Bayerischer Monatsspiegel #151

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POLITIK & WIRTSCHAFT Identifikations-Figur fehlen, setzt sofort eine Zersplitterung der Parteien ein. Jetzt hat Bayern eine Koalitionsregierung aus CSU und FDP wie vor 50 Jahren; und dazu drei Parteien in der Landtags-Opposition, die aber selbst bei einer Mehrheit nicht miteinander regierungsfähig wären. Kann es einem starken und auch populären Regierungschef wie Seehofer gelingen, Bayerns Wähler wieder stärker zu einer starken Volkspartei zu einen? Es fällt ja schon schwer, die Partikularinteressen der vier Stämme und 10 CSU-Parteibezirke sowie den Postenschacher in den Arbeitskreisen der Partei unter einen Hut zu bringen. Oder müssen wir uns künftig damit abfinden, dass die Aufsplitterung politischer Lager das Spiegelbild einer immer mehr gemischten und gespaltenen Gesellschaft ist, in der nach „sozialer Gerechtigkeit“ gerufen und der eigene Vorteil damit gemeint wird? Mit der Landtagswahl 2008 hat sich die Parteienlandschaft in Bayern verändert. Im Gegensatz zu Hessen mit nun auch einem Fünf-Parteien-Parlament sitzen hier nicht die Erben der SED als Linkspartei neu im Landtag, sondern die Freien Wähler. Sie sind neben den nach 14 Jahren ins Maximilianeum zurückgekehrten Liberalen eine zweite bürgerlich-konservative Alternative für unzufriedene CSU-Wähler. Die Freien Wähler hatten bisher nur in den Kommunen als personelle Konkurrenz der CSU zu schaffen gemacht. Als dritte Oppositionspartei neben den dort alteingesessenen Sozialdemokraten und Grünen sind die „Parteifreien“ jetzt zwar nur fünftes Rad am Wagen ohne viel Gestaltungsmöglichkeit. Aber sie sind jetzt Partei und werden fortan auch in der Kommunalpolitik von allen als Gegner behandelt werden. Ob sich die Freien auf Landesebene als langfristig einzukalkulierende Splittergruppe im ländlich-bürgerlichen Lager auf Kosten der zu satten CSU etablieren oder Eintagsfliegen bleiben, ist schwer abzusehen. Die unterschiedlichen Erwartungen ihrer örtlichen Grüppchen, ihr Lavieren um ein Programm und die Erfahrung, im Landtag nichts bewegen zu können, baut bei zuvor aktiven Kommunalpolitikern leicht Frust auf. Und der nährt bei den einen die Versuchung, sich für gute Posten von der CSU abwerben zu lassen, die ja nur drei Überläufer für die absolute Mehrheit bräuchte. Andere wollen die CSU aus Rache auf allen Ebenen bekämpfen – auch bei der Europawahl. Da haben die Freien zwar selber keine Chance, könnten aber der CSU – zum Schaden Bayerns – den Einzug ins Europaparlament vermasseln. Die SPD in Bayern hat zwar wegen der Verluste der CSU siegestrunken triumphiert, aber dabei verdrängt, dass sie selbst ein Prozent auf nun 18 verloren hat – von ehedem bis zu 36 Prozent in Bayern. In der ehemaligen roten Hochburg Hessen hat die SPD auch nur mehr 24 Prozent, weil sich dort das linke Lager auf Grüne und Linkspartei mit aufteilt, aber in dieser YpsilantiKonstellation von Rot-Grün-Rot nicht mehrheitsfähig ist. Sind aber nun die aktuellen strukturellen Veränderungen von Bayern über Hessen bis Berlin – und nach weiteren Landtagswahlen auch anderswo – auf Dauer angelegt? Oder gelten sie nur für eine Übergangszeit – wie vor rund 50 Jahren. Damals schickte 1954 eine von Ministerpräsident Hoegner (SPD) geführte „Viererkoalition“ (mit FDP, GP/BHE und Bayernpartei) die CSU

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quasi zur Reha drei Jahre in die Opposition, brach aber schon 1957 auseinander. Ab 1958 regierte die CSU in Koalition mit FDP und GB/BHE, bis sie nach der Landtagswahl 1962 mit 47,5 Prozent die absolute Mehrheit der Mandate errang. Ist das wiederholbar? Die konservativen bürgerlichen Alternativen von damals - GB/BHE und Bayernpartei – waren nacheinander gescheitert und kehrten nie mehr in den Landtag zurück. Nur die FDP erholte sich – nach Pausen im Landtag – immer wieder, weil sie im Bund als Koalitionspartner und Korrektiv für Union oder SPD gebraucht wurde. Die „alten“ Oppositionsparteien, SPD und Grüne, verhalten sich wie kommunizierende Röhren: Was die Roten verlieren, gewinnen die Grünen dazu. Aber beide sind in Bayern weit davon entfernt, als gestaltende Kraft in einem Regierungsbündnis echten Einfluss zu gewinnen; beide Sozialisten sind von der Unfehlbarkeit ihrer Politik so überzeugt, dass sie keinen Gedanken auf Fehler verschwenden. Bayerns Sozi haben sich in den bequemen

Verlass ist nur noch auf die Dauerschwäche der SPD. Oppositions-Nischen des Landtags gut eingerichtet und mit der Rolle von Dauerkritikern ohne Verantwortung abgefunden. Bayerns Grüne sind spezialisiert auf eine alternative und antichristliche Multikulti-Sammelpartei für alle Verweigerer von Wirtschaft und Technologie; das geben sie als „Ökologie“ aus. Sie sind nie auf die Idee gekommen, ihre verkrusteten Positionen zu Ökonomie und Ökologie sowie ihr ideologisches Feindbild zur christlichen Kultur abzubauen. Bei Rot und Grün also alles wie gehabt. Doch die Gefahr für künftig wieder erhoffte Höhenflüge der CSU liegt ganz nah: In der eigenen Koalition. Die linke FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, für gestandene Bayern noch immer eine „Bissgurrn“ (oder: Beißzange), war klug genug, die weißblaue Regierungsbank zu meiden und zwei seriöse Herren mit einer jungen attraktiven Dame vorzuschicken, das allseits als neu und sympathisch empfunden werden. Das dann ausgerechnet noch in den Wohlfühlministerien Wirtschaft mit den vielen Fördergeldern und Kunst mit so schönen Eröffnungsoder Jubiläumsterminen. Sollten sich die Bayern mit Wohlbehagen an einen solchen Koalitionspartner gewöhnen, könnte die absolute Mehrheit für lange Zeit hinterm Hoffnungshorizont der CSU entschwinden. n

Hannes Burger, 1937 in München-Schwabing geboren, war Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung und Bayern-Korrespondent der WELT. 22 Jahre lang schrieb er die Salvatorreden für den Starkbieranstich auf dem Nockherberg. Er hat zahlreiche, zumeist witzig-ironische Bücher über das Problem-Verhältnis zwischen Preußen und Bayern verfasst. Burger wurde mit der Ludwig-Thoma-Medaille der Stadt München und dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

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