a llererste trägt wie zur Warnung die Überschrift „Désordre“, und der Eindruck von Chaos entsteht, indem die rechte Hand nach ein paar Takten nicht mehr weiß, was die linke tut. Die Akzente klappern und stolpern hinterdrein, der motorische Gleichlauf gerät zum Systemfehler, zumal die eine Hand ausschließlich auf den weißen, die andere auf den schwarzen spielt: Diatonische Skala und pentatonischer Modus behaupten ihr Eigenleben, die buchstäblich konkurrierenden Ordnungen sorgen für die größtmögliche Unordnung. Ligeti gibt in dieser wie in anderen seiner Etüden obendrein dem Reiz nach, der elementaren, beinah kindlich ursprünglichen Neugierde, die Klaviatur bis zum Extrem auszuprobieren: klirrende, klingelnde Höhe, krachende, knarzende Tiefe. In der dritten Etüde („Touches bloquées“) erlaubt sich Ligeti den hintersinnigen Spaß, einzelne Tasten zu „blockieren“, stumm niedergedrückt zu halten, um mit dieser obstruktiven Methode den fleißig fortlaufenden Achteln unregelmäßige Aussetzer einzukerben, negative Töne, bis am Ende fast nichts mehr zu hören ist, trotz aller Fingerfertigkeit. „Wie kam ich auf die Idee, hochvirtuose Klavieretüden zu komponieren? Der auslösende Umstand war vor allem meine un genügende pianistische Technik“, gestand György Ligeti. „Ich wäre so gern ein fabelhafter Pianist! Ich verstehe viel von Anschlagsnuancen, Phrasierung, Agogik, vom Aufbau der Form. Und spiele leidenschaftlich gerne Klavier – doch nur für mich selbst.“ Die vierte Etüde exponiert die titelgebenden „Fanfares“ über einem Ostinato im „bulgarischen Rhythmus“ (3 + 2 + 3) aus der unbegrenzten balkanischen Volksmusik, und sie nutzt die wechselnde Dynamik („da lontano“, „näher“, „entfernter“), um den zwei Dimensionen der Notation eine dritte des Raumes hinzuzufügen. Die verfremdeten Hornquinten dieser vierten erschließen wie die „leeren Saiten“ der zweiten Etüde („Cordes à vide“) Perspektiven auf andere Instrumente – und auf einfache akustische Phänomene, aus denen sich wunderbar die versponnensten und verstiegensten musikalischen Gebilde ableiten lassen. Den „Regenbogen“ („Arc-en-ciel“) verstand Ligeti als ein Beinahe-Jazzstück und zugleich als Hommage an Chopin, auch wenn der Satz in der Blindverkostung womöglich der Farbenmusik des späten Skrjabin zugeordnet würde (und damit einem Komponisten, den Ligeti „abscheulich“ fand). Die sechste und letzte Etüde, „Automne à Varsovie“, die den Zyklus mit einem „einstürzenden Abschluss“ beendet, nannte Ligeti ein Lamento. Und „eine Art Fuge“ mit Diminutionen und Augmentationen. Und außerdem einen Versuch mit simultanen Geschwindigkeiten,
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