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NISCI: Nogo-A-Antikörpertherapie bei akuter Querschnittlähmung
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Das Zentrum für Paraplegie und die Universität Zürich leiten die erste europäische klinische Studie mit Antikörpern für Patientinnen und Patienten mit akuter Tetraplegie.
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Nerven im Gehirn und Rückenmark wachsen nach einer Verletzung nicht mehr zusammen, ganz im Gegensatz zu Nerven an Armen und Beinen. Ein Grund dafür sind Hemmstoffe (sogenannte Nogo-A-Proteine), die das Wachstum von Nervenfasern aktiv hemmen. Beim Wachstum und im gesunden Körper kontrollieren diese Hemmstoffe ein unkontrolliertes Wachstum von Nervenfasern und werden beim erwachsenen Menschen vermehrt ausgeschüttet. Im Falle einer Verletzung von Nervensträngen im Rückenmark mit Querschnittlähmung verhindert Nogo-A aber auch, dass die Nervenfasern wieder zusammenwachsen. Somit bleibt die Verbindung der Nervenzellen dauerhaft unterbrochen, was zu chronischen Lähmungen und Gefühlsstörungen führt. Mit einem neuen Therapieansatz sollen diese hemmenden Proteine vorübergehend ausgeschaltet werden, damit die Nervenfasern bei einer Verletzung ungehindert wachsen können.
Antikörper als mögliche Therapie
Um die Hemmstoffe zu blockieren, werden die Antikörper bei dieser Studie den Patientinnen und Patienten direkt in den Rückenmarkkanal gespritzt. Dabei ist es wichtig, dass die Anwendung der Antikörper innerhalb der ersten Wochen nach der akuten Rückenmarksverletzung durchgeführt wird, da die Nervenfasern in diesem Zeitfenster noch die Möglichkeit zur Erholung besitzen.
Vielversprechende Studien
Seit den 80er-Jahren wird intensiv an wachstumshemmenden Substanzen im Nervensystem geforscht. Mit der Antikörper-Therapie konnten im Tiermodell bereits vielversprechende Fortschritte in der Rehabilitation erzielt werden. In einem ersten Schritt wurde 2006 bis 2011 eine Studie an 52 Patientinnen und Patienten durchgeführt, um die Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie zu prüfen. Diese Studie unter der Leitung des ZfP Balgrist verlief erfolgreich.
Neue internationale multizentrische Studie
Auf diese Resultate gestützt, wird zurzeit eine kontrollierte klinische Studie namens NISCI (Nogo-Inhibitors in Spinal Cord Injury) am Zentrum für Paraplegie Balgrist sowie an mehreren europäischen Zentren durchgeführt, die auf die Behandlung und Rehabilitation bei Rückenmarksverletzungen spezialisiert sind. Diese Studie wird durch das Horizon-2020-Programm der EU finanziert. Bis Ende 2021 konnten schon über 95 Patientinnen und Patienten erfolgreich in die Studie eingeschlossen werden. Es konnte eine gute Verträglichkeit der verabreichten Studienmedikation beobachtet werden. Verbesserungen im Bereich der Bewegung und Sensibilität der Extremitäten werden erwartet, die den Querschnittgelähmten den Alltag erleichtern können. Die Auswertung der Studie (www.nisci-2020.eu) wird für 2023 erwartet – wir sind sehr gespannt!
Prof. Dr. med. Armin Curt ist Chefarzt und Direktor des Zentrums für Paraplegie sowie stv. Medizinischer Direktor der Universitätsklinik Balgrist. Er ist Ordinarius für Paraplegiologie an der Universität Zürich und wurde mit dem Schellenberg-Preis für herausragende Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Paraplegiologie ausgezeichnet, für die er sich seit über 20 Jahren als Forscher und Kliniker engagiert.
Andrea Prusse ist ursprünglich Pflege fachfrau und seit 25 Jahren in der Forschung tätig. Zuerst machte sie Clinical Monitoring in der Pharmabranche und betreute dabei viele Länder in ganz Europa. Danach war sie während sieben Jahren Studienkoordinatorin in der Kardiologie in einem Wiener Spital. Seit 2013 ist sie Studienkoordinatorin im Zentrum für Paraplegie Balgrist.