Bayerischer Monatsspiegel #157

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Dezember 2010

02_2008

Verlag Bayerischer Monatsspiegel | 46. Jahrgang 2010 | Postvertriebsstück 69234 | ISSN 1860-4561 | Einzelpreis 7,50 EUR

Ausgabe 157

Titelthema: Luft- und Raumfahrt Christine Lieberknecht: Blühendes Land Klaus Schroeder: Ein Staat – zwei Gesellschaften? Walter Beck: Sarrazin und die verspielte Chance der CDU Hugo Müller-Vogg: Stammwähler flüchten Heinrich Oberreuter: Auf dem Weg zur Volkspartei Thomas Enders: Airbus – Grenzenloser Erfolg Wilfried Scharnagl: Strauß, der große Visinonär Barbara Stamm: Frauen auf dem Vormarsch

© ESA

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EDITORIAL

Einen Blick in die Zukunft der Luftfahrt gab Airbus-Chef Thomas Enders bei seinem Auftritt vor dem Peutinger-Collegium in München. Auf unserem Bild wird er begrüßt von Peutinger-Präsident Dr. Walter Beck (r).

Vorwort des Herausgebers Wir sind ein komisches Volk – jedenfalls vom Ausland betrachtet. Da weist ein prominenter sachkundiger Wirtschaftler und Politiker auf unsere Probleme hin. Alle fallen über ihn her, ohne sein Buch gelesen zu haben. Anschließend wird aber eine Fülle von seinen Forderungen in der Öffentlichkeit gerade durch die Politiker, die vorher über ihn hergefallen sind, aufgenommen und akzeptiert. Eine Entschuldigung bei Sarrazin habe ich aber noch von keinem gelesen. Weder die Rede des Bundespräsidenten in Bremen, noch seine Rede in Istanbul wären denkbar ohne das Buch von Sarrazin. Bundesministerin von der Leyen schlägt bei Hartz IV vor, durch Chipkarten für die Kinder sicherzustellen, dass auch wirklich die Kinder den Vorteil der Förderung genießen, nicht die Eltern dieses Geld ausgeben. Das steht auch in dem Buch von Sarrazin. Alle regen sich unisono darüber auf, dass Sarrazin über das „Juden-Gen“ gesprochen hat – allerdings im positivsten Sinne: Verbunden mit dem Hinweis, dass die Juden durchschnittlich intelligenter sind als andere. In Israel wird dieser Sachverhalt ganz selbstverständlich diskutiert, entspricht er doch einem strengen jüdischen Gesetz. Danach ist Jude, wer von einer jüdischen Mutter abstammt. Wer von der Mutter abstammt, hat auch die Gene der Mutter. Darüber zu sprechen ist verboten? Ist Charles Darwin in der Politik in Deutschland noch nicht angekommen? Komisch! Es ist verboten darüber zu sprechen, dass arme Familien, insbesondere Familien aus dem moslemischen Glaubensbereich, sehr viel mehr Kinder haben als Familien in wirtschaftlich gesicherten Situationen. Es ist verboten, über die Konsequenzen zu sprechen. Wenige Tage nach der Aufregung über Sarrazin berichtet der Focus darüber, dass streng gläubige Juden in Israel sehr viel mehr Kinder haben als die laizistischen Juden. Man müsse deshalb davon ausgehen, dass diese

streng gläubigen Juden, die bis zu 9 und 10 Kinder haben, in absehbarer Zeit in Israel die Mehrheit darstellen. Darüber darf man berichten. Komisch! We are the Champions! Diesen Ruf hört man aller Orten und in allen Sprachen, wenn über die gegenwärtige Wirtschaftssituation und über die vergangene Finanzkrise gesprochen wird. Diese Finanzkrise war ebenso unvorhergesehen und unkalkulierbar wie die Wiedervereinigung in Deutschland. Helmut Kohl hat die Wiedervereinigung verglichen mit einer Wanderung im Nebel durch das Moor auf völlig unsicheren und unbekannten Pfaden. Er hat den Weg erfolgreich gefunden. Noch erfolgreicher war – soweit wir heute sehen können – unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dafür wird sie weltweit bewundert – in Deutschland aber abgestraft. Wir sind schon ein komisches Volk. We are the Champions: In der Luft- und Raumfahrt ist Deutschland in vielen Bereichen weltweit Marktführer. Die beispiellose Geschichte von Airbus, durch Franz Josef Strauß zielsicher begonnen, beweist das. Die Berichte in diesem Heft stellen unsere hervorragende Position am Markt sehr deutlich dar. Werden wir diese Erfolge zur Kenntnis nehmen? Oder der Luft- und Raumfahrt durch Abgaben und Exportverbote die Luft abschnüren? Zuzutrauen wäre dies ja manchen Politikern. Wir sind ja ein komisches Volk. In diesem Sinne Ihr

Prof. Dr. Walter Beck Präsident

Titelseite Europas Raumfahrtbahnhof Kourou liegt im Dschungel von Französisch-Guyana im tropischen Mittelamerika. Von hier starten die Ariane-Raketen in das Weltall.

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INHALT

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Aktuelles

Politik & Wirtschaft

Luft- & Raumfahrt

Christine Lieberknecht im Gespräch mit Peter Schmalz | 6 Blühendes Land

Thomas Enders Grenzenloser Erfolg

Thomas Breitenfellner Sprachrohr des Ostens

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Dietmar Schrick Deutschland braucht Raumfahrt | 34

Josef Kraus Historische Analphabeten

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Editorial

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Kurz gemeldet

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Titelthema Luft- und Raumfahrt

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Impressum

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Vorschau Das Heft 158 hat das Titelthema Sicherheit: Keine Freiheit ohne Sicherheit – Von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann · Welche Sicherheitspolitik braucht das 21. Jahrhundert? – Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, im Gespräch mit Eberhard Piltz · Wehrauftrag wird dominiert von Sicherheitsaufgaben – EADS-Chef Stefan Zoller über den Wandel einer Branche · Der neue Personalausweis mit Chip und Fingerabdruck – Eine Analyse von Dr. Hans-Peter Uhl

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Klaus Schroeder Ein Staat – zwei Gesellschaften? | 14 Walter Beck Sarrazin und die verspielte Chance der CDU

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Hugo Müller-Vogg Stammwähler flüchten

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Christian Minaty Die Blogger-Generation schreibt sich zum Reichtum | 22 Heinrich Oberreuter Auf dem Weg zur Volkspartei

| 30

Jürgen Breitkopf Münchner Pfadfinder im Weltall | 36 Egon Behle Leiser, sauberer und kräftiger

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Luftfahrtmuseum Von mutigen Menschen und starken Maschinen

| 40

Michael Kerkloh Die Überflieger

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Donner & Reuschel Marktkommentar Konjunktur und Kapitalmärkte | 26 Walter Beck Die Türken machten 2002 den Kanzler Schröder

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INHALT

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Luft- & Raumfahrt

Bayern & Kultur

Leben & Genießen

Eurocopter Ein Schwabe schwebt in die Welt | 45

Gespräch mit Barbara Stamm Frauen auf dem Vormarsch

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Peter Schmalz Neustart in Oberpfaffenhofen

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Thomas Breitenfellner Kleine Gruppe, große Wirkung

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Wilfried Scharnagl Realistischer Visionär

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Peter Schmalz Schwarze Faser spart Sprit und Gewicht Thomas Breitenfellner Der Robonaut aus Bayern

Integration zum Wohle Bayerns | 62

Thomas Enders und Harald Lesch beim Peutinger-Collegium | 77

Hannes Burger Niedrigsteuer lockt Heinzelmännchen

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Vorschau

Für Sie gelesen Buchbesprechungen

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Veranstaltungen des Peutinger-Collegiums 2010/2011 | 79

Michael Weiser Landsknechte der Malerei

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Ulrich-Joachim Müller Raumfahrt macht Autos besser | 56

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Interview mit Herbert Frauenberger Wie das Schwein zum Kalb wurde | 74

Weitere Themen im Heft 158: Was blüht Bayern und der CSU? – Interview mit Ministerpräsident Horst Seehofer · An Werten orientiert und im Unternehmen erfolgreich – Prof. Dr. Fritz Wickenhäuser über Wirtschaft und Verantwortung · Die aktuellen Herausforderungen der bayerischen Bildungspolitik - von Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle · Woher kommt die Menschheit – erläutert von dem Max-Planck-Wissenschaftler Prof. Dr. Wulf Schiefenhövel

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POLITIK & WIRTSCHAFT Christine Lieberknecht im Gespräch mit Peter Schmalz

Blühendes Land Die Thüringer Ministerpräsidentin über die Wende in der DDR, den Aufbau und die Erfolge

Am 3. Oktober feierte Deutschland den 20. Jahrestag seiner 1990 wiedergewonnen Einheit. Ist das Land in den zwei Jahrzehnten zusammengewachsen? Was ist geblieben vom Versprechen Helmut Kohls, es würden blühende Landschaften entstehen? Peter Schmalz sprach darüber mit der Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen, der CDU-Politikerin Christine Lieberknecht. Sie hatte vor der Wende mit dem mutigen „Brief aus Weimar“ gegen den SED-Staat protestiert. Bayerischer Monatsspiegel: Vor 20 Jahren sagte Willy Brandt: „Es wächst zusammen, was zusammengehört.“ Geben ihm die vergangenen zwei Jahrzehnte recht? Christine Lieberknecht: In diesen 20 Jahren haben wir eine unglaubliche Entwicklung erlebt. Bei uns haben die Menschen aus den westlichen Ländern gemeinsam mit den Thüringern die Ärmel hochgekrempelt, um ein Unternehmen zu retten oder zu Wiederauferstanden aus Ruinen: Goethe und Schiller vor dem Deutschen Nationaltheater in Weimar. Die Stadt blüht in neuem Glanz und war 1999 Kulturhaupstadt Europas.

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gründen, um im sozialen Bereich Menschen zu helfen und bei der Bildung Ideen und Wissen auszutauschen. In all diesen konkreten Projekten gab und gibt es das unmittelbare Miteinander, bei dem heute keiner mehr danach fragt, wer woher kam. Aber es gab auch Enttäuschungen, was im menschlichen Leben normal ist und in solchen gravierenden Umbrüchen ohnehin nicht zu vermeiden ist.

BMS: Hat dabei auch die geographische Lage von Thüringen geholfen? Lieberknecht: Wir legen viel Wert darauf, Mitte zu sein. Wir sind als Thüringer Mitteldeutschland. Dieser Mittegedanke ist mir nach diesen 20 Jahren sehr wichtig, denn wir kamen aus einer Konfrontation, die nur Ost und West gekannt hatte. Da war kein Platz für Mitteldeutschland und auch kein Platz für Mittel­ europa. Dass wir diese Mitte wieder haben, gehört für mich zu den beglückenden Entwicklungen dieser letzten 20 Jahre. Als bundesweit sichtbares Zeichen dafür haben wir den Mitteldeutschen Rundfunk. BMS: Die Deutsche Einheit ist also eine Erfolgsgeschichte? Lieberknecht: Sie ist ein Erfolg, wie wir uns ihn vor 20 Jahren nicht hätten vorstellen können.


POLITIK & WIRTSCHAFT BMS: Helmut Kohl hatte von den „blühenden Landschaften“ gesprochen und musste sich für diesen Satz später viel Spott anhören. Lieberknecht: Für Thüringen kann ich mit Fug und Recht sagen: Wir haben die blühenden Landschaften. Aber ich bin auch immer dafür, dass man Zitate vollständig wiedergibt. Helmut Kohl hat die blühenden Landschaften 1990 hier auf dem Domplatz in Erfurt vor rund 100.000 Menschen als Vision formuliert, aber er hat das Tal der Tränen auch nicht verschwiegen. Und beides ist zutreffend: Wir sind bei der schwierigen Umstrukturierung unserer Wirtschaft und auch bei vielen anderen notwendigen Veränderungen durch ein tiefes Tal der Tränen gegangen. Wir haben aber gerade in Thüringen frühzeitig die Weichen gestellt für Aufbau und Aufschwung, indem wir uns zu den neuen Strukturen aktiv bekannt haben. Und damit haben wir die Voraussetzungen geschaffen für die blühenden Landschaften, die wir heute sehen können. BMS: Am Anfang stand die Wut über eine von der SED abermals gefälschte Kommunalwahl. Haben Sie das Ende der DDR kommen sehen?

„Das Ende der DDR hatte ich nicht im Blick, das war jenseits meiner Vorstellungen“: Christine Lieberknecht kämpfte als junge Frau (Bild rechts) mutig für Reformen in der DDR. Ihr „Brief aus Weimar“, den die evangelische Theologin nach der gefälschten Kommunalwahl 1989 mit drei Mitunterzeichnern veröffentlichte, brachte sie ins Visier der kommunistischen Staatsmacht. 1958 in Weimar geboren, arbeitete sie als Pastorin in der Umgebung ihrer Heimatstadt und war ab 1990 als Thüringer Kultusministerin verantwortlich für den Umbau des Bildungssystems. Sie war Bundes- und Europaministerin, Präsidentin der Thüringer Landtags und CDU-Fraktionsvorsitzende. Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Dieter Althaus wurde Frau Lieberknecht im Oktober 2009 die erste CDU-Ministerpräsidentin in Deutschland.

Lieberknecht: Wahlfälschungen waren in der DDR nichts Neues, doch ein wichtiger Schub für die friedliche Revolution im Herbst 1989 lag in der Tat in der Kommunalwahl vom 7. Mai 1989. Weil die Menschen schon mehr Mut hatten, konnten diese Fälschungen erstmals systematisch nachgewiesen werden und es wurde gegen diese Fälschung offen protestiert. Aber das Ende der DDR hatte ich damals nicht im Blick, das war jenseits meiner Vorstellungen. Wir sind aktiv eingetreten für Reformen innerhalb der DDR. Erst als die Mauer fiel, rückte die Deutsche Einheit in greifbare Nähe. Bayerischer Monatsspiegel 157_2010

BMS: Sie haben gemeinsam mit drei Mitstreitern den Brief aus Weimar unterzeichnet und darin die CDU aufgefordert, sich demokratisch zu reformieren und sich von der SED-Umklammerung zu lösen. Lieberknecht: Die CDU-Satzung, selbst in der DDR, enthielt noch demokratische Restbestände aus der Zeit ihrer Gründung. Ein zentraler Satz unseres Briefes war gegen den Zentralismus gerichtet, der für die DDR konstitutiv war, der aber nicht zu den Wesensmerkmalen der CDU gehörte, die föderal gegründet war. Wir wollten die CDU aus dem von der SED dominierten Block der Nationalen Front lösen, um eine Plattform für die überall aufflammenden Diskussionen zu bieten. Diese Debatten, die bis

Der Glaube kann stärker sein als jedes politische System. dahin nur unter dem Dach der Kirchen geführt werden konnten, wollten wir wieder in die Gesellschaft führen.

BMS: Das klingt heute weit harmloser, als es damals war. Woher nahmen Sie den Mut? Lieberknecht: Es war uns schon klar, dass unser Handeln nicht ganz ungefährlich war und zu unliebsamen Bekanntschaften mit der DDR-Staatsmacht führen konnte, aber es gab einen Punkt, da konnte ich nicht mehr zurück. Da habe ich gespürt, dass die innere Überzeugung so stark sein kann, dass man bereit ist, auch Nachteile auf sich zu nehmen. Die Erfahrung, dass es eine innere Überzeugung gibt, bei der man nicht bereit ist, auch einer unkalkulierbaren Staatsmacht gegenüber einzulenken, war mir aus der Geschichte bekannt, aber sie persönlich zu erleben, war für mich neu. BMS: Da fallen einem Parallelen zur NS-Zeit ein. Lieberknecht: Ich will das nicht überhöhen, aber ich habe mich im Theologiestudium viel beschäftigt mit dem Widerstand im Dritten Reich, mit Dietrich Bonhoeffer oder Paul Schneider, dem Prediger von Buchenwald. Und ich habe mich immer gefragt, woher hatten diese Menschen die Kraft, für eine Überzeugung so einzutreten, dass sie bereit waren, selbst ihr Leben zu opfern. Ohne das vergleichen zu wollen, habe ich dann selbst eine Ahnung davon verspürt, wie es möglich ist, für seine Überzeugung auch in einem Unrechtsstaat einzutreten. BMS: Hat Ihnen der Glaube dabei geholfen? Lieberknecht: Für mich ist der Glaube mein Fundament, und ich musste meine inneren Koordinaten nicht ändern, sie sind stärker als jeder Systemwechsel. Es ist die Freiheit eines jeden Christenmenschen, der niemandem untertan ist. Der Glaube kann stärker sein als jedes politische System. BMS: Gab es dennoch Momente der Angst? Lieberknecht: Die gab es, vor allem bei den Demonstrationen, als wir noch nicht wussten, ob die Panzer in den Kasernen bleiben würden. Es war auch angsteinflößend, wie die Staatssicherheit fast überall aufgetreten ist. Auch ich hatte Angst, aber wir waren in einer Gemeinschaft, in der wir nicht mehr zurück wollten und auch nicht mehr zurück konnten. Die Gemeinschaft macht stark und den Demonstrationen sind immer Gebete vorausgegangen. Es haben alle gebetet, die Gläubigen wie auch all die anderen.

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POLITIK & WIRTSCHAFT BMS: Wer in diesem Jahr Abitur machte, war damals noch nicht geboren. Können Sie diesen jungen Leuten die Gefühle von damals vermitteln? Und finden Sie Interesse dafür? Lieberknecht: Das Interesse der jungen Leute ist sehr groß. Es gibt Zeitzeugen-Gespräche in Schulen, Schülerwettbewerbe, Projekte, die sich mit der früheren Grenze beschäftigen. Auch die Medien leisten dazu zunehmend Beiträge. All dies hat ein paar Jahre gedauert, aber inzwischen gibt es eine intensive Beschäftigung mit dieser jüngsten Geschichte, die aber für die Schüler in weiter Ferne liegt und daher begreifbar erklärt werden muss. BMS: Sie waren nach der Wende die erste Kultusministerin in Thüringen und damit verpflichtet, einen neuen Geist in die Schulen zu bringen. Lieberknecht: Das war schwierig, zugleich aber gab es auch viel Offenheit. Es gab viele Pädagogen, die sich bewusst auf den neuen Weg gemacht haben, es gab aber auch andere, die hatten schlichtweg Angst, weil sie Fächer und Aufgaben hatten,

Die nachträgliche Verharmlosung verhöhnt die Stasi-Opfer.

Bild: P. Schmalz

die es nicht mehr gab. Wie Lehrer für Staatsbürgerkunde oder Pionierleiter zu sein. Dazu kam auch noch, dass wir durch die Kultusministerkonferenz gebunden waren, unser Schulsystem möglichst rasch anzugleichen.

Große Ehre für den Vater der Einheit: Zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit lud Bundestagpräsident Norbert Lammert zu einem Festakt vor dem Reichstag in Berlin ein, wo Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker in der Nacht zum 3. Oktober 1990 mit einem großen Feuerwerk das Ende der DDR und den Beginn des wiedervereinten Deutschlands erlebt hatten. Zwei Jahrzehnte später ist Helmut Kohl als Ehrengast gekommen (unser Bild zeigt Kohl auf einer Großleinwand vor dem Reichstag) und der Bundestagspräsident würdigt ihn für seine historische Leistung: Mit niemandem verbinde sich die Deutsche Einheit so sehr wie mit Helmut Kohl. Vor allem mit dem damaligen US-Präsidenten George Bush senior. und dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow sei es Kohl gelungen, die Chance zur Einheit zu verwirklichen. An der Feier nahmen auch Kohls Nachnachfolgerin Angela Merkel und der neue Bundespräsident Christian Wulff teil, der wenige Stunden zuvor bei der zentralen Einheitsfeier in Bremen seine viel diskutierte Integrationsrede gehalten hatte.

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BMS: Gingen dabei auch Dinge unter, die Sie gerne behalten hätten? Lieberknecht: Zum Beispiel das Fach Polytechnik. Ohne ideologischen Ballast war es ein sehr sinnvolles Fach, das die theoretische Ausbildung mit dem Bezug zum wirtschaftlichen Alltag verbunden hat. Es zeigt sich heute auch als Fehler, dass wir damals die pädagogischen Hochschulen geschlossen haben. Es gibt aber auch schöne Sachen, die wir erhalten haben. So haben wir gegen viel pädagogischen Missionseifer aus den alten Ländern das bodenständige Fach Schulgarten erhalten. Heute würde man sagen, hoch modern im Sinn der Nachhaltigkeit, sehr anschaulich. Aber damals haben sie über mich als junge Kultusministerin den Kopf geschüttelt. Ich habe das gern hingenommen. Ein anderes Beispiel ist das Abitur nach zwölf Jahren. BMS: Von einer angsteinflößenden Staatssicherheit haben Sie bereits gesprochen. Heute meint mancher, die Stasi sei nur ein Geheimdienst gewesen wie viele andere auch. Lieberknecht: Die nachträglichen Verharmlosungsdebatten sind völlig inakzeptabel und werden der Rolle der Stasi auch nicht gerecht. Vor allem aber sind sie ein Hohn für die Opfer, die bis heute unter den früheren Machenschaften der Staatssicherheit zu leiden haben. Wir dürfen auch die nicht vergessen, die durch die Schikanen ihr Leben verloren haben oder deren Lebenserwartung schwer beeinträchtigt wurde. BMS: Können Sie verstehen, dass auch Kollegen von Ihnen Probleme haben, die DDR einen Unrechtsstaat zu nennen? Lieberknecht: Wir haben hier eine emotional aufgeladene Debatte. Auch wenn der Begriff Unrechtsstaat im Völkerrecht nicht vorgesehen ist, war es doch das Gefühl der Menschen, Bayerischer Monatsspiegel 157_2010


POLITIK & WIRTSCHAFT dass ihnen in Bezug auf zentrale Grundrechte Unrecht geschieht. Das hat gar nichts damit zu tun, dass es auch in der DDR einen normalen Alltag gab und dass in normalen zivilrechtlichen Vorgängen Recht gesprochen wurde, das bis heute Bestand hat. Aber dieser Staat hat sich selbst bewusst als Diktatur des Proletariats definiert und dem alles untergeordnet.

BMS: Angela Merkel ist Deutschlands erste Bundeskanzlerin, Sie sind die erste CDU-Ministerpräsidentin. Gibt es in den neuen Ländern ein besonderes weibliches Macht-Gen?

© Bundespressearchiv

BMS: Wirkt das Stasi-Gift noch heute? Lieberknecht: Ich habe mich immer gewehrt, der Staatssicherheit noch nachträglich Macht zuzugestehen. Die Debatte über die Staatssicherheit ist in den vergangenen Jahren mit solcher Intensität geführt worden, dass ich meine, dadurch bekommt sie einen Stellenwert, der ihr nicht gebührt. Das geht bis dahin, dass man Unterlagen der Staatssicherheit bis zum heutigen Tag nutzt, um historische Vorgänge aufzuklären, also

BMS: Haben Sie Respekt vor der Entscheidung der Thüringer SPD, gegen teils massiven Widerstand auch aus Berlin nicht mit den Linken, sondern mit der CDU zu koalieren? Lieberknecht: Davor habe ich großen Respekt. Es gilt ja noch immer als ein kleines Wunder, dass es trotz einer reichlichen strategischen Mehrheit von SPD, Linken und Grünen zu einer Großen Koalition gekommen ist. Das ist in der aktuellen Parlamentsgeschichte ja nicht gerade üblich. Wir haben dadurch stabile, verlässliche Verhältnisse erreicht, wenngleich wir mit einer CDU-Alleinregierung natürlich einige andere Akzente setzen würden.

Das Andreas-Viertel im Herzen von Erfurt war von der SED zum Verfall und Abriss preisgegeben. Ein Stadtmodell aus den achtziger Jahren zeigt den sozialistischen Größenwahn: Die historische Altstadt sollte eintönigen Plattenbauten weichen.

Die Wende kam den Abrissbaggern der DDR-Herrscher zuvor: Private Investoren haben seit 1990 die maroden Häuser der Erfurter Innenstadt saniert. Die Thüringer Landeshauptstadt ist heute ein Schmuckstück, das viele Touristen anlockt.

auf Basis zu Unrecht erstellter Materialien, bei denen ich auch Zweifel an deren Wahrhaftigkeit habe.

Lieberknecht: Über Gene möchte ich nicht spekulieren. Wir haben aber gemeinsam, dass wir aus einem Pfarrhaus kommen und damit in einer Gesellschaft, die fast bis in den letzten Winkel staatlich organisiert war, in einer absoluten Minderheitensituation waren. Wenn man in dieser DDR etwas werden wollte, ohne sich ideologisch eingliedern zu wollen, musste man besser sein. Ich durfte mein Abitur nur ablegen, weil ich in einigen Fachdisziplinen für die Schule bei Wettbewerben erfolgreich war, die es nicht mehr möglich machten, mich vom weiteren Bildungsweg fern zu halten.

BMS: Wäre es besser für die Einheit gewesen, die SED wäre nach der Wende verboten worden? Lieberknecht: Darüber können wir im Nachhinein kluge Debatten führen. Unmittelbar nach der friedlichen Revolution gab es gar keine Instanz, mit der wir sie hätten verbieten können. Ich empfinde es als das höhere Gut, für das wir wirklich dankbar sein müssen, dass wir eine Revolution ohne Blutvergießen hatten. Das ist mit Blick auf die Revolutionsgeschichte ein einzigartiges Wunder. Und jeder von uns war froh, dass es so friedlich war. Mit Übernahme des bundesdeutschen Rechtssystems war jeder Versuch, die SED-PDS zu verbieten, aussichtslos. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass es in der zweiten Reihe der SED Leute gegeben hat, die mitgewirkt haben, dass die Revolution friedlich bleiben konnte. Bayerischer Monatsspiegel 157_2010

BMS: Also harte Umstände, die Leistungen geradezu provozierten? Lieberknecht: Einerseits harte Umstände, dazu aber auch die Geborgenheit im staatsfernen Raum des Pfarrhauses. So sind wir beide an unterschiedlichen Orten unter ähnlichen Umständen geprägt worden. n

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POLITIK & WIRTSCHAFT Thomas Breitenfellner

Sprachrohr des Ostens Wie ein Bayer in den Neuen Ländern zum Marktführer wurde

In den Wochen vor der Deutschen Einheit bewies Verleger Hubert Burda Gespür: Die Herausgabe der wöchentlich erscheinenden Super Illu wurde ein Erfolg. Bald wurde die Zeitschrift zum Marktführer in den Neuen Ländern – und hält die Spitzenstellung bis heute mit großem Abstand. Ein Phänomen in der Medienlandschaft. 20 Jahre Deutsche Einheit, das sind auch 20 Jahre Super Illu. Mann der ersten Stunde ist Jochen Wolff, der drei Monate nach Gründung Chefredakteur wurde und heute immer noch an der Spitze steht. 20 Jahre im Amt – auch das ist ungewöhnlich in dieser schnelllebigen Branche. Aber ungewöhnlich mag der Werdegang dieses Formats ohnehin erscheinen. Für Verleger Hubert Burda war es ein Experiment in einer hektischen Zeit: Natürlich musste man damit rechnen, dass der neue Titel – wie so viele andere – schnell wieder aus den Kiosken verschwinden würde. Wer konnte schon sagen, welches journalistische Format bei den Menschen im Osten ankommen würde? Bald war klar, Burda hatte auf das richtige Pferd gesetzt. Die Auflage schnellte in die Höhe. Bis heute werden Woche für Woche

Beginn einer Ära: Super-Illu-Chefredakteur Jochen Wolff mit der ersten Ausgabe vom 23. August 1990. Von Beginn an setzt sich das Blatt kritisch mit der DDR-Vergangenheit auseinander. Blanke Brüste und das „Girl der Woche“ indes mussten weichen. „Irgendwann passte das nicht mehr in die Zeit“, sagt Wolff.

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POLITIK & WIRTSCHAFT

DDR-Geschichte als Dauer-Thema: Super-IlluChef Jochen Wolff (r.) und Chefreporter Gerald Praschl legen einen Kranz für Maueropfer Peter Fechter nieder.

rund 400 000 Exemplare verkauft. In den Neuen Ländern nimmt die Super Illu die Spitzenstellung ein, weit vor den westdeutschen Bestsellern Spiegel, Stern, Bunte und Focus. 3,7 Millionen Menschen lesen die Super Illu, „in Ostdeutschland liegen wir in jedem zweiten Wohnzimmer auf dem Tisch“, sagt Wolff selbstbewusst. „Ein Volltreffer auf dem ostdeutschen Zeitschriftenmarkt“, resümiert Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, sein Brandenburger Kollege Matthias Platzeck erklärte die Super Illu zum „Sprachrohr des Ostens“. Klar ist: Wer die Menschen im Osten erreichen will, kommt um die Super Illu

„Das Ausspielen von Ost gegen West war nie unser Geschäft.“ nicht herum. Das gilt für Politik und Wirtschaft gleichermaßen. Etliche Medienmacher wollten dem Blatt die Alleinstellung im Osten streitig machen, bissen sich an ihm jedoch die Zähne aus. Worin liegt das Erfolgsgeheimnis? „Nah bei den Menschen sein, ihre Alltagssorgen ernst nehmen“, betont Wolff. Unterhaltung, Information und Tipps – das ist die Mischung, mit der die Redaktion Auflage macht. Den Lesern als Ratgeber zur Seite zu stehen, hatte man von Beginn an als Auftrag verstanden.

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So wurde 1990 in einem Schnellkurs das bundesdeutsche Recht vermittelt – von der Rente über Mietkosten bis hin zu Jobverlust. Wie denken und fühlen die Menschen im Osten? Wolff, der gebürtige Bayer, hat in all den Jahren das Gespür dafür entwickelt, der „Wessi“ ist eingetaucht in die Lebenswirklichkeit der „Ossis“. „Das Ausspielen von Ost gegen West war nie unser Geschäft“, erklärt Wolff, der in diesem Jahr für die Bemühungen um die „innere Einheit“ das Bundesverdienstkreuz erhielt. „Wir dürfen den Aufschwung Ost nicht kaputt reden“, warnt der 61-Jährige, „wir dürfen stolz sein auf das nach der Wende Erreichte.“ So viel steht fest: Eine Verklärung der Ost-Vergangenheit findet in der Super Illu nicht statt. Kein anderes Medium setzt sich so intensiv mit der DDR-Geschichte auseinander. Dabei unterscheide man „zwischen dem Alltagsleben der Menschen und den Irrwegen, die SED und Stasi beschritten haben“, sagt Wolff. Die Branchenzeitschrift Medientenor stellte fest, dass von den 36 wichtigsten deutschen Medien die Super Illu die Folgen der Deutschen Einheit am positivsten bewertet. Oder wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview formulierte: „Super Illu hat nie das schreckliche Bild vom Jammer-Ossi gezeichnet, sondern Menschen herausgestellt, die ihr Schicksal in die Hand nehmen.“ Die Ära des Ost-Magazins – irgendwie super. n

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POLITIK & WIRTSCHAFT Josef Kraus

Historische Analphabeten Lehrerpräsident warnt vor erschreckenden Wissenslücken über die DDR-Vergangenheit

Als Josef Kraus die Abiturzeugnisse 2010 unterschrieb, fiel ihm auf, dass das arithmetische Mittel der Geburtsdaten aller 73 Abiturienten als durchschnittlichen Geburtsmonat den Oktober 1990 ergibt. Das veranlasste ihn, in seiner Abiturrede über das wiedervereinigte Deutschland zu sprechen. Seinen Appell, mit der jüngsten Geschichte sorgsamer umzugehen und die Freiheit verantwortungsvoll zu pflegen, veröffentlichen wir leicht gekürzt.

Fangen wir damit an, wie erschreckend es ist, was Jung und Alt über die Wiedervereinigung und überhaupt über die deutsche Geschichte nach 1945 wissen. Fast bin ich versucht zu sagen: Hier greift ein ausgeprägter historischer Analphabetismus um sich, der sich deshalb noch verschärfen wird, weil derzeit die Vokabel von der angeblich notwendigen Entrümpelung der Lehrpläne grassiert. Ganze geschichtliche Epochen wurden curricular entsorgt. Laut Emnid-Umfrage weiß etwa jeder dritte Deutsche nicht, wann die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Und geradezu skandalös unterbelichtet ist im Jahr 20 nach der Wiedervereinigung das Wissen um den anderen Staat in Deutschland. Dazu gibt es eine Studie des „Forschungsverbundes SED-Staat“ der Freien Universität Berlin. Mehr als die Hälfte der jungen

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Leute kennt demnach das Jahr des Mauerbaus nicht. Nur jeder Dritte weiß, dass die DDR die Mauer gebaut hat. Ebenfalls jeder dritte Schüler hält Konrad Adenauer und Willy Brandt für DDR-Politiker und Honecker ist angeblich demokratisch legitimiert gewesen. Die Stasi sei ein ganz normaler Geheimdienst gewesen. Nur 27,1 Prozent der west- und 17,2 Prozent der ostdeutschen Schüler hatten Kenntnis von der Todesstrafe in der DDR. 71 Prozent aller Schüler meinen, in der DDR habe es keine Arbeitslosigkeit gegeben. Außerdem sei es den Rentnern dort besser als in der Bundesrepublik gegangen und selbst die Umwelt sei in der DDR sauberer gewesen als in der Bundesrepublik. Interessant auch: Gerade in Brandenburg und in Ost-Berlin findet schier eine Verklärung der DDR statt. Schüler aus OstBerlin sehen die DDR mit einem Anteil von 48 Prozent nicht als eine Diktatur. Bayerische Schüler können die Verhältnisse in der DDR noch am ehesten einschätzen; bayerische Hauptschüler wissen über die DDR sogar mehr als Brandenburgs Gymnasiasten. So weit die erschreckendsten Ergebnisse der Studie, an der insgesamt 5000 Schüler im Alter von 16 und 17 Jahren aus Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Bayern beteiligt waren. Die einfachste Erklärung für dieses Desaster ist noch, dass nicht


© Mediathek des Deutsch-Deutschen Museum Mödlareuth

Das oberfränkische Mödlareuth wurde 1966 von DDR-Grenztruppen durch einen „antifaschistischen Schutzwall“ in der Mitte geteilt. Später wurde der Ort als „Little Berlin“ weltweit bekannt.

In Berlin wurde die Mauer fast vollständig abgebaut, doch in Mödlareuth wurde aus einem Teil der unmenschlichen DDR-Grenzanlagen ein anschauliches Museum geschaffen. Heute wird es von vielen Schulklassen aus Ost und West besucht.

wenige Menschen ihr „Wissen“ um die DDR aus lustigen Filmen über die DDR und aus einer „Neuauflage einer mit Floskeln aufgehübschten DDR“ (Reiner Kunze) beziehen. Die DDR war ja angeblich ein Staat der Geborgenheit.

den mehr als 100 000 Stasi-Mitarbeiter gestoßen wäre. Nein, man sollte es wissen, weil wir dann zu einem aufgeklärteren Verhältnis zu unserem Land finden. Dankbar wissen sollte man auch, dass die Chance zur Vereinigung nur wenige Monate bestand, dass sie glücklicherweise genutzt wurde und wir sie einem George Bush sen., einem Michail Gorbatschow und einem Helmut Kohl zu verdanken haben. Man denke nur an die Widerstände einer Thatcher und eines Mitterand! Es wird jedenfalls Zeit, dass dieses Deutschland sich in all seinen Epochen seiner Geschichte bewusst ist – auch der glücklichen Phasen. Es wird auch Zeit, dass dieses Deutschland sein Leiden an sich selbst überwindet.

Damit ist aber nur ein kleines Stück Legende erklärt. Es spielt vor allem die aktuelle Geschichtspolitik, beziehungsweise die Geschichtsklitterung krypto-kommunistischer Kreise eine Rolle. Nicht wenige so genannter politischer Spitzen behaupten, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Außerdem habe es mit den Kindergärten, Schulen und mit dem Gesundheitswesen auch „sympathische Elemente“ der DDR gegeben.

„Freiheit, die man nicht lebt und pflegt, welkt dahin.“ Eigenartig! Während sich der Widerstand gegen ein Vergessen der Greuel des Nationalsozialismus mit der zeitlichen Entfernung vom „Tausendjährigen Reich“ immer engagierter formiert, rankt sich mit zunehmendem Abstand vom Jahr 1989 immer mehr Legendenbildung um die DDR. Dass die DDR ein Staat hinter Gittern war; dass an der Grenze zwischen Deutschland und Deutschland eintausend Menschen ihr Leben lassen mussten; dass DDR-Billigarbeiterinnen aus Vietnam und Mosambik unter Abtreibungszwang standen – all dies hielt etwa einen Nobelpreisträger Günter Grass nicht davon ab, die DDR als eine „kommode Diktatur“ zu bezeichnen. Die Bürgerrechtlerin Freya Klier schreibt dazu: „Die DDR ist wieder da – und schöner noch als einst.“ Das scheint in der Retrospektive vieler bewegter Schulpolitiker und „Bildungs“-Ideologen auch für die „Wahr“-Nehmung des DDR-Schulsystems zu gelten. Seit PISA tun manche sogar so, als habe Finnland hier deshalb so gut abgeschnitten, weil es in den 1970er Jahren das DDR-Schulsystem nachgebaut habe. DDR-Schule, das hieß: Durch­ideologisierung, „Ausbremsen“ von Kindern aus „bürgerlichen“ Häusern; geschönte Notenbilanzen; schwache Kenntnisse der Schüler in Fremdsprachen, denn das Russische wurde monopolisiert; noch Ende der 80er Jahre eine Abiturientenquote von allenfalls zehn Prozent. All das sollte man wissen. Nicht aus einer Wessi-Arroganz heraus. Denn: Wer von uns Wessis kann schon sagen, wie er sich in der DDR verhalten hätte, ob er widerstandsfähig gewesen wäre oder ob er zu

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Mit Staaten ist es nämlich ebenso wie bei Menschen: Wer sich selber nicht ausstehen kann, ist auch den anderen schwer erträglich. Ich wünsche uns daher eine gesunde Liebe zu unserem Land: Einen Patriotismus der historisch-unterfütterten Identität. Einen Patriotismus der Bindung nach Innen, des Wir-Gefühls, des Gefühls der Geborgenheit. Einen Patriotis­ mus des inneren Friedens und der Berechenbarkeit, der Offenheit und Toleranz, mit einer gewissen Leichtigkeit und Toleranz. Ansonsten appelliere ich an Euch: Betrachtet Freiheit nie als etwas Selbstverständliches. Denkt daran, dass vor gerade erst 20 bis 21 Jahren dafür Millionen Deutsche auf die Straße gegangen sind und dafür so manches riskiert haben. Denkt daran, dass es das Grundgesetz damals war und heute ist, das den freiheitlichen, demokratischen, sozialen Rechtsstaat mit seinen Bürger- und Menschenrechten garantiert. Denkt daran, dass Freiheit (in Bindung und in Verantwortung) tagtäglich gelebt und bewahrt werden will und nichts Selbstverständliches ist. Es gilt: Freiheit, die man nicht lebt und die man nicht pflegt, welkt dahin!

Josef Kraus ist seit 1987 Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und Leiter des Maximilian-von-Montgelas-Gymnasiums in Vilsbiburg. Der 61-jährige Pädagoge studierte in Würzburg, war Schulpsychologe für den Regierungsbezirk Niederbayern und wohnt in Ergolding bei Landshut.

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POLITIK & WIRTSCHAFT Klaus Schroeder

Ein Staat – zwei Gesellschaften? Die Deutschen in Ost und West sind sich immer noch fremd

Wie die Entwicklung in der DDR und der Bundesrepublik gezeigt hat, bilden unterschiedliche Wirtschaftsordnungen unterschiedliche Mentalitäten heraus. Der Sozialismus forderte zwar den ganzen Menschen, überließ es ihm aber, in welcher Weise er sich in die Kommandostrukturen des Wirtschaftsprozesses einfügte. Materielle und immaterielle Anreizprozesse waren zumeist an kollektive Leistungen gebunden. Die diversen mit großem medialem Aufwand betriebenen Kampagnen der SED-Führung zur Verbesserung der Arbeitsmoral und -intensität erzielten wenig Wirkung beziehungsweise bestärkten noch viele Werktätige in ihrer Auffassung, nur das Nötigste zu

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tun. Im Volksmund erfreute sich der Spruch „Ihr tut so, als würdet ihr uns bezahlen, dafür tun wir so, als würden wir arbeiten“ großer Beliebtheit. Der „Geist des Kapitalismus“ erfordert dagegen – auch in seiner moderaten Variante, der sozialen Marktwirtschaft – nahezu entgegen gesetzte Einstellungen und Verhaltensweisen. Selbstständigkeit, Entscheidungsfreude, Bereitschaft zur beständigen Anstrengung und Leistung sind wesentliche Merkmale der gewünschten Arbeitsauffassung. Diese wurden zwar in der Folge der Protestbewegung 1968 lauthals in Frage gestellt und zum Teil abgeschwächt, jedoch nicht abgeschafft. Der Geist des Kapitalis-


POLITIK & WIRTSCHAFT mus erzwang auch bei seinen Kritikern Anpassungsprozesse, die das System insgesamt stärkten. Soweit die Ausgangslage bei der Wiedervereinigung vor zwanzig Jahren. Aber wie stellt sich die ökonomische und mentale Situation in Ost und West heute dar? Durch den unmittelbar nach der Wiedervereinigung von der damaligen Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl eingeschlagenen konsumorientierten Vereinigungspfad, der gewaltige finanzielle Transfers von West nach Ost notwendig machte, vollzogen sich materielle und soziale Angleichungsprozesse in atemberaubender Geschwindigkeit. Ab Mitte der neunziger Jahre gelten, was öffentlich bisher kaum wahrgenommen wird, für etwa zwei Drittel der Deutschen in Ost und West annähernd gleiche Lebensbedingungen. Seither verlangsamte sich zwar die durchschnittliche materielle Annäherung der Haushalte, wiewohl inzwischen – unter Berücksichtigung fortbestehender regionaler Kaufkraftunterschiede – die durchschnittlichen realen ostdeutschen Haushaltseinkommen etwa 80 bis 85 Prozent des Westniveaus erreicht haben. Noch bestehende und auch nur langfristig abschmelzende Unterschiede existieren insbesondere in der Verteilung des Ver-

Die ruinösen Hinterlassenschaften des SED-Staates wurden beseitigt. mögens und der hieraus resultierenden Einkommen. Aber selbst auf diesem Feld lässt sich eine erstaunliche relative Verbesserung für ostdeutsche Haushalte konstatieren. Ihre durchschnittlichen Geldvermögen stiegen in den letzten zwanzig Jahren von knapp einem Fünftel auf über die Hälfte des westdeutschen Niveaus. Binnen weniger Jahre wurden die ruinösen Hinterlassenschaften des SED-Staates beseitigt. Die aus wirtschaftlichen Gründen massiv zerstörte Umwelt wurde saniert, die räumliche und technische Infrastruktur modernisiert, Innenstädte vor dem endgültigen Zerfall gerettet, das Gesundheitswesen auf den neuesten Stand gebracht und die Ernährungssituation verbessert. In der Folge stieg in den neuen Ländern die Lebenserwartung in den letzten zwanzig Jahren um gut fünf Jahre an.

Vor allem das Wirtschaftssystem steht in der Kritik einer Mehrheit in beiden Landesteilen: Nur noch knapp die Hälfte der Westdeutschen und gut ein Viertel der Ostdeutschen halten die Marktwirtschaft für das beste Wirtschaftssystem. Mit dieser Skepsis korrespondiert ein steigender Anteil derjenigen, die den Sozialismus für eine gute Idee halten, die nur schlecht ausgeführt wurde. Über die vergangenen zwanzig Jahre hinweg hat sich bei den Deutschen in Ost und West eine unterschiedliche Einschätzung des Staates und seiner Aufgaben gehalten. Trotz des kläglichen Scheiterns des Staatssozialismus in der DDR erwarten Ostdeutsche noch stärker als die Westdeutschen, dass sich der Staat möglichst umfassend um die Bürger kümmern und tief in die Wirtschaft eingreifen soll. Die Umverteilungsdimension des Staates wird dagegen von alten und neuen Bundesbürgern, jedenfalls nach der Jahrtausendwende, ähnlich gesehen. Eine relative Mehrheit geht davon aus, dass der Wohlstand in einem Staat, der stark in die Wirtschaft interveniert, größer ist als in einer Gesellschaft, in der sich der Staat weitgehend aus dem Wirtschaftsprozess heraushält. Selbstredend wird dem intervenierenden Staat mehr Gerechtigkeit zugesprochen. Die Deutschen in Ost und West – zumindest eine beträchtliche Anzahl von ihnen – sind sich in mancher Hinsicht auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung noch fremd geblieben; viele beurteilen die Einheit zudem interessengeleitet. Obschon Westdeutsche überwiegend die hohen Kosten der Vereinigung tragen und in den vergangenen zwanzig Jahren Wohlstandseinbußen hinnehmen mussten, blieb die Kritik an der Vereinigung eher verhalten. Anders als im Osten, wo Vereinigungskritiker von Beginn an mit der PDS ein Sprachrohr hatten, fanden sie in den alten Bundesländern Wie einst Propagandabilder (hier das Wandbild „Aufbau der Republik“ von Max Lingner am heutigen Bundesministerium der Finanzen in Berlin), täuscht heute die Nostalgie: „Das rasch Gewonnene wird von vielen gering geschätzt, vieles Verlorene dagegen nostalgisch verklärt.“

Bild: SpreeTom

Und dennoch ist die politisch-gesellschaftliche Stimmungslage unter den Ostdeutschen eher getrübt. Trotz des gezielten schnellen materiellen Angleichungsprozesses zeigen sie sich mit ihrem Leben unzufriedener als Westdeutsche. Das rasch Gewonnene wird von vielen gering geschätzt, vieles Verlorene dagegen nostalgisch verklärt. Auch bestehen, wie Umfragen belegen, weiterhin deutliche Mentalitätsunterschiede, vor allem auch abweichende Einstellungen zur Wirtschaftsordnung.

Bei vielen Ostdeutschen löst das Mit- und Gegeneinander in einer freiheitlich-pluralistischen Gesellschaft nach wie vor befremdliche Gefühle aus. Der Wettbewerb von Ideen, politischen Richtungen, sozialen Interessen etc. erscheint ihnen eher als zerstörerisches Element in einer unübersichtlichen Gesellschaft. Sie hegen den Wunsch nach einem starken Staat, nach einer Instanz, die oben und unten, richtig und falsch, gut und böse vorgibt. Zwar favorisieren sie – ebenso wie eine breite Mehrheit der Westdeutschen – die Demokratie als politisches Prinzip, äußern sich aber skeptisch gegenüber der praktizierten, konkreten Form der parlamentarischen Demokratie.

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Mauern sind nicht nur aus Stein und Beton. Daran erinnert dieser Ausschnitt aus der East Side Gallery, einem einst 1316 Meter langen Teil der Berliner Mauer, das 118 Künstler aus 21 Ländern im Frühjahr 1990 zur längsten Open-Air-Galerie der Welt gestalteten.

auf der Ebene der Parteien keinen politischen Resonanzboden. Die Mehrheit der Westdeutschen zeigt sich am Vereinigungsprozess eher desinteressiert und nimmt dessen Folgen nachgerade fatalistisch hin. Unterschwellig dürfte jedoch vor allem in strukturschwachen Regionen bei vielen Unverständnis gegenüber dem hohen Grad an Unzufriedenheit im Osten vorherrschen. Besonders die Selbstverständlichkeit, mit der ihre Landsleute die jährlichen milliardenschweren Transfers betrachten, stößt nicht selten auf Kopfschütteln. Der negative Saldo, den viele Ostdeutsche aus der Bilanz der allgemeinen Lage ziehen, resultierte von Beginn an zu großen Teilen aus der hohen Arbeitslosigkeit und den veränderten sozialpolitischen Strukturen. Die meisten unterschätzten das Ausmaß des mit dem Sturz der SED-Diktatur und der Vereinigung verbundenen Wandels, der auch ihr persönliches Leben berührt. Im Vertrauen auf neue Autoritäten, nicht zuletzt in Gestalt Helmut Kohls und der von ihm geführten Bundesregierung, übersahen viele das individuelle Risiko und die eigene Verantwortung. Mit der gleichsam über Nacht erfolgten Übertragung neuer Institutionen und Rahmenbedingungen konnte der individuelle Anpassungsprozess naturgemäß nicht Schritt halten. Daher war es nur verständlich, dass sich der Blick auf die Bewältigung der individuellen Situation richtete und die gesellschaftlichen Aspekte außer Acht ließ. Die Gründe für das Unbehagen an der Einheit und das Missverhältnis zwischen materieller Lage und öffentlicher Stimmung sind vielfältig, lassen sich im Kern aber auf den Charakter des Vereinigungsprozesses als von außen geleitete Transformation zurückführen. Viele Westdeutsche betrachten sich persönlich als Sieger der Geschichte und entsprechend die Ostdeutschen als Verlierer. Sie schreiben die Überlegenheit des westlichen Systems ihrem eigenen Engagement und ihrer individuellen Arbeitsleistung zu. Die fehlende Anerkennung ostdeutscher Lebensleistungen wird in den Vereinigungsprozess transportiert, indem für die weiterhin bestehenden Wirtschaftsprobleme der neuen Bundesländer vor allem selbst verschuldete Ursachen angeführt werden. Vor diesem Hintergrund reproduziert sich für Ost- und Westdeutsche gleichermaßen das gewohnte Bild vom „reichen Wessi“, der mitleidig auf den „armen Verwandten“ aus dem Osten herabsieht, sich dabei aber heute über die viel höheren Kosten der Verwandtschaftspflege ärgern muss. Wie sehen die weiteren Perspektiven aus? Gewiss: Berlin ist nicht Bonn, aber Berlin ist auch nicht Weimar. Das neue Deutschland ist derzeit nicht in Gefahr, steht aber vor Bewährungsproben, die ein „Weiter so“ in Politik und Gesellschaft nicht ratsam erschei-

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nen lassen. Jenseits ihrer fortbestehenden Institutionen ist in der größer gewordenen Republik vieles in Bewegung geraten, was die bisherige politische und soziale Stabilität infrage stellen könnte. Optimistisch betrachtet ist das vereinte Deutschland eine normale Gesellschaft geworden, deren Sonderbedingungen entfallen sind und die nun mit den gleichen Problemen wie andere Länder zu kämpfen hat. Pessimistisch gesehen steht Deutschland durch die Veränderungen vor der Frage, ob die in Zeiten wachsenden Wohlstands entstandene Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen und pluralen Ordnung auch in wirtschaftlich schwierigerer Lage Bestand hat (oder zumindest nicht stärker gefährdet ist als in Ländern mit längerer beziehungsweise ungebrochener demokratischer Tradition). Nüchtern betrachtet mangelt es Deutschland vor allem an einem Konsens über Grundüberzeugungen, einem Zusammengehörigkeitsgefühl und Leitlinien, wie der Weg in die Zukunft aussehen soll. Immer noch wissen wir nur unzureichend, wer wir sind und was wir wollen. Darin liegt das eigentliche Defizit. Wie die anhaltenden erfahrungs- und systemgeprägten Mentalitätsunterschiede zwischen Ost und West zeigen, lässt sich mit Geld zwar vieles, aber nicht alles bewerkstelligen. Finanzielle

Im Vertrauen auf Kohl übersahen viele das Risiko und die eigene Verantwortung. Solidarität ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für das Zusammenwachsen von Ost und West. Zugleich aber können die Deutschen auf das nach der Vereinigung Geschaffene mit einigem Recht stolz sein, denn schließlich ist erreicht worden, was ursprünglich kaum für möglich gehalten wurde: Deutschland hat sich friedlich und in Freiheit vereint und bisher auch keine Großmachtallüren gezeigt. Die Tür zur deutschen Vereinigung – und dies haben viele schon vergessen – stieß freilich erst die ostdeutsche Bevölkerung im Herbst 1989 auf. Wie schon am 17. Juni 1953 lehnte sie sich gegen die sozialistische Diktatur auf, erzwang deren Sturz und forderte das Recht auf Selbstbestimmung, in dessen Ausübung sie mehrheitlich für eine schnelle Wiedervereinigung votierte. Dass diese unter freiheitlichen und demokratischen Vorzeichen dann erreicht werden konnte, stellt zweifelsohne einen „Glücksfall der Geschichte“ dar, der nicht durch Verteilungsstreitigkeiten oder nostalgisch eingefärbte Rückblicke verdrängt werden sollte. Gegenseitiges Verständnis setzt freilich auf allen Seiten die Bereitschaft voraus, auch das Andere zu verstehen und sich gemeinsam für den Fortbestand einer freiheitlich-demokratischen Ordnung und Gesellschaft einzusetzen. An beidem mangelt es auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung vielerorts immer noch. Es kann nur zusammenwachsen, was zusammengehören will! n Professor Dr. Klaus Schroeder leitet an der Freien Universität Berlin den Forschungsverbund SED-Staat und ist Professor am Otto-Suhr-Institut. Kürzlich ist sein Buch „Das neue Deutschland. Warum nicht zusammenwächst, was zusammengehört“, wjs Verlag, Berlin 2010, erschienen. Der Beitrag ist in der Publikation „inter/esse“ des Deutschen Bankenverbands erschienen. Wir danken für die Nachdruck-Genehmigung.

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AKTUELLES

„Made in Germany“ fehlen Ingenieure Deutschland droht ein dramatischer Verlust an technischem Knowhow. Im kommenden Jahrzehnt könnten 200 000 Ingenieur fehlen, befürchtet Professor Hans-Jörg Bullinger. „Die Zahlen sind alarmierend“, meint der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft in München, „denn der Wirtschaftsstandort Deutschland ist wie kein anderes europäisches Land abhängig von gut ausgebildeten Ingenieuren.“ Schon heute fehlen knapp Absolventen Ingenieursstudium je 1000 Erwerbstätiger

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36 000 Ingenieur, doch der Mangel nimmt zu: Nur rund ein Drittel aller Hochschulabsolventen kommen aus den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), doch um den Bedarf zu decken, müssten es mindestens 40 Prozent sein. Dagegen holen die Nachbarländer auf: Kommen in Deutschland auf 1000 erwerbstätige Ingenieure nur 35 Absolventen, sind es in Spanien 90, in Italien 147 und in Polen und Tschechien über 200.

Pomeranzenhaus strahlt in neuem Glanz

Manager setzen weltweit auf Deutschland

Vor fast 300 Jahren ließen die Ansbacher Markgrafen inmitten eines neu angelegten Barockgartens eine ausgedehnte Orangerie (Bild oben) errichten. Das Pomeranzenhaus nach französischem Vorbild war im Sommer Bühne höfischer Festlichkeiten, im Winter schütze es die empfindlichen Orangenbäume vor dem strengen Frost. Inzwischen ist es repräsentative Herberge der Ansbacher Bachwochen (im nächsten Jahr vom 29. Juli bis 7. August), dient als Kulisse für Feste, Tagungen und Vorträge und ist in die Jahre gekommen. Insgesamt 7,5 Millionen Euro hat die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung in die notwendig gewordene Sanierung gesteckt, am 10. November eröffnete Finanzminister Georg Fahrenschon das aufgefrischte Barockjuwel mit einem Festkonzert.

Dem Fachkräftemangel und den hohen Steuern und Abgaben zum Trotz, erntet Deutschland viel Lob als Investitionsstandort. Bei einer Umfrage der Beratungsfirma Ernst&Young unter ausländischen Managern ist Deutschland im weltweiten Ranking vom sechsten auf den fünften Platz vorgerückt. Es liegt damit hinter China, Indien, den USA und Russland. 38 Prozent der Befragten meinen, die Attraktivität als Investitionsziel sei gestiegen, 40 Prozent der Unternehmen berichten von Investitionsplänen in Deutschland. Im Vorjahr waren es nur 33 Prozent. Gut jeder zweite Manager (54 Prozent) erwartet, dass die Attraktivität Deutschlands in den kommenden Jahren noch zunehmen wird.

Zitate: „Seit dem 15. oder 16. Jahr der deutschen Einheit kommt mir das Wort Supermarkt locker über die Lippen.“ Angela Merkel, Bundeskanzlerin und ehemalige DDR-Bürgerin

„Ich habe hier einen freudigen Umgang mit dem Begriff Vaterland, einen Patriotismus erfahren, wie wir es im Westen schon lange nicht mehr kannten.“ Helmut Kohl, von 1982 bis 1998 Bundeskanzler, über seine Erlebnisse im DDR-Wahlkampf 1990.

„Für viele Menschen hat sich innerhalb von 29 Jahren das Land hinter dem Stacheldraht in ein Eldorado der Erinnerung verwandelt.“ Stefan Wolle, Historiker und Mitarbeiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin, über die Nostalgie vieler früherer DDR-Bürger.

„Auch bei selbstkritischer Betrachtung der 20 Jahre seit dem 3. Oktober 1990 haben wir alle miteinander Anlass zu stillem Stolz und lautem Dank: der Westen gegenüber dem Osten nicht weniger als umgekehrt.“ Norbert Lammert, Bundestagpräsident zur 20-Jahrfeier vor dem Brandenburger Tor.

„Selbst unbelehrbare Sozialisten müssen, wenn sie nach Leipzig oder Dresden fahren, die Existenz von blühenden Landschaften anerkennen.“ Theo Waigel, Ex-CSU-Chef und von 1989 bis 1998 Bundesfinanzminister.

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Goldener Herbst auf dem Arbeitsmarkt Bayern nähert sich der Volbeschäftigung. Der Arbeitsmarkt im Freistaat entwickelt sich sogar günstiger als der beim bisher traditionellen Primus Baden-Württemberg, der mit wachsendem Abstand auf Platz 2 liegt. Schon spricht Minister­präsident Horst Seehofer vom „goldenen Herbst für die Arbeitnehmer und ihre Familien.“ Der Aufschwung ist landesweit: Kein Regierungsbezirk überschreitet die 5-Prozent-Marke, alle liegen unter dem Bundesschnitt. Und Wirtschaftsminister Martin Zeil rechnet mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosenzahlen: „Bayerns Betriebe stellen wieder kräftig ein.“ Besonders erfreulich: Die Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen ist innerhalb eines Jahres von 5,5 Prozent auf 3,5 Prozent gesunken.

Internet: www.bayerischer-monatsspiegel.de

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POLITIK & WIRTSCHAFT Walter Beck

Sarrazin und die verspielte Chance der CDU Erst lesen, dann urteilen: Damit hätte die Union kräftige Argumente gegen die SPD gehabt

Ich habe das Buch zweimal durchgearbeitet. Auszüge erstellt und auch sie nochmals durchgearbeitet. In den veröffentlichten Aussagen über Sarrazin habe ich keine gefunden, die bewiesen hätte, dass Sarrazin falsche Unterlagen, falsche Statistiken verwendet hätte. Freilich ist er in der gleichen Gefahr, in der alle sind, die die Zukunft dadurch berechnen, dass sie die Gegenwart hochrechnen. Gerade die Erfahrung hat gezeigt, dass das ganz selten zu passenden Ergebnissen führt. Das ändert aber nichts daran, dass solche Extrapolationen wichtig sind, weil sie Tendenzen aufzeigen. Was Sarrazin sagt und schreibt, ist in sich logisch und nachvollziehbar. Der besondere Witz ist: Das wird ihm von dem Reporter der Süddeutschen Zeitung, Andrian Kreye, gerade vorgeworfen. Die CDU hat eine ganz große Chance ver­spielt: Die SPD mit Sarrazin vor sich herzutreiben. Hätte die CDU nachgedacht und erst das Buch gelesen, bevor sie vor­ eilige Verurteilungen ausspricht, hätte sie in den vergangenen Wochen und in den zukünftigen Monaten hervorragende An-

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POLITIK & WIRTSCHAFT satzpunkte gehabt, um der SPD ihre politisch falschen Ansätze deutlich zu demonstrieren, um das „Multi-Kulti“ der Grünen ad absurdum zu führen und um ein Selbstbewusstsein in Deutschland zu stärken. Grund genug gibt es ja: Nicht nur unsere Frauen sind Fußballweltmeister geworden, nicht nur unsere Männer haben „Traum-Fußball“ in Südafrika gezeigt. Nein: Unsere Wirtschaft hat der ganzen Welt bewiesen, wie man die Wirtschaftskrise meistern kann. Freilich: Unsere im Grunde nach gesunde Mittelstandsstruktur, das Schwergewicht auf mittelständischen Firmen, die persönlich geführt werden, die finanzielle Unabhängigkeit der mittelständisch orientierten Kreissparkassen und Raiffeisenbanken hat die Weltwirtschaftskrise so abfedern lassen. Viele Menschen in Deutschland haben die Krise überhaupt nicht wirklich gespürt. Sarrazin fürchtet nun gerade die Schwächung dieses Mittelstandes – wenn man den überwiegenden Veröffentlichungen glauben darf, durchaus zu Recht. Trotz dieser Erfolge hat die CDU denkbar schlechte Umfragewerte; sie hat die Gefahren nicht erkannt, auf die Sarrazin so deutlich hingewie-

Prof. Dr. Walter Beck ist Präsident des Peutinger-Collegiums und Herausgeber des Bayerischen Monatsspiegel. Er wurde 1942 in München geboren und ist seit 1972 als selbständiger Anwalt tätig, erst in München und inzwischen in Gmund (Tegernsee). Seit 2004 hat er an der LMU München einen Lehrauftrag für „Juristische Rhetorik“.

www.red.de

Thilo Sarrazin Deutschland schafft sich ab Deutsche Verlags-Anstalt DVA 461 Seiten, 22,99 Euro

sen hat. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass sie nicht von den Reaktionen profitieren kann, die sich zurückführen lassen auf die unglaublich hohen Wellen, die das Sarrazin-Buch geschlagen hat. Für Deutschland müssen wir dankbar sein, dass fast alle zunächst über Sarrazin hergefallen sind – und erst allmählich realisieren, wie wichtig die Debatte ist, die er losgetreten hat. Für die CDU ist es aber wieder einmal eine verlorene Chance, die Mitte in Deutschland zu sichern. Statt die Chance zu nutzen und Sarrazin zu loben, der die Gedankenfreiheit zu Recht in Anspruch genommen hat; statt der Bevölkerung klar zu zeigen, wie schmerzhaft die Wunde ist, in die Sarrazin den Finger gelegt hat – stattdessen distanziert sich die Partei von dem Mann, dem nach Umfragen mehr als 55 Prozent der Bevölkerung Recht geben, der bei einer Umfrage nach der ARD-Sendung von „Hart aber fair“ 84 Prozent Zustimmung erhalten hat. Wie dem auch sei: Die CDU hat eine große Chance vertan. Gegenwärtig scheint dies aber das Lieblingsspiel der CDU zu sein: Gute Chancen zu verspielen. Ob ihr die Wähler noch viele Chancen einräumen? n

Wirtschaftsmotor Airport Mit seinen exzellenten Verbindungen zu 220 Zielen in aller Welt bietet der Münchner Flughafen der exportorientierten bayerischen Wirtschaft ein ideales Sprungbrett für den Aufbruch zu neuen Märkten und Metropolen. Im globalen Wettbewerb der Regionen profitieren die heimischen Unternehmen erheblich von ihrer Nähe zu einer der wichtigsten europäischen Luftverkehrsdrehscheiben. Für viele Investoren, die sich neu in Süddeutschland ansiedeln, ist der Münchner Airport das entscheidende Argument bei der Standortentscheidung. Als Motor für Konjunktur und Beschäftigung sorgt der Flughafen München auch künftig dafür, dass es mit Bayerns Wirtschaft weiterhin bergauf geht. www.munich-airport.de


POLITIK & WIRTSCHAFT Hugo Müller-Vogg

Stammwähler flüchten

Karikatur: Horst Haitzinger

Leichtfertig setzt die Union ihr konservatives Profil aufs Spiel

Der Kalte Krieg ist seit 20 Jahren vorbei; er endete ziemlich genau am 3. Oktober 1990. Das bestreiten nicht mal Sozialisten. Aber ein Konservativer wird hinzufügen: „Und wir haben gewonnen.“ War der Sieg der Idee der Freiheit über die Ideologie der Gleichmacherei zugleich der Todesstoß für Konservative? Ist es wirklich so schwer, eine konservative Agenda zu formulieren, weil nicht mehr alle Wege der SPD nach Moskau führen, wie die CDU in den fünfziger Jahren suggerierte, weil nicht einmal die Linkspartei jede Imbissbude zu verstaatlichen droht, weil Franz Josef Strauß und Alfred Dregger tot sind und weil Friedrich Merz und Roland Koch sich aufs politische Altenteil zurückgezogen haben?

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Richtig ist: Dem konservativen Teil des politischen Spektrums sind einige Themen abhanden gekommen: Die West-Integration ebenso wie das Festhalten an der einen deutschen Nation, die Zugehörigkeit zur Nato wie das Ideal von der Familie mit einem männlichen Ernährer und einer fürsorglichen Mutter. Doch Konservative waren stets Pragmatiker und keine Ideologen. Ihnen ging es nie um letzte Wahrheiten, sondern um Lösungen. Vor allem aber schätzten und schätzen sie berechenbare Umstände. Das ist ja auch der Grund für das Unbehagen vieler konservativer Wähler über das Erscheinungsbild der Unionsparteien: Sie reiben sich verwundert die Augen, wenn die Politik „ihrer“ Partei mit bisherigen Verhaltensmustern bricht – zum Teil

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POLITIK & WIRTSCHAFT ohne zwingenden Grund, zum Teil, ohne den Kurswechsel zu begründen. Beispiel Nr. 1: Die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition. Die CDU/CSU war nur einer von zwei fast gleich starken Partnern. Sie musste Kompromisse schließen. Konservative verstehen das. Was sie nicht verstehen, ist, dass CDU/CSU die Einführung des Mindestlohns durch die Hintertür oder der Neidsteuer für „Reiche“ nicht als Preis fürs Regieren rechtfertigte, sondern als „business as usual“ darstellte. Beispiel Nr. 2: Das Elterngeld. Dagegen lässt sich nichts sagen. Mit einer Ausnahme: den Väter-Monaten. Ausgerechnet die Union macht sich dafür stark, dass nicht die mündigen Ehepartner entscheiden, wer dem Kind zuliebe die berufliche Karriere unterbricht, sondern der Staat politisch korrekte Väter mit bis zu 3600 Euro belohnt. Früher hätten Konservative das als sozialistische Erziehungsdiktatur gebrandmarkt – zu Recht! Beispiel Nr. 3: Die Papst-Kritik der Kanzlerin. Jeder weiß, dass der Heilige Vater kein Antisemit und kein Holocaust-Leugner ist. Doch ausgerechnet die CDU-Vorsitzende meinte, ihn öffentlich belehren zu müssen. Das trieb kirchentreue Katholiken (ja, die gibt es noch!) in die Wahlenthaltung. Beispiel Nr. 4: „Herdprämie“. Ursula von der Leyen hat keinen Hehl daraus gemacht, dass sie berufstätige Mütter fördern will, nicht „Nur-Hausfrauen“. Die CSU pocht auf ein Erziehungsgeld für solche Mütter, die um ihrer Kinder willen zu Hause bleiben und finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Aber

Eine CDU-Niederlage im Südwesten würde ein politisches Beben auslösen. gegen die Diffamierung nicht arbeitender Mütter hat sich die Union nie so recht gewehrt. Der Konservative merkt es – und ist verstimmt. Beispiel Nr. 5: Schulpolitik. In Hamburg musste die CDU für den Machterhalt dank einer schwarz-grünen Koalition einen hohen Preis zahlen – die Abkehr vom Gymnasium und dem Leistungsprinzip. Konservative hätten es ja verstanden, wenn die CDU gesagt hätte, Schwarz-Grün ist immer noch besser als Rot-Rot-Grün. Aber den Schwenk in Richtung Einheitsschule als eigenes Anliegen zu verkaufen, das hat die CDU in Hamburg diskreditiert und weit darüber hinaus. Beispiel Nr. 6: Die Sarrazin-Debatte. Selbst die Bundesregierung muss einräumen, dass etwa zwei Millionen Zuwanderer nicht integrationswillig sind. Sarrazin drückt das etwas deutlicher aus, vermischt das mit abstrusem biogenetischem Halbwissen. Doch letztlich hat Sarrazin die Beschwörung der Multi-Kulti-Idylle mit Fakten widerlegt und damit der Mehrheit der Menschen aus der Seele gesprochen. Dass SPD und Grüne empört aufheulen, ist verständlich. Warum aber die CDU-Vorsitzende und ein Bundespräsident mit CDU-Vergangenheit sich am lautesten empören, versteht kein Konservativer. Denn er kann rechnen und weiß: Jedes Zuwandererkind, das heute in der Schule keinen Erfolg hat, lebt

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Gegen die Diffamierung von Müttern, die sich um ihre Kinder kümmern und nicht arbeiten gehen, hat sich die Union kaum gewehrt.

morgen von Hartz IV – und damit auf Kosten der Steuer- und Beitragszahler. Beispiel Nr. 7: Der Fall Steinbach. Die konservative CDUAbgeordnete hat sich korrekt verhalten – sie hat ihre Kritik an Regierung und CDU intern geäußert, nicht per Pressemitteilung. Doch die „Modernisierer“ sorgten dafür, dass sie öffentlich an den Pranger gestellt und zur verbalen Steinigung durch Gutmenschen freigegeben wurde. Diejenigen, die nie die Union gewählt haben und sie nie wählen werden, waren davon begeistert – die konservativen Stammwähler sicher nicht. Kein Zweifel: CDU/CSU haben das Problem, dass ihre Stammwähler in Scharen in die Wahlenthaltung flüchten, aber alle die vermeintlich modernen Menschen, um deren Gunst die Union buhlt, sie dennoch nicht wählen. Konservative – der Name ist Programm – wechseln nicht so einfach die Partei. Aber wenn sie das Gefühl haben, eine Partei wolle ihre Stimme, nehme aber auf ihre Anliegen keinerlei Rücksicht, ja schäme sich vielleicht sogar solcher Wähler, dann werden sie zu Nichtwählern. Das hat sich bei der Bundestagwahl 2009 gezeigt und bei der NRW-Wahl im Mai ebenso. Das könnte sich bei der baden-württembergischen Landtagswahl im März 2011 wiederholen. Ein grün-rot regierter Südweststaat – das würde die Union noch stärker erschüttern als die SPD-Niederlage 2005 in Nordrhein-Westfalen. Wenn die enttäuschten Konservativen am 27. März 2011 zu Hause bleiben, dann wird das ein politisches Beben auslösen – mit völlig ungewissem Ausgang. n

Dr. Hugo Müller-Vogg ist Publizist in Berlin und u.a. BILD-Kolumnist. Sein letztes Buch „Volksrepublik Deutschland – Drehbuch für eine rot-rot-grüne Wende“ beschreibt den Weg der Linkspartei zum Koalitionspartner einer Bundesregierung.

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POLITIK & WIRTSCHAFT Christian Minaty

Die Blogger-Generation schreibt sich zum Reichtum Vom Hobbyschreiber zum Millionär: Wie Blogs mit erfolgreichen Geschäftsmodellen die Medienlandschaft revolutionieren Die Videos auf YouTube sind bizarr: Da wedeln junge Leute mit Schecks umher, auf denen fünfstellige Dollar-Beträge zu sehen sind. Das sind die jüngsten Werbeeinnahmen vom Google-Werbeprogramm AdSense, jubeln sie und grinsen breit in die Kamera. Manche zeigen auch ihre teuren Autos oder prachtvollen Häuser, finanziert mit Geld aus dem Web. Es sind allesamt Blogger, die mit ihrer Leidenschaft zu publizieren ein Vermögen gemacht haben. Mit viel Pioniergeist haben Blogger die Medienbranche revolutioniert. 200 Millionen Blogs gibt es weltweit, Tendenz steigend. Auch wenn nur wenige Betreiber eines Blogs (Wortkreuzung aus englisch „Web“ und „Log“ für Logbuch) steinreich werden, so hat doch jeder Hobby-Schreiberling die theoretische Chance, zum gut verdienenden Massenmedium aufzusteigen. Voraussetzungen: Ein Computer mit Internetzugang, ein wenig Zeit zum Einrichten des Blogs und unbändige Lust auf ein bestimmtes Thema. Die nötige Software gibt es gratis zum Herunterladen, große BlogNetzwerke haben sogar schon alles fix und fertig eingerichtet.

Trends und üben sich im Facebooken, Twittern und Studivzen. Der Erfolg ist dabei nicht zwangsläufig, übrigens auch nicht bei der großen Masse der Blogger. Die meisten von ihnen haben weder Lust, Zeit noch Talent, eigene Inhalte konsequent zu monetarisieren.

Das klingt höchst paradox angesichts der anhaltenden Medien­ krise. Den alteingesessenen Verlagen ist die Feierlaune vergangen, seit Anzeigen und Auflage schrumpfen und sie einem immer härteren Sparkurs fahren müssen. „Ich glaube, dass die meisten, wenn nicht alle Zeitungen in den USA innerhalb von 20 Jahren nicht mehr erscheinen werden“, unkte kürzlich der amerikanische Medienexperte Norman Pearlstine gegenüber der Fachzeitschrift Horizont. Auch in Deutschland befinden sich zahlreiche Zeitungsverlage kurz vor oder bereits im Siechtum, immer mehr Journalisten haben ihren Arbeitsplatz verloren oder müssen um ihn bangen.

Doch es gibt Profis, die es geschafft haben. In Australien sind einige besonders eindrucksvolle Beispiele zu finden. Als Alpha-Blogger gilt dort Yaro Starak aus Sydney. Er betreibt den Blog entrepreneurs-journey.com und bloggt – über das Geldverdienen mit Blogs. Starak schreibt, jeder habe die Chance, es ihm gleichzutun. Also ein „Minimum von 10 000 Dollar oder gar 35 000 Dollar zu verdienen“ – pro Monat versteht sich.

Von dieser Krise unbeeindruckt, haben pfiffige Köpfe – die meisten von ihnen ohne journalistischen Hintergrund – OnlineVertriebsmodelle für schriftliche Inhalte entwickelt, die offensichtlich große Zukunftschancen haben. Inzwischen versuchen auch die Verlage Anschluss zu finden an die neuesten Digi-

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Starak nutzt einen Mix aus verschiedenen Marketing-Instrumenten: Bannerwerbung, kostenpflichtige PDF-Ratgeber und individuelles Coaching-Programm für den blutigen Anfänger. In seinem

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Newsletter stellte er unlängst seinen Freund und Landsmann Alborz Fallah vor. Dieser hatte nur Autos im Kopf und begann aus purem Spaß an der Freude einen Auto-Blog, in dem er über neueste Modelle schwadronierte. Soviel Herzblut für fahrbare Untersätze gefiel offenbar Tausenden anderen Bleifuß-Fans. Fallahs Blog ist heute rund fünf Millionen Dollar wert. Freie Journalisten müssen also auch im Internet-Zeitalter keine armen Poeten sein. Auch in Deutschland gibt es sie, die TopBlogger. Sport-Freak Michael Wagner aus dem niederbayerischen Passau etwa. Er baute seine kleine Fanseite fussball-passau.de zu einem beachtlichen Portal für Ball-Freunde auf, die Lust auf

Es braucht Sitzfleisch. Die Konkurrenz ist groß, die Leserschaft anspruchsvoll. täglich neue Spielberichte haben. Über acht Millionen Besucher konnten insgesamt verzeichnet werden. Mit Les Mads haben Jessica Weiß und Julia Knolle einen ModeBlog ins Leben gerufen. Die jungen Frauen, verrückt nach Mode, Models und Lifestyle, legten mit ihrem Haute-Couture einen Raketenstart hin. Der Blog gefiel dem Burda-Verlag so gut, dass er ihn kurzerhand übernommen hat – damit dürften die Gründerinnen befreit sein von finanziellen Sorgen. So kann vielleicht der ein oder andere, der jetzt ans Bloggen denkt, am Ende auch mit dicken Schecks angeben. Doch zur

„Jeder hat die Chance, im Monat mindestens 10 000 Dollar zu verdienen“, sagt Profi-Blogger Yaro Starak.

Bloggerei gehört viel Sitzfleisch, schließlich ist die Konkurrenz groß und die Leserschaft anspruchsvoll und ständig süchtig nach frischem Fang aus dem Netz. Aber darin liegt ja auch die Herausforderung. n

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POLITIK & WIRTSCHAFT Heinrich Oberreuter

Auf dem Weg zur Volkspartei Die Grünen im Höhenflug: Alternative auch für bürgerliche Wähler?

Wird ein Grüner Baden-Württembergs nächster Ministerpräsident? Löst Renate Künast in Berlin den SPD-Regierenden Klaus Wowereit ab? Glaubt man den Demoskopen, geht die Öko-Partei in ihr erfolgreichstes Jahrzehnt. In Umfragen liegen die Grünen im Südwesten bei über 30 Prozent und auch in der Bundeshauptstadt ziehen sie an den Sozialdemokraten vorbei. Wächst hier eine neue Volkspartei heran? Der Aufstieg der Grünen kam nicht über Nacht. Und doch scheinen die Spitzen der klassischen großen Volksparteien überrascht. Sie haben nicht bemerkt, wie ihnen die Gesellschaft abdriftet. Rechts, links und konservativ sind zu Begriffen geworden, die fast nichts mehr erklären. Wie konservativ können Linke sein? Wie links Konservative? Und gibt es in Fragen des Lebensschutzes nicht mehr Schnittmengen zwischen Union und Grünen als zwischen den Berliner Koalitionspartnern? Ihr Agieren an den Lebensgefühlen und Lebensbedürfnissen, an den Lebensstilen einer sich wandelnden Gesellschaft vorbei lässt die früheren Großparteien auf quantitatives Mittelmaß schrumpfen – und ehedem kleine wie die Grünen auf konkurrenzfähige Größen anwachsen. Zweifelsohne, die Grünen profitieren von einer Tatsache ganz besonders: Im Bund stehen sie nicht in der Verantwortung, und auch in den Landesparlamenten – mit Ausnahme von NordrheinWestfalen und Bremen – sitzen sie nicht auf der Regierungsbank. Ihre Anhänger pflegen urbane, aufgeklärte und durchaus auch hedonistische Lebensstile, die freilich keineswegs mit den poli-

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tischen und ökonomischen Realitäten übereinstimmen müssen. Wenn man wie die Grünen außerhalb der Regierungsverantwortung steht, so muss man diese Lebenskreise nicht durch unbequeme Entscheidungen stören, aus der Opposition heraus eher noch bekräftigen. Die Volks- und Regierungsparteien haben den gesellschaftlichen Wandel verschlafen. Aber auch ihre Kommunikation und die Vermittlung ihrer Entscheidungen sind mindestens so desaströs wie ihre holprigen Entscheidungsprozesse. Nicht zuletzt die FDP bekommt das zu spüren, die rasch von ihrem Höhenflug abstürzte und heute sogar um den Einzug in den Bundestag bangen müsste. Im Grunde genießen die Grünen schon seit einem Jahrzehnt das Privileg, mit den Schattenseiten unpopulären Regierens nichts mehr zu tun zu haben. Denn zur rot-grünen Zeit hatte Kanzler Gerhard Schröder die Sanierung der Republik zur Chefsache gemacht. Und seit der Großen Koalition erlaubt es die Oppositionsrolle bis heute, zu vielem „Nein“ zu sagen und manches einzufordern, für das man nicht gerade stehen muss. Den Geruch des idealistisch Utopischen oder gar des Protests wie in vergangenen Zeiten besitzt eine solche Position schon deswegen nicht, weil die frühere Alternativpartei Regierungsverantwortung und Pragmatismus kennengelernt und geübt hat. Sie fand dabei zu ebenso prinzipientreuer wie konsistenter Politik. Zugleich hat sie Diskussionsfähigkeit und Kompromissbereitschaft gezeigt – kurz: zur Realpolitik gefunden. Dennoch vermochte sie den Anspruch und


POLITIK & WIRTSCHAFT Eindruck zu vermitteln, in vielem anders zu sein als die schon länger etablierten Parteien. Genau davon profitieren die Grünen derzeit, da die „Alten“ auf scharfe Kritik, Zynismus und sogar Verachtung stoßen – eine keineswegs nur deutsche, sondern weltweite Entwicklung von aktuell besonderer Zuspitzung. Von ihr bleibt am ehesten ausgenommen, wer – zutreffend oder nicht – vom kritikfreudigen Zeitgeist noch immer als gewisse Alternative zum alten Betrieb wahrgenommen wird.

als auf Wachstum angelegt, während den Grünen wie grundsätzlich auch den Liberalen die Modernisierung eher zuwächst. Das Schicksal der FDP zeigt aber auch die Herausforderung, die in der Bewährung in Regierungsverantwortung liegt. Zum neuen Lebensstil der Wähler gehört eben auch die Bereitschaft, die Wahlentscheidung jedes Mal neu zu treffen. Wer materiellen und immateriellen Bedürfnissen keinen Erfolg gewährleistet, stürzt schneller ab als er aufgestiegen ist.

„Grünes“ Denken repräsentiert längst keine Jugend- oder Nachwuchskultur mehr. Vielmehr sind die Repräsentanten beim Vormarsch auf der Alterspyramide zu Einfluss gekommen und zu Prägekräften der Nachwachsenden geworden. Die stärksten Wählerschichten finden sich jetzt in den mittleren Altersgruppen unter 60.

Die Grünen haben sich immer auch aus dem sozialdemokratischen Reservoir gespeist. Jüngeren Datums ist ihre Attraktivität für das „neue“ Bürgertum, das sich ausgebreitet hat. Die Partei ist pragmatisch geworden, vereint Wirtschaftspolitik mit Zukunftstechnologien, die Ressourcen schonen. Hinzu kommt eine nüchterne Politikführung in den Kommunen, den Ländern und im Bund. Schwarz-grüne Koalitionsbildungen sind dadurch möglich und funktionsfähig geworden. Wann es im Bund zu einer Zusammenarbeit mit CDU und CSU kommt, ist inzwischen eher eine Frage der Zeit und von personellen Konstellationen.

Es ist banal: Die Karriere der Grünen und der gesellschaftliche Wandel sind nur zusammen zu denken. Von der Auflösung traditioneller sozialmoralischer Milieus, die klassische Parteibindungen schmelzen lässt, war in der Forschung schon vor 1968 die Rede. Aber schon die 68er-Bewegung profitierte mehr von bereits stattfindenden Modernisierungsprozessen, als dass sie

Die etablierten Volksparteien haben den Wandel verschlafen. diese hervorgerufen hätte: Umbrüche, für welche die Schlagworte Individualisierung, Pluralisierung, Liberalisierung und Säkularisierung stehen und ein Wertewandel, der Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung ins Zentrum rückte. Dass es gelungen ist, Individualismus, Selbstentfaltung und Spontaneität weithin mit parteiorganisatorischen Notwendigkeiten zu versöhnen, ist zur Grundlage des politischen und gesellschaftlichen Erfolgs geworden. Wo die alten Parteien gezwungen waren, jenseits ihrer Stammund Traditionswählerschaften um Stimmen zu werben, sind die Grünen längst da gewesen. In ihrer Klientel spiegelt sich die moderne Bildungsgesellschaft, die ja nicht zuletzt durch die Schul- und Hochschulpolitik von Union, SPD und Liberalen protegiert worden war: urbanes Milieu, charakterisiert durch höhere formale Bildung, besonders Studenten, Beamte, Angestellte und Selbständige; junge, gut ausgebildete, auf Emanzipation bedachte Frauen; Konfessionslose; ökologisch besonders Motivierte. Die prosperierenden Metropolregionen, in denen sich diese Einstellungen gehäuft und konzentriert finden, sind zum dominanten Einzugsgebiet der Grünen geworden. Am bayerischen Beispiel werden aber auch ihre Entwicklungspotenziale in ländlicheren Räumen sichtbar. Die omnipräsenten Medien homogenisieren Wertbewusstsein und Lebensstile – und durchaus nicht in konservative Richtungen, sondern dorthin, wo die Grünen im Wesentlichen auffangbereit schon stehen. Natürlich gibt es keine Erfolgsautomatismen. Selbstverständlich bemühen sich alle anderen relevanten Parteien, mit dem Wandel Schritt zu halten und sich ihm programmatisch und praktisch zu öffnen. Es ist ja auch nicht so, dass diese Gesellschaft allein von den genannten Modernisierungstrends geprägt wäre und Beharrungs- oder Gegenkräfte nicht vorhanden wären. Aber sie müssen überzeugen. Ohne dies wären sie eher auf Schrumpfung

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Unversöhnlich bleiben die Gegensätze in der Nutzung der Kernenergie, bei der die Grünen näher bei der öffentlichen Meinung und ihren überkommenen Grundsätzen, die Union jedoch näher an der Rationalität zu sein scheint. Aber genau daran zeigt sich, dass selten gewordene Entscheidungsstärke der Regierung kaum öffentliche Zustimmung gewinnt, wenn das Sujet keine stärkere Akzeptanz besitzt. Kurzfristig ist eine gewisse Stabilisierung des grünen Höhenflugs zu erwarten. Die Wahlen in Baden-Württemberg (mit Stuttgart 21 als Anschub) und Berlin (mit erheblichen grün geschnitzten Wählerpotentialen) versprechen unter der gegebenen Leistungs- und Führungsschwäche der Bundesregierung erhebliche Zuwächse – Erfolge auch dann, wenn die demoskopischen Voraussagen nicht erreicht werden. In Parteiensystemen ist mittelfristig nichts erfolgreicher und wirksamer als der Erfolg. Auch in Bayern wachsen Mitgliederzahlen, Wählerstimmen und Stimmenpotentiale. Der Kampf um die Führungsposition in der Opposition hat sich mittlerweile vom Landtag auch auf die Wählerschaft erstreckt, wie nicht nur die Umfragen zeigen, sondern auch die Wählerwanderung. An dieser sind zunehmend auch unzufriedene CSU-Wähler beteiligt. Zu konstatieren bleibt grüner Nachholbedarf auf dem Land, nicht zuletzt auch organisatorisch. Kommt auf die Grünen jenes Dilemma zu, an dem die Volksparteien – zumal in der Regierungsverantwortung – kranken, nämlich nach nahezu allen Seiten offen zu sein und sich gleichzeitig selbst treu zu bleiben? Das kann so sein. Es hängt aber letztlich auch von der Überlebensfähigkeit des Volksparteientypus ab, die man sich inständig wünschen sollte, die aber durchaus nicht zweifelsfrei zu sein scheint. n

Prof. Dr. Heinrich Oberreuter ist Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing und lehrt als Professor an der Universität Passau. Er ist einer der profiliertesten Politikexperten Bayerns.

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POLITIK & WIRTSCHAFT

Donner & Reuschel Marktkommentar

Konjunktur und Kapitalmärkte Makroökonomische Faktoren Die Weltwirtschaft setzt im zweiten Halbjahr 2010 ihren eingeschlagenen Erholungskurs fort. Auch diese Aufwärtsbewegung fällt zwischen den Emerging Markets und den Kern-Industrie­ländern unterschiedlich intensiv aus. Während wir bei den Industriestaaten von einem Anstieg der Wirtschaftsleistung um 2,5 Prozent ausgehen, sollte die Wachstumsrate der Schwellenländer im Schnitt 6,8 Prozent erreichen. Wie bereits in den vergangenen Jahren, werden China und Indien mit Zuwachsraten von geschätzten 10,2 Prozent und 8,6 Pro­zent wiederum die Spitze bilden. Insgesamt sollte das weltweite BIP im Jahr 2010 um ca. 3,8 Pro­zent zulegen. Auch für das kommende Jahr erwarten wir einen weiteren kräftigen Anstieg des globalen BIP von 3,5 Prozent, der sich aus einem Wachstum der Kern-Industrieländer von 2,2 Prozent und dem der Emerging Markets von 6,2 Prozent zusammensetzt. Die Wachstumsperspektiven für die US-Wirt­ schaft haben sich in den letzten Monaten für das Gesamtjahr 2010 leicht abgeschwächt. Nachdem zu Beginn des Jahres ein BIP-Anstieg von spürbar über 3 Prozent möglich schien, ist

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nun von einem Plus von gut 2,5 Prozent auszugehen. Einer der Gründe für diese Abflachung liegt im anhaltend schwachen US-Arbeitsmarkt, der weiterhin durch Stellenabbau gekennzeichnet ist. Dieser fortlaufende Verlust an Arbeitsplätzen könnte sich im kommenden Jahr stärker als bisher negativ auf die Konsumneigung der US-Verbraucher auswirken. Dies bedeutet mittelfristig ein erhebliches Risiko für die US-Konjunktur, da die Binnenkonjunktur mittlerweile knapp 70 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Allerdings sehen wir die Wahrscheinlichkeit für rezessive Tendenzen der US-Wirtschaft (Double-DipSzenario) als sehr niedrig an. In der Eurozone haben sich hingegen die Wachstumsaussichten leicht verbessert. Hier sehen wir für 2010 einen BIP-Anstieg von 1,6 Prozent und für das kommende Jahr einen Anstieg von 1,4 Prozent voraus. Herausragend innerhalb der Eurozone ist weiterhin Deutschland, mit einem zu erwartenden Zuwachs von 3,2 Prozent (2010) bzw. 2,0 Prozent (2011).

Traditionelle Werte und innovative Lösungen – dafür steht DONNER & REUSCHEL seit 1798. Der Unternehmergeist und die klaren Wertvorstellungen der Gründerfamilien Donner und Reuschel prägen die Privatbank bis heute.

Im Gesamtergebnis sind die Industrieländer dabei, die Vorkrisenniveaus zurückzuerobern. Die staatlichen Hilfsprogramme zeigen nachhaltige

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POLITIK & WIRTSCHAFT Wirkung – auch über den Anschubzeitraum hinaus. Zinsentwicklung in Europa und den USA Die Wirtschaft in der Eurozone kann den Einbruch im Jahr 2009 hinter sich lassen. Jedoch ist das Ausmaß dieser Gegenbewegung mit einem zu erwartenden Anstieg des BIP im laufenden Jahr von rund 1,6 Prozent noch auf einem verhältnismäßig niedrigen Niveau. Aus diesem Grund halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass die EZB zur weiteren Förderung der wirtschaftlichen Aktivitäten bis zum 1. Halbjahr 2011 an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten wird. Der EZB-Leitzins steht seit April 2009 unverändert auf dem tiefen (Krisen-)Niveau von 1 Prozent. Die Erholung der US-amerikanischen Konjunktur wird 2010 mit einem zu erwartenden Anstieg von über 2,5 Prozent deutlicher voranschreiten als in Europa. Allerdings haben die USA mit den strukturellen Problemen eines schwachen Arbeitsmarktes und einer anhaltend niedrigen Bewertung des Immobilienmarktes zu kämpfen. Wir erwarten eine Anhebung des derzeit historisch tiefen Leitzinsniveaus in der Spanne von 0 bis 0,25 Pro­zent frühestens ab dem 2. Halbjahr 2011. Währungsperspektiven Seit Anfang September gewann der Euro gegenüber den wichtigsten Hauptwährungen deutlich an Wert (EUR/USD: +10,3 Prozent; EUR/GBP: +7,3 Prozent; EUR/JPY: +6,6 Prozent). Auch in Relation zu den anderen Währungen war ein ähnliches Bild zu erkennen. Gründe hierfür liegen unter anderem in politischen Maßnahmen von Ländern wie China, Indien, Brasilien oder auch Japan, die eine Auf-

wertung der heimischen Währungen zugunsten der Exportwirtschaft vermeiden wollen. So senkte Japan überraschend seine Leitzinsen auf 0 Prozent, Brasilien verdoppelte den Steuersatz für Ausländer, die heimische Anleihen kaufen möchten, und China hält weiterhin an seiner Politik fest, keine Verteuerung des Renminbi zuzulassen. Als Begründung für solche Maßnahmen werden unter anderem die Sorgen vieler Investoren um die Stärke der US-Wirtschaft angeführt. Als Investitionsalternativen dienen vor allem die wachstumsstarken Schwellenländer, was dort die Angst vor Übertreibungen schürt. Anscheinend sind die USA nicht mehr bereit, diese Politik zu Lasten der eigenen Ausfuhren hinzunehmen. Erste Strömungen in der US-Politik setzen sich dafür ein, China durch die Einführung einer Sondersteuer mit Protektionismus zu drohen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet argumentierte, dass jede aufstrebende Industrienation eine Aufwertung der Währung durchmachen muss. Da nützen auch die Besänftigungen Chinas wenig, Griechenland durch Käufe von Staatsanleihen zu unterstützen. n

Ihre Ansprechpartner bei DONNER & REUSCHEL Carsten Mumm (Leiter Asset Management) 040 30217-5565 André Will-Laudien (Asset Management) 089 2395-1649

Dieser Marktkommentar wurde am 31. Oktober 2010 erstellt. Alle veröffentlichten Angaben dienen ausdrücklich nur der Information und stellen keine Anlageberatung dar. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden.

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POLITIK & WIRTSCHAFT

Walter Beck

Die Türken machten 2002 den Kanzler Schröder Ankaras Premier Erdogan mischt gern in der deutschen Politik mit Es sind ja sehr viele Stimmen, die gegenwärtig auch aus der Türkei kommen und zur Beruhigung mahnen. Selbst Erdogan, der 2009 extrem unhöflich in Deutschland vor der Assimilierung gewarnt hat, spricht jetzt plötzlich von Integration. Staatspräsident Abdullah Gül geht sogar noch deutlich weiter. Solche Stimmen kann man nur begrüßen. Wir haben aber gelernt: Mit Worten kann man sehr leicht manipulieren. Wie sehen aber die Taten aus? Viele Einwanderer aus der Türkei haben mit sehr guten Gründen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Dazu mussten sie allerdings auf die türkische Staatsbürgerschaft verzichten. Seit 2000 hat ein rot-grünes Gesetz festgelegt, dass ein deutscher Staatsbürger diese Staatsbürgerschaft automatisch verliert, wenn er eine andere annimmt. Doch 2005 hat die Türkei selbst mitgeteilt, dass etwa 50 000 Türken, die deutsche Staatsbürger geworden waren, danach wieder die türkische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Die Türkei hat dies in Kenntnis der Gesetzeslage unterstützt. Das aber heißt: Im Bundestagswahljahr 2002 waren rund 50 000 Einwanderer wieder ohne deutsche Staatsbürgerschaft, weil sie nachträglich die türkische Staatsbürgerschaft wieder angenommen hatten. Da sie dies aber den deutschen Behörden nicht mitgeteilt hatten, behielten sie ihren deutschen Pass und schienen somit wahlberechtigt. Sie haben auch gewählt; nach den Statistiken liegt die Wahlbeteiligung dieser Einwanderer mit deutschem Pass bei rund 70 Prozent Nach dem damaligen amtlichen Endergebnis hatten SPD und CDU/CSU jeweils genau 38,5 Prozent aller Stimmen, die SPD lag mit gerade einmal 6 027 Zweitstimmen vorn. So wurde Gerhard Schröder Kanzler, nicht Edmund Stoiber. Die Wähler unter den 50 000 wieder Türken gewordene Ex-Deutsche (das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz überprüft und die Gültigkeit der Regelung bestätigt, wonach solche Personen automatisch und sofort die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren) waren sehr wahrscheinlich wahlentscheidend. Denn geht

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man von Aussagen aus, wonach diese Personen überwiegend SPD wählen, dann ist die Vermutung schon sehr stark: Diese 6 027 Stimmen, die Schröder mehr hatte, hat er wahrscheinlich auch den Türken in Deutschland zu verdanken, die gar nicht mehr zur Wahl hätten gehen dürfen. Das sind die Taten, die der türkische Staat bewusst unterstützt hat. Solche Taten passen aber eher zu den früheren Sätzen von Erdogan, wonach die Minarette schon heute die Lanzen seien, mit denen der Islam Europa erobere. Jetzt hat Erdogan durch die Verfassungsänderung auch die Mehrheit, mit seiner islamistisch ausgerichteten AKP das Militär und den Verfassungsgerichtshof

Gelingt dem Islam in der Türkei der schmerzhafte Prozess der Aufklärung? islamistisch zu besetzen. Das heißt möglicherweise: Die vielgerühmte und angeblich so demokratische Verfassungsänderung ist in Wirklichkeit ein deutlicher weiterer Schritt in Richtung Islamisierung der Türkei. Mit Worten, auch mit Verfassungsänderungen, lässt sich vergleichsweise leicht täuschen. Die spannende Frage wird sein, welche Taten in der Türkei künftig die Richtung aufzeigen. Europa ist zweifelsohne christlich geprägt. Aber: Die Europäer haben in einem sehr mühseligen und blutigen Kampf den allumfassenden Anspruch der damaligen Kirche beschritten. Humanismus und Aufklärung haben dem Menschen die Freiheit erkämpft, selbst zu entscheiden, ob er glauben will und was er glauben will. Der politische Islam hat diesen Prozess noch nicht durchlitten. In Europa hat er Hunderte von Jahren gedauert. In wenigen Jahren soll über den Beitritt der Türkei entschieden werden. Ob der Islam in der Türkei in dieser kurzen Zeit den schmerzhaften Reifeprozess der Aufklärung wirklich durchleben kann? Die geschichtliche Erfahrung des europäischen Abendlandes lässt daran zweifeln. n

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Deutschlands Luft- und Raumfahrt

© ESA

Report über eine aufsteigende Branche – Beiträge auf den Seiten 30 – 56

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LUFT- & RAUMFAHRT Thomas Enders

Grenzenloser Erfolg Es waren wagemutige Männer, die um 1900 mit ihren selbstgebauten Maschinen eher große Sprünge als tatsächliche Flüge unternahmen. Wer hätte damals geglaubt, dass man einmal gemeinsam mit über 500 anderen Passagieren ein Flugzeug besteigen würde, das einen schnell und sicher ans andere Ende der Welt bringt und dabei pro Kopf nur drei Liter Treibstoff auf 100 Kilometer verbraucht?

dieser Sektor direkt und indirekt mehr als 1,5 Billionen USDollar Umsatz. Wäre die Luftfahrt ein Land, dann würde es einen Platz in den Top 10 der wirtschaftlichen Weltrangliste zwischen Italien und Spanien einnehmen. Der Luftfahrtsektor kann sich mit anderen Wirtschaftsbereichen leicht messen lassen. Der Umsatz liegt höher als der der Pharma- oder Textilindustrie. Um das zu schaffen, arbeiten 33 Millionen Menschen in diesem Bereich.

Eine Erfolgsstory. Luftfahrtindustrie und Luftverkehrswirtschaft tragen acht Prozent der weltweiten Wirtschaft bei. Wenn man das gesamte System betrachtet, erwirtschaftet

In den 40 Jahren seit dem Bestehen von Airbus ist der Luft­ verkehr jährlich um fast fünf Prozent gewachsen. Das Wachstum der Luftfahrt hat vor allem in der entwickelten Welt R

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© Jens Görlich

Erst hat Europas Flugzeugbauer Airbus den US-Riesen Boeing eingeholt, dann überholt. Der Wettbewerb hält an, die Zeichen stehen auf Wachstum


LUFT- & RAUMFAHRT

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Foto: Justa, München

Wie wird sich die Branche in den nächsten Jahrzehnten entwickeln? Airbus-Chef Thomas Enders beim Peutinger-Collegium über die Chancen der Luftfahrtindustrie.

stattgefunden, also in Nordamerika, Westeuropa, Japan und Australien. In diesen Märkten gibt es ein Potential von einer Milliarde Menschen, die Transportdienstleistungen persönlich oder für Fracht in Anspruch nehmen könnten. Die übrigen Märkte sind erst noch im Kommen. Allen voran Asien mit China und Indien an der Spitze, der Nahe und Mittlere Osten, aber auch Osteuropa und Russland, Lateinamerika und Afrika. Hier haben wir ein Potential von 5,6 Milliarden Kunden. Für 84 Prozent der Welt ist Luftfahrt noch ein neuer, dynamischer Wachstumsmarkt. Warum sollten wir also nicht zuversichtlich sein?

Aber nicht nur auf der Kundenseite wird sich der Markt verändern. Bereits im Laufe des nächsten Jahrzehnts zeichnet sich das Ende des Duopols von Airbus und Boeing ab. Die brasilianische Embraer und Bombardier aus Kanada bauen bereits sehr erfolgreich Regionalflugzeuge. Hinzu kommen Angebote aus Russland, das auf jahrzehntelange Tradition im Flugzeugbau zurückblicken kann, Japan und natürlich China. Der Ein-

Fotos: Deutsche Lufthansa AG

Keine Frage, das 21. Jahrhundert wird asiatisch. Wir erwarten dort ein Verkehrswachstum von jährlich 6 Prozent gegenüber 4,7 Prozent im weltweiten Durchschnitt. Europa mit 4,3 Pro­zent und erst recht Nordamerika mit 2,4 Prozent wachsen

deutlich langsamer. Das schlägt sich im Bedarf an neuen Flugzeugen nieder: In den nächsten 20 Jahren wird jedes dritte Passagierflugzeug in Asien gebraucht. Eine wichtige Region für die Branche ist zweifelsohne auch der Mittlere Osten. Bezogen auf die Bevölkerungszahlen ist die Nachfrage nach Flugzeugen dort sogar noch größer als in Asien. Allein Emirates hat jüngst 32 A380 bestellt.

1955 waren Flugreisen noch ein Ereignis …

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… heute ist das Fliegen auch für Kinder selbstverständlich.

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© EADS Group

Im Lärmlabor wird an leiseren Triebwerken geforscht. Von 2000 bis 2020 sollen die Lärmemissionen halbiert werden.

zug neuer Wettbewerber im Segment mittelgroßer Flieger mit 100 bis 200 Sitzen ist sicherlich nur ein Anfang. Die Luftfahrt­ industrie wird in ihren Heimatländern jeweils als nationale Prestigeindustrie erkannt und kräftig staatlich gefördert. Das führt vor Augen, wie absurd der Handelsstreit zwischen der Europäischen Union und den USA um Beihilfen für Airbus und Boeing ist. Die nationale Förderung der forschungsinten-

Neue Märkte: das 21. Jahrhundert wird asiatisch. siven Luft- und Raumfahrtindustrie ist weltweiter Standard – und wird es auch bleiben. Zudem sind große Flugzeugprogramme, wie die Boeing 787 oder unsere A350, ohnehin zunehmend Ergebnis globaler Kooperationen. Das Konkurrenzprogramm zu unserer A350, die Boeing 787, wird mit mindestens fünf Milliarden US-Dollar allein vom amerikanischen Steuerzahler gefördert. Kein einziger Dollar wird zurückgezahlt. Aufgrund der internationalen Kooperation beteiligt sich auch die japanische Regierung maßgeblich an der Finanzierung dieses Programms. Demgegenüber sind von Airbus seit 1992 etwa 40 Prozent mehr an Rückzahlungen und Gewinnbeteiligung aus den staatlichen Anschubdarlehen in die Staatskassen zurückgeflossen als wir seitdem erhalten haben. Auch hierin zeigt sich die wichtige Stellung, die der Flugzeugbau einnimmt. Ein Zuwachs an Flugzeugen bedeutet natürlich auch, dass die Kapazitäten an den Flughäfen erhöht werden müssen. Der Ausbau von Flughäfen stößt immer wieder auf wenig Gegenliebe bei den Anrainern. Um die Akzeptanz zu steigern, arbeitet die Luftfahrtindustrie an Möglichkeiten, den Lärmausstoß der Jets zu verringern. So ist es in den vergangenen vier Jahrzehnten gelungen, die Lärmemissionen um 20 dB zu senken, also den wahrgenommenen Lärm auf ein Viertel zu reduzieren.

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Auf europäischer Ebene wurden im Jahr 2000 strategische Ziele für das Jahr 2020 verabschiedet, denen zufolge die Lärm­ emissionen nochmals halbiert werden sollen. Was wir davon schon geleistet haben, kann man überall dort erleben, wo die A380 landet. Im Vergleich zum alten Jumbo B747 haben wir die Lärmemissionen deutlich gesenkt. Das kann man nicht nur messen, sondern leicht mit bloßem Ohr hören. Die A380 hat alle Qualitäten, sich bei Flughafennachbarn beliebt zu machen. Zurücklehnen dürfen wir uns auch nicht beim Umweltschutz. Zwar hat die Luftfahrt nur einen Anteil von zwei Prozent am globalen CO2 -Ausstoß. Doch wir haben uns in der europäischen Industrie auf das Ziel verständigt, dass neu ausgelieferte Flugzeuge im Jahr 2020 um die Hälfte weniger Treibstoff verbrauchen als im Jahr 2000. All diese Fortschritte sind kostspielig und können nicht ohne öffentliche Unterstützung bewältigt werden. Das hat schon Franz Josef Strauß erkannt, der mit visionärem Einsatz Deutschland eine Hochtechnologiesparte gesichert hat. Allerdings müssen wir heute einen Schritt weiter denken. Airbus hat es geschafft, den scheinbar übermächtigen amerikanischen Konkurrenten erst einzuholen und dann zu überholen, weil man in Europa die Kräfte gebündelt hat. Es ist für die Zukunft nicht mehr angebracht, in engen nationalen Grenzen zu denken, zu handeln und zu fördern. Hier ist Airbus der Politik heute schon einen Schritt voraus. n

Dr. Thomas Enders ist seit 2009 Präsident des BDLI (Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie) und seit 2007 CEO von Airbus Industries.

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LUFT- & RAUMFAHRT Dietmar Schrick

Deutschland braucht Raumfahrt Deutsche Schlüsseltechnologien für das 21. Jahrhundert

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Bild: ESA/NASA

Knapp sieben Meter lang ist das Raumlabor Columbus, das am 11. Februar 2008 an die internationale Raumstation ISS angedockt wurde. Die Tonne ist der größte Beitrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA und soll zehn Jahre lang für Forschungsarbeiten im All zur Verfügung stehen. Für den Bau und die Infrastruktur auf der Erde wurden 1,4 Milliarden Euro investiert.


LUFT- & RAUMFAHRT

Erkenntnisse in den Bereichen Umwelt, Wissen, Sicherheit, Kommunikation, Mobilität, Technologie und Transport bestimmen unsere Zukunft. Dafür müssen wir heute entscheidende Weichen stellen. Wir müssen deshalb die Raumfahrt beherrschen, um auf diesen entscheidenden Gebieten – politisch wie industriell – bestehen zu können. Die Raumfahrt in Deutschland, so wie sich heute darstellt, ist ein klares Erfolgsmodell. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig symbolisiert die zugehörige Industrie Spitzentechnologie, internationale Kooperation und den erfolgreichen Schulterschluss von Politik, Wissenschaft und Industrie. Nicht zuletzt dank dieser Kooperation gehört Deutschland in der Raumfahrt heute zur Weltspitze. Die Bundesregierung betreibt unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie seit Jahren eine überaus erfolgreiche Raumfahrtpolitik. Deutschland ist in allen wesentlichen Bereichen hervorragend positioniert. Raumfahrt trägt nicht nur wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Sicherung des Lebensstandards in Deutschland, Europa und der Welt bei. Sie liefert darüber hinaus in fast allen Politikfeldern unverzichtbare Beiträge. Sie trägt durch

Raumfahrt umfasst alle Lebensbereiche. Umweltbeobachtung, Klima- und Wetterüberwachung aktiv zum Schutz der Erde bei. Unsere nationale Wissenschafts- und Bildungskompetenz profitiert von der vorhandenen Grundlagenforschung ebenso wie von der anwendungsorientierten Forschung. Resultate unserer Raumfahrtforschung erhöhen heute auf vielfältige Art und Weise unsere individuelle Lebensqualität, zum Beispiel in punkto Mobilität, Transportwesen, Informationsverfügbarkeit, innere Sicherheit, Telekommunikation, Navigation, um nur einige Beispiele zu erwähnen. Raumfahrtanwendungen sind für Krisenvorsorge, Konfliktbewältigung und internationale Friedenssicherung unverzichtbar. Raumfahrtkompetenz ist unabdingbar für die politische Souveränität Deutschlands. Die Bundesregierung setzt deshalb richtigerweise auf eine anwendungsorientierte Raumfahrtstrategie. Derzeit entwickelt und baut die deutsche Raumfahrtindustrie komplette Raumfahrtsysteme in allen Anwendungsbereichen und verfügt über alle nötigen technologischen Fähigkeiten. Sie ist auf europäischem und internationalem Parkett überaus erfolgreich und wettbewerbsfähig. Wichtige ESA-Programme werden unter deutscher Systemführerschaft entwickelt und gebaut. Für bilaterale Kooperationen ist unsere Branche ein gefragter Partner. Die deutsche Raumfahrtindustrie ist ein unverzichtbarer Partner von Wissenschaft und Forschung. Der enge Schulterschluss mit Forschung und Wissenschaft ist ein weiterer Schlüssel für den Erfolg der deutschen Raumfahrt.

Bayerischer Monatsspiegel 157_2010

Bild: ESA

Klimaschutz, schnelle Datenübertragung, Verkehrslenkung oder die Erlangung weiteren Wissens über unsere Erde und das System, in dem wir leben – die Gründe für Raumfahrt sind vielfältig und überzeugend. Satelliten umkreisen innerhalb von Minuten unseren Planeten, Radio und Fernsehen übertragen Nachrichten aus weit entfernten Gebieten. Dass dies heute möglich ist, verdanken wir unermüdlichen Forschern.

Aus 514 Kilometern Höhe sendet der deutsche Erdbeobachtungssatellit TerraSAR-X Geo-Informationen. Er liefert bis auf einen Meter genaue und zuverlässige Radardaten.

Zu wesentlichen Kernkompetenzen dieser Industrie gehören die Systemführung für die komplette Ariane 5-Oberstufe sowie für Antriebskomponenten, Strukturbauteile und Tanks, Systemführung bei Entwicklung und Bau des Columbus-Labors, Bau des unbemannten Weltraumfrachters ATV inklusive modernster Rendezvous- und Docking-Technologie, aber auch Wissenschaftssatelliten und -sonden. Deutschland ist weltweit führend bei Entwicklung und Anwendung der SAR-Technologie für Erdbeobachtungssatelliten (z. B. ENVISAT). Unsere nationale Industrie zeichnet verantwortlich für Entwicklung und Bau der Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo. In den vergangenen Jahren hat Deutschland seine Systemkompetenzen im Bereich der Telekommunikations­ satelliten ständig ausgebaut und hat heute eine Spitzenstellung im Bereich Breitbandkommunikation inne. Deutsche Ausrüstungs- und Zulieferunternehmen spielen bei der Entwicklung aller genannten hochkomplexen Systeme eine unverzichtbare Rolle. Ökonomische Verantwortung, technologische und wissenschaftliche Spitzenleistungen sowie Faszination liegen in der Raumfahrt nah beieinander. Raumfahrt ist Zukunft. Die deutsche Raumfahrtindustrie setzt daher große Hoffnungen in die Raumfahrtpolitik der Bundesregierung und in die derzeit im Bundeswirtschaftsministerium in Arbeit befindliche nationale Raumfahrtstrategie. Deutschland ist eine führende europäische Raumfahrtnation und muss deshalb seine Ziele in der ESA und EU klar formulieren. Ergänzend dazu brauchen wir weiterhin ein starkes und strategisch ausgerichtetes, nationales Raumfahrtprogramm, welches für alle wichtigen Raumfahrtbereiche substanzielle Beiträge liefert. Raumfahrt muss eine tragende Säule der High- Tech-Initiative der Bundesregierung bleiben. n Dietmar Schrick wurde 1950 in Hilden (Rheinland) geboren und begann nach dem Studienabschluss als Wirtschaftsingenieur 1975 bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) in München. 1999 übernahm er die Leitung des EADS-Werkes Manching, wo die Endmontage für das Eurofighter-Programm aufgebaut wurde. Seit 2007 ist Schrick Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI)

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LUFT- & RAUMFAHRT Jürgen Breitkopf

Münchner Pfadfinder im Weltall

TET-1 (im Bild beim Thermal-Test) bringt Technologie-Muster zur „Bewährungsprobe“ ins All.

Mitten in München, in der Integrationshalle des Raumfahrtunternehmens Kayser-Threde, wird an einem Satelliten gearbeitet, der schon Anfang nächsten Jahres starten soll. Sein Name TET-1 ist zugleich Programm: Der TechnologieErprobungsträger soll verschiedene Technologie-Muster zur Bewährungsprobe ins All bringen. Kayser-Threde wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Hauptauftragnehmer und Missionsführer ausgewählt.

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Auch bei einem anderen nationalen Satellitenprojekt ist das Münchner Unternehmen Systemführer: Der Umwelt-Satellit EnMAP wird mit einem komplexen, hyperspektralen Sensor ausgestattet und soll eine neue Ära in der Erdbeobachtung einläuten. Da noch nicht abzusehen ist, in welchen Anwendungsgebieten die von EnMAP generierten Daten eingesetzt werden können, spricht man von einer wissenschaftlichen „PfadfinderMission“.

Bild: Kayser-Threde

High-Tech Schmiede Kayser-Threde produziert für die europäische Raumfahrt


Doch neben der Erde nehmen optische Instrumente aus dem Hause Kayser-Threde auch die Sonne und die Sterne ins Visier. Wie in der Gondel des größten ballongetragenen Sonnenobservatoriums (SUNRISE), an Bord der einzigen flugzeuggestützten Sternwarte (SOFIA) oder auf dem Herschel-Satelliten der ESA. Aber auch in der bemannten Raumfahrt verlassen sich Deutschland und Europa auf das Münchner Unternehmen. So bei Infrastrukturprojekten für die Raumstation oder bei Anlagen für die Erforschung von Plasmakristallen oder des menschlichen Gleichgewichtorgans. Vergleichsweise „bodenständig“ sind dagegen die Arbeiten am vollautomatischen Hochtechnologie-Teleskop für das modernisierte Observatorium der LMU München auf dem Münchner Hausberg Wendelstein.

In der Raumfahrt ist Kayser-Threde Systemführer. Um herausfordernde Projekte und neue Technologien meistern zu können, sind Prozesse und Transparenz unerlässlich. KayserThrede war 1994 eines der ersten deutschen Raumfahrtunternehmen, das sich ISO-9001 zertifizieren ließ. Als Leitplanken dienen unter anderem das elektronische Prozess-Modell, ver­schiedene Verfahrens- oder Arbeitsanweisungen und die Richtlinien für Projektleiter. Erfreulicherweise wird die wirtschaftliche und strategische Bedeutung der „Ingenieurskunst Raumfahrt“ für unser rohstoffarmes Land seit vielen Jahren zweifelsfrei anerkannt. Die Bundesregierung hat sich klar zur Raumfahrt bekannt und ermöglicht Wissenschaft und Industrie, an zukunftsweisenden Projekten teilzunehmen und auch die Führungsrolle zu übernehmen. Die Erfolgsgeschichte hätte ohne die eingefleischten „Kayserlinge“ so nicht geschrieben werden können. Man spürt förmlich ihre Leidenschaft für Innovationen und herausragende Raumfahrtsysteme, den Biss, an vorderster Front der Technologie zu arbeiten und den Willen, gemeinsam etwas zu bewegen und gestalten zu können. Mit der Größe der Aufgaben wächst auch der Bedarf an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: 32 Neueinstellungen gab es seit Jahresbeginn. Für Kayser-Threde eine außergewöhnlich hohe Zahl, da die Fluktuation erfreulich gering ist und Bedarfsspitzen

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Bild: RKK Energia

Kayser-Threde ist ein international agierendes Raumfahrtunternehmen, das sich in über 40 Jahren aus kleinen Anfängen zum Systemführer für komplexe wissenschaftliche Instrumente, Kleinsatelliten und Raumfahrtmissionen entwickeln konnte. Das mittelständisch geprägte Unternehmen ist in nationalen wie internationalen Raumfahrtprojekten mit Führungsrollen betraut. Die Systeme, die in den Disziplinen Optik, Elektronik, Robotik und Mechanik entwickelt werden, stehen zum Teil an der Grenze des technisch Machbaren, manche übertreffen sogar die Erwartungen des Auftraggebers. Raumfahrt wird in München also mit Herz und großem Sachverstand betrieben.

Anfang 2001 hat Kosmonaut S. Krikalev mit dieser Plasmakristall-Apparatur die Forschungsarbeiten im russischen Segment der Internationalen Raum­ station ISS eingeläutet.

bislang durch Personaltransfer innerhalb des Unternehmens abgefangen werden können. Allein in der Raumfahrt sollen in den nächsten zwei Jahren rund 100 hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Ruf der Hightech-Schmiede als Arbeitgeber ist exzellent, Mitarbeiterumfragen ergeben Bestnoten, Studierende werden schon früh ans Unternehmen gebunden, dem in Sachen 50+ (also Maßnahmen im Hinblick auf den demografischen Wandel) ganz offiziell Weitblick bescheinigt wurde. Dennoch ist es nicht immer leicht, erfahrene Fachexperten an die Isar zu holen. Kayser-Threde ist mit seinen beiden Standorten im Münchner Süden eingebettet in das Technologie-Umfeld in und um München: Vom DLR im benachbarten Oberpfaffenhofen mit seinen verschiedenen Instituten und dem Raumfahrt-Kontrollzentrum über die Max-Planck-Institute und die TUM in Garching bis zum Bayerischen Wirtschaftsministerium, das der Technologie und dem Fortschritt gewogen ist. Dem wird bei der derzeitigen Suche nach einem neuen, gemeinsamen Standort für rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den entsprechenden Rein- und Integrationshallen Rechnung getragen. n Jürgen Breitkopf ist seit Anfang 2004 Geschäftsführer der Kayser-Threde GmbH und gehört verschiedenen raumfahrtpolitischen Gremien an. Unter seiner Führung gelang dem 1967 gegründeten Münchner Unternehmen der Aufstieg vom Subsystem-Lieferanten zum Systemführer. Der studierte Maschinenbauer war zuvor in verschiedenen leitenden Positionen im Astrium-Konzern tätig.

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LUFT- & RAUMFAHRT Egon Behle

Leiser, sauberer und kräftiger Leiser, sparsamer und schadstoffärmer, so müssen Luftfahrtantriebe von morgen sein. Seit Jahren arbeitet die MTU Aero Engines an neuen Technologien, um künftige Antriebe noch umweltverträglicher zu machen. Die Mühe lohnt sich: Branchenexperten sagen der Luftfahrt gute Wachstumschancen voraus. Bis zum Jahr 2020 soll sich der Verkehr über den Wolken verdoppeln. In enger Kooperation mit bedeutenden Akteuren der Branche entwickelt Deutschlands führender Triebwerkshersteller neuartige Antriebssysteme und Technologien in allen Schub- und Leistungsklassen.

© Jens Görlich

Im Münchner Norden wird am Triebwerk von morgen gearbeitet

© MTU

Das Antriebskonzept der Zukunft ist der Getriebefan (GTF). Er zeichnet sich durch ein Untersetzungsgetriebe zwischen Fan – dem großen Schaufelrad vorne am Triebwerk –, und Niederdruckturbine, die den Fan antreibt, aus. Bei herkömmlichen Antrieben sind beide durch eine Welle miteinander verbunden. Durch die Entkoppelung kann der Fan mit seinem großen

Getriebefans von MTU sind ein Wunder an Ingenieurkunst und Präzision.

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© MTU

LUFT- & RAUMFAHRT

Auf dem Prüfstand von Pratt & Whitney in den USA wird ein Getriebefan auf seinen Erstlauf vorbeireitet.

Förderprogramme entwickelt wurden. Die MTU setzt mit diesen Komponenten weltweit Maßstäbe. Das ist eines unserer wichtigsten strategischen Standbeine – Technologievorsprung zur Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit sowie zur langfristigen Erhaltung von Hightech-Arbeitsplätzen in Bayern, Deutschland und an allen anderen Unternehmensstandorten. Technologisch führend kann man nur sein, wenn man hochqualifizierte und hochmotivierte Mitarbeiter hat. Die MTU befindet sich in der glücklichen Lage, eine solche Belegschaft zu haben. Wir sparen deswegen weder an Forschungsmitteln noch an der Aus- und Weiterbildung. Denn das ist unsere Zukunft.

Durchmesser langsamer drehen, die Turbine aber erheblich schneller. Beide Komponenten erreichen so ihr Optimum und verhelfen dem Getriebefan zu einem sehr hohen Wirkungsgrad. Das verringert Treibstoffverbrauch, Kohlendioxidausstoß und Lärmentwicklung drastisch. Zudem wird der Antrieb leichter, da weniger Teile und Stufen benötigt werden.

Erste Anwendungen des Getriebefans sind die Regionalflugzeuge C-Series von Bombardier und der MRJ von Mitsubishi sowie das neue russische Kurz- und Mittelstrecken-Flugzeug von Irkut, die MS-21. Damit nicht genug: Wir arbeiten schon heute daran, dieses Antriebskonzepts der Zukunft zu optimieren und haben mit dem Bauhaus Luftfahrt ein ambitioniertes Programm entwickelt,

Realisiert wird der GTF von der MTU in Zusammenarbeit mit Pratt & Whitney. Die MTU steuert mit der schnelllaufenden Niederdruckturbine eine Schlüsselkomponente bei. Das Besondere: Diese Technologie beherrschen weltweit nur wir. Desweiteren arbeiten wir zusammen mit unserem amerikanischen Partner an einem neuen Hochdruckverdichter. Dieser neue transsonische Kompressor wird mit nur acht Stufen ein Druckverhältnis von 17:1 und einen deutlich höheren Wirkungsgrad erreichen. Damit schlägt er die meisten zivilen Modelle um Längen. Die ersten vier Stufen stammen von uns, die letzten vier von Pratt & Whitney. Der komplette Kompressor entsteht in der innovativen Blisk-Bauweise. Blisks (Blade Integrated Disks) sind Hochtechnologie-Bauteile, bei denen Scheibe und Schaufeln aus einem Stück gefertigt sind und nicht mehr zusammengesteckt werden. Das erhöht die Festigkeit und verringert das Gewicht.

Technologisch führend kann man nur mit hochmotivierten Mitarbeitern sein.

Der GTF ist ein klassisches Beispiel für sinnvolle Technologieförderung: Zwei seiner Schlüsselkomponenten – die schnelllaufende Niederdruckturbine und der Hochdruckverdichter – basieren auf Technologien, die im Rahmen nationaler und europäischer

Der Technologiekonzern MTU geht auf die Anfänge der Fliegerei zurück und hat sich in seiner – mit den Vorgängergesellschaften – über 75-jährigen Geschichte eine einzigartige Expertise erarbeitet. MTU Aero Engines ist an fast jedem Triebwerk der zivilen Luftfahrt beteiligt. Als „Motoren- und Turbinen-Union“ in den späten 60er Jahren etabliert, spezialisierte sich der Münchner Konzernsitz auf die Luftfahrtantriebe, während die Tochter in Friedrichshafen, wo früher auch die luxuriösen Maybach-Limousinen konstruiert wurden, sich auf Kolbenmotore konzentrierte. Dieser Teil wurde 1995 getrennt und ist heute eine Tochter der Tognum AG. Weltweit beschäftigt der Münchner Traditionsbetrieb rund 7800 Mitarbeiter und unterhält Tochtergesellschaften in allen wichtigen Regionen und Märkten. Die Unternehmenszentrale ist nach wie vor im Münchner Norden, dem größten Standort

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um den Kohlendioxidausstoß weiter zu verringern: Mit dem Technologievorhaben Clean Air Engine (Claire) soll bis zum Jahr 2035 der CO2 -Ausstoss um bis zu 30 Prozent reduziert werden. 15, 20, 30 Prozent – das Claire-Programm hat drei Stufen und basiert auf dem Getriebefan. Mit der bis dahin serienreifen Technologie soll in der ersten Etappe ab etwa 2012 die CO2 -Emission um rund 15 Prozent und in einem zweiten Schritt bis 2025 um 20 Prozent gesenkt werden – durch den Einsatz eines gegenläufigen Fans, dessen Grundlagen die MTU bereits in den 1980er-Jahren entwickelt hat. Für das Jahr 2035 rechnen wir damit, die Zielmarke von 30 Prozent zu erreichen. In der dritten und letzten Phase wird der gegenläufige Getriebefan mit einem Wärmetauscher ausgestattet. Mit Claire verringert sich nicht nur die CO2 -Emission eines konventionellen Triebwerks, auch der subjektiv empfundene Lärm wird halbiert. n

im MTU-Verbund. Im vergangenen Geschäftsjahr 2009 wurde ein Umsatz von rund 2,6 Milliarden Euro erzielt, wobei ein beachtlicher Anteil von der MTU Maintenance, dem weltweit größten unabhängigen Anbieter von Instandhaltungsdienstleistungen für Luftantriebe, erwirtschaftet wurde. Auch die Bundeswehr fliegt fast ausschließlich mit Triebwerken, an deren Entwicklung und Produktion die Münchner beteiligt sind. MTU-Knowhow steckt auch in den Triebwerken der erfolgreichen AirbusPassagiermaschine A 320. Egon Behle (Bild) übernahm 2008 den Vorstandsvorsitz der MTU Aero Engines. 1955 im hessischen Nidda geboren, studierte er Luft- und Raumfahrt in Stuttgart und arbeitete unter anderem bei der Robert Bosch GmbH und der Raumfahrtfirma Dornier. Für die Branche zeigt er sich optimistisch. 2010 sei für alle ein schweres Jahr, „aber danach sehen wir wieder Licht am Horizont.“

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Von mutigen Menschen und starken Maschinen

Das Luftfahrtmuseum in Schleißheim Von null auf global in hundert Jahren – diese Erfolgsgeschichte beginnt im Norden Münchens. Genauer: in Schleißheim. Dort wurde 1912 die königlich-bayerische Fliegertruppe aufgestellt. Und damit begann die Entwicklung, die Bayern zu einem der weltweit bedeutendsten Standorte für Luft- und Raumfahrttechnik machte, mit Global Playern wie MTU Aeroengines, EADS und Eurocopter und einem Umsatz von rund sechseinhalb Milliarden Euro. Vergangenheit und Gegenwart der Luft- und Raumfahrt sind seit 1992 in Schleißheim vereint. In das Kommandanturgebäude des einstigen Militärflugplatzes, die ehemalige Werfthalle und eine moderne Ausstellungshalle ist eine Zweigstelle des Deutschen Museums gezogen, die sich der Geschichte des Ortes und der deutschen Luftfahrt im allgemeinen ebenso wie der Technik widmet. Rund sechzig Propeller-, Segel- und Strahlflugzeuge, Senkrechtstarter und Hubschrauber sind auf der Fläche eines Fußballfeldes ausgestellt, dazu Motore, Düsentriebwerke und Teile von Raketen wie der Ariane 5. In einer gläsernen Werkstatt kann man Experten bei der Restaurierung von Flugzeug-Oldies zusehen. Doch geht es in Schleißheim nicht nur um Maschinen, sondern auch um Menschen. Noch bis Januar erinnert die Flugwerft an Thaddäus Robl. Der in der Nähe von Garmisch geborene Robl gehörte um die Wende zum vergangenen Jahrhundert zu den größten Stars der Radsportszene. Zum Verhängnis wurde ihm vor hundert Jahren eine andere Leidenschaft: Am 18. Juni 1910 stürzte er in Stettin mit seinem „Farman III“-Doppeldecker ab, als einer der vielen Pioniere der Luftfahrt, die ihre Leidenschaft mit dem Leben bezahlten. n

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Fotos: Deutsches Museum

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Fotos: Deutsches Museum

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Anfahrt Flugwerft Schleißheim: mit S-Bahn Linie S1, Richtung Freising/Flughafen, Haltestelle Oberschleißheim; von dort ca. 15 Minuten zu Fuß zur Ferdinand-Schulz-Allee. Öffnungszeiten: täglich von 9 bis 17 Uhr. An bestimmten Feiertagen bleibt die Flugwerft geschlossen.

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LUFT- & RAUMFAHRT Michael Kerkloh

Die Überflieger

© Flughafen München GmbH

Der Flughafen München verzeichnet einen Rekord nach dem anderen

Die Krise ist überwunden, der Münchner Flughafen verbucht außergewöhnliche Erfolge. Im Juli 2010 verzeichnete der Airport mit 3,4 Millionen Passagieren ein Wachstum von 11,1 Prozent – das höchste Monatsergebnis der Flughafengeschichte. Damit war München der einzige europäische Großflughafen, der in diesem Monat einen zweistelligen Passagierzuwachs registrierte. Im August und September setzte sich die Wachstumsdynamik fort. Ein prosperierender Flughafen ist für die regionale Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Schon an der Beschäftigungsentwicklung der vergangenen Jahre lässt sich die Schubkraft für die heimische Wirtschaft ablesen: Im Jahr 1994 wurden am neuen Flughafen rund 15000 Arbeitsplätze ermittelt, heute sind es in rund 550 Unternehmen und Behörden doppelt so viele. Im Jahr 2009 wurde am Airport über eine Milliarde Euro an Löhnen ausgezahlt. Und nicht zu vergessen: Am Münchner Flughafenbetrieb hängen weitere 80 000 Jobs. Dabei sind alle volkswirtschaftlichen und regionalwirtschaftlichen Auswirkungen noch gar nicht erfasst. Der Flughafen ist ein klarer Wettbewerbsvorteil: Für die exportorientierten bayerischen Unternehmen, für die Vermarktung des Standortes gegenüber potentiellen Investoren sowie für den Tourismus in Bayern. So profitiert der bayerische Tourismus, der mit einem Bruttoumsatz von rund 24

Milliarden Euro etwa 560 000 Arbeitsplätze im Freistaat sichert, in massiver Weise vom Flughafen München. Eine Studie des European Center for Aviation Development (ECAD) in Darmstadt unterstreicht die Qualität und Bedeutung des Münchner Flughafens als Drehkreuz von europäischem Rang. Eine Reihe von neuen Langstreckenverbindungen, die heuer aufgenommen wurden, haben die Attraktivität weiter gesteigert und den Aufwärtstrend spürbar verstärkt. Die Anzahl der Fluggäste im Interkontinentalverkehr stieg im ersten Halbjahr 2010 um zwölf Prozent auf 2,4 Millionen. 210 Ziele in 65 Ländern werden von München aus regelmäßig angeflogen. Von München kann man heute mehr europäische Destinationen ohne Umsteigen erreichen als von jedem anderen europäischen Flughafen. Damit ist ein dichtes Netz von Anschluss- und Zubringerflügen entstanden, das eine ideale Basis für einen weiteren Ausbau des Langstreckenverkehrs bietet. Der Anteil der Umsteiger ist stetig gestiegen – im Moment liegt er bei rund 37 Prozent. Nicht zuletzt wegen der vielfältigen Verbindungen in alle Welt und der kurzen Umsteigezeiten genießt der Airport bei den Passagieren höchste Anerkennung. Kein Wunder also, dass unser Flughafen in der weltweit größten Passagierbefragung von 2005 bis 2008 vier Mal hintereinander zum

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Um diesen Ansturm bewältigen zu können, verfolgt die Flug­ hafen München GmbH einen strategischen Ausbau. Schon heute besteht Bedarf für die geplante dritte Start- und Landebahn, mit der die Anzahl der planbaren stündlichen Flugbewegungen

© Flughafen München GmbH

Der Europameister unter den Flughäfen.

Immer mehr Fluggäste: Bis 2025 wird sich das Passagieraufkommen auf 58 Millionen verdoppeln.

besten Airport Europas gekürt wurde. Den fünften „Europameistertitel“ bekam der Münchner Airport in der jüngsten Erhebung. Im weltweiten Ranking der Airports belegte der Flughafen München hinter Singapur, Seoul und Hongkong den vierten Platz. Der Flughafen Franz Josef Strauß will hoch hinaus: So dürfte der gegenwärtige Boom dazu führen, dass das Passagierergebnis zum Jahresende sogar über dem Niveau des Rekordjahres 2008 liegt. Im Hinblick auf die langfristige Entwicklung ist nach den aktuellen Prognosen damit zu rechnen, dass sich das Passagieraufkommen bis zum Jahr 2025 nahezu verdoppelt und dann bei rund 58 Millionen liegen wird.

von derzeit 90 auf 120 erhöht werden kann. Gleichzeitig planen wir eine Erweiterung der Passagierkapazität durch den Bau eines neuen Satelliten, der mit einem unterirdischen Transportsystem mit dem Terminal 2 verknüpft werden soll. Mit diesen beiden Ausbauvorhaben, die wie alle anderen Projekte seit der Flughafeneröffnung 1992 ohne Steuergelder realisiert werden, schafft die Flughafengesellschaft die Voraussetzungen dafür, dass der Münchner Airport sich auch künftig im Wettbewerb der europäischen Drehscheiben behaupten kann. Nachhaltige Impulse für Konjunktur und Beschäftigung in Bayern sind die logische Folge. n Dr. Michael Kerkloh, im münsterländischen Ahlen geboren, studierte in Göttingen, London und Frankfurt, wo er promovierte und beim Flughafen seine Karriere startete. 1995 wurde er Geschäftsführer bei der Hamburger Flughafen-Gesellschaft, 2002 übernahm er den Vorsitz der Geschäftsleitung am Münchner Franz-Josef-Strauß-Airport, den er in der Weltspitze etablierte.

Vollbeschäftigung und viel Geld in der Kasse

Auch die Kommunen profitieren. Die FMG, ihre Tochtergesellschaften sowie alle weiteren Unternehmen, die mit dem Flug­ hafen zusammen arbeiten, haben im vergangenen Jahr rund

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100 Millionen Euro Einkommensteuer abgeführt. 15 Millionen davon flossen in die Kassen der Gemeinden und Städte. Einige Kommunen, wie etwa Oberding im Landkreis Erding, sprechen nicht mehr von einer Pro-Kopf-Verschuldung, sondern von einem Pro-Kopf-Guthaben. Im Umland des Flughafens haben sich erfolgreiche Geschäftszweige entwickelt – angefangen von einer florierenden Hotellandschaft bis hin zum Parkservice. Die 5.000 Einwohner zählende Gemeinde Oberding etwa bietet von der Pension bis zum 4-Sterne-Hotel unterschiedlichste Beherbergungsbetriebe an und kommt jährlich auf gut 350.000 Übernachtungen. Im 2400-Seelen-Dorf Eitting hat auch das Unternehmen „Wurzer Umwelt“, ein seit 25 Jahren tätiger Entsorgungsfachbetrieb mit Dienstleistungszentrum in der Entsorgung, Widerverwertung und Landschaftspflege, vom Flughafen profitiert. „Der Flughafen ist für uns ein großer Auftraggeber und in unserer Firma sind 10 bis 15 Mitarbeiter allein für den Flughafen zuständig“, so Geschäftsführer Franz Wurzer. „Wir sind froh, dass wir so einen starken Nachbarn haben.“ Die Region soll weiter im Job-Aufwind bleiben. Mit einer dritten Startbahn könnte am Flughafen die Zahl der Arbeitsplätze bis 2025 auf 40.000 ansteigen. Insgesamt könnten es über 80.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze werden. Hinzu kommen weitere Auftragsvergaben an Freiberufler und Unternehmen im Umland. Marion Friedl

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© Flughafen München GmbH

Eine Musterregion für Deutschland. Seit dem Bau des Münchner Flughafens vor 18 Jahren liegt die Arbeitslosigkeit in den Landkreisen Freising und Erding auf niedrigem Niveau. Derzeit sind 2,4 Prozent ohne Job, was von Fachleuten als „Vollbeschäftigung“ umschrieben wird. Der Flughafen München als Job- und Wirtschaftsmotor: 416 Millionen Fluggäste und 5,7 Millionen Flüge wurden seit dem ersten Flug im Jahr 1992 gezählt. „Es haben in der Region alle profitiert“, sagt Rudolf Strehle, der bei der Flughafen München GmbH (FMG) Beauftragter für die Flughafen-Region ist. Rund 30.000 Arbeitsplätze bietet der Airport und laut Strehle suchen sich die Mitarbeiter einen Wohnort in der Nähe. Zwischen 1998 und 2008 verzeichnete die Region eine Zuzugsrate von 12,7 Prozent – Tendenz steigend. Besonders die Städte Erding, Freising und Landshut und ihr Umland sind begehrte Wohnorte von Flughafen-Mitarbeitern. Die Arbeitsplätze am Flughafen haben sich in ganz Oberbayern ausgewirkt und auch die Nieder­bayern profitieren unmittelbar. „Der Raum Landshut gehört zu den besten Arbeitsmarktregionen in Bayern. Dies ist auch auf den Flughafen zurückzuführen“, erklärt Rupert Aigner vom Amt für Finanzen und Wirtschaft der Stadt Landshut.


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Ein Schwabe schwebt in die Welt Weltmarke Eurocopter liefert Hubschrauber in über 140 Länder

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Bayern ist Hubschrauberland. Hier entwickelte und baute Ludwig Bölkow mit dem Luftfahrtkonzern MBB die legendäre BO 106, die für Polizei und Rettungsdienste zum verlässlichen Arbeitspferd wurde und die der heutige König Hamad Bin Isa Al Khalifa von Bahrein noch als Kronprinz eigenhändig über seine Insel im Persischen Golf steuerte. „Eine wunderbare Maschine“, schwärmte er. Heute ist das bayerisch-schwäbische Donauwörth der deutsche Sitz der Weltmarke Eurocopter, von der mehr als 10 500 Hubschrauber in über 140 Ländern fliegen, weltweit wurden 52 Prozent der zivilen und halbstaatlichen Helis von dem deutsch-französisch-spanischen Konzern entwickelt und gebaut.

Der NH90 ist ein zweimotoriger Hubschrauber, der besonders für den Transport von Truppen und Material genutzt wird.

Nur beim Militärgerät haben die Amerikaner die Nase vorn. Doch mit dem Kampfhubschrauber Tiger und dem Transporter NH-90 hat sich Eurocopter auch hier Marktanteile geholt. Vor vier Jahren gelang sogar der Einstieg ins amerikanische Militärgeschäfte: Die US-Armee bestellte 332 Helicopter vom

Ambitioniertes Sparprogramm soll Effizienz steigern. Typ UH-145, ein wendiger Alleskönner. Der Auftrag über 2,4 Milliarden Euro ist der bisher größte für ein EurocopterModell. Das Donauwörther Erfolgsunternehmen entstand aus einer Zwangslage heraus. Schon in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts erkannten die Manager von MBB, dass ihre Ressourcen für die milliardenschweren Entwicklungen nicht ausreichten, ohne die das damalige Ottobrunner Unternehmen den weltweiten Konkurrenzkampf nicht hätte bestehen können. Zudem reifte bei Franz Josef Strauß die Idee heran, mit einem europäischen Flugzeug, dem späteren Airbus, dem US-Monopolisten Boeing die Stirn zu zeigen. Die DASA entstand, deren Heli-Abteilung sich 1992 mit der HubschrauberSparte der französischen Aérospatiale-Matra vermählte und fortan Eurocopter nannte. Spanien wurde Juniorpartner.

Bei zivilen Hubschraubern ist Eurocopter weltweit führend.

Bilder: Eurocopter

Neben Bau und Wartung der Schraubflügler hat Eurocopter einen weiteren einträglichen Geschäftszweig entdeckt: Das simulatorgesteuerte Flugtraining, wetterunabhängig in der Halle, ohne Materialverschleiß und mit null Treibstoffverbrauch. Die ersten weltweit installierten Anlagen sind hoch ausgelastet. „Wir sind da in eine Lücke gestoßen, die sich sehr gut macht“, freut sich der deutsche Eurocopter-Chef Lutz Bertling.

Der Prototyp X3 ist ein hybrid angetriebener Hochgeschwindigkeits-Helikopter.

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Die Krisen-Delle hofft er bis 2012 behoben zu haben und dann wieder die gewohnten jährliche Umsatzzuwächsen von sieben bis acht Prozent erzielen zu können. Ein ambitioniertes Sparprogramm soll die Effizienz steigern. Sorgen aber bereitet ihm der militärische Bereich, bei dem die Europäer Reduzierungen angekündigt haben. Bleiben aber die militärischen Entwicklungsprogramme aus, „merken wir es nicht in fünf Jahren, aber sehr deutlich im nächsten Jahrzehnt und haben damit im internationalen Vergleich hohe Wettbewerbsnachteile“, befürchtet Bertling. PS. n

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Peter Schmalz

Neustart in Oberpfaffenhofen Erste DO 228 der neuen Generation nach Japan ausgeliefert

© RUAG Holding 2010

Ein guten Grund zur Freude und zum Feiern gab es Ende September am oberbayerischen Sonderflughafen Oberpfaffenhofen: Das erste Serienflugzeug der Do 228 New Generation konnte an den japanischen Kunden „New Central Airservices“ (NCS) übergeben wurde. Und Peter Guggenbach, Chef der RUAG Aviation, pries stolz die Vorteile der neuen Maschine: „Ein vielseitig einsetzbares Flugzeug, das als äußerst robust bezeichnet werden kann. Bei sehr guter Nutzlast und hoher Reisegeschwindigkeit zeichnet sich die Do 228 NG besonders durch die Fähigkeit aus, auf kurzen Strecken starten und landen zu können.“ Fähigkeiten, die das Flugzeug zum Multitalent machen, das im Passagierund Frachttransport ebenso eingesetzt werden kann wie

für Such- und Überwachungsaufgaben oder zum Seeraumoder Umweltschutz. Die Auslieferungsfeier war ein Neustart in der wechselhaften Geschichte des Flugzeugbaus in Oberpfaffenhofen. Es war still geworden um den Flugplatz 20 Kilometer südwestlich von München an der Autobahn nach Lindau. Vorbei war die Zeit, als hier große Boeings mit dem AWAC-System ausgerüstet wurden und als dort unter dem großen Namen Dornier neue Flugzeugtypen entwickelt und produziert wurden. Unter ihnen die Do 228, die schon zu Beginn der 80er Jahre als hochmoderner, flexibel einsetzbarer und sparsamer Turboprop-Hochdecker das Interesse der Luftfahrtbranche weckte. R

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Doch vor einigen Jahren keimte neue Hoffnung auf: Der Schweizer Technologiekonzern RUAG hatte 2003 einen Teil der Dornier-Fairchild-Insolvenzmasse übernommen und seither gute Geschäfte mit dem Komponentenbau für Airbus sowie mit der Wartung von privatem und militärischem Fluggerät der mittleren Größe gemacht. So werden in Oberpfaffenhofen die Challenger-Maschinen der Regierungs-Flugbereitschaft ebenso gewartet wie die Bell-UH-Hubschrauber der Bundeswehr. Von dem weiterhin gefragten Regionalflugzeug Do 228 fliegen weltweit noch rund 150 Maschinen in 60 Ländern. 1985 war die Lizenz für den

Rumpf und Flügel reisen in sechs Wochen von Indien nach Bayern. Bau der Do 228-202 nach Indien ausschließlichen für den Einsatz auf dem dortigen Subkontinent vergeben worden. Somit gab es zwei Standorte der Do 228-Fertigung. In Indien weiter bis heute produziert, in Oberpfaffenhofen wurde die Fertigung 1998 eingestellt. Doch die Verantwortlichen in Oberpfaffenhofen hörten immer häufiger von Kunden den Wunsch nach einer neuen Version der guten alten DO, die sich im Küstenschutz und bei der Umweltüberwachung hervorragend bewährt und die selbst auf unbefestigten Pisten starten und landen kann. Eine Marktanalyse ergab zweierlei: Zum einen den weltweiten Bedarf von gut 1000 Maschinen und zum anderen die Erkenntnis, dass dieses Marktsegment von allen Aircraft-Herstellern in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden ist. Vor gut drei Jahren beschloss RUAG intern: „Wir wagen den Neustart.“ Der wichtigste Punkt dabei war, einen marktgerechten Preis zu finden, was durch eine kluge Aufteilung gelang: Der indische Partner stellt Rumpf und Flügel her, die nach einer sechswöchigen Reise in Oberpfaffen­hofen technisch vollendet und mit Komponenten für die speziellen Einsatzpläne ausgerüstet werden. Damit ist sichergestellt, dass gut ein Viertel der Wertschöpfung am oberbayerischen Standort

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Im oberbayerischen Oberpfaffenhofen werden die Flugzeug-Rümpfe aus Indien technisch vollendet und für die Spezialeinsätze vorbereitet.

bleibt und es den Stempel „Made in Germany“ weiterhin gibt. Der Standort Oberpfaffenhofen zeigte sich als hervorragend geeignet, denn hier lagerten nicht nur die Pläne und Werkzeuge, hier war das Knowhow noch vorhanden, denn ein Großteil der über 1000 Arbeitskräfte stammt noch aus der alten Dornier-Zeit. Weil einer der Kundenwünsche war, die Fluggeräusche zu verringern, entwickelte der Straubinger Antriebsspezialist MT Mühlbauer einen neuen Propeller, der leiser ist und auch noch die Leistung um 15 Prozent steigert. Eine der vielen unbekannten Erfolgsgeschichten in Bayern. Das Cockpit wurde digitalisiert und die Triebwerksleistung erhöht. Die Maschinen der neuen Generation können mit einem höheren Gewicht starten und länger in der Luft bleiben. Die kürzlich ausgelieferte Do 228 NG fliegt bereits im japanischen Regionalverkehr und verbindet Tokio mit den vorgelagerten Inseln. Der japanische Kunde, der bereits seit mehr als zehn Jahren drei Maschinen der Dornier-Serie 228-212 einsetzt, ist sehr zufrieden. „Die Maschine ist äußerst zuverlässig und hervorragend geeignet für die anspruchsvollen örtlichen Bedingungen“, versicherte Tetsuro Mori, Eigentümer der Fluggesellschaft, bei der Übergabe des Flugzeuges in Oberpfaffenhofen. Auslieferungen werden dort bald wieder zur Gewohnheit werden: Maschinen der Do 228 NG sind bereits nach Norwegen und an die deutsche Marine zur Erkundung von Umweltverschmutzung in der Nord- und Ostsee verkauft. In Oberpfaffenhofen spricht man von einem „starkem internationalen Nachfrageinteresse“. n

Ein stolzer Moment: Auf dem Sonderflugplatz Oberpfaffenhofen unterzeichnet ein japanischer Kunde den ersten Kaufvertrag für eine Do 228 New Generation.

© RUAG Holding 2010

Ihm folgten eine Düsenversion und schließlich der Versuch, einen Mittelstrecken-Jet zu konstruieren, was jedoch zur wirtschaftlichen Katastrophe führte. In der Insolvenz versanken alle Hoffnungen, den Flugzeugbau an diesem Standort zu erhalten.

© RUAG Holding 2010

LUFT- & RAUMFAHRT


© Ulli Skoruppa

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Wilfried Scharnagl

Realistischer Visionär Die Erfolge von Airbus und Münchner Flughafen sind der beharrlichen Politik von Franz Josef Strauß zu verdanken Die Luft- und Raumfahrt hatte längst das wache Interesse von Franz Josef Strauß gefunden, ehe es durch den Erwerb des Pilotenscheins für ihn einen zusätzlichen persönlichen Interessensschub gab. Fliegen war für Strauß die große private Alternative zur Politik. Die gewissenhafte Vorbereitung auf einen Flug, das völlige Hintersichlassen der Belastung und Anspannung des politischen Alltags, die Konzentration auf das völlig Andere – immer wieder habe ich dies bei Strauß aus unmittelbarer Nähe erlebt und beobachtet. Ob es nach Rom oder Madrid, nach Tel Aviv oder Tirana, nach Leipzig oder, und dies am häufigsten, nach Bonn ging – ich hatte nie Bedenken, gut ans Ziel zu kommen. Besorgte Zeitgenossen, die sich bei mir nach der fliegerischen Qualität von Strauß erkundigen und mir Erzählungen über gefährliche Abenteuer entlocken wollten, pflegte ich mit der

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lapidaren Auskunft zu bescheiden, da ich wisse, dass er mindestens ebenso sehr an seinem wie ich an meinem Leben hänge, hätte ich zum Piloten Strauß unbegrenztes Vertrauen. Ein Flug freilich ragt in meiner Erinnerung aus allen anderen Flügen mit Strauß heraus, was aber nicht am Piloten, sondern am Wetter lag. Vor den Weihnachtstagen des Jahres 1987 hatte Strauß, über Jahrzehnte das zentrale Feindbild der sowjetischen Propaganda in Deutschland, überraschend von Generalsekretär Michail Gorbatschow für die Tage nach Weihnachten eine Einladung nach Moskau bekommen. Neben Strauß gehörten Theo Waigel, Gerold Tandler, Edmund Stoiber, Strauß-Sohn Franz Georg, des Ministerpräsidenten Büroleiter Gerd Amtstätter und ich zu dieser Reisegruppe. Für Strauß war es Ehrensache, selbst in die Hauptstadt des sowjetischen Imperiums zu fliegen. R

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LUFT- & RAUMFAHRT Während des Fluges kam es stürmischen Wetters halber zu einigen Turbulenzen, über Funk erfuhren Strauß und sein Copilot, dass der Moskauer Flughafen wegen Schnee und Eis eigentlich geschlossen sei. Die Unterhaltung, die es daraufhin zwischen den beiden Piloten gab – ich saß am nächsten am Cockpit und bekam die Unterhaltung besonders gut mit – erregte dann doch bei uns Passagieren erhebliche Aufmerksamkeit. Man könne, so hörten wir, nicht mehr zum nächsten anderen Flughafen, nämlich nach Minsk, zurück, weil dafür der Treibstoff nicht reiche. Also wurde weiter Kurs auf Moskau gehalten. Die Gesichter seines „Wurzelwerks“, das er in besonderer Dichte dabei hatte, waren damals keineswegs so heldenhaft, wie man dies heute aus mancher mannhafter Einzeldarstellung heraus glauben könnte. Das sowjetische Empfangskomitee, das an diesem Abend wegen der Wetterverhältnisse nicht mehr mit der Ankunft des bayerischen Gastes und seiner Delegation gerechnet hatte, war schon auf den Rückweg in die Stadt. Als dann die Nachricht kam, dass Strauß trotz Eis und Schnee landen werde, hieß es „Kommando zurück“. Als ob dieser Flug für Franz Josef Strauß eine erfrischende Erholung gewesen wäre, begannen unmittelbar nach der Ankunft im Zentrum Moskaus die politischen Termine mit einem dreieinhalbstündigen Gespräch mit dem damaligen sowjetischen

Als Airbus-Aufsichtsratsvorsitzender unterzeichnete Franz Josef Strauß auch einen Vertrag mit der DDR-Staatslinie Interflug für einen A310.

Außenminister Eduard Schewardnadse. Die positive Wirkung des Hinflugs auf Strauß zeigte sich nach mehrfachen und mehrtägigen Gesprächen mit Gorbatschow und anderen Mitgliedern der sowjetischen Führung auch beim Rückflug nach München am Silvestertag. Während die Begleiter mit einiger Erschöpfung froh waren, wieder in München und dann daheim zu sein, absolvierte Strauß erst eine umfangreiche Pressekonferenz, stand dann für

Unermüdlich ackerte Strauß für die Entwicklung der Luft- und Raumfahrt. das Fernsehen zur Aufnahme von zwei Neujahrsansprachen zur Verfügung, um am Abend mit Familie und Freunden in Wildbad Kreuth den Jahreswechsel zu feiern. Fliegen muss für den Piloten Strauß wirklich erholsam gewesen sein! Die Entwicklung einer leistungsfähigen und eigenständigen Luftund Raumfahrt war für Strauß eine unaufgebbare Notwendigkeit, damit Deutschland und auch in Europa im globalen Wettbewerb bestehen könnten. Die Unterstützung des genialen Ingenieurs Ludwig Bölkow, jede nur denkbare Hilfe für MBB, die angemessene Teilhabe Deutschlands und Bayerns an diesen Techniken und Technologien der Zukunft – unermüdlich ackerte Strauß auf diesem schwierigen Feld. Ob als Verteidigungsminister oder später als Bundesfinanzminister, ob als CSU-Vorsitzender, als Führer der Opposition in Bonn oder als Bayerischer Ministerpräsident – in all seinen Funktionen und Ämtern hat Strauß seine kühnen Visionen in der Luft- und Raumfahrt mit unglaublicher Energie und strategischer Weitsicht verfolgt. Er entwickelte bei diesem Thema eine Schubkraft wie ein Triebwerk. Unter seiner Führung sind all jene weichenstellenden Entscheidungen gefallen, die zur Durchsetzung des Projekts Airbus und zu seinem Erfolg führten. Es war seine Überzeugung, dass die Europäer das amerikanische Monopol beim Bau von zivilen Großflugzeugen brechen und sich über alle politischen, kulturellen und sprachlichen Grenzen hinweg so organisieren müssten, dass sie ein starkes Gegengewicht zur Konkurrenz jenseits des Atlantik schaffen könnten. Noch so große Widerstände konnten ihn bei der Durchsetzung dieses unbeirrt als richtig erkannten Zieles nicht bremsen, Rückschlägen nicht entmutigen, Spott und Häme ließen ihn unberührt. Er war sich seiner Sache zu sicher, ließ mit seinem Drängen und Fordern nach Unterstützung für diese große Sache bei der Bundesregierung, bei den Bundeskanzlern Helmut Schmidt und Helmut Kohl, nicht locker – und hatte bei beiden auch Erfolg. Er demonstrierte beim Airbus das, was er immer wieder als Grundorientierung für das angemessene Verhalten eines Staatsmannes bezeichnet hatte – nicht nach der Bequemlichkeit, sondern nach der Richtigkeit eines Weges zu fragen.

© FMG

Weil ihm klar war, dass die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie nur unter privatwirtschaftlicher Führung würde wettbewerbsfähige Kostenstrukturen erreichen können, ergriff Strauß die Initiative zu Gesprächen mit der Konzernspitze von Daimler-Benz. Er war der erste Aufsichtsratsvorsitzende der Airbusgesellschaft und war es bis zu seinem Tod, legte in

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Das Tor zur Welt: Gegen heftige Widerstände setzte Franz Josef Strauß den Bau des Münchner Flughafens im Erdinger Moos durch. Heute ist der Airport Garant für den wirtschaftlichen Erfolg Bayerns. Hinten orange die geplante 3. Startbahn.

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Bild: Sven Simon

zwanzigjährigem Kampf die Strukturen, die zu der heutigen Stellung von Airbus auf dem Weltmarkt der Flugzeugherstellung geführt haben. Eine weit verbreitete Sicht selbstgenügsamer Bequemlichkeit wollte auf diesem wichtigen wirtschaftlichen und technologischen Sektor europäische Zweitklassigkeit und amerikanisches Monopol auf Dauer hinnehmen, weil man sich doch in einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft befinde und in den USA ja hervorragende Flugzeuge einkaufen könne. Fast zwei Jahrzehnte galt der Airbus als Fass ohne Boden, Strauß musste den Vorwurf der Gigantomanie, des Größenwahns aus- und sich

Flughafen ist entscheidender Impulsgeber für die Leistungskraft Bayerns. entgegenhalten lassen, dass man es mit den USA, dem Land, das den Mond erobert habe und die Luft- und Raumfahrt souverän beherrsche, ohnehin nicht aufnehmen könne. Derlei Einwände vermochten Strauß nicht zu lähmen, zu groß war sein Wissen über politische, technische und wirtschaftliche Zusammenhänge, als dass er sich in seiner sicheren Erwartung des Erfolgs hätte irremachen lassen. Heute können die Fluggesellschaften der Welt zwischen zwei Anbietern wählen, Boeing und Airbus, und der Wettbewerb um den Kunden zwingt beide zu ständig neuen Entwicklungen und Verbesserungen und verhindert Preisdiktate eines Monopolherstellers. Wenn die Flugzeuge am Himmel technisch sicherer geworden sind, leiser und – weil weniger Treibstoff verbrauchend – auch umweltfreundlicher, so kommt dies daher, weil der Airbus fliegt. Franz Josef Strauß hat sich beim Airbus nicht als der Illusionär gezeigt, als der er wegen eines Einsatzes für dieses Projekt von globalen Ausmaßen und Wirkungen kritisiert und geschmäht worden war. Er erwies sich als der große realistische Visionär. Flugzeuge, die fliegen, müssen auch landen. Franz Josef Strauß hat rechtzeitig und viel früher als andere erkannt, dass Bayern, wenn es seine blühende wirtschaftliche Zukunft ausbauen und sichern will, einen anderen Flughafen als den in seiner BeBayerischer Monatsspiegel 157_2010

Entspannung und Herausforderung zugleich fand Ministerpräsident Franz Josef Strauß im Cockpit. Auch die anstrengende Regierungsarbeit konnte ihn nicht davon abhalten, die für den Erhalt des Pilotenscheins notwendigen Flugstunden gewissenhaft zu absolvieren.

grenztheit unzulänglich gewordenen von München-Riem brauchen würde. Wenn der Freistaat Bayern als eines der in Deutschland und Europa führenden Exportländer seinen Rang behaupten wolle, brauche es ein großes und funktionierendes Tor zur Welt. Strauß hat sich in dieser Überzeugung nicht schwankend machen lassen, hat jene politische Durchsetzungskraft unter Beweis gestellt, die heute bei anderen schwierigen politischen Entscheidungen und überhaupt nur allzu schmerzlich vermisst wird. Inzwischen, zweiundzwanzig Jahre nach dem Tod von Franz Josef Strauß, hat sich der Großflughafen München zu einem entscheidenden Impulsgeber für die wirtschaftliche Leistungskraft Bayerns erwiesen, er ist eine Säule der ökonomischen Stabilität des Freistaates. Die Zahl der Fluggäste, die täglich starten und landen, steigt Jahr für Jahr in stattlichen Millionen-Größenordnungen, zu den Zehntausenden am und um den Flughafen Beschäftigte kommen ständig weitere hinzu. Der Arbeitsamtsbezirk Freising, in dem der Großflughafen liegt, weist seit Jahr und Tag mit die geringste Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland auf. Mit Fug und Recht trägt der Großflughafen München den Namen Franz Josef Strauß. Und erinnert an einen Mann, dem der wissenschaftliche und technische Fortschritt und damit verbunden die wirtschaftliche Leistungskraft Bayerns, Deutschlands und Europas Unendliches zu verdanken hat. n

Wilfried Scharnagl war von 1977 bis 2001 Chefredakteur des Bayernkurier und langjähriger Weggefährte von Franz Josef Strauß, der die Beziehung zu Scharnagl prägnant formulierte: „Er schreibt, was ich denke und ich denke, was Scharnagl schreibt.“

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Peter Schmalz

Schwarze Faser spart Sprit und Gewicht Augsburg forscht an revolutionärer Zukunft der Luftfahrt Mit der Farbe Schwarz ist Bayern seit Jahrzehnten gut gefahren. Mit „schwarzen“ CSU-Regierungen gelang dem Freistaat der Aufstieg zum Primus unter allen deutschen Ländern. Nun geht das Land einer neuen schwarzen Zukunft entgegen: Bayern ist in Europa das Zentrum für die Forschung und Entwicklung von Carbonfaser-Kohlestoffverbunde (CFK). „Das ist unser Schwarzes Gold“, schwärmt der Augsburger CSU-Politiker Johannes Hintersberger, in dessen schwäbischer Heimat die Forschung gebündelt ist. In einem „Science Park“ bei der Universität Augsburg werden demnächst 40 Forscher ergründen, wie Carbon in der Luft- und Raumfahrt neue Dimensionen erschließen kann, das neue Fraunhofer-Institut „Funktionsintegrierter Leichtbau“ wird dies

Reißfest, hauchdünn und superleicht: Die Carbon­ faser wird zum Werkstoff des 21. Jahrhunderts.

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für den Automobil- und Maschinenbau erforschen. Die EADSTochter Aerotec investiert einen dreistelligen Millionenbetrag in eine neue Produktionsstätte im nahen Meitingen, in dem künftig Flugzeugrümpfe gebacken werden sollen. Nebenan errichten BMW und der deutsche Carbon-Spezialist SGL Group gemeinsam ein Werk, das zur Serienproduktion eines leichten Carbonfaser-Autos führen wird. Schon seit Jahren gilt CFK als künftiger Wunderstoff: Härter als Stahl und nur halb so schwer wie Aluminium, zudem federleicht und gegen jede Witterung beständig. Der Nachteil: Der aus Fäden, die feiner sind als Haar, gebackene Werkstoff kann bislang nur unter hohem handwerklichem und finanziellem Aufwand hergestellt werden, weshalb er sich zur Massenpro-

Für die langen Flügel der Windkraftanlagen sind Verbundfaserstoffe das bestmögliche Material.

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LUFT- & RAUMFAHRT

duktion noch nicht eignet. Dies soll sich aber bald ändern. BMW und SGL bauen ebenfalls gemeinsam im US-Staat Washington eine Fabrik, in der Karbonfasern im großen Stil erzeugt werden sollen. Es wird der erste Schritt zum „Megacity Vehicle“ sein, einem superleichten Elektroauto. „Wir sichern uns damit wegweisende Zukunftstechnologien und Rohstoffe zu wettbewerbsfähigen Konditionen,

Härter als Stahl und halb so schwer wie Aluminium.

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Matched to mission Secure airborne radiocommunications

die wir für unser Megacity Vehicle benötigen“, begründet BMW-Chef Norbert Reithofer das Engagement. Sein SGL-Kollege Robert Koehler hätte auch dieses Werk gerne in Deutschland gebaut, doch die Energiekosten, die an dem Standort nahe der Boeing-Metropole Seattle um ein Drittel niedriger sind, gaben den Ausschlag. So werden die in den USA gezogenen Carbon-Fasern im oberpfälzer Wackersdorf zu Kunststoffmatten geflochten, die wiederum im BMW-Werk Landshut mit Harz getränkt und zu den jeweiligen Bauteilen gepresst werden. Das leichte Elektroauto entsteht dann im BMW-Werk Leipzig. Gleichzeitig hofft die Luftfahrtbranche auf eine Zukunft mit Carbon. Der neue Großraum-Airbus A350 mit seinem extra­breiten Rumpf, dessen Erstflug in zwei Jahren geplant ist, wird schon zur Hälfte aus CFK-Werkstoffen bestehen. Das spart Gewicht und damit Treibstoff. Koehler: „Carbonfasern tragen entscheidend dazu bei, CO2 -Emissionen zu reduzieren und natürliche Ressourcen zu schonen.“ Der SGL-Chef ist davon überzeugt, dass in dieser schwarzen Farbe ein revolutionäres Zukunftspotential steckt. n

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Quelle: DLR

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Thomas Breitenfellner

Der Robonaut aus Bayern Im Landkreis Starnberg tüfteln 1600 Mitarbeiter an der Zukunft der Luft- und Raumfahrt Geheimnisvolles liegt in der Luft. Hier in Oberpfaffenhofen wird getüftelt und geforscht, gearbeitet an Projekten, die mit menschlichem Verstand nur schwer zu fassen sind. Unweit der Lindauer Autobahn, im nördlichen Landkreis Starnberg, wird Zukunft gemacht. Oberpfaffenhofen, einer von acht Standorten der Deutschen Luft- und Raumfahrt (DLR), zählt neben Köln zu den größten Forschungszentren in Deutschland. 1600 Mitarbeiter sind in Oberpfaffenhofen beschäftigt, die Einsatzgebiete vielfältig: Von der Weltraummission über Klimaforschung, der Erdbeobachtung und dem Ausbau von Navigationssystemen bis hin zur Robotertechnik. Für den Laien klingt das wie Stoff aus einem Science-FictionRoman, in Oberpfaffenhofen jedoch wird an der Umsetzung gearbeitet: Roboter, die ins All geschickt werden, um die Arbeiten von Astronauten zu übernehmen. „Robonauten“ sollen aus eigener Kraft Tausende von Kilometern zurücklegen und weit entfernte Satelliten reparieren. Solche Entwicklungen freilich brauchen Zeit. Der Durchbruch auf dem Gebiet der Robotik gelang bereits im Jahr 1993 bei der D-2-Shuttle-Mission. Von der Erde aus steuerten die Wissenschaftler ihren Roboterarm „Rotex“ so exakt, dass mit ihm ein frei schwebender Gegenstand eingefangen werden konnte. „Wir haben erstmals gezeigt, dass man vieles auch vom Boden aus erledigen kann“, sagt Gerd Hirzinger, der das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik leitet.

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Blick ins Weltall: Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen.


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Der DLR-Roboter SpaceJustin ist in der Lage, komplexe Reparaturaufgaben im Orbit durchzuführen – seine Bewegungskommandos empfängt er vom Bediener am Boden. Der DLR-Roboter soll so Astronauten zukünftig bei ihren gefährlichen Einsätzen im Weltall entlasten.

Aber nicht nur im Weltraum, sondern auch auf der Erde leistet das Institut Pionierarbeit. So entwickeln Hirzingers Mitarbeiter Robotorarm-Systeme, die es Chirurgen ermöglichen, mit nur einem kleinen Schnitt aufwändige Operationen durchzuführen. Das erfolgreichste Produkt ist die „Space Mouse“. Sie gilt als Europas Computer-Peripheriegerät Nr. 1 und wurde schon mehr als 100.000 Mal verkauft. Selbst die Deutsche Bahn profitiert von den schlauen Köpfen. Der schadstoffarme Ölbrenner und die Aerodynamik der ICE-Züge sind Beispiele für den Wissenstransfer von der Luft- und Raumfahrtindustrie in andere Branchen. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium wurde 1995 in Oberpfaffenhofen eine Einrichtung für Technologiemarketing geschaffen, die solche Kooperationen ermöglicht.

Sogar der ICE profitiert von der Raumfahrttechnik. Aushängeschild des Standortes bleibt freilich das ColumbusKontrollzentrum. Mehr als 50 Satelliten – wissenschaftliche und kommerzielle – wurden in die Umlaufbahnen gesteuert. Hinzu kommen bemannte Weltraumflüge, an denen sich das DLR beteiligt hat. Dazu zählt auch die Spacelab D2-Mission im Jahre 1993. Die gesamte Mission der Raumfähre „Columbia“ wurde seinerzeit vom Raumfahrt-Kontrollzentrum begleitet. An Bord der „Columbia“ waren auch die deutschen Astronauten Ulrich Walter und Hans Schlegel. Mit dem Betrieb des Columbus-Labors hat Oberpfaffenhofen erneut eine große Aufgabe. Das ColumbusModul ist der wichtigste europäische Beitrag im Rahmen des Raumstationsprogramms. Von den zahlreichen in dem Weltraumlabor geplanten Experimenten verspricht sich die Wissenschaft neue Erkenntnisse über Materialien oder Verhaltensweisen von organischen und anorganischen Stoffen in der Schwerelosigkeit. Ein Projekt von besonderer Tragweite ist das europäische Satellitennavigationssystem Galileo. In Oberpfaffenhofen hat man

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sich für den Betrieb von Galileo beworben und ist in Vorleistung gegangen. Im Jahr 2002 wurden bereits mehrere Messkampagnen unternommen und seit 2008 wird die hochpräzise Atomuhr an Bord eines Test-Satelliten erprobt. Unter anderem ließen die Wissenschaftler einen Zeppelin über der Landeshauptstadt München kreisen. Von dem Luftschiff, das einen Galileo-Satelliten simulierte, wurden Signale ausgesendet, die ein Begleitfahrzeug am Boden einfing. Mit dem zivil genutzten Galileo-Programm wollen die Europäer in Konkurrenz treten zu dem unter militärischer Kontrolle stehenden amerikanischen GPS. Bis zum Jahr 2013 sollen 27 Galileo-Satelliten sowie drei Ersatzsatelliten in einer Entfernung von 24.000 Kilometern um die Erde kreisen und den Empfangsstationen am Boden voll zur Verfügung stehen. Rund 3,5 Milliarden Euro investieren die Europäische Union, die Europäische Weltraumbehörde ESA und die Privatwirtschaft in Galileo. Und was hat die Luft- und Raumfahrt mit dem Münchner Oktoberfest zu tun? Bei der diesjährigen Wiesn unterstützten die Forscher die Mitarbeiter in der Münchener Verkehrsleitzentrale – und testeten ihr Projekt VABENE. „Wir haben die Daten aus rund 4000 Taxen und Verkehrsinformationen aus stationären Messstellen im Großraum München zu einer aktuellen Gesamtverkehrslage zusammengeführt“, sagt Marc Hohloch. Auf diese Weise ließ sich ableiten, wie sich der Verkehr in den nächsten 30 Minuten entwickeln würde. „Für uns ist die Arbeit des DLR besonders interessant, weil sich potentielle Engpässe schon frühzeitig erkennen lassen", so Siegfried Benker vom Polizeipräsidium München. „Das hilft uns bei unserer Aufgabe, die großen Besucherströme abzuwickeln.“ Ziel von VABENE ist es, die Funktionsfähigkeit des Verkehrssystems bei Großereignissen oder auch im Katastrophenfall aufrecht zu erhalten. Die Einsatzkräfte sollten auch in einer Krisensituation die Verkehrsinfrastruktur nutzen können, um beispielsweise Hilfsgüter in ein Überschwemmungsgebiet zu liefern oder Verletzten beim Oktoberfest zu helfen. n

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Raumfahrt macht Autos besser Erfolgreicher Technologie-Transfer – Bayern stark in Luft- und Raumfahrt Mit ihren rund 93.000 Beschäftigten erwirtschaftete die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie im vergangenen Jahr einen Umsatz von 23,6 Milliarden Euro. Sie ist wirtschaftlich und vor allem technologisch einer der wichtigsten Schlüsselbereiche für den Industrie- und Technologiestandort Deutschland. Bayern nimmt dabei eine herausragende Stellung ein: 550 Unternehmen, darunter international operierende Systemhäuser ebenso wie kleine und mittelständisch geprägte Betriebe, mit über 36.000 Beschäftigten erwirtschafteten 2009 einen Umsatz von rund 6,9 Milliarden Euro. Doch mindestens so wichtig wie ihre wirtschaftliche Bedeutung ist die Funktion dieser Branche als Vorreiter bei der Realisierung innovativer Lösungen. Die Luft- und Raumfahrtindustrie arbeitet eng mit zivilen Forschungseinrichtungen und Universitäten (Stichwort „Open Innovation“) zusammen und befördert dadurch den Transfer von Technologien und Know-how maßgeblich – so beschäftigen sich in Bayern über 1500 Wissenschaftler mit der Erforschung, Entwicklung und dem Einsatz von Hochtechnologien im Luft- und Raumfahrt-Bereich. Sie werden unterstützt durch die staatliche Förderung von Forschungs- und Technologievorhaben, unter anderem im Rahmen der Cluster Initiative Bayern. Vor diesem Hintergrund gilt es das Thema Innovation auch aus technologischer Sicht ganzheitlich zu betrachten und die Chancen eines branchenübergreifenden Technologietransfers sowie interdisziplinärer Vernetzung künftig noch stärker zu nutzen. Das Lösungsspektrum der Luft- und Raumfahrtindustrie reicht von Flugzeugen, Unbemannten Systemen (Unmanned Aerial Vehicles, UAV), Transport- und Einsatzhubschraubern, Missionsausrüstung und -ausstattung über Triebwerke bis hin zu Satelliten. Die bayerische Ausrüstungs- und Zulieferindustrie leistet hier durch innovative Systementwicklungen, Subsysteme und Komponenten unverzichtbare Beiträge. Sie bietet zudem Dienstleistungen in den Bereichen Simulation, Test, Wartung und Instandhaltung sowie für die technisch-logistische Komponentenund Systembetreuung an. Elektrik und Elektronik sind die wichtigsten Treiber für 60 Prozent aller Innovationen – zukünftig ist die Intelligenz in den Systemen das wesentliche Differenzierungsund Qualitätsmerkmal von Lösungen und Produkten. Innerhalb dieses Spektrums sind Eingebettete Systeme und deren Weiterentwicklung zu so genannten „Cyber Physical Systems, CPS“ (untereinander und mit der Umwelt vernetzte

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Softwaresysteme) wesentliche Grundlage für eine effiziente, effektive und vor allem auch sichere Vernetzung von Elektroniksystemen. Mit ihnen verbinden sich Lösungsbausteine für Zukunftsszenarien beispielsweise im Rahmen zunehmender Urbanisierung und Automatisierung, Elektromobilität, wachsender Verkehrsaufkommen, komplexer werdender Logistikprozesse, knapper werdender Ressourcen sowie größer werdender Sicherheitsanforderungen. Die Sicherheit von Prozessen und Lösungen sowie deren Transparenz, Effektivität und Effizienz hat für die ESG seit jeher eine besondere Bedeutung. Als eines der führenden System- und Softwarehäuser für die Entwicklung, Integration und Betrieb von komplexen, Elektronik- und IT-Systemen setzt die ESG auf Innovationen – der branchenübergreifende Technologietransfer ist ihr Markenzeichen. Gerade zwischen der Luft- und Raumfahrt und dem Automotive-Bereich bieten sich zahlreiche Transferpotenziale: In beiden Bereichen können komplexe Funktionalitäten nur mit Hilfe innovativer Elektronik und Software abgebildet werden, eingebettete Systeme sind für deren Produkte kennzeichnend. So entwickelt und erprobt die ESG beispielsweise mit Hilfe ihres fliegenden unbemannten Ausrüstungsträgers (UMAT) Elektronik- und Softwarelösungen, Sense-&-Avoid-Funktionalitäten, Lösungen für Planung und Steuerung von Missionen, die Integration einer leistungsfähigen und einsatzrobusten Sensorik sowie Kriterien zur Zulassung von UAV im zivilen Luftraum. Dieses Projekt und die dafür benötigten Technologien stehen in engem Zusammenhang mit Entwicklungen für die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander oder mit der Umwelt zum Austausch sicherheitsrelevanter Informationen. Ähnliches gilt für Entwicklungen im Bereich Mensch-Maschine-Schnittstellen, Lösungen für EE- und Bordnetz-Architekturen sowie Erfahrungen mit Standardisierung und Prozessmanagement. In einem Premiumfahrzeug existieren heute rund zehn Millionen SoftwareInstruktionen, sogenannte „lines of code“. Sie werden sich in den nächsten fünf Jahren verzehnfachen – durch Funktionalitäten in den Bereichen „carto-car“, „car-to-back-office“, „car-to-x“, neuartige Fahrerassistenzsysteme, Energiemanagement im Fahrzeug, Außensensorik oder Telematik. Insgesamt wird bei Fahrzeugen damit eine Komplexität erreicht, die im Luft- und Raumfahrtbereich bereits in weiten Teilen beherrscht wird oder für die es bereits vielversprechende Lösungsansätze gibt. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, das die besondere Bedeutung der Luft- und Raumfahrtindustrie und des zielgerichteten wechselseitigen Technologietransfers für den Standort Deutschland belegt. n Ulrich-Joachim Müller


BAYERN & KULTUR Gespräch mit Barbara Stamm

Frauen auf dem Vormarsch

Fachkräftemangel zwingt die Wirtschaft zum Umdenken Noch immer sind Frauen in Führungsetagen von Politik und Wirtschaft die Ausnahme. Die CSU müht sich um einen Kompromiss zwischen Quote und Realität an der Basis. Scheuen Frauen die Verantwortung oder verteidigen Männer ihr Revier? Peter Schmalz sprach darüber mit einer der erfolgreichsten Frauen in Bayern, der bayerischen Landtagspräsidentin und CSU-Politikerin Barbara Stamm. Bayerischer Monatsspiegel: Seit Jahren wird gefordert: Mehr Frauen in die Chefetagen von Wirtschaft und Politik. Warum ändert sich so wenig? Barbara Stamm: Das wird sich erst dann spürbar ändern, wenn der Bedarf so groß ist, dass man auf die gut ausgebildeten und engagierten Frauen nicht mehr verzichten kann. Wenn ich nur daran denke, wie wir vor Jahren auch in Bayern darum gerungen haben, ob Frauen im Polizeivollzugsdienst eingesetzt werden können. Geändert hat es sich erst, als der männliche Nachwuchs nicht mehr in ausreichendem Maße vorhanden war. BMS: Und heute gehört die Frau in Polizeiuniform geradezu zum Straßenbild. Stamm: So ist es. Und inzwischen haben auch die männlichen Kollegen erkannt, dass eine Polizistin manche Einsatzsituation sogar besser meistern kann als ihre Kollegen. R

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BAYERN & KULTUR BMS: Ein beachtlicher Erfolg. Stamm: Über diese Erfolge freue ich mich selbstverständlich, aber im Grunde ist es doch schade, dass Frauen erst dann eine echte Chance haben, wenn nicht mehr genügend qualifizierte Männer zur Verfügung stehen. BMS: In den Schulen sind die Mädchen oft besser als die Buben. Wächst eine neue Frauengeneration heran? Stamm: Die ist schon herangewachsen. Und dieser Frauengeneration müssen wir in allen Bereichen unserer Gesellschaft die Möglichkeiten schaffen, sich zu engagieren und zu entwickeln.

werke aufzubauen und dann, wenn sie in Führungspositionen sind, ihrerseits wieder Frauen zu fördern.

BMS: Mehr weibliche Solidarität? Stamm: Das wär‘ nicht schlecht. Man hat ja manchmal den Eindruck, dass Frauen von Männern mehr gefördert werden, als von Frauen.

BMS: Wollen Männer nicht von der Macht lassen? Stamm: Dazu sage ich immer gern: Starke Männer haben damit kein Problem. Aber ich glaube schon, dass Männer mit der gleichberechtigten Kollegin, die ja beim Aufstieg auch Konkurrentin ist, Probleme haben. Da ändern sich die Regeln im gewohnten Rollenspiel, was nicht bei jedem Begeisterung auslöst.

Starke Männer haben mit Frauen im Beruf kein Problem. BMS: Umstellen müssen sich aber nicht nur die Männer. Stamm: Oh ja, ich spüre in vielen Gesprächen, dass Frauen oft auch die Scheu haben, mit ihren Fähigkeiten wie ein Mann aufzutrumpfen, den beruflichen oder politischen Konkurrenzkampf aufnehmen. Gerade wenn es um Führungspositionen geht, stecken sie noch zu häufig zurück. Wir sehen das besonders deutlich bei unseren Universitäten: Beim Abitur und bei vielen Studiengängen sind über 50 Prozent Mädchen, dennoch sind Professorinnen an unseren Hochschulen Mangelware. BMS: Liegt das nicht auch daran, dass Frauen eine andere Lebensplanung haben? Stamm: Mit Sicherheit. Das ist gewiss auch ein Grund, weshalb – noch, möchte ich sagen – die meisten Frauen in den Dax-Vorständen nicht verheiratet sind und keine Kinder haben. Deshalb müssen wir noch viel mehr tun, damit Familie und Karriere besser vereinbart werden können. Das ist nicht nur ein Thema für die Frauen, da sind die Männer noch viel mehr als bisher gefordert. Man hat das Thema bisher zu sehr als Frauenförderung angelegt, das muss künftig noch mehr in Richtung Männer ausgelegt werden. Das sage ich, obwohl ich mich sehr freue, dass wir in Bayern überdurchschnittlich viele Väter haben, die Elternzeit nehmen. BMS: Also statt Frauenförderung mehr Familienförderung? Stamm: Wir brauchen beides. Mit Sicherheit müssen weiterhin die Frauen gefördert werden, auch indem man ihnen Mut macht und Wege aufzeigt. Man muss sie noch mehr ermuntern, Netz-

Konrad Peutinger war schon zu seiner Zeit (1465 - 1547) ein überzeugter Förderer der Frauen. Ganz gegen die damalige strikte Haltung von Kirche und Staat sorgte er für eine ungewöhnlich sorgfältige Ausbildung seiner Töchter und unterstützte das Bildungsinteresse seiner Frau privat und in der Öffentlichkeit!

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Barbara Stamm macht den Frauen Mut, sich stärker in Beruf und Politik zu engagieren. Ihr eigener Lebensweg ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass Frauen sehr wohl bestehen können im harten beruflichen Wettbewerb: Vor 66 Jahren im unterfränkischen Bad Mergentheim geboren, lernte sie den Beruf der Erzieherin, den sie nach der Geburt des ersten ihre drei Kinder in Teilzeit fortsetzte. Politisch begonnen hat sie 1972 im Würzburger Stadtrat, wurde 1988 Staatssekretärin und 1994 Ministerin im bayerischen Sozialministerium. Barbara Stamm ist stellvertretende CSU-Vorsitzende und seit 2008 als Präsidentin des Bayerischen Landtags protokollarisch „erste Frau“ im Freistaat.

BMS: Müssen Frauen, die sich in den ersten Jahren für die Erziehung des Kindes entscheidet, beim Wiedereintritt in den Beruf nicht oft noch deutliche Nachteile hinnehmen? Stamm: Noch mehr als früher ist es heute in vielen Berufen umso schwerer, wieder einzusteigen, je länger pausiert wurde. Wer im Unternehmen nicht präsent ist, der ist oft ganz schnell auch weg von der Karriereleiter. Deswegen ist es ganz wichtig: Wie bewerten wir Familien- und Erziehungszeiten, oder – was angesichts der demographischen Entwicklung ein Riesenthema werden wird – wie bewerten wir Pflegezeiten. Noch haben wir keine befriedigenden Antworten darauf gefunden, wie wir diese für die Gesellschaft wichtigen und wertvollen Arbeiten bewerten. Wir müssen auch mehr anerkennen, dass bei diesen Familienarbeiten Schlüsselqualifikationen erworben werden, die ich für mindestens so wertvoll halte wie manche Zertifikate. BMS: Dennoch genießt eine Mutter, die ihr Kind möglichst früh in die Krippe gibt und an den Arbeitsplatz zurückkehrt, ein höheres Ansehen als eine Mutter, die in den ersten Jahren bei ihrem Kind bleibt.


Stamm: Dazu haben wir „Herdprämie“ als schlimmes Unwort des Jahres. Es steht der Gesellschaft nicht zu, Lebensentwürfe festzulegen. Es darf kein Entweder-oder geben, sondern ein Sowohl-als-auch. Diese Wahlfreiheit bedeutet aber auch, dass bei der Mutter, die sich für die Erziehung der Kinder entscheidet, die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen. Deshalb haben wir für das Erziehungsgeld gekämpft, das dann als „Herdprämie“ diffamiert wurde. Andererseits aber müssen auch für die Mutter, die sich schnell wieder für den Beruf entscheidet, die Bedingungen stimmen. Das heißt zuverlässige Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten. BMS: Da ist noch viel Arbeit für die Wirtschaft. Stamm: Oh ja, die Wirtschaft realisiert erst langsam, dass sie künftig das große Potential der Frauen benötigt. Wir sind ja schon mitten in einem Fachkräftemangel, der sich in den nächsten Jahren noch verschärfen wird. Wir haben bestausgebildete Frauen, die alle beruflichen Voraussetzungen mitbringen und auf die die Gesellschaft künftig nicht verzichten kann. Beim „Rohstoff Geist“ gehören die Frauen genauso dazu wie die Männer.

Lastenausgleich erwünscht: Noch zu oft müssen die Frauen die Bürde von Beruf und Familie alleine schultern.

BMS: Sie sind an die Spitze gekommen: Früher Ministerin, jetzt Präsidentin des Bayerischen Landtags. Ist Ihr Lebensweg ein Vorbild für die Frauen? Stamm: Sicher für die, die in die Politik gehen wollen. Damit kann man den jungen Frauen auch Mut machen, den Schritt in die Politik zu wagen. Auf diesem interessanten und für unsere Demokratie lebenswichtigen Bereich müssen wir Frauen genauso

vertreten sein wie in allen anderen Bereichen. Doch das geht nicht ohne gesunde Machtstrukturen. Deshalb sollten wir Frauen uns nicht verschämt zurücknehmen und sagen, mit Macht wollen wir nichts zu tun haben. Angela Merkel wäre nie Bundeskanzlerin geworden, wenn sie es nicht verstanden hätte, wie man positiv mit Macht umgeht. n

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BAYERN & KULTUR Thomas Breitenfellner

Kleine Gruppe, große Wirkung Für ihre Berliner Regierungspartner kann die CSU schon mal unbequem werden, den Koalitionsfrieden soll das freilich nicht stören Schwarz-Gelb im Stimmungstief. Die Bundesregierung steht vor einem schicksalshaften Jahr. Der CSU-Landesgruppe in Berlin muss der Spagat gelingen: Selbstbewusst bayerische Interessen vertreten, ohne dabei den Koalitionsfrieden zu stören. Graue Wolken hängen über der Reichstagskuppel, der Wind zischt, das bunte Laub wirbelt durch die Luft. Es ist Herbst. „Ein Herbst voller Entscheidungen“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel betont. Wird er so stürmisch wie im vergangenen Jahr? Die Anlaufschwierigkeiten der schwarz-gelben Koalition in Berlin müssen selbst die Protagonisten der Koalition einräumen. Zu viel Zoff hat es gegeben in den ersten Monaten der Regierungszeit. Schuldzuweisungen waren zuletzt an der Tagesordnung. Und die CSU, darauf hat sich zumindest die FDP festgelegt, hat den Streit immer wieder entfacht. Die Bayern als Quertreiber? Nein, das will CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich nicht gelten lassen. „Wir reden halt nicht um den heißen Brei herum“, sagt er, „wir sprechen das Unvermeidliche an.“ Unvermeidlich sei gewesen, die Liberalen bei ihrem Ruf nach umfangreicher Steuersenkung einzubremsen. Die CSU wolle die Bürger zwar auch entlasten, aber eben nur im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. Mitten in der Wirtschaftskrise sei

das nicht drin gewesen, „wir haben die Phantasien der Koalition geerdet.“ Im politischen Betrieb schwingt er mit, der Geist von Kreuth. Spätestens seitdem Franz Josef Strauß im November 1976 die gemeinsame Fraktion mit der CDU aufkündigen wollte, gehört für die CSU-Abgeordneten das Kräftemessen mit den Kollegen der großen Schwesterpartei zum Selbstverständnis. Zwar bilden die 45 CSU-Parlamentarier die kleinste Gruppe im Bundestag, haben aber eine „große Hebelwirkung“, wie Friedrich betont. In zentralen Fragen geht in der Unions-Familie nichts ohne die CSU, so schreibt es sogar die Geschäftsordnung vor. Wie die CSU kein Landesverband der CDU ist, so ist auch die bayerische Landesgruppe nicht irgendeine Landesgruppe. Friedrich ist der erste Stellvertreter von Fraktionschef Volker Kauder – vor allen anderen Stellvertretern. Und der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Stefan Müller, ist erster Vize von Fraktionsmanager Peter Altmaier. Von der „hohen Durchsetzungskraft“ spricht Friedrich und sieht sich damit in der Tradition der Landesgruppe. Klare Sprache gehört zum Geschäft. Und ein bisschen Poltern eben auch. Bei der Gesundheitsreform zog die CSU dem liberalen Koalitionspartner die Zähne. „Eine Umstellung der Krankenkassen auf ein Prämienmodell kommt für uns nicht in Betracht“, erklärt Friedrich. Jeder Bürger müsse gemäß seiner Leistungsfähigkeit herangezogen werden. „Wer mehr hat, muss auch mehr zahlen.“ Die CSU als sozialer Faktor in einer wirtschaftsliberalen Koalition? „Wir sind Volkspartei, wir haben alle Menschen im Blick“, bekräftigt der 53-Jährige. Alle Menschen hat die CSU im Blick – und ein bisschen mehr diejenigen, die in Bayern leben. Einen Kuschelkurs darf man von der CSU nicht erwarten, doch die öffentliche Auseinandersetzung mit der FDP dürfte zunächst etwas moderater ausfallen. Schließlich ziehen die Wasserstandsmeldungen der Demoskopen nicht einfach an den Koalitionären vorüber. Noch nie war die Zustimmung zu einer Regierung so niedrig.

Das CSU-Trio in der Bundesregierung: Peter Ramsauer (Verkehr), Ilse Aigner (Agrar) und Karl-Theodor zu Guttenberg (Verteidigung).

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Mit Umfragen freilich will sich Friedrich nicht beschäftigen. Die CSU habe im Freistaat das Potential von „deutlich über 50 Prozent“. Die Mehrheit der Bevölkerung würde eine verantwortungsbewusste Politik honorieren, da dürfe man nicht das

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BAYERN & KULTUR Fähnchen nach dem Wind richten. Den Menschen die Entscheidungen inmitten einer immer größer werdenden Informationsflut verständlich zu erklären, sei wichtiger denn je. Zu erklären gibt es viel. Die Kernkraftwerke laufen länger als geplant, dafür jedoch werden regenerative Energien so stark gefördert wie noch nie. Bei der Rente mit 67 will die CSU Kurs halten, im Gesundheitswesen sollen die Ausgaben gesenkt werden.

In der Unions-Familie geht nichts ohne die CSU.

Offensiv will die CSU die Berliner Erfolge verkaufen, um die Zustimmung in der Bevölkerung kämpfen. Startpunkt für die Aufholjagd in den Meinungsumfragen könnte die traditionelle Klausur zu Jahresbeginn in Wildbad Kreuth werden. Auch dieses Mal will die Landesgruppe namhafte Gesprächspartner in die Winteridylle einladen. In den vergangenen Jahren jedenfalls hat die CSU bei der Auswahl internationaler Gäste ein Näschen bewiesen: Nicolas Sarkozy siegte zwei Jahre nach seinem Kreuth-Aufenthalt in Frankreich, David Cameron wurde Premier in Großbritannien. n

Die Bekämpfung der Internetkriminalität müsse forciert werden, sagt Friedrich. Damit die Arbeitslosigkeit weiter sinkt, schwebt dem Landesgruppenchef eine Qualifizierungsoffensive vor. Zudem wirbt er für einen Mentalitätswechsel in der Wirtschaft, ältere Arbeitnehmer sollten mehr Wertschätzung erfahren. „Es muss aufhören, dass sich Unternehmen mit einem Durchschnittsalter von 32 Jahren brüsten.“ Personell jedenfalls scheint die Bundestags-CSU gut aufgestellt zu sein. Ihre drei Bundesminister sind Aktivposten in Merkels Kabinett. Ex-Landesgruppen-Chef Peter Ramsauer gibt im Verkehrsministerium eine gute Figur ab und auch die von den Deutschen schon lange geforderte Pkw-Maut scheint der Oberbayer nun durchsetzen zu können. Agrarministerin Ilse Aigner hat sich bei den Bauern besonders durch ihre Dialogfreudigkeit einen guten Ruf erworben, zudem das Thema Verbraucherschutz über gesunde Lebensmittel hinaus ausgeweitet. Mit Internet-Riesen wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg geht sie hart ins Gericht und erfährt dafür große Zustimmung in der Bevölkerung.

Bilder: Henning Schacht

Und dann wäre da natürlich noch Verteidigungsminister KarlTheodor zu Guttenberg. Der Shootingstar der CSU-Landesgruppe, der Publikumsliebling auf der deutschen Politbühne. Seit Sommer 2009 führt der Oberfranke unangefochten die Beliebtheitsskala in der Republik an – und zieht quasi im Vorbeigehen die größte Bundeswehrreform der vergangenen Jahrzehnte durch. An zu Guttenberg kommt man so schnell nicht vorbei, das bekamen auch diejenigen zu spüren, die an der Wehrpflicht gerne festgehalten hätten. Seit 2009 Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag: Hans-Peter Friedrich aus dem oberfränkischen Hof.

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BAYERN & KULTUR

Integration zum Wohle Bayerns Integrationsbeauftragter sieht bei Migranten große Potential – Vier Beispiele

„Wir müssen die Problem ansprechen, wenn wir sie lösen wollen“, sagt der Integrations­beauftragte der Bayerischen Staatsregierung, der CSU-Landtagsabgeordnete Martin Neumeyer. Deshalb sei er auch Thilo Sarrazin dankbar, „dass dem Thema wieder so große Aufmerksamkeit gewidmet wird“. In Bayern leben derzeit 2,4 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die Hälfte davon hat einen deutsche Pass. Die Integration sei in der Gesellschaft auf die lange Bank geschoben worden, über Jahrzehnte habe man gehofft, das Problem werde sich von selbst lösen. Integration aber brauche Ehrlichkeit, Offenheit und Konzessions­ bereitschaft von beiden Seiten, meint Neumeyer. Hier sieht er auch in Bayern noch Nachholbedarf: „Viele Menschen, die zu uns kommen, haben große Potentiale, die sie zum Wohle Bayerns einsetzen.“ Die vier folgenden Porträts sind Beispiele einer gelungenen Integration.

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BAYERN & KULTUR

Integration im Dialog: Der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer (2. v. li.), im Gespräch mit jungen Migranten.

Dr. Ekaterina Skakovskaya, 36, wurde in Wolgograd, dem früheren Stalingrad, geboren und studierte dort an der Staatlichen Pädagogischen Universität. Nach dem Studium promovierte sie mit einer Arbeit über „Die sozialen Parametern der Ethnizität“ im Bereich Sozialphilosophie. Für ihre Habilitationsarbeit kam sie vor sechs Jahren nach Deutschland. Sie lebt in München und arbeitet in einem sozialen Verein in der Projektkoordination, ist Mitglied des Bayerischen Integrationsrates und ist im Vorstand des neugegründeten Vereins der russischsprachigen Eltern e.V. Schon lange bevor ich ahnte, einmal in Deutschland leben zu können, hat mich das Thema Integration stark interessiert. Das hing eng zusammen mit meinem Lehramtsstudium in Wolgograd und der anschließenden Doktorarbeit, in der ich mich mit dem Thema „Soziale Parameter der russischen Ethnizität“ befasst habe. Dies war der wissenschaftliche Ansatz, mich mit den nationalen Besonderheiten meiner Landsleute zu beschäftigen. Durch die weitere wissenschaftliche Arbeit konnte ich meine Kenntnisse in den Bereichen der Sozial- und Ethnopsychologie sowie der Soziologie erweitern. Obwohl ich damals die deutsche Sprache noch nicht beherrschte, reifte während dieser Studien mein Entschluss, die Habilitationsarbeit in Deutschland zu verfassen und dort möglichst auch zu arbeiten. Mir war durchaus bewusst, dass die allererste Voraussetzung dafür war, Deutsch zu lernen, was ich nach meiner Ankunft vor sechs Jahren auch sofort begann. Ich bin seither auch viel durch Deutschland gereist, um die Kultur meiner neuen Heimat kennenzulernen. Gerade in Bayern hat mich das besondere Lebensgefühl fasziniert, das Tradition und Fortschritt harmonisch verbindet. Die Bayern haben eine Seele, die uns Russen sehr verwandt ist.

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Ich habe an mir selbst erlebt, dass Integration nur gelingen kann, wenn man die Sprache beherrscht und sich auch für die kulturellen Werte seiner neuen Umgebung interessiert. Deshalb mein Rat an alle, die nach Deutschland kommen: Passt euch an, ohne die eigene kulturelle Identität zu verlieren. Erzieht die Kinder bilingual, damit sie in der Schule und im Beruf Erfolg haben können, aber dennoch die Sprache ihrer Mutter nicht vergessen. Ich fühle mich in Deutschland wohl und integriert. Allerdings ist nicht alles so gelaufen, wie ich es mir gewünscht hätte. So wurde mein Doktortitel zwar anerkannt, nicht aber mein Universitätsdiplom und auch nicht meine Qualifikation als „Lehrerin für die russische Sprache und Literatur“. Klagen über ähnliche Erfahrungen höre ich leider oft. Das ist eine Enttäuschung für die Betroffenen, aber auch ein Verlust für Deutschland. Wissenschaftliche Studien belegen, dass bei den russischsprachigen Migranten stets die berufliche Eingliederung eine gesellschaftliche Integration nach sich gezogen hat. Da ihre berufliche Ausbildung im Regelfall hierzulande nicht anerkannt wird, ist es für die meisten nahezu unmöglich, eine ihren Fähigkeiten entsprechende Arbeit zu finden. Statt aufgrund ihrer durchschnittlich hohen Qualifizierung eine treibende Kraft der einheimischen Wirtschaft zu sein, werden russischsprachige Migranten oft als Last für die Gesellschaft empfunden. Daher ist es von großer Bedeutung, das professionelle Potential dieser Personengruppe zu erkennen, anzuerkennen und zu fördern. Hier sehe ich auch im Bayerischen Integrationsrat meine Aufgabe, den Menschen zu helfen, ihren Platz in der neuen Heimat zu finden. Das gibt ihnen Mut und Selbstvertrauen. Ich bin aber guter Hoffnung, dass dieses Potential anerkannt wird. Wie dies zum Beispiel durch das Secondos-Programm der Universität Regensburg geschieht, das die Mehrsprachigkeit junger Menschen mit Migrationshintergrund unterstützt. Über Integrationsarbeit wird gerade jetzt sehr viel geredet. Das ist gut so, denn dadurch wird auch deutlicher zu sehen, wo die Integration in der Wirklichkeit noch nicht vollständig funktioniert. Die Diskussion gibt die Chance, dass diese komplexe gegenseitige Arbeit allen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland noch erfolgreicher wird als bisher. Denn nur gemeinsam schaffen wir das! R

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BAYERN & KULTUR Siddharth Mudgal, 28, wurde im indischen Jaipur geboren und kam vor sieben Jahren nach Deutschland. Er studierte Informatik in Indien, arbeitete als Tellerwäscher, studierte Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Heute arbeitet er als Unternehmensberater bei SAP in München, ist verheiratet, seine Hobbys sind Lesen, Yoga, Reisen, Vereinsarbeit.

„Ich möchte nicht als Problem angesehen werden, das es zu lösen gilt. Ich arbeite und wohne hier und zahle auch meine Steuern. Es ist nicht so, dass ich die Sozialsysteme ausnutze, eher im Gegenteil“: Herr Mudgal mit einer Kollegin bei dem SAP-Freiwilligentag in dem Wohnheim der Lebenshilfe München.

Dimitrios Papoutsis, 26, wurde als Enkel griechischer Gastarbeiter in München ge­boren. Er studierte Betriebswirt­ schafts­lehre an der Ludwig-Maximilians-Universität, arbeitet in München als Unternehmensberater und ist Mitglied des bayerischen Integrationsrats. Er ist ledig, seine Hobbys sind Fußball und das Entdecken neuer Kulturen. Ich lebe nun seit 26 Jahren in Deutschland. Mittlerweile gehöre ich zur dritten Generation der griechischen Auswanderer, zu denen auch meine Großeltern gehörten, die 1969 als Gastarbeiter in Deutschland ankamen. Ich selbst bin hier geboren und aufgewachsen. Bis zum meinem Studium habe ich eine griechische Schule in München besucht. Obwohl der gesamte Unterricht auf Griechisch erfolgte, war es meinen Eltern enorm wichtig, dass ich zweisprachig aufwachse. Durch den Fußball konnte ich sehr schnell Anschluss in die deutsche Gesellschaft finden. So habe ich mir als Spieler einer deutschen Fußballmannschaft einen

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Das Jahr 2003 war für mich sehr aufregend. Ich war zum ersten Mal in einem fremden Land, in Deutschland. Nach meinem Informatik-Studium in Indien wollte ich an der Humboldt Universität zu Berlin ein internationales, englischsprachiges Masterstudium im Fach Wirtschaftswissenschaften absolvieren. Ich sprach kein Wort Deutsch, aber fließend Hindi, Englisch und Punjabi. Mein englischsprachiger Masterstudiengang in Berlin mit Studenten aus über 40 Ländern sowie mein erster Studentenjob als Tellerwäscher verlangten keine deutschen Sprachkenntnisse. Trotzdem besuchte ich mehrere Deutschkurse, schließlich wollte ich einiges erreichen. Ich war fest davon überzeugt, dass Zugezogene nur mit lokalen Sprachkenntnissen und interkulturellen Kompetenzen an der Gesellschaft aktiv mitwirken und sich gleichzeitig aufgrund ihres multikulturellen Profils sogar profilieren können. Als Unternehmensberater bei der SAP AG, berate ich heute namhafte internationale Kunden und helfe auch führenden deutschen Behörden, ihre IT-Prozesse zu optimieren. Deutschland hat es mir ermöglicht, ein ausgezeichnetes Studium zu absolvieren, mein persönliches Glück zu finden und mir eine schöne berufliche Zukunft aufzubauen. Durch meine Tätigkeiten im Bayerischen Integrationsrat, Caritas Insolvenzberatung, als Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Indische Zusammenarbeit e.V. und SAP habe ich mich mit den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Themen in Deutschland und insbesondere Bayern auseinandergesetzt und versuche somit ich der Gesellschaft und dem Land etwas von dem was ich bekommen habe, zurückzugeben. Das Land ist mir heute nicht mehr fremd und aufgrund meines emotionalen Bezugs zu Deutschland bezeichne ich Indien als meine Heimat und Deutschland gerne als meine gewünschte Heimat. Und wer arbeitet denn nicht an der Zukunft seiner Heimat? Deswegen ist Integrationspolitik so wichtig. Nur dadurch wächst eine Gesellschaft zu einer Gemeinschaft. Freundeskreis aufbauen können, der neben meinen griechischen Kontakten auch andere Nationen beinhaltete. Mein Studium der Betriebswirtschaftslehre habe ich an der LMU in München absolviert. Heute arbeite ich bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Über die Möglichkeiten die Deutschland und Bayern mir geboten haben, bin ich sehr dankbar. Ich fühle mich wohl in München und glaube, mich gut integriert zu haben. Meine Dankbarkeit, aber auch meine Verbundenheit zu Bayern, motivieren mich, etwas von dem zurückzugeben. Als aktives Mitglied des bayerischen Integrations­rates möchte ich auch unseren ausländischen Mitbürger etwas von meinen Erfahrungen mitgeben und dadurch das gemeinsame Miteinander stärken.

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BAYERN & KULTUR Younes Ouaqasse, 21, wurde in Mannheim geboren, lebte vier Jahre in Marokko, kämpfte sich von der Hauptschule zum Abitur. Er lebt jetzt wieder in Mannheim und war bis Juni Bundesvorsitzender der Schüler Union Deutschland. Integration heißt, sich an sein Heimatland anzupassen und die dort vorherrschenden Werte sowie gesellschaftlichen Institutionen und Moralvorstellungen anzunehmen. Geboren wurde ich als Sohn marokkanischer Eltern in Deutschland, in Mannheim habe ich meine ersten Kindheitsjahre verbracht. Nach der Trennung meiner Eltern habe ich vier Jahre in Marokko bei meinen Großeltern gelebt. Diese Zeit hat mich geprägt. Noch heute besuche ich das Land mehrmals im Jahr, treffe mich mit Familie und Freunden und genieße Land und Leute. Im Alter von acht Jahren bin ich zu meiner Mutter nach Mannheim zurückgekehrt. Deutsch war für mich eine Fremdsprache, meine heutige Heimat für mich völlig unbekannt. Es ist nicht einfach, sich durchzubeißen. Der Weg der Integration

Der Zukunft zugewandt. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. engagiert sich mit vereinten Kräften für die Zukunft des Freistaats. Mit 90 Mitgliedsverbänden und mehr als 25 Einzelmitgliedern repräsentiert die vbw Betriebe mit insgesamt über 3,3 Millionen Beschäftigten in Bayern. Wir setzen uns über alle Branchen hinweg für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bayerischer Unternehmen und damit für den Wirtschaftsstandort Bayern ein. Mit klarem Blick der Zukunft zugewandt.

www.vbw-bayern.de

kann oftmals mühevoll sein. Die dritte Klasse musste ich wiederholen, die Lehrer hatten mich schon abgeschrieben: „Aus Euch wird nie etwas!“ Aber ich habe schnell gemerkt: Nur wenn ich der deutschen Sprache mächtig bin, kann ich Freunde finden und mein Leben später selbstständig gestalten. Auf die Hauptschule geschickt, kämpfte ich mich regelrecht durch, schaffte den Sprung auf die Realschule und im vergangenen Jahr habe ich erfolgreich mein Abitur abgelegt. Der Glaube an sich selbst kann manchmal Berge versetzen. Aber klar ist auch, dass Integration ohne gemeinsame Anstrengung nicht gelingen kann. Daher habe ich begonnen, mich politisch in der Schüler Union zu engagieren. Ich möchte junge Menschen mit Migrationshintergrund ermuntern, sich ebenfalls zu integrieren. Als Bundesvorsitzender der Schüler Union Deutschlands bin ich daher für ein durchlässiges dreigliedriges Schulsystem, das auf individueller Förderung basiert, eingetreten. Denn wir brauchen Mitmenschen, insbesondere Lehrer und Politiker, die sagen: „Aus Euch wird auf jeden Fall etwas!“ n


BAYERN & KULTUR Hannes Burger

Niedrigsteuer lockt Heinzelmännchen Die viel kritisierte Mehrwertsteuer-Senkung für Hotels ist ein Investitionsschub – Hoteliers, Gäste und Handwerker profitieren davon

In vielen bayerischen Hotels wird gehämmert und gesägt, genagelt und gestrichen als wären wieder die Heinzelmännchen am Werk. So hat das Hotel Platzl neben dem Münchner Hofbräuhaus heuer für über 200 000 Euro seine Fassade renoviert und bekommt eine neue Telefonlage; das Hotel Stachus hat für 600 000 Euro das ganze Haus modernisiert. In Ingolstadt hat das Hotel Ammerland 12 Bäder renoviert und 24 Zimmer mit neuen Fernsehern ausgerüstet, das Sport- und Wellnesshotel Angerhof in St. Englmar hat eine Hackschnitzelheizung bekommen und neues Personal eingestellt; das Burghotel Wittelsbacher Höh in Würzburg hat den für eine Million Euro geplanten Umbau noch um eine halbe Million aufgestockt und im Bayerischen Wald hat das Landhaus zur Ohe in Schönberg eine Sauna- und Wellness-Landschaft installiert. Das sind nur einige Beispiele für viele in Bayern. Ursache für den Investitionsschub im Hotelgewerbe ist der seit Jahresbeginn von 19 auf 7 Prozent reduzierte Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen. Fast ein Jahr lang wurde der schwarzgelbe Vorgriff auf eine Neuordnung der Mehrwertsteuersätze von den roten wie grünen Parteien und vielen Medien als ungerechte „Klientelpolitik“ kritisiert und als „Steuergeschenk für reiche Hoteliers“ diffamiert. Jetzt im Herbst hat in Bayern diese unsachliche Polemik nicht zuletzt deswegen nachgelassen, weil sich der Hotel- und Gaststättenverband (BHG) mit

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BAYERN & KULTUR einzelnen Mitgliedern gegen die Neidkampagne energisch zur Wehr gesetzt hat: Die ersparte Mehrwertsteuer lande weder in den Taschen der Hoteliers noch auf schwarzen Konten in der Schweiz, sondern in Qualitätsverbesserungen in den Häusern und beim Personal. Die Tatsachen ließen sich aber erst nach einem halben Jahr bei einer bayernweiten Informationsreise von Verbandspräsident Siegfried Gallus als erste Zwischenbilanz belegen. Das Klischee, dass Hoteliers von Haus aus reich sind, hat mehrere Ursachen. Es kommt zum einen daher, dass Hoteliers ein Haus haben und die Sozialisten seit 150 Jahren die Lehre verbreiten, dass Hausbesitzer Kapitalisten sind, wie es der alte Wiener ProletenSpruch ausdrückt: „Es san fei scho Hausbesitzer gstorben!“ Eine andere Ursache für die helle Empörung in linken Parteien und Medien aller Art liegt darin, dass sowohl Politiker als auch begleitende Journalisten auf Dienstreisen oft in teuren FünfSterne-Hotels von Metropolen „auf Regimentskosten“ absteigen

Hoteliers können nicht ins Ausland abwandern, aber ihre Gäste. – heißt: auf Einladung oder Spesen. Zudem zieren wirklich reiche Hoteliers oder gar reiche Hotelerben wie Paris Hilton die Gesellschaftsspalten von Boulevardzeitungen und Magazinen, während Hotels oder ganze Hotelketten, die in Insolvenz gehen, nur im Wirtschaftsteil vorkommen. Doch von den gut 11 000 Hotelbetrieben in Bayern sind vier von fünf mittelständische Familienbetriebe, die im Fernsehen kaum vorkommen und in Zeitungen allenfalls, wenn sie in einem Reiseteil selber inserieren. Es kommt noch hinzu, dass Hotels in Großstädten, im ländlichen Raum und in Urlaubsorten komplett andere Bedingungen und auch jeweils andere Konkurrenz haben, mit der sie verglichen werden. Für alle deutschen Hotels gilt jedoch, dass die Konkurrenz in Europa bisher weniger Mehrwertsteuer gezahlt hat. Nimmt man Wettbewerber im Tourismus um Bayern herum, so zahlen deren Hotels seit langem nur Mehrwertsteuersätze zwischen 3 und 10 Prozent. Die Senkung auf 7 Prozent bedeutet somit für die Hotels keinen Vorteil gegenüber allen direkten Nachbarländern, sondern nur späte Angleichung. Seit vielen Jahren wird in Bayern von Wirtschafspolitikern wie Tourismusverbänden gepredigt: Qualität vor Quantität! Und über viele Urlaubshotels wurde mitleidig bis spöttisch, aber nicht unberechtigt kritisiert: „Sie strahlen noch den Charme der Sechziger Jahre aus.“ Zweifellos haben einige Hotels in Zeiten guter Auslastung versäumt, regelmäßig zu renovieren und die Qualität zu verbessern. Wer dem ständigen Verschleiß jedoch allzu lange tatenlos zugesehen hat, bringt in schlechteren Geschäftsjahren das Eigenkapital für notwendige Renovierungen nicht auf und die Bank gibt ihm dann wegen hoher Verschuldung keine neuen Kredite. In Bayern wurden in den siebziger Jahren entlang des Eisernen Vorhangs mit Hilfe von Zonenrand- und Grenzlandförderungen, sowie Sonderabschreibungen große Hotelbauten von Abschreibungs-Gesellschaften gebaut. Für die Überkapazitäten gab es weder Bedarf noch ausreichend Sachkenntnisse in Hotellerie

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und Gastronomie. Sie haben aber zuerst das Preisniveau der kleinen einheimischen Beherbergungsbetriebe gedrückt, danach mangels Gewinn die Appartements in Eigentumswohnungen umgewidmet. Die meisten dieser Hotels sind steuerlich abgeschrieben und die Gesellschafter der GmbH & Co KGs haben kaum Interesse, nach 40 Jahren nochmals Millionen in die Renovierung abgewohnter „Betonbunker“ zu investieren. Aus so unterschiedlichen Motiven hat sich in Bayern seit Jahrzehnten ein Investitionsstau im Hotelgewerbe gebildet, den viele Hoteliers erstmals in diesem Jahr mit dem Gewinn aus der niedrigen Mehrwertsteuer beenden konnten. Bei großen Hotelketten oder Fünf- Sterne-Hotels in Großstädten und an privilegierten Nobel-Urlaubs- orten macht das „Steuergeschenk“ vielleicht nur den Unterschied aus, dass die ohnehin geplanten Investitionen jetzt größer ausfallen und schneller umgesetzt werden. Aber bei der Masse mittelständischer Hotels in Bayern sieht es nach einer Umfrage des Hotel- und Gaststättenverbandes unter Mitgliedern so aus: 46,4 Prozent der freigewordenen Mehrwertsteuermittel sind in Investitionen geflossen, 22,1 Prozent in Löhne und Qualifizierung des Personals, 21,1 Prozent in Preissenkungen und 10,4 Prozent in Betriebsrücklagen und Gewinn. Das bedeutet, dass sich die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotels vorwiegend zugunsten einer längst notwendigen Qualitätsverbesserung an Gebäuden, Ausstattung und Personal niedergeschlagen hat. So wurde mit den 7 Prozent ein gewaltiger Investitionsschub ausgelöst worden, der sich auch in den nächsten Jahren als Konjunkturprogramm auswirkt. Als erste haben ja solche Hoteliers investiert, die schon seit längerem Pläne für Um- und Anbauten oder Modernisierung in der Schublade, aber nicht das Geld dafür hatten und meist auch wegen der mageren Gewinne keinen Kredit dafür bekamen. Als nächstes kommen Hoteliers, die zunächst an die umstrittene Steuersenkung nicht auf Dauer geglaubt haben und sich jetzt erst trauen, Investitionspläne für die nächsten Jahre zu schmieden. Die heimischen Handwerks- und Baufirmen profitieren als erste von Aufträgen der Hotels. Neue Heizungs- oder Sanitäranlagen, Aufzüge, Küchen- oder Wellness-Einrichtungen, Teppiche, Schränke, Bäder und Betten kommen meist von Firmen in der Region und deren Steuern bleiben im Lande. Die Konkurrenzfähigkeit deutscher Hotels ist vor allem im Tourismus doppelt verbessert: sie können mit den günstigeren Preisen mithalten und jetzt mit besserer Qualität, modernerer Einrichtung und mehr ausgebildetem Personal aufwarten. Ein bayerischer Hotelier brachte den Wettbewerb im Tourismus auf die einfache, aber treffende Formel: „Wir können nicht ins Ausland abwandern, aber unsere Gäste!“ n

Hannes Burger, 1937 in München-Schwabing geboren, war Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung und Bayern-Korrespondent der WELT. 22 Jahre lang schrieb er die Salvator­reden für den Stark­bier­anstich auf dem Nockherberg. Heute lebt er im Bayerischen Wald und trägt den Ehrentitel „Botschafter Niederbayerns“.

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FÜR SIE GELESEN

Nouriel Roubini und Stephen Mihm

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Campus Verlag 470 Seiten, 24,95 Euro Der deutsche Titel zeichnet ein falsches Bild. Als „Crisis Economics“, so heißt das Buch wirklich, beschreibt es die Erfahrung der Menschheit mit wirtschaftlichen Krisen und unsere Lehren für die Zukunft. Roubini trägt den Spitznamen „Dr. Doom“; er hat sehr frühzeitig auf die kommende große Finanzkrise hingewiesen. Finanzbeben wie die Weltwirtschaftskrise sind keine „schwarzen Schwäne“ – also extrem unwahrscheinliche Ereignisse – sondern vollkommen normale, sich ständig wiederholende Korrekturprozesse. Die Autoren stellen das Programm solcher Krisen dar und geben Empfehlungen für die Zukunft. Die Aktienkurse rauschten in den Keller; Kredite wurden gekündigt; Betrüger flogen auf, die Welt war nicht nur in Amerika mitten in der Krise. Das war der Zustand 1929. Die Krise 2007 ist keine neue Erfahrung. Zentrum jeder Krise ist normalerweise eine Spekulationsblase. 2007 waren es die Immobilien. Die Nachfrage wurde angeheizt, die Angebote waren knapp, das führte zu dem Hebeleffekt: Immobilien, ihr zukünftiger Wertzuwachs, diente als Sicherheit, um neues Geld aufzunehmen. Wenn dann aber Angebot und Nachfrage sich die Waage halten, kommt die große Ernüchterung. Der Kredithahn wird zugedreht. Die Preise fallen. Die Blase platzt. Krisen-Zeiten wurden häufig durch Innovationen geschürt. Im 19. Jahrhundert war es die Eisenbahn, zum Ende des 20. Jahrhunderts das Internet. Nachdem der jeweilige Hype abgeklungen war, blieb etwas über: Ein fortschrittliches Verkehrsmittel, eine revolutionäre Compute-

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rinfrastruktur. Bei der Immobilienkrise gab es keine Innovation. Jedenfalls nicht bei der Immobilie, allerdings sehr wohl bei den Finanzierungsinstrumenten. Die Banken finanzierten nun nicht mehr das Grundstück, das noch real vorhanden war. Nein, aus diese Forderungen wurden ihrerseits Finanzierungsinstrumente und an Versicherungen, Pensionsfonds oder Anleger verkauft. Mit diesem neues Geld und vergaben die Banken neue Immobilienkredite, die sie wieder verkauften. Doch Schrott blieb Schrott auch nach dem Verkauf. Als dann doch einer mal genau nachschaute und die Immobilien bewertete, war die Krise da. Wenn Staaten jetzt nach der Krise versuchen, ihre Defizite durch die Druckerpresse schrumpfen zu lassen, besteht Inflationsgefahr. Um die Wirtschafts-Welt aus der Gefahr zu bringen, schlagen die Autoren Folgendes vor: Die Vergütung von Managern und Bankern muss reformiert werden. Die gegenwärtige Risikokultur verleitet die Banker dazu, hohe Risiken einzugehen, da keine Bestrafung droht. Die Verbriefung von Wertpapieren muss sicherer werden. Wer in dem Finanzierungskreislauf tätig ist, muss einen Teil der Risiken selber behalten, die Banken müssen also Teile ihrer Immobilienkredite behalten. RatingAgenturen sollen lediglich die Schuldtitel bewerten, sonst gar nichts. Also keine Beratungsleistungen, die Rating-Agenturen in einen unauflöslichen Interessenskonflikt führen. Die Bankenaufsicht muss zentralisiert werden. Finanzkonzerne, die groß sind, um Bankrott zu gehen, müssen verkleinert werden. Die Autoren nennen insbesondere Goldman Sachs, Bank of America, UBS, Wells Fargo, ING, Royal Bank of Scotland, Dexia, JP Morgan. Und letztlich: Die Zentralbanken müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden. In der jüngsten Krise haben sie die Spekulationsblase noch angeheizt, statt ihr frühzeitig den Geldhahn abzudrehen. Sie müssen viel offensiver agieren und die zur Verfügung stehenden Instrumente auch wirklich ausnutzen. Die Autoren rufen sehr nachdrücklich in Erinnerung, dass wir wohl noch immer zu wenig aus den vergangenen Krisen gelernt haben. Das Weltgedächtnis ist und bleibt kurz. Doch sie hoffen, dass die vorgeschlagenen Mittel künftige Krisen zumindest deutlich abmildern. Das Buch ist verständlich, informationssicher und gibt einen hervorragenden Überblick. WB.

Olaf B. Rader

Friedrich II. Der Sizilianer auf dem Kaiserthron C.H. Beck Verlag 592 Seiten, 29,95 Euro Schon die Geburt Friedrichs II. ist von Legenden umwoben: Seine Mutter Konstanze, 40 Jahre alt und bis dahin kinderlos, soll ihn in Anwesenheit von Kardinälen und Bischöfen auf dem Marktplatz zu Jesi zur Welt gebracht haben  – um Gerüchten über seine Abstammung vorzubeugen. Dieses so wundersam in die Welt geworfene Kind, der „Knabe aus Apulien“, sollte hinfort die Phantasie der Menschen beherrschen: als Stupor Mundi, das „Staunen der Welt“. Nach seinem Tod kursierten uralte Weissagungen. „Er lebt und lebt nicht“, hieß es. Der Spruch erfüllte sich. Der tote Friedrich II. lebte weiter in der Erinnerung, das Bild verzerrt vom Streit der Parteien. Die Nazis beanspruchten ihn als Wegbereiter ihres „Dritten Reiches“, ein britischer Historiker wiederum denunzierte ihn „als Hitler des 13. Jahrhunderts“. IslamVersteher, Multi-Kulti-Monarch, ein Vordenker eines vereinigten Italien, Gelehrter, Glanz und Höhepunkt deutscher Kaiserherrlichkeit, Heil der Welt, Endzeit-Herrscher und Satans Statthalter: Das alles soll er gewesen sein. Den verwegenen Versuch, unter all den Bildern und Überwucherungen den Politiker und Mensch Friedrich herauszuarbeiten, hat Olaf B. Rader pünktlich zur Mannheimer Ausstellung „Die Staufer und Italien“ (bis 20. Februar) unternommen. Ein geglücktes Wagnis: In einer frischen, klaren Sprache erzählt Rader das Leben und Wirken Friedrich in verschiedenen Facetten. „Der Gesetzgeber“, „Der Tyrann“, „Der Kreuzpilger“ und „Der Antichrist“ sind einige der Kapitel überschrieben. Raders vielfacher Perspektivwechsel ist Friedrichs komplizierten Wesen, zumal Rader das Wesentliche nie aus den Augen lässt: Worin bestand Friedrichs Wirkung auf die Bayerischer Monatsspiegel 157_2010


FÜR SIE GELESEN allem der Pflege von Klischees. Beide Teile haben sich in wichtigen Fragen wie Parteiensystem, Umweltschutz und auch Religiosität ein gutes Stück angeglichen. „Deutschland“, so sein Fazit, „besteht längst nicht mehr aus zwei in sich geschlossenen Gesellschaften.“ Das Buch, von Wissenschaftlern geschrieben, ist aber für alle, die sich mit der Lage im geeinten Land intensiv befassen, das Standardwerk über zwei Jahrzehnte deutscher Einheitsgeschichte. PS.

Weltgeschichte? In seiner ausgezeichneten Geschichtserzählung lässt Rader das Bild eines „Sizilianers auf dem Kaiserthron“ entstehen, der seine mediterrane Herrschaft mit buchstäblich allen Mitteln zu festigen trachtete. Und in seiner Auseinandersetzung mit dem Papst, aber auch in der Ausbildung einer effizienten Bürokratie manche Grundsteine für die Moderne legte. MW

Manuela Glaab, Werner Weidenfeld, Michael Weigl (Hg.)

Deutsche Kontraste 1990 - 2010 Campus Verlag 701 Seiten, 39,90 Euro

Stephanie zu Guttenberg

Schaut nicht weg! Was wir gegen sexuellen Missbrauch tun müssen Kreuz Verlag 177 Seiten, 16,95 Euro Das Buch soll aufrütteln. Es will unbequem und fordernd sein. Deshalb auch der Titel mit einem mahnenden Ausrufezeichen. Es soll eine Herausforderung sein, wie sie Stephanie zu Guttenberg selbst vor sechs Jahren empfunden hat, nachdem eine Freundin sie gebeten hatte, sich in dem kleinen Verein „Innocence in Danger“ zu engagieren und sie sich mit schier unerträglichen Tiefen menschlicher Lust und Grausamkeit befassen musste: Dem sexuellen Missbrauch von Kindern und dem weltweiten Milliardengeschäft der Kinderpornographie in den neuen Medien. Sie konnte das Gesehene und Gelesene kaum fassen. Doch das Entsetzen hat sie in Energie umgesetzt, Präsidentin der deutschen Sektion von „Innocence in Danger“ (was beschlossen war, ehe ihr Mann Minister und politischer Shooting Star wurde) und will nun den Schock, den sie selbst erschüttert hat, weitergeben, damit künftig mehr hingeschaut wird. Damit die Kinder vor Missbrauch besser geschützt und missbrauchten Kinder schneller geholfen wird. Aufgedeckte Missbrauchsfälle in Internaten hat die Gesellschaft empört, die Autorin zeigt, wie sich diese Empörung zur Prävention fortentwickeln kann. PS. Bayerischer Monatsspiegel 157_2010

Zum zwanzigsten Jahr der Deutschen Einheit haben Rückblicke Konjunktur, Bilanzen werden gewogen, der Prozess der inneren Einheit wird analysiert. Die Zahl der Veröffentlichungen scheint grenzenlos. Darunter viel Meinung und Stimmung, viel Feuilleton und manches Vorteil, das bestätigt werden möchte. Das Buch, das Professor Werner Weidenfeld mit seinem Team vom Münchner Geschwister-SchollInstitut zum Jahrestag vorgelegt hat, ragt daraus schon allein durch seinen Umfang hervor. Und in der Masse steckt eine Qualität, an die kaum eine zweite Publikation zum 20. Einheitsjahr heranreichen dürfte. 22 renommierte Autoren haben sich in dem von der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur geförderten Band an die Herkulesarbeit gemacht, die politische und gesellschaftliche Verfasstheit Deutschlands grundlegend zu analysieren. Wobei sie nicht auf ein Ergebnis unterm Strich hingearbeitet haben, sondern sich in kontrastierenden Begriffspaaren wie „Arm versus reich“, „Frauen versus Männer“ oder „Sozialstaat versus Marktwirtschaft“ eine vielfältige und wissenschaftlich begründete Lagebeschreibung genähert haben. Ausdrücklich wollten sie damit vermeiden, die alten und die neuen Länder in ein SchwarzWeiß-Schema zu pressen. Die deutsche Gesellschaft, resümiert Weidenfeld, steckt zwar voller Kontraste, doch diese konzentrieren sich keineswegs auf den Gegensatz West-Ost. Im Gegenteil: „Die Probleme in den beiden Teilen des Landes unterschieden sich nicht dramatisch.“ Deutschland sei vereinter, als viele wahrhaben wollten, das Gerede über die Mauer der Köpfe diene vor

Martin Mosebach

Was davor geschah Hanser Verlag 332 Seiten, 21,90 Euro Eine Flaumfeder, die der Kakadu aus dem Gefieder geputzt hat, schwebt langsam zu Boden, schaukelt spielerisch in einem Windhauch und sinkt nach unten. Die Szene ist präzise beobachtet und in ihrem gemächlichen Ablauf von fesselnder Spannung, sie ist ein literarisches Meisterstück und zugleich beispielhaft für den gesamten Roman. Martin Mosebach, Büchnerpreis-Träger und eher gelobt als Essayist, erntet dafür Hymnen, von Zauberberg-Atmosphäre ist die Rede, gar vom Gesellschaftsroman des frühen 21. Jahrhunderts wird geschwärmt. Der Roman beginnt mit der simplen und doch so tückischen Frage der Geliebten im Bett: Wie war es denn, „als es mich noch nicht gab“. Der Erzähler, ein junger Bankangestellter, plaudert und verplaudert sich. Bald verschwimmen Vergangenheit und Gegenwart, Wahrheit mischt sich mit Lüge. Eher zufällig eingeladen und vom Rande aus beobachtet der Erzähler einige Paare der besseren Frankfurter Bürgergesellschaft in ihren Vorortvillen, erlebt ihre Seelennöte und ihr Scheitern. Mosebachs Sprache trägt die Figuren federleicht, seine Charakterstudien sind prägnant und böse, ohne zu verletzen. Eine außergewöhnlich Erzählkunst beschert ein ebensolches Lesevergnügen. mpw.

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BAYERN & KULTUR Michael Weiser

Landsknechte der Malerei 700 Jahre Schweizer Kunst in der Münchner Hypo-Kunsthalle

München – Sogar Wilhelm Tell machte den Umweg übers benachbarte Ausland. Denn bevor die Sagengestalt zum Schweizer Nationalhelden wurde, mussten Tells Taten erst einmal von einem gewissen Friedrich Schiller besungen werden. Erst der erfolgreiche Re-Import aus normalen Schweizer große Schweizer, die sich der Achtung auch im eigenen Land erfreuen.

beachtliche Bestände von Werken Paul Klees und vor allem Ferdinand Hodlers hängen. Den beiden sind in der Ausstellung eigene Räume vorbehalten, mit Hodler im Zentrum: Symbolisches, gewaltig in Szene gesetzt, dazu Landschaften in klarem, kalten Licht, nach der Anschauung gemalt und doch der Abstraktion zustrebend.

Der Druck, sich auswärts behaupten zu müssen und die Offenheit gegenüber den Strömungen der Zeit Das gilt auch für Maler, wie wirkten sich insgesamt die aktuelle Ausstellung wohl segensreich auf die in der Hypo-Kunsthalle eidgenössische Kunst aus. mit einer Auswahl des Und zwischen den großen Kunstmuseums Bern zeigt. Namen entdeckt man Es wird deutlich, wie viele „vieles ebenfalls Bedeutengroße Künstler das kleine des und Werke von hoher Land hervorbrachte –und Qualität“, sagt Frehner. wie schwer es sich mit Wie zum Beispiel von ihnen tat. Wer sich ausbilKarl Stauffer-Bern, der in den lassen wollte, musste München mit einem großen dies in Paris, Mailand oder Franz Niklaus König, Ansicht des Wetterhorns von Rosenlaui, Gemälde, Ölportraits und eben München tun. An der Öl/ Leinwand, 90 x 76 cm, Kunstmuseum Bern eindrucksvollen RadierunIsar studierten denn auch Größen wie Paul Klee, Cuno Amiet oder Giovanni Giacometti. Bis gen vertreten ist, unter anderem mit einem Portrait seines großen Vorbilds Adolph Menzel. ins 20. Jahrhundert hinein richtete die Schweiz keine Akademien ein. „Die Schweiz ist ein klassisches Reisläuferland“, sagte Man eilt durch die Epochen und fühlt sich dank des bunten Kunstmuseumsdirektor Matthias Frehner in Anspielung an die Reichtums bestens unterhalten. Eines aber kann die Ausstellung Schweizer Landsknechts-Exporte, „auch für Künstler“. nicht vermitteln: den roten Faden, der durchs Labyrinth der Schweizer Kunstgeschichte führte, „die Swissness“, wie Frehner Erst der im Ausland geadelte Künstler durfte auf Anerkennung ironisch anmerkte. Natürlich kann man das Schweizer Wesen in hoffen. Die erfuhr er dann aber, spät zwar oder gar posthum, den Bergen suchen, die sich in der Hypo-Kunsthalle in so reichüberreichlich. Schweizer Museen, aus Kunst- und Kuriositätenlicher Zahl abgebildet finden. Oder in Albert Ankers perfekten kabinetten entwachsen, kauften bevorzugt Bilder einheimischer Musensöhne auf und zurück. So ist es kein Wunder, dass in Bern Genre­bildern, so sauber und unschuldig, dass sie auch in hart­- R

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Oben: Sophie Tテ、uber-Arp. Komposition mit Kreisen und Rechtecken, 1930, テ僕 auf Leinwand, 61 x 50 cm, Kunstmuseum Bern Rechts mitte: Alberto Giacometti, Frau aus Venedig I, 1956, Bronze, 106 x 13,5 x 29 cm, Kunstmuseum Bern, Foto: Peter Lauri Photographie, CH-Bern Unten: Ferdinand Hodler, Der Tag, 1899, テ僕 auf Leinwand, 160 x 352 cm, Kunstmuseum Bern, Staat Bern

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Oben: Ferdinand Hodler, Der Holzfäller, 1910, Öl/ Leinwand, 262 x 212 cm, Kunstmuseum Bern Links: Paul Klee, Krähenlandschaft, 1925, Öl­farbe und Aquarell auf Nesseltuch auf Sperr­holz, 43,5 x 44,2 cm, Kunstmuseum Bern, Stiftung Othmar Huber, Bern Unten: Albert Anker, Mädchen mit Brot, 1887, Öl auf Leinwand, 70 x 43,9 cm, Kunstmuseum Bern

gesottenen Städtern eine zarte Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und ländlicher Idylle wecken. Und wahrscheinlich ist bezeichnend für einen Finanzstandort, dass Ferdinand Hodlers monumentaler „Holzfäller“ aus dem Jahre 1910 ausgerechnet als Entwurf für eine 50-Franken-Banknote entstand. Jean Tinguelys Skulpturen wiederum wirken so feinmechanisch ausgetüftelt, dass sie zu einem Volk von Uhrmachern passten. Doch sie sind vollkommen sinnfrei und dermaßen verspielt, dass man sie nicht recht mit einer biederen, pragmatischen Schweiz in Verbindung bringen mag. Die Schweiz ist mehr als die Summe ihrer Klischees. Und so gilt es, sich in der Hypo-Kunsthalle auf Überraschungen gefasst zu machen. Die Giacometti-Familie hat, so stellt man wieder einmal beglückt fest, nicht nur Alberto hervorgebracht. Der Auktionsrekordhalter ist mit der ätherischen Plastik einer „Frau aus Venedig“ vertreten. Doch nicht minder eindrucksvoll sind die duftigen, bunten Werke seines Vaters Giovanni und die expressiv anmutende Malerei von dessen Freund Cuno Amiet. Bis in Moderne und Gegenwart galoppiert die Ausstellung, mit den Wahl-Davosern Ernst-Ludwig Kirchner (aus Aschaffenburg) und Hermann Scherer (Baden-Württemberg), mit dem hinterkünftigen Félix Valloton, mit Louis-René Moilliet und Bauhaus-Lehrer Johannes Itten, mit Pipilotta Rist und Daniel Spoerri und vielen, vielen anderen. Klischeeversessene werden bis zum Ende Überraschungen erleben – Abgründe und Gipfel gibt es in der Schweiz nicht nur in den Alpen. n Giacometti, Hodler, Klee. Höhepunkte der Schweiz aus sieben Jahrhunderten. Bis 9. Januar täglich von 10 bis 20 Uhr in der Hypo-Kunsthalle, Katalog 25 Euro

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Das SALUS Haus im oberbayerischen Brückmühl

Seit mehr als 90 Jahren Als einer von wenigen Naturarzneimittelherstellern in Europa deckt Salus den Großteil des Herstellungsprozesses selbst ab – von der Saat, über die Ernte bis hin zur Verarbeitung und Abfüllung. Dabei unterzieht sich Salus den höchsten pharmazeutischen Arzneimittel-Qualitätsstandards und den Bio-Qualitätsstandards für Lebensmittel. Die Rohstoffe werden größtenteils aus kontrolliert ökologischem Anbau bezogen. Auf Konservierungsstoffe, künstliche oder naturidentische Aromen wird gänzlich verzichtet. Seit 1991 kultiviert Salus auch Heilpflanzen in Chile, denn dort sind Wasser und Luft noch frei von Schadstoffen und der Boden unberührt von künstlichen Düngern, Pflanzenschutz- oder Unkrautbekämpfungsmitteln. Zu den bekanntesten Produkten der Salus-Gruppe gehören das Eisentonikum Kräuterblut®-Floradix®, der Markenklassiker Olbas® Tropfen sowie die Frischpflanzen-Presssäfte von Schoenenberger. Sitz des Unternehmens ist seit 1968 das oberbayerische Bruckmühl bei Rosenheim.

Die Salus-Gruppe besteht aus den drei Einzelfirmen Salus, Schoenenberger und Duopharm. Alle drei Firmen verfügen über jahrzehntelange Erfahrung in der Heilmittelbranche und fühlen sich schon seit ihrer Gründung der Natur verbunden und der Gesundheit verpflichtet. Das wollen wir auch mit unserem gemeinsamen Motto „Der Natur verbunden. Der Gesundheit verpflichtet.“ zum Ausdruck bringen.

Schoenenberger Die Tradition von Schoenenberger ist beinahe genauso lang wie die von Salus. Das Unternehmen wurde im Jahr 1927 von dem Apotheker und Naturforscher Walther Schoenenberger in Magstadt bei Stuttgart gegründet und produziert seit nunmehr über achtzig Jahren frisch gepresste Heilpflanzensäfte in erstklassiger Qualität. Im Laufe der Jahre kamen zu den Säften weitere Produkte aus den Bereichen Arznei- und Lebensmittel sowie Kosmetika hinzu. Schoenenberger gehört seit 1991 zur Salus-Gruppe und beschäftigt ca. 75 Mitarbeiter. Duopharm Duopharm ist zwar deutlich jünger als Salus und Schoenenberger, vertreibt aber auch schon seit mehr als 30 Jahren, nämlich genau seit 1978, Naturarzneimittel im Apothekenmarkt, vom Sitz Bruckmühl aus. Und kann zudem auf die gesammelte Erfahrung von Salus und Schoenenberger zurückgreifen. Die hohe Qualität der Produkte beruht auf dem stetig steigenden ökologischen Anbau von Heilpflanzen, der konsequenten Qualitätskontrolle und der engen Zusammenarbeit mit Ärzten und Wissenschaftlern. Die von Duopharm angebotenen Präparate sind in den unterschiedlichsten Darreichungsformen, wie z. B. Tees, Tonika, Tropfen, Pflanzensäfte, Dragees oder Kapseln, erhältlich. Sie können ausschließlich in Apotheken erworben werden. Eine kleine Auswahl der Salus-Qualitätsprodukte

SALUS Haus Das SALUS Haus blickt auf eine beeindruckende Firmengeschichte zurück. Bereits im Jahr 1916 wurde das Unternehmen, damals noch unter dem Namen Salus-Werk, von Dr. med. Otto Greither in München gegründet. Seit 1945 wird es erfolgreich vom Sohn des Firmengründers, Otto Greither, geleitet. Der Unternehmenssitz befindet sich seit 1968 in Bruckmühl. Dort produzieren und vertreiben heute rund 260 engagierte Mitarbeiter Naturarzneimittel und diätetische Lebensmittel, die in über 50 Länder der Welt exportiert werden.

SALUS Haus GmbH & Co. KG · 83052 Bruckmühl · www.salus.de


LEBEN & GENIESSEN Interview mit Herbert Frauenberger

Wie das Schwein zum Kalb wurde

Stöbert auch 20 Jahre nach der Wende schon mal in alten DDR-Rezepten: Der Thüringer Privatkoch Herbert Frauenberger tischt aber auch zarte Krokodilsteaks auf.

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© Sabrina Nürnberger, www.mediadee.de

Weil in der DDR das Angebot eingeschränkt war, mussten die Köche besonders kreativ sein


LEBEN & GENIESSEN

Bayerischer Monatsspiegel: Hat ein Koch im Rückblick Grund zu DDR-Nostalgie? Herbert Frauenberger: Ich sehne mir die alte DDR-Zeit nicht zurück und habe keinen Grund zur Nostalgie. Aber ein Koch bereitet das zu, was seine Gäste mögen. Kürzlich hat mich eine Gastronomin in Gera gefragt, wie sie ihr Angebot für die Gäste wieder attraktiver machen könnte. Da kam die Idee, mal in alten DDR-Rezepten zu stöbern. Das kann recht reizvoll sein: zum einen erinnern sich viele an diese Speisen, zum anderen kann man auch die damals recht einfachen Gerichte mit den frischen Produkten von heute schmackhafter und bekömmlicher kochen. Aber an eines erinnere ich mich manchmal mit Schmunzeln, denn wegen des sehr eingeschränkten Angebotes mussten wir überdurchschnittlich kreativ sein. Das brachte auch so manche Stilblüte hervor wie zum Beispiel Würzfleisch von Huhn und Schwein als Ersatz für Ragout fin, das bekanntlich nur vom Kalb hergestellt wird. Kalbfleisch war aber praktisch kaum zu beschaffen. BMS: Mangelwirtschaft weckt Kreativität? Frauenberger: Auf jeden Fall. Ich war fast 20 Jahre in der Gastronomie der Interhotels, wir hatten viel internationales Publikum und mussten uns schon einiges einfallen lassen, um besser zu sein als der Durchschnitt. BMS: Die Soljanka hat ja überlebt, auch wenn sie im Westen kaum einer kennt. Frauenberger: Wenn sie gut gekocht wird, ist sie eine tolle Suppe. In der DDR wurde sie aber vor allen in Restaurants, die an Hotels angeschlossen waren, oft als Resteverwertung miss-

Er kochte für das japanische Kaiserpaar ebenso wie für Karl Lagerfeld. braucht. Die gebogenen Wurstscheiben vom Frühstücksbuffet wurden in Streifen geschnitten und hineingekocht.

BMS: Sie war Bestandteil fast jeder DDR-Speisekarte. Wie beschreiben Sie die Suppe einem Gast aus dem Westen, der sie nicht kennt? Frauenberger: Sie kommt aus der osteuropäischen Küche, heißt eigentlich ukrainische Fleischsoljanka und ist eine säuerlicharomatische Suppe aus Bratenresten, Zwiebeln, Tomatenmark, Kapern und sauren Gurken. Obenauf kommt ein Klecks saure Sahne und eine gehäutete Zitronenscheibe. Es kursieren aber auch noch allerlei Rezept-Ableitungen. Eine gute Soljanka kann den Appetit anregen und den Gaumen öffnen für weitere Genüsse. Aber ehrlich: Seit der Wende habe ich sie nicht mehr gekocht.

Bayerischer Monatsspiegel 157_2010

BMS: Sie haben gleich nach der Wende im „Weißen Schwan“ in Weimar prominente Gäste mit Ihrer Küche begeistert. Brauchten Sie keinen Anlauf in die neue Zeit? Frauenberger: Ich brauchte wenig Anlauf, denn ich hatte das Glück, dass ich einige Jahre auf dem DDR-Schiff „MS Arkona“, das für den Feriendienst der DDR-Gewerkschaft FDGB fuhr und später sogar verchartert wurde, als Koch arbeiten konnte. Natürlich kauften wir in den fernen Ländern auch frische Produkte dazu, die wir in der DDR nicht bekamen. So musste ich mich ab 1990 vor allem daran gewöhnen, dass es diese Produkte nach der Wiedervereinigung auch auf unseren Märkten gab. Aber das war eine Freude und kein Problem.

© Katrin Blaurock, www.foto-blaurock.de

Sättigungsbeilage wurde genannt, was in der DDR neben Fleisch oder Fisch auf den Teller kam. Frische Produkte waren kaum im Angebot. Die Küche war triste wie vieles andere in dem kommunistischen Teil Deutschlands. Wie haben sich 20 Jahre Einheit auf die Küche in den neuen Ländern ausgewirkt? Peter Schmalz sprach darüber mit dem Thüringer Privatkoch Herbert Frauenberger, bekannt als MDR-Fern­seh­koch und frühere Chef im „Weißen Schwan“ neben Goethes Wohnhaus in Weimar.

Zeigen, wie’s geht: Herbert Frauenberger (links) erklärt in seiner Kochschule die Zubereitung eines herbstlichen Menüs.

BMS: Sie haben in Weimar viele Prominente bewirtet. Gab es dabei auch mal die berühmte Schrecksekunde? Frauenberger: Wenn man das japanische Kaiserpaar, die dänische Königin Margarethe oder Karl Lagerfeld zu Gast hat, spürt man immer ein angespanntes Gefühl in der Magengegend. Aber Gottseidank ist mir eine richtige Schrecksekunde erspart geblieben. BMS: Dafür aber mussten Sie zusehen, wie der französische Präsident auf dem Marktplatz von Weimar in eine Thüringer Bratwurst biss, aber für das feine Dinner, das Sie für ihn und seine Delegation zubereitet hatten, keine Zeit mehr hatte. Frauenberger: Das ist natürlich im Moment enttäuschend, vor allem für die gesamte Mannschaft, die sich mit vollem Eifer an die Arbeit gemacht hatte. Aber bei so hohen Gästen aus der Politik muss man immer damit rechnen, dass sich die Termine schnell mal verändern können. BMS: Wie hat sich der Geschmack in den vergangenen 20 Jahren verändert? Frauenberger: In den neuen Ländern vor allem dadurch, dass die Menschen gelernt haben, auf Qualität zu achten. Wer früher beim Einkaufen Schlange stehen musste, hat genommen, was dann einfach noch im Angebot war. Und er war schon froh, wenn er Konserven ergattert hat. Spargel zum Beispiel kannte ein DDR-Bürger hauptsächlich aus der Dose. Heute wird der Beelitzer oder auch der Thüringer Spargel möglichst stechfrisch

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© Katrin Blaurock, www.foto-blaurock.de

LEBEN & GENIESSEN

gekauft. Früher wusste man oft auch nicht, woran man war: Mal waren Eier gesund, wenn es genug gab, dann waren sie wieder ungesund, weil zu wenige angeboten werden konnten. Aber nicht alles ist besser geworden. So gibt es heute leider immer mehr junge Leute, die süß, sauer oder bestimmte Gewürze nicht mehr richtig unterscheiden können. Hier hat Fast Food, das wir in der DDR nicht kannten, böse Spuren hinterlassen.

BMS: Und wie haben sich die Gäste verändert? Frauenberger: Es ist heute ungleich schwerer geworden, in der Gastronomie erfolgreich zu sein, weil weniger Geld für qualitativ hochwertige Speisen ausgegeben wird. Das war Anfang der 90er Jahre noch ganz anders, nicht zuletzt auch deswegen, weil viele Leute aus den alten Bundesländern kamen und sich in den ihnen unbekannten Teilen Deutschlands umsehen wollten. Wenn ich damals im „Weißen Schwan“ um elf Uhr morgens die Türe aufgesperrt habe, wartenden manchmal schon fünf, sechs Gäste davor. Man ist sparsamer geworden, aber das ist deutschlandweit insbesondere auch bei den Ausflugsgaststätten spürbar. BMS: Sie kochen auch als Privatkoch bei Familienfesten oder Firmenjubiläen. Haben Sie eine Hitliste der gewünschten Gerichte? Frauenberger: Wer sich einen Privatkoch ins Haus holt, der wünscht etwas Besonderes. Das ist eine schöne Herausforderung für mich. Ich wollte auch zu DDR-Zeiten nie ein Gulasch- oder Schnitzelkoch werden. Kürzlich hatte ich Gäste, die wollten unbedingt Krokodilfleisch probieren. BMS: Oh weh. Frauenberger: Das war nicht so schlimm. Ich habe in Australien kochbegeisterte Freunde, die mich dort auch mit Köchen bekannt gemacht haben. Da habe ich einiges gelernt. Und so gab es in Thüringen eben zarte Krokodilsteaks. BMS: Sie empfangen morgen sechs Gäste in Ihrer Kochschule. Was kommt auf den Tisch? Frauenberger: Es wird ein herbstliches Menü, das mit einer Süßkartoffel-Zucchini-Suppe beginnt, die mit Kokosmilch zubereitet wird. Das Rezept habe ich aus Australien mitgebracht.

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Auch in der Küche hat sich nach 20 Jahren Einheit viel verändert: „Die Menschen in den neuen Ländern haben gelernt, auf Qualität zu achten.“

Danach gibt es einen Barramundifilet, einen Fisch aus der Welsfamilie, auf Zitronengras zubereitet und überbacken mit einem Apfel-Mango-Chutney. Dazu wird ein Räucherreis serviert. Anschließend kommen Wildmedaillons in Frühstücksspeck gebraten mit einer herbstlichen Pilzauswahl. Zum Abschluss gibt es eine mit Baiser überbackene Grapefruit.

BMS: Warum schwärmen alle von der Thüringer Bratwurst? Frauenberger: Weil sie köstlich schmeckt. Ich bin erst dieser Tage mit meinen australischen Freunden zum Inselsberg am Rennsteig gefahren. Dort ist ein Bratwurststand, wo man die Wurst in ein angewärmtes Brötchen gelegt bekommt. Wenn Sie dann im kühlen Herbstwind stehen, die herrliche Landschaft betrachten und in die heiße Bratwurst mit etwas köstlichem Thüringer Senf beißen, dann sind Sie mit Gott und der Welt im Reinen. BMS: Was unterscheidet einen Thüringer Kloß von einem bayerischen Knödel? Frauenberger: Eine schwere Frage, denn selbst in Thüringen gibt es einen heftigen Streit darum, was der echte Thüringer Kloß ist. Wie soll ich den Thüringer Kloß dann auch noch mit dem bayerischen Knödel vergleichen. Aber sicher ist: Ein Thüringer Kloß besteht aus zwei Drittel rohen und einem Drittel gekochten Kartoffeln. Und in die Mitte hinein die knusprigen Croutons. Gewürzt wird nur mit Salz und obenauf wird auch keine gehackte Petersilie gestreut. Ich ärgere mich immer, wenn ich an der Straße ein Schild „Original Thüringer Klöße“ sehe und drinnen gibt es Tütenklöße. Das ist mir schon mehrfach widerfahren. BMS: Ist Ihr Lieblingsgericht heute noch das gleiche wie vor 20 Jahren? Frauenberger: Oh ja. Ich esse sehr gerne Eintöpfe und Sülzen. In der Nähe ist in einem kleinen Ort ein Gasthaus „Zur Linde“. Wenn ich da reinkomme, weiß der Wirt schon, was ich möchte: Eine wirklich hausgemachte Sülze mit Remouladensoße und knusprigen Bratkartoffeln. Ein Genuss! n

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Veranstaltungen des Peutinger-Collegiums

Oben: Auditorium mit Dr. Thomas Enders. Links: Hanns J. Huber, Honorarkonsul, Berat. Architekt BDA, Architekturbüro Huber + Partner; Hans Freundl, Bank­ direktor a. D., Dresdner Bank. Mitte li.: Dr. jur. Peter J. R. Koppe, Rechtsanwalt, Kanzlei Dr. Koppe & Kollegen Rechtsanwälte; Frau Eleonore Bölkow; Die Teilnehmer haben sich über den Besuch der Witwe von Dipl.-Ing. Dr. E. h. mult. Ludwig Bölkow, einem der Väter der Luftfahrtindustrie, besonders gefreut. Unten li.: Dr. Helmut Liedermann, Bot­ schafter a. D., Prokurator und Mitglied des Großen Rates des Peutinger-Collegiums; Reinhard Dippold, ARNDT Sicherheit u. Service GmbH & Co. KG; Wilfried Hauffen, ARNDT Sicherheit u. Service GmbH & Co. KG.

Oben v. l.: Ludwig Schulz, Politologe M.A., Wissenschaftlicher Referent, Deutsche Orient-Stiftung/Deutsches Orient-Institut; Sebastian Moss, EICON GmbH; Dipl.-Bw. (FH) Arne Schönbohm, Vorstand BSS BuCET Shared Services AG.

Unten r.: Prof. Dr. Franz Josef Gießibl, Universität Regensburg Naturwissenschaftliche Fakultät II-Physik, Prokurator und Mitglied des Großen Rates des PeutingerCollegiums; Prof. Dr. Anton Kathrein, Geschäftsführer / Persönlich haftender Gesellschafter Kathrein-Werke KG.

Unten v. li.: Dr.-Ing. Axel Stepken, Vorsitzender des Vorstandes, TÜV SÜD AG; Prof. Dr. Anton Kathrein, Geschäftsführer Kathrein Werke KG; Prof. Dr. Walter Beck, Präsident des Peutinger-Collegiums; Frau Eleonore Bölkow; Dr. Thomas Enders; Dr. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Geschäftsführung Flughafen München GmbH; Dr. Reinhold Bocklet, MdL, I. Vizepräsident des Bayerischen Landtags; Dietmar Schrick, Hauptgeschäftsführer / Mitglied des Präsidiums Bundesverband der Deutschen Luftund Raumfahrtindustrie e.V.

Oben: Dr. Thomas Enders, Präsident, Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI).

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Foto: Justa, München

Unten: Dipl.-Ing. Horst Prem, Vice President Corporate Technology a. D., Daimler Benz Aerospace AG; Dr. Arnulf Brandstetter, Vorstandsvorsitzender a. D., Prokurator und Mitglied des Großen Rates des Peutinger-Collegiums; Frau Masako Stroke.

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Veranstaltungen des Peutinger-Collegiums Links: Prof. Dr. Harald Lesch, Lehrstuhl für Astrophysik, Lehrtätigkeit Philosophische Hochschule München. Unten: Maximilian Ring, Rechtsanwalt und Steuerberater, Geschäftsführer E.K.W. Hauptverwaltung GmbH; Hans-Jürgen Haas-Wittmüß.

Rechts: Bernd Höfling, Notar; Dr. rer. nat. Eberhard Beck, Unternehmensberater / Dipl.-Physiker, BCM Beck Consulting München; Dr. Paul Melot de Beauregard, Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht, McDermott, Will&Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP.

Oben: Dr. Marcus D. Ernst M.A., Rechtsanwalt und Historiker, Kanzlei Dr. Ernst, Co-Präsident des Peutinger-Collegiums; Prof. Dr. Harald Lesch; Prof. Dr. Walter Beck, Präsident des PeutingerCollegiums. Links: Links: Dr. M. Vorderwühlbecke; Dr.phil. Dr.jur.utr. Peter Löw, Vorstand und Hauptaktionär DAPD Media Holding, Palais Sonnenhof.

Unten: Dipl.-Ing. Alexander Beck, Patentantwalt, Patent-und Rechtsanwälte Hansmann + Vogeser Dr. Emil Beck, Notar a. D.

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Unten: Edith Laga, Pressereferentin Unternehmerinnen-Forum e.V.; Christa Wittmann, Präsidentin Unternehmerinnen-Forum e.V.: Johannes Paintl, Vorstandsvorsitzender Josef Stanglmeier Stiftung; Angelika Mack, Präsidentin Landesarbeitsgericht München; Brigitta Winkelmann, Vizepräsidentin Unternehmerinnen-Forum e.V.; Angelika Patzelt, Mitgliederbetreuung Unternehmerinnen-Forum e.V.

Foto: Justa, München

Oben: Dr. med. Hans-Bernd Schmitt, Facharzt für Frauenheilkunde und Naturheilverfahren; Matthias Blazek, Dipl.-Physiker; Angelika Eibach, Dipl.-Volkswirtin.


VORSCHAU

Veranstaltungen des Peutinger-Collegiums Die Grundhaltung des Collegiums: „Gelebte Freiheit in sozialer Verantwortung“.

Montag, 29. November 2010 Dr. Ludwig Spaenle, MdL, Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus

Montag, 19. September 2011 Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung

Dienstag, 22. Februar 2011 Kardinal Dr. Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising

Donnerstag, 20. Oktober 2011 Peter Meyer, Präsident des ADAC

Donnerstag, 03. März 2011 Viviane Reding, EU Kommissarin für Justiz, Stellvertretende Präsidentin der EU-Komission

Montag, 21. November 2011 Prof. Dr. Manfred Milinski, Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie

Sonntag, 17. April 2011 Christian Thielemann, Generalmusikdirektor München

Impressum Montag, 16. Mai 2011 „Made in Germany im 21. Jahrhundert“, ein Symposium in Zusammenarbeit mit der TÜV SÜD AG und dem Wirtschaftsbeirat

Redaktion Peter Schmalz (Chefredakteur) Thomas Breitenfellner Julius Beck Hagnweg 13 · D-83703 Gmund redaktion@bayerischer-monatsspiegel.de Leserbriefe an die Redaktion oder an leserbriefe@bayerischer-monatsspiegel.de Verlag & Anzeigen Bayerischer Monatsspiegel Verlagsgesellschaft mbH Hagnweg 13 · D-83703 Gmund Tel: +49 8022 96 56-25 · Fax: +49 8022 96 56-28 www.bayerischer-monatsspiegel.de

Dienstag, 28. Juni 2011 Klaus Josef Lutz, Vorstandsvorsitzender der BayWa AG

Herausgeber Prof. Dr. Walter Beck, Peutinger-Collegium Gestaltung, Realisierung & Anzeigen NBB Kommunikation GmbH · Ridlerstraße 33 80339 München · www.nbbgmbh.de

Montag, 18. Juli 2011 Dr. Theodor Weimer, Vorstandsvorsitzender HypoVereinsbank

Druck Messedruck Leipzig GmbH · Ostwaldstraße 4 04329 Leipzig · www.messedruck.de

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