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Eine Influencer-Kampagne lockt Mieter in die Stahlgiesserei
from SH Wirtschaft 2/2021
by BBF.CH
Laura Razzino ist verantwortlich für die Influencer-Kampagne der Immobilienvermarkterin der Hochhäuser in der Stahlgiesserei: «Ein mit Menschen belebtes Bild wird länger angeschaut als Bilder einer leeren Wohnung.»
Influencer werben für Neubauwohnungen
Die Immobilienfirma IT3 Treuhand + Immobilien hat über 300 Wohnungen mithilfe von zwei Influencern erfolgreich vermietet. Grössere Projekte mit einer langen Laufzeit eignen sich dabei besonders, denn auf den Sozialen Medien lassen die regionalen Botschafter Geschichten und Stimmungen bildhaft aufleben, wie das innovative Beispiel der Stahlgiesserei zeigt.
TEXT DANIELA PALUMBO BILDER ZVG


Unverkennbar lächelt Michael Walter, der Mann mit den markanten Tattoos auf den Oberarmen, in die Kamera. Auf einem Bild kippt er entspannt Badeschaum in die Wanne, auf einem anderen schmökert er auf einem bequemen Sessel in seinem Buch, auf dem Kopf eine neckisch aufgesetzte Weihnachtsmütze. Das Model posierte für die Fotos, die auf Instagram und Facebook zu sehen sind, in einer möblierten Musterwohnung der Stahlgiesserei, als hätte er sich dort schon lange eingemietet.
Michael Walter ist ein Influencer, der seine SocialMedia-Kanäle gegen Bezahlung auch für die Reichweite anderer Unternehmen nutzt wie etwa die Schaffhauser Immobilienfirma IT3 Treuhand + Immobilien AG, die für die Vermarktung und Erstvermietung der acht Hochhäuser zuständig ist. In der Stahlgiesserei setzte er sich so in Szene, dass seine Follower sehen konnten, wie wohl er sich in diesem urbanen, modernen Ambiente fühlte. Ein Lebensstil, der eine neue, junge Mieterschaft in das ehemalige Industrie-Areal anziehen sollte, so die Überlegungen der Immobilienfirma.
Diese beschloss Anfang 2020, nebst herkömmlichen Vermarktungsmassnahmen wie Inseraten, Plakatwerbung und dem Internetauftritt, neue Wege zu beschreiten. Sie stellte eine in der Region aussergewöhnliche Influencer-Kampagne auf die Beine, um die Sichtbarkeit der über 300 Wohnungen auf dem Markt zu erhöhen. «Das Projekt war umfangreich, und wegen der langen Bauzeit gab es viel zu erzählen», sagt Laura Razzino, die diese Kampagne verantwortete. Ideale Bedingungen, um die Zielgruppe über eine längere Zeitspanne via Influencer auf den Sozialen Medien anzusprechen und Paare und Singles im Alter zwischen 20 und 40 Jahren für die 2,5- bis 3,5-Zimmer-Wohnungen zu gewinnen, die rund zwei Drittel der Mietobjekte ausmachten. «Denn ein mit Menschen belebtes Bild wirkt viel ansprechender und wird länger angeschaut als Bilder einer leeren Wohnung», sagt Razzino.
WERTVOLLE REICHWEITE
Die Immobilienvermarkterin machte sich auf die Suche nach geeigneten Personen, die sich mit der Botschaft und dem definierten Lebensstil identifizieren konnten. Wichtig bei der Auswahl, so Razzino, sei die Authentizität. Botschafter oder Botschafterin und Botschaft müssen zueinander passen. Gesucht waren also zwei Influencer, die einen hippen Lebensstil verkörpern und sich in einem individuellen Wohnumfeld verwirklichen könnten. Die Wahl fiel auf Michael Walter, den Instagram-Star von Schaffhausen und die Luzernerin Priscilla Schürch.
Michael Walter, auf Instagram bekannt unter dem Namen @Scooby75, ist mit einer Gefolgschaft von 106 000 auf dem digitalen Kanal in der Region unübertroffen. Drei Viertel davon sind Männer. Der 46-Jährige mit eigenem Kosmetikstudio in der Stadt nahm nach eingehender Prüfung den Deal an, ebenso Priscilla Schürch. Mit 30 000 Followern wies sie zwar eine weniger starke Anhängerschaft auf als der Schaffhauser, aber darunter waren potenzielle Mieter, die im Einzugsgebiet lebten, das bis in den Grossraum Zürich reicht. Die Juristin inszeniert sich unter dem Instagram-Account @thechicadvocate als eine moderne Frau, die Karriere und Familie, Mode und Reisen elegant unter einem Hut vereint. Ihr Stil gefiel der Immobilienvermarkterin. «Die Eleganz kontrastierte gut mit den groben, alten Elementen der denkmalgeschützten Stahlgiesserei», sagt Razzino.
DER DEAL
Die beiden Influencer mussten sich ins rechte Licht rücken und die Stahlgiesserei regelmässig bewerben, allerdings war es ihnen freigestellt, wie sie die Botschaft inszenieren wollten. Accessoires aus ihrem Alltagsleben nahmen sie selbst mit. Razzino schildert die gewünschte Message: «Die Stahlgiesserei als ein belebter Ort, in dem man in einer Gemeinschaft lebt, sich gegen-
Mit ihrem hippen Stil passen die beiden Influencer Michael Walter und Priscilla Schürch mit ihrem Partner gut ins Stahlgiesserei-Ambiente: Inszenierte Wohnszenen für ihre Instagram-Follower.






seitig hilft, mal ein Feierabendbier trinkt, aber andererseits sehr unabhängig und frei bleibt und seine vier Wände individuell gestalten kann.»
Die ersten Bilder tauchten im Februar 2020 auf Instagram auf. Michael Walter liess sich von einem eigenen Fotografen in verschiedenen Outfits ablichten. Tendenziell casual, meist in Jeans und muskelbetontem T-Shirt, aber auch im Sportdress auf dem Balkon, im Bad, in der Küche. Die geposteten Texte hielt er kurz, im Stil von: «Fühlst du dich zu Hause auch so wohl und zufrieden?» Dann den Hinweis auf die zu vermietenden Wohnungen: «Schau sie dir mal an.»
Priscilla Schürch trat regelmässig, einmal im Monat, als Mustermieterin auf, stets elegant, ob hochackig oder barfuss, mit Morgenrock auf dem Bett oder im Sommerkleid auf dem Balkon. Manchmal mit ihrem Partner, ebenfalls ein Influencer, dessen Markenzeichen der Anzug ist, der in einer Küchenszene selbst unter der Kochschürze hervorlugt. Das Paar nahm die Fotoausrüstung jeweils mit und drückte für die sorgfältig arrangierten Selfies auf den Selbstauslöser. Dazu postete Schürch Texte wie «Auf der Suche nach einem stylischen, neuen Zuhause?»
FEEDBACK POSITIV
Die IT3 lieferte jeweils Inputs für ein neues Bild. Als die hundertste Wohnung vermietet wurde, als die ersten Blumen im 300 Meter langen Stadtgarten sprossen, aber auch die bevorstehenden Weihnachts- und Ostertage, die Homeoffice-Pflicht oder wenn neue Gewerbemieter ihr neues Geschäft eröffneten. All das wurde von den Influencern zum Anlass genommen, ein wohnliches Bild an ihre Followers zu richten. «Sie arbeiteten sehr selbstständig und zuverlässig», sagt Razzino. Alle sechs bis acht Wochen kam frisches Fotomaterial. Sobald es gepostet war, markierten die Influencer die Stahlgiesserei. Die für die Vermarktung zuständige Kommunikationsagentur Meier in Schaffhausen, eine Tochterfirma des Verlags, der dieses Magazin herausgibt, platzierte die Posts auf ihren Social-Media-Kanälen.
Die Werbemassnahmen fruchteten. Innerhalb von wenigen Monaten waren die meisten Wohnungen vermietet. Wie gross der Einfluss der Influencer war, lässt sich allerdings, so Razzino, wie bei vielen Marketingmitteln nicht genau ermessen. Sie ist jedenfalls zufrieden mit der Kampagne, die 40 Posts generierte. «Alles lief sehr smooth – glatt. Wir erregten Aufmerksamkeit und erhielten positives Feedback.» Seit Anfang Jahr wirbt nur noch der Schaffhauser Michael Walter, das Engagement läuft Ende Juni aus, da praktisch alle Wohnungen vermietet wurden.
MIETER ERSETZEN INFLUENCER
Weil die Wohnungen so gut weggingen, erübrigten sich auch andere Influencer-Massnahmen, die angedacht waren wie etwa Micro-Influencer-Events.
Dabei kommen geladene Influencer, die es auf etwa 1000 Follower bringen und von denen es in der Region Schaffhausen einige gibt, für ein Entgelt zusammen. Miteinander können diese ebenfalls für eine gute Reichweite sorgen. Razzino hätte sich zum Beispiel vorstellen können, ein Fest auf einem Balkon oder ein Kochhappening in einer der Musterküchen zu veranstalten.
Influencermarketing
Markenbotschafter erzeugen Aufmerksamkeit und werben daher vermehrt auch auf Sozialen Medien, um die Bekanntheit einer Marke zu steigern. Während internationale Firmen wie GF oder IWC dabei Schauspieler, Sportlerinnen und andere bekannte Persönlichkeiten und lokale Botschafter als Brand Ambassadors für ihre Produkte gewinnen NANO-INFLUENCER können, setzen auch KMU 0 bis 1500 Follower immer häufiger Influencer ein. Schätzungen gehen in MICRO-INFLUENCER der Schweiz von einem 1500 bis 30 000 Follower jährlichen Wachstum von 20 Prozent aus. So sollen MACRO-INFLUENCER hierzulande laut der Agentur 30 000 bis 1 Mio. Follower Kingfluencers im 2019 etwa 35 Millionen Franken in das
CELEBRITY-INFLUENCER
über 1 Mio. Follower Influencermarketing geflossen sein. Aufwand einer Kampagne und die Reichweite eines Influencers bestimmen den Preis für einen Post auf Instagram & Co. Wer lediglich ein Produkt in die Kamera hält, muss weniger Zeit aufwenden als etwa eine Influencerin, die für ein Produkt ein Kochvideo dreht. Auch die Branche bestimmt den Preis. So sei der Luxus- und Schönheitsmarkt lukrativer als das Werben für Nischenprodukte. Grosse Influencer mit langfristigen Verträgen können laut Agenturen pro Post zwischen 3000 und 5000 Franken verdienen, Micro-Influencer zwischen 0 Franken bis zu 1000 Franken. Auch Influencer mit kleineren Gefolgschaften sind willkommen. So ermöglicht die Plattform Swissper, Nano-Influencern ab 300 Followern auf Instagram, Facebook, YouTube, TikTok, LinkedIn oder Pinterest für Produkte zu werben. Sie erhalten pro Post mindestens 25 Franken oder Produktmuster in diesem Wert. Da sie ihre Follower persönlich kennen, seien sie glaubwürdiger und engagierter, so Swissper. Laut einer aktuellen Befragung der Social-Media-Marketing-Agentur Xeit haben 43 Prozent der 1120 Studienteilnehmenden schon mal ein Produkt gekauft, weil es ein Influencer angepriesen hat. Bei der Generation Z gar 45 Prozent. Dabei folgen etwa 91 Prozent der unter 20-Jährigen einem Influencer. Im Altersdurchschnitt der Studienteilnehmenden etwas mehr als die Hälfte.
über einer Kampagne mit Plakaten, die nur zwei Wochen hängen», sagt Razzino.
Mittlerweile sind fast alle 307 Wohnungen in den acht Hochhäusern vermietet, die Mieterschaft eingezogen. Die Zeit der Influencer ist indes noch nicht abgelaufen, denn das eigentliche Ziel der Kampagne war, dass andere Botschafter an die Stelle der bezahlten Influencer treten: die Menschen, die nun real in die Wohnungen eingezogen sind und Posts von ihrem Lebensstil auf Instagram stellen und das Wohnen in der Stahlgiesserei für künftige Mieter ganz umsonst attraktiv machen.