winter weitaus besser ist. Doch Fürs tenberg lohnt auch eine separate Visite. Die Stadt liegt an drei von der Havel durchflossenen Seen, von West nach Ost: dem Röblin-, dem Baalen- und dem Schwedtsee. Aber die ganze Umgebung ist seenreich, wobei das bekannteste, weil auch zu literarischen Ehren gekommene Gewässer wohl der Stechlin sein dürfte. Dorthin verkehren auch am Wochenende Busse.

1287 wurde Fürstenberg erstmals urkundlich erwähnt, 1318 zum ersten Mal als Stadt. Die askanischen Markgrafen von Brandenburg ließen hier eine Burg errichten, die günstige Lage an einem Havelübergang führte auch bald zur Ent stehung einer »bürgerlichen« Ansiedlung im Schutze der Burg. Schon 1348 ge riet die Stadt in mecklenburgischen Besitz, seit 1701 gehörte sie zum Herzogtum, später Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz und blieb mecklenburgisch bis 1950. Die Existenz einiger Bauwerke erklärt sich aus eben dieser Zugehörigkeit.

Im Zuge der Sanierung der Fürstenberger Innenstadt hat die Stadtverwaltung einen Altstadtrundgang mit 21 Stationen entwickelt, dem wir folgen wollen; ein entsprechendes Faltblatt gibt es in der Tourist-Information am Markt, wo der Rundgang auch beginnt. An vielen Orten sind Schautafeln mit Erklärungen auf gestellt, man kann aber auch einen QR-Code scannen und so die Erklärungen auf dem Smartphone lesen.

Wie gesagt, die erste Station ist der Markt, also die Gute Stube der Stadt. Nicht nur dieser Platz, die ganze Stadt wird vom Turm der Stadtkirche domi niert, die 1844–48 nach Plänen des Architekten Friedrich Wilhelm Buttel (1796–1869) errichtet wurde. Buttel, der 1816–19 in Berlin studierte und an der Bau akademie Karl Friedrich Schinkel kennenlernte, wurde dank dessen Fürsprache bereits 1821 Baubeamter im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz. Eine Reihe bedeutender Bauten sind ihm, der auch als Erfinder der Dachpappe gilt, zu ver danken: die Umgestaltung der Marienkirche in Neubrandenburg, der Turm der Stadtkirche in Neustrelitz, ebenfalls in Neustrelitz das Rathaus und die Oran gerie und eben die Fürstenberger Stadtkirche, die ihre Herkunft aus der Schin kelschule nicht verleugnen kann. Es handelt sich um einen kreuzförmigen Bau aus gelbem Backstein mit einer Apsis im Westen, was eigentlich unüblich ist, jedoch der Öffnung der Kirche zum Marktplatz dient. Die imposante Wirkung

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Stadtkirche, Schloss, Rathaus (u. li.) und Turmvilla (u. re.)

Gänsehavel

der Marktseite verdankt das Bauwerk der dreigliedrigen und dreigeschossigen Ostfassade mit ihrer reichen Blendengliederung sowie vor allem dem hohen, schlanken Turmaufsatz mit seinem Spitzhelm.

Die Bebauung des Marktplatzes stammt ansonsten überwiegend vom An fang des 19. Jhs., als die Stadt nach einem Feuer wiederaufgebaut werden musste. Zwei Gebäude sollen hervorgehoben werden, das zur Zeit des Neuaufbaus in klassizistische Formen errichtete Wohnhaus des Kaufmanns Lupelow, in dem sich heute u. a. die Tourist-Information und eine heimatkundliche Ausstellung befinden, sowie das Rathaus an der nordöstlichen Ecke zur Brandenburger Straße, das um 1810 erbaut und 1994–97 komplett saniert wurde.

Geht man nun die Brandenburger Straße in nördliche Richtung entlang, gelangt man zur Schulhavel, an der sich linker Hand der Baukörper der Alten Burg erstreckt, die ihrer Sanierung noch harrt. Das auf den Fundamenten einer Wasserburg entstandene Gebäude war ursprünglich eine Vierflügelanlage, doch wurde diese bei einem Brand zerstört und Anfang des 18. Jhs. wiederaufgebaut. Bis 1978 diente die Alte Burg als Schule, dann als Hort und Heimatmuseum. Seit deren Auszug wurden Sicherungsmaßnahmen durchgeführt, aber leider blieb es dabei, sodass das Gebäude einen wenig erfreulichen Anblick bietet.

Jenseits der Schulhavel überrascht das Schloss, eine große dreiflügelige Ba rockanlage, die ihre Entstehung der Zugehörigkeit zu Mecklenburg verdankt;

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1741–52 wurde sie nämlich durch den Hofbaumeister Christian Löwe (um 1690–um 1752) als Witwensitz für die Herzogin Dorothea Sophia (1692–1765) errichtet. Dorothea Sophia von Schleswig-Holstein-Sondernburg-Plön war die Ehefrau von Adolf Friedrich III. Herzog zu Mecklenburg (dem Teilstaat Strelitz), der von 1686 bis 1752 lebte und die Residenzstadt Neustrelitz gründete. Das Schloss wurde von der Stadt 2006 an einen Investor verkauft, der die Anlage zum Well nesshotel umgestalten wollte – wozu auch sonst! Der straßenseitige Mittelrisalit mit seinen Rokoko-Formen, die allerdings von 1913 stammen, wurde saniert, nun ruht der Bau. Was fehlt? Natürlich Geld. Aber vielleicht wird auch das zigste Wellnesshotel nicht unbedingt gebraucht.

Einst umgab das Schloss ein großer Park, was für Schlösser ja nicht unge wöhnlich ist. Die Teile hinter dem Schloss verkommen, der zum Haussee abfal lende Teil jedoch wurde bereits 1911–13 zu einem Stadtpark umgestaltet, und ein Stadtpark ist er noch. Er ist klein, aber fein.

Der Rückweg führt uns nach dem erneuten Überqueren der Schulhavel nach links in die Wallstraße, deren Name eine Reminiszenz an die im 19. Jh. geschleifte Stadtmauer ist. Nachdem Fürstenberg 1877 Anschluss an die Berliner Nordbahn erhalten hatte, entwickelte sich neben der Industrie vor allem der Fremdenverkehr. Auch wohlhabende Berliner entdeckten die landschaftlichen Reize und die gute Luft, manche von ihnen ließen sich zumindest zeitweise

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Fachwerkhaus in der Altstadt (o. li.), Tourist-Info (o. re.), Kontorhaus (u. li.), Altstadt

nieder und errichteten komfortable Villen, so z. B. das in einem neoklassizisti schen Stil errichtete Landhaus Wallstraße 24. Bei diesem um 1900 erbauten und 1912 erweiterten Villenbau fällt vor allem der eingeschossige Altan mit Balkon ins Auge – auf der nicht sichtbaren Seeseite gibt es sogar einen zweigeschossi gen und im Obergeschoss verglasten Altan. Weitere sehenswerte Villen befin den sich in der Gartenstraße, die zur Havel führt – hier zugleich Verbindung zwischen Schwedt- und Baalensee. Seit 1996 überspannt eine Holzbrücke für Fußgänger den Fluss und schafft damit eine Verbindung zwischen Altstadt und Havelpark.

Man kann nun den Weg durch die Wallstraße oder die Friedrich-WilhelmStraße fortsetzen und wird auf einige beachtenswerte Fachwerkbauten und Bür gerhäuser stoßen, bis man am Mühlengraben Station 13 des Rundgangs erreicht, das sogenannte Kontorhaus in der Brandenburger Straße 22. Hierbei handelt es sich um ein Wohn- und Geschäftshaus, das um 1870 errichtet wurde, während die Fassadendekoration vom Ende des 19. Jhs. stammt. Etwas weiter nördlich, in den Brandenburger Straße 46, befindet sich ein Wohn- und Geschäftshaus aus der Zeit um 1890 mit einem Mittelgiebel und zwei Dachgauben mit auffal lend vorspringenden Dächern: In diesem Haus erlernte der spätere Archäologe Heinrich Schliemann (1822–1890) den Kaufmannsberuf. Eine Gedenktafel an dem Haus verweist auf seinen Aufenthalt 1836–41. Doch zurück zu dem »Kon

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Fischerhaus

torhaus«, das sich am Mühlengraben befinden, der den Baalensee mit der Gän sehavel verbindet. Nach rechts führt ein Weg am Graben entlang zur Gänseha vel. Am Ende dieses Weges bietet sich dem Besucher ein schöner Blick auf den Grünen Winkel und die sanierten Fischerhäuser mit ihrem Fachwerk, während sich linker Hand der Kulturgasthof Alte Reederei befindet. Ein Steg überspannt den Mühlengraben in Richtung der Fischerhäuser an der Havelstraße, eine weitere Position des ausgeschilderten Altstadt-Rundgangs. Die eingeschossi gen Fischerhäuser zählen zu den ältesten Gebäuden der Stadt. Das ist nur eine Auswahl an sehenswerten Bauwerken – wie erwähnt, gibt es noch viel mehr zu entdecken.

Auf dem Weg zum Bahnhof fällt einem in der Bahnhofstraße 13 an der Ecke zur Pfarrstraße sogar ein Beispiel des Neuen Bauens auf. Es handelt sich eben falls um ein Wohn- und Geschäftshaus, das 1928 erbaut wurde; Bauherr und Architekt sind nicht bekannt. Es ist ein typisches Gebäude der Moderne mit seinem weißen Putzflächen und den Klinkerbändern, die sich ganz um das Ge bäude ziehen und es horizontal gliedern. Der Dekor ist zurückhaltend, fast neu sachlich. Etwas weiter dem Bahnhof entgegen, an der Ecke zur Alten Poststraße, steht das Postamt von 1927. Dessen Architektur folgt einer anderen Richtung der Moderne, nämlich der traditionalistischen, die es auch gibt, die aber weniger im allgemeinen Bewusstsein verankert ist.

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Geschäftshaus im Stil des Neuen Bauens (li.), Sowjetisches Ehrenmal

Empfangsgebäude Bahnhof Fürstenberg

Die Bahnhofstraße führt über die Priesterhavel. Links erstreckt sich ein klei ner Park mit dem sowjetischen Gefallenendenkmal, während das Bahnhofs gebäude schon in Sicht ist: Die Gesamtanlage, die 1877 begonnen und immer wieder erweitert wurde, steht unter Denkmalschutz, wie so vieles in dieser klei nen, mindestens eines Tagesausflugs würdigen Wasserstadt Fürstenberg an der Havel.

Länge Altstadtrundweg vom Bahnhof zum Bahnhof = ca. 2,5 km

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 Tourist-Information Fürstenberger Seenland, Markt 5, 16798 Fürstenberg/Havel, Tel.: 033093/322 54, Mail: info@fuerstenberger-seenland.de, Nov–Apr Mo–Fr 10–12 Uhr u. 13–16 Uhr

 Ristorante Al Porte, direkt am Hafen des Schwedtsees nördlich des Stadtparks, Tel.: 033093/608 30

Sehr empfehlenswert: Kaffeehaus Nazarenko Miroslava, Brandenburger Str. 1, Tel.: 033093/321 15 – selbstgebackene Kuchen und Torten! Hellas – DER Grieche in Fürstenberg/Havel, Markt 9, Tel.: 0174/560 21 06 Ristorante-Pizzeria Bella Napoli, Brandenburger Str. 19, Tel.: 033093/604 68 Chinahaus, Bahnhofstr. 21, Tel.: 033093/613 42 Café Zeitlos, Bahnhofstr. 8, Tel.: 033093/605 00

 Altstadt Fürstenberg, Gedenkstätte Ravensbrück, in der Umgebung: Klosterruine Himmel pfort, Stechlinsee und Neuglobsow

 Heimatkundliche Ausstellung mit Fürstenberger Goldschatz im Haus der Tourist-Information, Am Markt 5, zugänglich während der Öffnungszeiten der Tourist-Information

 Stündlich durchgehende Verbindung von Berlin (Südkreuz, Potsdamer Platz, Hbf, Gesund brunnen) mit RE 5 (Ri. Rostock Hbf).

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MARKT
BAHNHOF
ALTSTADT FÜRSTENBERG
SCHLOSS FÜRSTENBERG BAALENSEEBRÜCKE

3 Jagdreviere der Mächtigen und die Heiden von Kummerow

Angermünde und der Wolletzsee

Wenn man an einen See im Norden Brandenburgs denkt, fällt einem wohl zu erst der Stechlin ein, der es dank Fontanes Roman zu literarischer Berühmtheit gebracht hat. Aber es gibt sehr viele weitere große und kleine Seen, die einen Besuch lohnen. Einer davon ist der 330 ha große Wolletzsee in Angermünde.

Wer mit der Bahn anreist, kann bis Angermünde den Regionalexpress RE 3 nehmen, der vom Berliner Hauptbahnhof eine knappe Stunde benötigt, ab Bahnhof Angermünde dann mit dem Bus 452 Richtung Grumsin bis Gehege mühle fahren und die Wanderung dort beginnen. Das Problem: Der Bus fährt nicht sehr häufig und verkehrt nur von Montag bis Freitag. Das heißt, man muss entweder sehr früh aufstehen oder die Wanderung in der Dunkelheit beenden. Wer das nicht will, reist mit dem PKW an oder beginnt die Wanderung bereits am Bahnhof. In diesem Fall hat der Weg eine Länge von 24 km, mit dem »Schlen ker« nach Altkünkendorf sind es 26 km. Frühes Aufstehen ist also in jedem Fall nötig. Wir beschreiben hier den Weg vom Bahnhof einschließlich des Abste chers nach Altkünkendorf.

Nach Verlassen des Bahnhofs halte man sich nach rechts, passiere die Un terführung und gehe gleich wieder nach rechts – der Weg zum Wolletzsee ist ausgeschildert. Er führt entlang der Rudolf-Breitscheid-Straße durch ein vor städtisches Wohngebiet überwiegend mit Einfamilienhäusern, wie es sie an den Ausfallstraßen vieler Städte gibt. Einziges interessantes Bauwerk ist das Kran kenhaus. Die zwei- bis dreigeschossige Dreiflügelanlage entstand 1928–31 als Umbau einer bestehenden Anlage nach Entwürfen des Architekten Max Werner (1877–1933) und ist als ein Werk der Moderne beachtenswert. Das Flachdach ist ja ohnehin ein Attribut modernen Bauens, aber besonders gelungen erscheint die differenzierte Gestaltung der Fenster und ihre Zusammenfassung zu Bändern. Wie gesagt, die Rudolf-Breitscheid-Straße ist eine Ausfallstraße, führt also an den Rand der Siedlung. Hier nun ein kleiner Tipp: Um nicht bis Gehegemühle weiter an der Straße entlanglaufen zu müssen, kann man ca. 100 m nach dem letzten Haus nach rechts in einen Feldweg einbiegen, der unter den Überland masten zum Wald führt. Nun braucht man ein bisschen Glück – der erste brei tere und vertrauenerweckende, nach links abzweigende Weg führt direkt zur südöstlichen Spitze des Sees. Man kann von einem Hang aus weit ins Land bli cken und sieht die Bootshäuser. Ab hier ist der Wolletzsee-Rundweg auch mar kiert, und zwar mit einem grünen Kreis auf weißem Quadrat. Bald wird man gewahr, dass der See lang und schmal ist und dass es drei Inseln gibt, die keine

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Angermünde: Am Markt, rechts das Rathaus

Namen haben, sondern Nummern: Wolletzseeinsel 1 bis 3. Der See hat sozusa gen eine Taille, eine Engstelle, die ihn in zwei Teile teilt. Er wird von der Welse durchflossen, einem 66 km langen linken Nebenfluss der Oder. Unser Weg führt lange am Südufer entlang, entfernt sich immer mal vom See, kehrt aber stets zum Wasser zurück. Schließlich erscheint ein Hinweis schild nach Altkünkendorf. Hier muss man eine Entscheidung treffen: Entwe der dem grünen Punkt auf weißem Grund folgen oder einen Abstecher in das Dorf machen, was den Gesamtweg um ca. 2 km verlängert. Altkünkendorf, seit 2000 Ortsteil von Angermünde, wurde 1287 erstmals urkundlich erwähnt. Es liegt am Rande der UNESCO-Welterbestätte Grumsi ner Forst, daher befindet sich östlich der Kirche ein Informationspunkt für den Forst, der mittwochs bis sonntags von 10 bis 16 Uhr geöffnet ist. Bedeutendstes Bauwerk ist die Kirche, die als Feldsteinkirche um 1300 entstand. 1855/56 erfolgte dann eine neugotische Umgestaltung, möglicherweise nach Plänen von Fried rich August Stüler (1800–1865). Aus dieser Zeit stammt auch die Ausstattung.

Westlich der Kirche geht von der Altkünkendorfer Straße eine Straße namens Wirtschaftshof ab; ihr folgen wir. Erhalten hat sich eine Gutsanlage mit Herren haus, Speicher und Scheune, die eine Vorstellung von derartigen Anlagen, wie sie noch weit ins 20. Jh. hinein bestanden, vermitteln kann. Das Herrenhaus ist ein eingeschossiger Putzbau mit übergiebeltem Mittelrisalit und Mansardwalm

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dach, das 1820 für die Gutsbesitzerfamilie von Rohr erbaut wurde. Von 1788 bis 1872 war das Gut im Besitz dieser Familie, die eine Linie jenes märkischen Adels geschlechts darstellte, das ursprünglich aus Bayern stammte. Auch Gut Wolletz, unsere nächste Station, gehörte ihnen. Der Name von Rohr ist jedem FontaneKenner ein Begriff: Mathilde von Rohr (1810–1889), die allerdings aus dem Kreis Ruppin stammte, war eine enge Vertraute des Schriftstellers und eine Briefpart nerin, mit der er sich häufig austauschte – 230 Briefe haben sich erhalten.

Unser Weg folgt dem Wirtschaftshof. Es geht vorbei an der Grumsiner Bren nerei, wo u. a. verschiedene Whisky-Sorten gebrannt werden und man sich während der Öffnungszeiten gleich eindecken kann. Wenig später, wo sich der Weg zu einem Platz erweitert, biegen wir in einen Feldweg nach links. Auf ihm erreicht man den Heiligen See, dort findet sich auch wieder die RundwegMarkierung. Der Weg ist nun eine Straße, allerdings eine wenig befahrene. Man überquert die Welse, gelangt an das Nordufer des Sees und folgt ihm bis Wolletz. Kurz nach dem Ortseingang erreicht man zunächst das Gut Wolletz. Ab dem Ende des 18. Jhs. befand es sich im Besitz der schon genannten Gutsbesitzerfa milie von Rohr. Im 19. Jh. wurde es unter der Ägide des in Brandenburg/Havel geborenen preußischen Generalleutnants Ludwig von Rohr (1777–1855) erweitert und zu einem prosperierenden Betrieb umgestaltet. Ihm ist auch die Errichtung eines Jagdschlosses im Jahr 1826 zu verdanken, einem sehr repräsentativen

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Der Wolletzsee

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