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Knieprothetik – wie weiter?

Intraoperatives Bild mit Navigation und Augmented Reality beim Einbau einer Knie-Totalendoprothese.

Vertiefte Kenntnisse in Biomechanik, Fortschritte der Materialien, der OP-Techniken und bei der Rehabilitation haben die objektivierbaren Resultate verbessert. Dennoch sind 20 % der Patientinnen und Patienten mit einer Knie-Endoprothese mit dem Ergebnis nicht zufrieden.

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Personen mit Kniearthrose stellen sich sehr häufig in unserer Sprechstunde vor. Wir sehen einerseits jüngere Patientinnen und Patienten, die aufgrund eines Unfalls eine (zu) frühe Abnützung des Kniegelenkes vorweisen, anderseits immer ältere Menschen mit Arthrose, die sehr aktiv sind und es auch bleiben möchten. Über die Jahrzehnte ist der Anspruch der Patientinnen und Patienten an ein Kunstgelenk stark angestiegen. Während Personen mit Kniearthrose in den Anfängen zufrieden mit einer Schmerzreduktion und einer einigermassen vorhandenen Gelenksbeweglichkeit waren, hat sich der Anspruch klar verschärft: kein Schmerz und freie Funktion. Leider kann diesem klar verständlichen Anspruch nicht immer entsprochen werden: Tatsache ist, dass ca. 20 % (!) der Operierten mit dem Resultat nicht zufrieden sind. Diese Zahl ist über die Jahrzehnte konstant hoch geblieben.

Wir sehen es als unseren Auftrag und unsere Pflicht, diese Zahl zu reduzieren. Es ist sicherlich wichtig, in der präoperativen Besprechung die Erwartungen realistisch zu definieren, da mit mangelnder oder falscher Information ein grosser Teil der Unzufriedenheit zu erklären ist. Die Natur hat ein besseres Gelenk hervorgebracht als unser Gelenkersatz, dies betonen wir immer wieder in den Gesprächen. Wir forschen, damit wir dem Vorbild Natur immer näher kommen.

Zusammen mit Medizinalfirmen konnten wir ein Prothesendesign entwickeln, das die anatomische Biomechanik wiederherstellt. Hierbei konnten in anatomischen Studien gezeigt werden, dass das Kniegelenk über das innere Gelenkskompartiment dreht, ein sogenannter «Medial pivot»-Mechanismus. Wir konnten zusammen mit der ETH Zürich mit fluoroskopischen Ganganalysen zeigen, dass diese natürliche Biomechanik auch wirklich realisiert werden kann.

Des Weiteren ist die Kenntnis über die präzise Positionierung der Prothesenkomponenten enorm wichtig. Die Herausforderung besteht aber auch darin, die korrekte Position zu definieren. Hier sind wir als Knieabteilung bereits seit mehreren Jahrzehnten stets an der Front der Erkenntnisse: beginnend mit der computer-assistierten Technik, erweitert mit der robotisch-assistierten Technik und der patientenspezifischen Operationstechnik. Diese 3D-basierte Technologie, die bereits seit vielen Jahren bei uns etabliert ist, wird aktuell mit der Augmented Reality (AR) erweitert. Trotz aller Technologie ist die präoperative Planung von grosser Bedeutung. Interessanterweise galt während Jahrzehnten die sogenannte mechanisch alienierte Technik als Gold-Standard. Neuere Studien zeigen, dass hier ein Paradigmen-Wechsel stattfindet, hin zu einer «kinematisch-alienierten Technik». Das Wechselspiel zwischen präoperativer Planung und intraoperativer Anpassung durch verschiedene intraoperative Messungen, insbesondere der Bandspannung mit entsprechender Feinjustierung, erachten wir als wichtigen Weg, damit das Knie möglichst nah an der Natur ist.

Neben diesem sehr technischen Fokus sehen wir einen wichtigen Pfeiler für eine optimale Versorgung mit entsprechendem Resultat in der Rehabilitation. In Zusammenarbeit mit unserer sportmedizinischen Abteilung wurde unter der Führung der Sportmedizin das Konzept der «Vor»-Rehabilitation erarbeitet. Wir erwarten, dass dadurch die optimale Betreuung der Patientinnen und Patienten noch besser sichergestellt werden kann.

Prof. Dr. med. Sandro Fucentese

ist seit 2013 Leiter Kniechirurgie der Universitätsklinik Balgrist. Er ist Lehrbeauftragter und seit Januar 2021 Titularprofessor für Orthopädie an der Universität Zürich.

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