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1 Ein Muss für Winterausflügler mit Kindern
Himmelpfort mit dem Wunschbriefkasten des Weihnachtsmannes
Wenn man sich vorstellt, dass es allein in Deutschland neben drei Postämtern für das Christkind und zwei für den Nikolaus auch zwei für den Weihnachtsmann gibt, daneben auch noch welche im Ausland – z.B. Österreich, Schweiz, Grönland, Dänemark, Finnland, Schweden, Großbritannien, Belgien, Frankreich u.a. – dann kommt einem der Weihnachtsmann beinahe wie der CEO eines Großkonzerns namens »Der Weihnachtsmann« vor, der überall auf der Welt Dependancen unterhält.
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Eine dieser Niederlassungen befindet sich in dem kleinen Dorf und staatlich anerkannten Erholungsort Himmelpfort, seit 2003 Teil der Stadt Fürstenberg/ Havel und nahe an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern gelegen. 1299 stiftete Markgraf Albrecht von Brandenburg ein Kloster für Mönche des Zisterzienserordens, das er auch als seine Grablege bestimmte. In einer alten Schrift, dem 1858 erschienenen und vom Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg herausgegebenen Band 6 der »Märkischen Forschungen« heißt es zur Entstehung des Klosters in der blumig-umständlichen Sprache der Zeit: »Albrecht III. … wurde im Jahre 1299 Stifter des Klosters Himmelpforte, und zwar, wie er selbst in der Stiftungs-Urkunde sagt, auf den Rath und mit Hülfe des ehrwürdigen Vaters und Herrn Johannes, Abts des Klosters Lehnin. […] Mitten in meilenweiten Kiefern- und Buchenwaldungen, in der Nähe von vielen fischreichen Seen und auf einer schmalen Landenge zwischen dem größeren, von der Havel durchflossenen Stolp-See und drei kleineren: dem Haus-See, Siedow und Moderfitz, deren ersterer mit dem Stolp-See durch zwei Kanäle verbunden ist, da, wo der Boden sich zu sandigen Hügeln erhebt, hatte jener Abt eine neue Zufluchtstätte der Anbetung erwählt, welche durch keine bedeutende Heerstraße berührt wurde, und welche die Mönche von dem Getümmel der Weltgeschäfte vollkommen absondern sollte. […] Nur gegen Westen war der Blick frei über den mit dunklen Wäldern umgebenen Stolp-See, an dessen Ende wir den Thurm der mecklenburgischen Stadt Fürstenberg in den Horizont hineinreichen sehen.« Soweit Ernst Kirchner (1802–1879), Theologe, Schriftsteller und Superintendent in Gransee.
Abgesondert vom Getümmel der Weltgeschäfte kommt einem Himmelpfort im Winter tatsächlich vor; fast alle gastronomischen Einrichtungen haben geschlossen. An Wochentagen kann man allerdings in der Tourist-Information einen Kaffee bekommen, ansonsten gibt es im nahen Fürstenberg zahlreiche Cafés und Restaurants. Doch dazu später.
Tourist-Information Himmelpfort
1309 wurden erstmals Abt und Konvent zu Himmelpfort (lat. Coeli porta) erwähnt, zu diesem Zeitpunkt waren also bereits Mönche aus dem Mutterkloster Lehnin auf die Landzunge zwischen Haussee und Stolpsee gezogen. Das Kloster erhielt reiche Besitzungen im Umland (Dörfer, Seen, Wald u.a.), aber so recht wollte es mit seinem Wachstum nicht vorangehen – vor allem Überfälle und Plünderungen verhinderten es. Auch die wechselnde weltliche Herrschaft trug dazu bei: Als es sich unter mecklenburgischer Oberhoheit befand, plünderten es Ritter aus der Mark, als es unter brandenburgischer Oberhoheit stand, kamen die Räuber aus Mecklenburg. Die Grenzlage erwies sich also als schicksalhaft. 1541 wurde das Kloster dann als erstes in der Mark säkularisiert.
Von der Klosteranlage ist nicht mehr viel erhalten, trotzdem lohnt sich die Visite. Direkt an der Klosterstraße steht die Ruine des sogenannten Brauhauses, eines früheren Wirtschaftsgebäudes, dessen Funktion unklar ist. Im »Dehio« für Brandenburg – dem von den Kunsthistoriker Georg Dehio begründeten Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler – heißt es: »Ehem. Kornhaus, sog. Brauhaus, jetzt Wohnungen, im südl. Klosterareal. Langgestreckter zweigeschossiger Backsteinbau mit Satteldach, vermutlich E. 14. Jh. Im schönen Westgiebel ansteigende Zwillingsblenden, das Obergeschoss mit schmalen Lanzettfenstern, die Ostseite und das Untergeschoss im 19. Jh. verändert. – Westl. der Anlage Reste der Klostermauer.«


Ruine des Brauhauses (li.) und der Klosterkirche
Als diese Zeilen geschrieben wurden, hatte der Feuerteufel noch nicht gewütet: Das »Brauhaus« fiel einer Brandstiftung zum Opfer. »In den frühen Morgenstunden des 21. August 2010 ist in Himmelpfort das Brauhaus bis auf die Umfassungsmauern niedergebrannt«, heißt es auf der Webseite kloster-himmelpfort.de. »Als die Feuerwehr am Brandort eintraf, stand bereits der gesamte, fast 50 Meter lange Dachstuhl in Flammen. Daher war es nicht mehr möglich, die Zerstörung der ganzen Dach- und Innenkonstruktion des Gebäudes zu verhindern. Über die Ursache des Brandes kann nach so kurzer Zeit lediglich spekuliert werden. Leider gab es in den vergangenen Monaten in Himmelpfort eine ganze Serie von Brandlegungen an leerstehenden Gebäuden, viele davon in direkter Nähe zum jetzt niedergebrannten, so daß vielerseits von einem Zusammenhang dieser Ereignisse ausgegangen wird. […] Die große ortsbildprägende und historische Bedeutung des Gebäudes macht diesen Brandschaden zu einem sehr schweren Verlust für Himmelpfort.« Inzwischen gibt es eine Bürgerstiftung, die sich für die Sanierung des schwer beschädigten Gebäudes einsetzt.
Wenn man in Himmelpfort ist, lohnt sich ein Spaziergang um den Haussee, der Weg ist knappe 4 km lang (damit soll nicht gesagt sein, dass es sich nicht ebenso lohnt, die anderen Seen wie Sidowsee oder Moderfitzsee und vielleicht noch den Piansee zu umrunden, die Wege sind nur länger). Die Wanderung

Klosteranlage zur Weihnachtszeit
kann am Brauhaus beginnen, dahinter gibt es einen schönen Spielplatz. Linker Hand erhebt sich die Ruine der ehemaligen Klosterkirche. Dabei handelt es sich um eine Anfang des 14. Jhs. geschaffene Backsteinbasilika, die in teilweise romanischen, also eigentlich schon aus der Zeit gefallenen Formen errichtet worden war. Nur der Ostteil ist unter Dach und dient seit 1663 als Pfarrkirche, während das Langhaus 1858, als Kirchner die hiesigen Bauten beschrieb, als Scheune diente – die Arkaden waren zugemauert oder mit Toren verschlossen. Inzwischen wurden sie wieder freigelegt und die romantisch mit Efeu berankte Ruine kann betreten werden.
Der mit einem gelben Kreis auf weißen Grund markierte Hausseerundweg führt immer am Seeufer entlang. Zwei Brücken sind zu überqueren: eine über die Verbindung zwischen Haus- und Moderfitzsee, eine über die Woblitz. Kurz vor oder kurz nach der ersten Brücke kann man sich entscheiden, ob man den Rundweg um den Moderfitzsee machen möchte. Am Haussee bleibend, erreicht man eine Badestelle mit kleinen offenen Holzhäusern, in denen man sich zu einem Imbiss niederlassen kann – allerdings haben auch Vögel dieses Quartier entdeckt, und entsprechend sehen die Sitzbänke aus. Wenig später gelangt man zu der imposanten hölzernen Brücke über die Woblitz, einem linken Nebenfluss der Havel, der den Haussee durchfließt und nach der Himmelpforter Schleuse in den Stolpsee und damit in die Havel mündet, da dieser von der Havel durchflos-



Am Haussee (o.li.), Mühle Himmelpfort (o.re.) und Woblitzbrücke
sen wird. Der Rundweg entfernt sich nun vom Haussee, und nach einer Wanderung durch Feuchtgebiete im südöstlichen Uferbereich ist man bald wieder in Himmelpfort.
Um die Mitte des 19. Jhs. begann in Himmelpfort die Binnenschifffahrt zu einem wichtigen, wenn nicht dem wichtigsten Wirtschaftszweig zu werden. In der 1891 gegründeten Innung waren immerhin 42 Schiffer vertreten. Als der Ort 1899 allerdings einen Bahnanschluss bekam – an die inzwischen längst eingestellte Bahnverbindung von Fürstenberg nach Britz –, avancierte der Fremdenverkehr zur bedeutenden Einkommensquelle. Davon zeugt z.B. das Landhaus Himmelpfort am See, das auf eine fast 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, zu der auch eine »Karriere« als FDGB-Erholungsheim »Werner Schaumann« gehört. Der Kaufmannssohn Schaumann (1908–1943) gehörte gemeinsam mit seiner Ehefrau Elfriede während der NS-Herrschaft einer kommunistischen Widerstandsgruppe an, die Flugblätter und -schriften verbreitete. Im Frühjahr 1942 flog die Gruppe auf. Elfriede Schaumann nahm sich in der Haft das Leben, Schaumann und weitere Widerstandskämpfer wurden vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und in Plötzensee hingerichtet.
Ein auffälliges Gebäude linker Hand am Beginn der Stolpseestraße ist die Mühle, ein Bauwerk, dessen Ursprünge in das 18. Jh. zurückreichen, das aber vielfach umgebaut wurde. Um 1920 soll der Mühlenbetrieb aufgegeben worden

Badestelle am Haussee
sein, das Speichergebäude wurde zur Unterkunft umgebaut, das Mühlengebäude zum Elektrizitätswerk. Während der DDR-Zeit diente das Areal als Kinder- und Ferienheim. Inzwischen haben mutige Enthusiasten Speicher, Mühle, Remise und Anbau einer neuen Nutzung zugeführt: Sie dienen als Gästehaus für Urlaub oder Arbeitsaufenthalt, es gibt Seminar- und Entspannungsräume, Veranstaltungen werden durchgeführt, die Bürgerstiftung hat hier ihren Sitz und die Salzmann-Bibliothek hat in den Räumen der Mühle ein Domizil gefunden. Zu dieser Bibliothek heißt es auf der Webseite der Mühle: »DIE SALZMANN BIBLIOTHEK der Familie Sommer beherbergt rund 5.000 deutschsprachige literarische, politische und philosophische Werke aus allen Perioden des 20. Jahrhunderts. Dazu Kataloge bedeutender Sammlungen und Ausstellungen, Bildbände und Biografien von Künstler, Schauspielern und Musikern, die der Sammler während rund fünf Jahrzehnten gesammelt hat. Für sein ›Archiv der Verbotenen und Verbrannten‹, also jener Bücher, die 1933 von den Nazis verbrannt wurden, wurde Georg P. Salzmann vielfach ausgezeichnet. Die Sammlung ging 2009 auf Vermittlung des Bayerischen Kultusministeriums als Forschungsbibliothek an die Universität Augsburg. Die Bibliothek in Himmelpfort ist die Hinterlassenschaft an seine Kinder, die sich 2013 in Himmelpfort niederließen. Seit September 2017 ist die Salzmann Bibliothek wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.« Übrigens gehört auch eine Krimi-Bibliothek dazu.

Weg an der Klosterkirche
Auf der Klosterstraße geht es zurück zum Ausgangspunkt, dem Klostergelände. Dem Brauhaus gegenüber befindet sich der Klostergarten, wenige Meter weiter auf der rechten Seite erscheint das Gebäude der Tourist-Information mit dem Weihnachtsmann-Postamt. Alles begann 1984, als zum ersten Mal zwei von Kindern an den Weihnachtsmann geschriebene Briefe in Himmelpfort eintrafen. Eine Mitarbeiterin beantwortete sie und entfesselte damit einen Sturm, den niemand mehr einfangen kann: Im Jahr 2020 wurde mit 320.000 Zuschriften ein Rekord erreicht.
Achtung: Am Wochenende gibt es keinen Busverkehr zwischen Fürstenberg/ Havel und Himmelpfort. Es empfiehlt sich also die Anreise mit dem PKW. Sehr Sportliche können auch wandern: Die Etappe 1a des Märkischen Landwegs führt von Fürstenberg nach Himmelpfort, sie ist allerdings 20 km lang! Die 11 km lange Fortsetzung führt von Himmelpfort nach Lychen – von dort gibt es auch Sa/So einen Öffentlichen Nahverkehr (Bus nach Fürstenberg).
Entfernung: Rundweg von der Ruine des Brauhauses um den Haussee = ca. 4 km
KLOSTER HIMMELPFORT HAUSSEE
Tourist-Information Fürstenberger Seenland, Markt 5, 16798 Fürstenberg/Havel,
Tel.: 033093/322 54, Mail: info@fuerstenberger-seenland.de, Nov–Apr Mo–Fr 10–12 Uhr u. 13–16 Uhr Es empfiehlt sich unbedingt, die hier aufgeführte gastronomische Einrichtung vor einem
Besuch zu kontaktieren! Im Winter sind die meisten Einrichtungen geschlossen.
Café und Bistro im Weihnachtshaus, Klosterstr. 23, Tel.: 033089/418 88, info@weihnachtshaus-himmelpfort.de Klosterruine, Klostergarten, die umgebenden Seen Eine Besichtigung der Klosterkirche St. Marien ist im Winter nicht möglich. Von Berlin (Hbf und/oder Gesundbrunnen) verkehren mehrmals täglich Regionalzüge nach
Fürstenberg/Havel. Vom dortigen Bahnhof verkehrt Bus 839 nach Himmelpfort (Richtung
Bredereiche). Achtung: Kein Busbetrieb an den Wochenenden!