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Wieder fit für die nächsten Jahrzehnte
from B&I Die Industrie-Zeitung, Ausgabe 5-24 (September 2024)
by B&I Die Industrie-Zeitung | Betriebstechnik und Instandhaltung
Retrofit sorgt dafür, dass eine Großpresse nach 20 Jahren nicht zum alten Eisen gehört
Großpressen werden beispielsweise von Automobilherstellern zur Produktion von Karosseriekomponenten genutzt und bleiben oft über Jahrzehnte im Einsatz. Selbst wenn ein Fahrzeugmodell ersetzt wird, bleibt die Presse in Betrieb. Mit neuen Werkzeugen stellt sie dann Bauteile für das Nachfolgemodell her. Doch auch die robustesten Pressen zeigen irgendwann Alterserscheinungen. Dann ist es wichtig, sie – wie kürzlich am Fraunhofer IWU geschehen – mit moderner Steuerungstechnik, einem neuen Ziehkissen und Technologien des intelligenten Datenmanagements für zukünftige Anforderungen zu modernisieren.
Durch ein umfassendes Retrofitting steht die hydraulische Großpresse EHP 1600, die von der früheren Umformtechnik Erfurt GmbH in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IWU entwickelt wurde und eine Nennpresskraft von 1.600 Tonnen hat, nun wieder für Forschungsprojekte bereit.
Diese Presse wird auch von regionalen Partnern des Chemnitzer Forschungsinstituts in enger Kooperation mit IWU-Forschern für anspruchsvolle Aufgaben im Bereich der Umformwerkzeuge genutzt. Mit der Presse können unterschiedliche Eigenschaften von Pressen und somit die Leistung der Serienpresse flexibel simuliert werden, was den Aufwand bei der Einarbeitung von Umformwerkzeugen erheblich reduziert. Dafür erforderliche manuelle Arbeitsschritte wie Tuschieren, Polieren oder Schleifen können jetzt auch mit Unterstützung von Robotik direkt in der Presse im aufgespannten Zustand erfolgen.

Für die Gewinnung von Prozessdaten aus dem Umformprozess direkt an der Wirkstelle und ihre intelligente Nutzung hat das Fraunhofer IWU viel Kompetenz aufgebaut und die eigene Presse nun entsprechend nachgerüstet. Diese Daten sind einerseits für die Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) der Presse selbst von großem Interesse.
Über die Zustandsdaten der Maschine lässt sich frühzeitig Wartungsbedarf am Werkzeug erkennen. Wartungsarbeiten können vorausschauend geplant und Ersatzteile rechtzeitig beschafft werden.
Darüber hinaus sind die Daten für die Prozesssteuerung wertvoll, da sie die Überwachung und Anpassung qualitätsrelevanter technologischer Parameter ermöglichen. So kann bei Veränderungen im Werkstoffverhalten oder in der Beölung schnell gegengesteuert werden, um eine konstante Qualität sicherzustellen. Hierzu erfassen dezentrale Sensoren – wie der Smartnotch – während des Umformprozesses verschiedene Prozessgrößen und nutzen intelligente Auswertungsalgorithmen zur Prozess- und Qualitätsüberwachung, ohne den Umformprozess oder die Maschineneigenschaften zu beeinträchtigen.

Diese kleinen Sensoren lassen sich leicht in die T-Nuten von Pressentisch und Pressenstößel einbauen und sind in verschiedenen Größen verfügbar. Dadurch können Informationen direkt an mehreren Stellen an der Schnittstelle zwischen Presse und Werkzeug erfasst werden. Die Sensoren ermöglichen es, Werkzeugverschleiß wie Anhaftungen oder Abrieb anhand abweichender Belastungszustände zu erkennen. In Verbindung mit einer intelligenten Prozesssteuerung kann jedes Bauteil mit individuell angepassten Prozessparametern gefertigt werden. Die Presse lernt dabei, kleine Abweichungen selbstständig auszugleichen.