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2 Auf dem Weg zum Weihnachtspostamt
Fürstenberg
Wer sich mit dem Zug nach Himmelpfort aufmacht, kommt auf jeden Fall nach Fürstenberg, sodass man einen Besuch beim Weihnachtsmann durchaus mit einer Besichtigung der »Wasserstadt« an der Havel verbinden kann – zumal das gastronomische Angebot namentlich im Winter weitaus besser ist. Doch Fürstenberg lohnt auch eine separate Visite. Die Stadt liegt an drei von der Havel durchflossenen Seen, von West nach Ost: dem Röblin-, dem Baalen- und dem Schwedtsee. Aber die ganze Umgebung ist seenreich, wobei das bekannteste, weil auch zu literarischen Ehren gekommene Gewässer wohl der Stechlin sein dürfte. Dorthin verkehren auch am Wochenende Busse. 1287 wurde Fürstenberg erstmals urkundlich erwähnt, 1318 zum ersten Mal als Stadt. Die askanischen Markgrafen von Brandenburg ließen hier eine Burg errichten, die günstige Lage an einem Havelübergang führte auch bald zur Entstehung einer »bürgerlichen« Ansiedlung im Schutze der Burg. Schon 1348 geriet die Stadt in mecklenburgischen Besitz, seit 1701 gehörte sie zum Herzogtum, später Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz und blieb mecklenburgisch bis 1950. Die Existenz einiger Bauwerke erklärt sich aus eben dieser Zugehörigkeit.
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Im Zuge der Sanierung der Fürstenberger Innenstadt hat die Stadtverwaltung einen Altstadtrundgang mit 21 Stationen entwickelt, dem wir folgen wollen; ein entsprechendes Faltblatt gibt es in der Tourist-Information am Markt, wo der Rundgang auch beginnt. An vielen Orten sind Schautafeln mit Erklärungen aufgestellt, man kann aber auch einen QR-Code scannen und so die Erklärungen auf dem Smartphone lesen.
Wie gesagt, die erste Station ist der Markt, also die Gute Stube der Stadt. Nicht nur dieser Platz, die ganze Stadt wird vom Turm der Stadtkirche dominiert, die 1844–48 nach Plänen des Architekten Friedrich Wilhelm Buttel (1796–1869) errichtet wurde. Buttel, der 1816–19 in Berlin studierte und an der Bauakademie Karl Friedrich Schinkel kennenlernte, wurde dank dessen Fürsprache bereits 1821 Baubeamter im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz. Eine Reihe bedeutender Bauten sind ihm, der auch als Erfinder der Dachpappe gilt, zu verdanken: die Umgestaltung der Marienkirche in Neubrandenburg, der Turm der Stadtkirche in Neustrelitz, ebenfalls in Neustrelitz das Rathaus und die Orangerie und eben die Fürstenberger Stadtkirche, die ihre Herkunft aus der Schinkelschule nicht verleugnen kann. Es handelt sich um einen kreuzförmigen Bau aus gelbem Backstein mit einer Apsis im Westen, was eigentlich unüblich ist, jedoch der Öffnung der Kirche zum Marktplatz dient. Die imposante Wirkung



Stadtkirche, Schloss, Rathaus (u.li.) und Turmvilla (u.re.)

Gänsehavel
der Marktseite verdankt das Bauwerk der dreigliedrigen und dreigeschossigen Ostfassade mit ihrer reichen Blendengliederung sowie vor allem dem hohen, schlanken Turmaufsatz mit seinem Spitzhelm.
Die Bebauung des Marktplatzes stammt ansonsten überwiegend vom Anfang des 19. Jhs., als die Stadt nach einem Feuer wiederaufgebaut werden musste. Zwei Gebäude sollen hervorgehoben werden, das zur Zeit des Neuaufbaus in klassizistische Formen errichtete Wohnhaus des Kaufmanns Lupelow, in dem sich heute u.a. die Tourist-Information und eine heimatkundliche Ausstellung befinden, sowie das Rathaus an der nordöstlichen Ecke zur Brandenburger Straße, das um 1810 erbaut und 1994–97 komplett saniert wurde.
Geht man nun die Brandenburger Straße in nördliche Richtung entlang, gelangt man zur Schulhavel, an der sich linker Hand der Baukörper der Alten Burg erstreckt, die ihrer Sanierung noch harrt. Das auf den Fundamenten einer Wasserburg entstandene Gebäude war ursprünglich eine Vierflügelanlage, doch wurde diese bei einem Brand zerstört und Anfang des 18. Jhs. wiederaufgebaut. Bis 1978 diente die Alte Burg als Schule, dann als Hort und Heimatmuseum. Seit deren Auszug wurden Sicherungsmaßnahmen durchgeführt, aber leider blieb es dabei, sodass das Gebäude einen wenig erfreulichen Anblick bietet.
Jenseits der Schulhavel überrascht das Schloss, eine große dreiflügelige Barockanlage, die ihre Entstehung der Zugehörigkeit zu Mecklenburg verdankt;




Fachwerkhaus in der Altstadt (o.li.), Tourist-Info (o.re.), Kontorhaus (u.li.), Altstadt
1741–52 wurde sie nämlich durch den Hofbaumeister Christian Löwe (um 1690–um 1752) als Witwensitz für die Herzogin Dorothea Sophia (1692–1765) errichtet. Dorothea Sophia von Schleswig-Holstein-Sondernburg-Plön war die Ehefrau von Adolf Friedrich III. Herzog zu Mecklenburg (dem Teilstaat Strelitz), der von 1686 bis 1752 lebte und die Residenzstadt Neustrelitz gründete. Das Schloss wurde von der Stadt 2006 an einen Investor verkauft, der die Anlage zum Wellnesshotel umgestalten wollte – wozu auch sonst! Der straßenseitige Mittelrisalit mit seinen Rokoko-Formen, die allerdings von 1913 stammen, wurde saniert, nun ruht der Bau. Was fehlt? Natürlich Geld. Aber vielleicht wird auch das zigste Wellnesshotel nicht unbedingt gebraucht.
Einst umgab das Schloss ein großer Park, was für Schlösser ja nicht ungewöhnlich ist. Die Teile hinter dem Schloss verkommen, der zum Haussee abfallende Teil jedoch wurde bereits 1911–13 zu einem Stadtpark umgestaltet, und ein Stadtpark ist er noch. Er ist klein, aber fein.
Der Rückweg führt uns nach dem erneuten Überqueren der Schulhavel nach links in die Wallstraße, deren Name eine Reminiszenz an die im 19. Jh. geschleifte Stadtmauer ist. Nachdem Fürstenberg 1877 Anschluss an die Berliner Nordbahn erhalten hatte, entwickelte sich neben der Industrie vor allem der Fremdenverkehr. Auch wohlhabende Berliner entdeckten die landschaftlichen Reize und die gute Luft, manche von ihnen ließen sich zumindest zeitweise

Fischerhaus
nieder und errichteten komfortable Villen, so z.B. das in einem neoklassizistischen Stil errichtete Landhaus Wallstraße 24. Bei diesem um 1900 erbauten und 1912 erweiterten Villenbau fällt vor allem der eingeschossige Altan mit Balkon ins Auge – auf der nicht sichtbaren Seeseite gibt es sogar einen zweigeschossigen und im Obergeschoss verglasten Altan. Weitere sehenswerte Villen befinden sich in der Gartenstraße, die zur Havel führt – hier zugleich Verbindung zwischen Schwedt- und Baalensee. Seit 1996 überspannt eine Holzbrücke für Fußgänger den Fluss und schafft damit eine Verbindung zwischen Altstadt und Havelpark.
Man kann nun den Weg durch die Wallstraße oder die Friedrich-WilhelmStraße fortsetzen und wird auf einige beachtenswerte Fachwerkbauten und Bürgerhäuser stoßen, bis man am Mühlengraben Station 13 des Rundgangs erreicht, das sogenannte Kontorhaus in der Brandenburger Straße 22. Hierbei handelt es sich um ein Wohn- und Geschäftshaus, das um 1870 errichtet wurde, während die Fassadendekoration vom Ende des 19. Jhs. stammt. Etwas weiter nördlich, in den Brandenburger Straße 46, befindet sich ein Wohn- und Geschäftshaus aus der Zeit um 1890 mit einem Mittelgiebel und zwei Dachgauben mit auffallend vorspringenden Dächern: In diesem Haus erlernte der spätere Archäologe Heinrich Schliemann (1822–1890) den Kaufmannsberuf. Eine Gedenktafel an dem Haus verweist auf seinen Aufenthalt 1836–41. Doch zurück zu dem »Kon-


Geschäftshaus im Stil des Neuen Bauens (li.), Sowjetisches Ehrenmal
torhaus«, das sich am Mühlengraben befinden, der den Baalensee mit der Gänsehavel verbindet. Nach rechts führt ein Weg am Graben entlang zur Gänsehavel. Am Ende dieses Weges bietet sich dem Besucher ein schöner Blick auf den Grünen Winkel und die sanierten Fischerhäuser mit ihrem Fachwerk, während sich linker Hand der Kulturgasthof Alte Reederei befindet. Ein Steg überspannt den Mühlengraben in Richtung der Fischerhäuser an der Havelstraße, eine weitere Position des ausgeschilderten Altstadt-Rundgangs. Die eingeschossigen Fischerhäuser zählen zu den ältesten Gebäuden der Stadt. Das ist nur eine Auswahl an sehenswerten Bauwerken – wie erwähnt, gibt es noch viel mehr zu entdecken.
Auf dem Weg zum Bahnhof fällt einem in der Bahnhofstraße 13 an der Ecke zur Pfarrstraße sogar ein Beispiel des Neuen Bauens auf. Es handelt sich ebenfalls um ein Wohn- und Geschäftshaus, das 1928 erbaut wurde; Bauherr und Architekt sind nicht bekannt. Es ist ein typisches Gebäude der Moderne mit seinem weißen Putzflächen und den Klinkerbändern, die sich ganz um das Gebäude ziehen und es horizontal gliedern. Der Dekor ist zurückhaltend, fast neusachlich. Etwas weiter dem Bahnhof entgegen, an der Ecke zur Alten Poststraße, steht das Postamt von 1927. Dessen Architektur folgt einer anderen Richtung der Moderne, nämlich der traditionalistischen, die es auch gibt, die aber weniger im allgemeinen Bewusstsein verankert ist.

Empfangsgebäude Bahnhof Fürstenberg
Die Bahnhofstraße führt über die Priesterhavel. Links erstreckt sich ein kleiner Park mit dem sowjetischen Gefallenendenkmal, während das Bahnhofsgebäude schon in Sicht ist: Die Gesamtanlage, die 1877 begonnen und immer wieder erweitert wurde, steht unter Denkmalschutz, wie so vieles in dieser kleinen, mindestens eines Tagesausflugs würdigen Wasserstadt Fürstenberg an der Havel.
Länge Altstadtrundweg vom Bahnhof zum Bahnhof = ca. 2,5 km
BAHNHOF
MARKT
ALTSTADT FÜRSTENBERG BAALENSEEBRÜCKE
Tourist-Information Fürstenberger Seenland, Markt 5, 16798 Fürstenberg/Havel,
Tel.: 033093/322 54, Mail: info@fuerstenberger-seenland.de, Nov–Apr Mo–Fr 10–12 Uhr u. 13–16 Uhr Ristorante Al Porte, direkt am Hafen des Schwedtsees nördlich des Stadtparks,
Tel.: 033093/608 30
Sehr empfehlenswert: Kaffeehaus Nazarenko Miroslava, Brandenburger Str. 1,
Tel.: 033093/321 15 – selbstgebackene Kuchen und Torten!
Hellas – DER Grieche in Fürstenberg/Havel, Markt 9, Tel.: 0174/560 21 06
Ristorante-Pizzeria Bella Napoli, Brandenburger Str. 19, Tel.: 033093/604 68
Chinahaus, Bahnhofstr. 21, Tel.: 033093/613 42
Café Zeitlos, Bahnhofstr. 8, Tel.: 033093/605 00 Altstadt Fürstenberg, Gedenkstätte Ravensbrück, in der Umgebung: Klosterruine Himmelpfort, Stechlinsee und Neuglobsow Heimatkundliche Ausstellung mit Fürstenberger Goldschatz im Haus der Tourist-Information,
Am Markt 5, zugänglich während der Öffnungszeiten der Tourist-Information Stündlich durchgehende Verbindung von Berlin (Südkreuz, Potsdamer Platz, Hbf, Gesundbrunnen) mit RE 5 (Ri. Rostock Hbf).