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Schmerz – vom Phänotyp zum Mechanismus

Multimodale Testbatterie für die Schmerzphänotypisierung. Die neuronale Prozessierung von schmerzhaften Reizen kann sowohl über eine subjektive Bewertung (Schmerzskala von 0 bis 10), als auch über objektive elektrophysiologische Parameter gemessen werden.

Der klinische Forschungsschwerpunkt «Schmerz» der medizinischen Fakultät geht in die zweite Phase und intensiviert die multidisziplinäre Bestrebung, dieses hochkomplexe Thema besser zu verstehen.

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Die medizinische Fakultät der Universität Zürich fördert mit den Klinischen Forschungsschwerpunkten (KFSP) strategisch wichtige Forschungsgebiete für die medizinische Fakultät und die Universitäre Medizin Zürich (UMZH). Von 2019 bis 2021 wurde zum Thema Schmerz bereits ein gelungener Wissensaustausch zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung betrieben. Mit der erfolgreichen Bewerbung für die Verlängerung des KFSP (2022–2024) sollen die Förderung und Vernetzung von ausgewählten, primär klinischen Forschungsbereichen der universitären Medizin sowie die Förderung des akademischen Nachwuchses weiter vorangetrieben werden.

Schmerz verstehen

Wer kennt es nicht? Kaum den kleinen Zeh an der Bettkante angestossen, spürt man unmittelbar einen einschiessenden Schmerz. Obwohl solche akuten Schmerzerlebnisse überlebenswichtigen Schutz bieten, hat der chronische Schmerz diese Warnfunktion gänzlich verloren. Im Gegenteil, chronische Schmerzen beruhen auf komplexen pathologischen Veränderungen in unterschiedlichen Bereichen unseres peripheren und zentralen Nervensystems. Das klinische Erscheinungsbild des Schmerzes (Intensität, Ausbreitung und Qualität des Schmerzes) stellt oft nur die Spitze eines Eisbergs von noch zu wenig verstandenen Mechanismen dar. Diese Wissenslücken bedingen wiederum die aktuell noch unzureichenden klinischen Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen.

Multimodale Schmerzphänotypisierung

Ein wichtiger Grundstein, um chronische Schmerzen besser zu verstehen, ist die sogenannte Schmerzphänotypisierung. Dieser Forschungsansatz beruht auf der Annahme, dass man durch eine sorgfältige Charakterisierung des klinischen Erscheinungsbildes (Phänotyp) wertvolle Rückschlüsse auf potenziell zugrundeliegende Mechanismen ziehen kann. Die «Sensory Group» des Zentrums für Paraplegie ist auf solche Phänotypisierungen spezialisiert und verwendet dafür eine aufwändige multimodale Testbatterie, bestehend aus elektrophysiologischen, psychophysischen und neuroradiologischen Messverfahren. In der ersten Phase des KFSP Schmerz konnten damit in Querschnittsstudien an Patientinnen und Patienten mit Schmerzen nach Verletzungen des Rückenmarks ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) und bei nicht-spezifischen Rückenschmerzen potenziell klinisch relevante Biomarker für eine neuronale Übererregbarkeit gefunden werden. Zum Beispiel weisen Patientinnen und Patienten mit einem CRPS eine gesteigerte schmerzinduzierte autonome Reaktion auf, die interessanterweise sogar in Körperarealen nachgewiesen werden konnte, die weit entfernt vom eigentlichen Schmerzsyndrom liegen. Die Entwicklung solch neuartiger Biomarker könnte zukünftig die Diagnostik von Schmerzsyndromen verbessern und möglicherweise auch als Verlaufsparameter fungieren, um den Erfolg neuer Schmerztherapien zu objektivieren.

Die zweite Phase des KFSP Schmerz baut auf den wichtigen Erkenntnissen der erfolgreichen ersten Phase auf und setzt speziell auf longitudinale Studien, um den Übergang von akuten zu chronischen Schmerzen besser zu verstehen.

PD Dr. sc. Michèle Hubli ist seit 2016 stellvertretende Leiterin der Forschung des Zentrums für Paraplegie an der Universitätsklinik Balgrist und Gruppenleiterin der Sensory Group. Ihre interdisziplinäre Forschungsgruppe benutzt elektrophysiologische, psychophysische und neuroradiologische Assessments zur Erfassung von pathophysiologischen Grundlagen von neuropathischen Schmerzen.

Dr. med. Jan Rosner ist Neurologe und arbeitet als «Clinician Scientist» im Rahmen des KFSP-Projekts an der Universitätsklinik Balgrist sowie als Oberarzt am Inselspital Bern. Sein wissenschaftliches Hauptinteresse gilt der neurophysiologischen Untersuchung des nozizeptiven Systems und der Diagnose und mechanismenbasierten Therapie zentraler neuropathischer Schmerzen.

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