20160721 woz wosanz

Page 7

LAUFENTAL

7

Donnerstag, 21. Juli 2016 Nr. 29

EINGESANDT

GRELLINGEN / REGION

Geschichten über die Papierindustrie an der Birs

Jetzt kommt Zug in die Doppelspur

Der Anlass dieser Rückschau ist die Schliessung der Papierfabrik Ziegler in Grellingen im April 2016. Damit hat auch die letzte «Papieri» in dem einst für die Papierherstellung bekannten Birstal die Produktion eingestellt. Vorweg ein paar Informationen über den Fluss an dem einst viel Papier produziert wurde: Die Birs ist über 70 km lang, sie entspringt am «Pierre Pertuis». Dieser Berg steht zwischen Delémont, und der Uhrenstadt Biel. Bei Basel mündet die Birs in den Rhein. Entlang der Birs führte eine für die Römer sehr wichtige Verbindung von Basel nach Avenches, teilweise sind noch intakte Wegstücke zu sehen. Dank dem starken Gefälle der Birs war es einigen Papierfabriken möglich, mehrere Wasserkraftwerke zu betreiben, Die Papierfabrik Ziegler beispielsweise hatte deren vier. Welche Fabriken lagen an der Birs, angefangen in Delsberg? Da ist zunächst die Zellulosefabrik Dozière SA in Delsberg, gegründet 1951. Diese Fabrik wurde aufgrund der von ihr verursachten Gewässerverschmutzung 1963 geschlossen; sie verschmutzte die Birs so arg, dass das Trinkwasser kaum noch geniessbar war und Fische oft auf dem Rücken Birs abwärts schwammen. Eine richtige Kläranlage konnte oder wollte man sich nicht leisten. Fünfzehn Kilometer flussabwärts der Zellulosefabrik lag die 1928 gegründete Papierfabrik Laufen. Sie stand auf dem Areal der ehemaligen Zementfabrik. (An der Birs gab es früher mehrere Zementfabriken.) Ausser Isolierpapier fabrizierte Laufen keine Spezialitäten, die das Werk einzigartig gemacht hätten. Das erwies sich als Nachteil, als Anfang 1960 die EFTA als europäische Freihandelszone entstand. Wegen der EFTA-Freihandelszone kamen die schweizerischen Papierhersteller unter starken Konkurrenzdruck. Österreich, Finnland und Schweden konnten nun ihre günstiger hergestellten Papiere zollfrei in die Schweiz exportieren. Um die bald schwächelnde Papierfabrik Laufen zu stützen, stieg 1970 die grösste schweizerische Papierfabrik ein: die Papierfabrik Biberist. Diese übernahm auch die Leitung. 1972 hat Biberist das Werk Laufen geschlossen. Weitere fünf Kilometer birsabwärts entstand 1913 die ‹Holzstoff und Papierfabrik Zwingen›. Die Fabrik liegt (noch heute) idyllisch auf einer Insel, auf der einen Seite die Birs auf der anderen der Fabrikkanal. Auf der gleichen Insel befindet sich das Schlossareal Zwingen mit Kapelle und der ab 1248 erstellten Wasserburg, damals noch umflossen von zwei Armen der Birs. In den 1920er Jahren baute man eine zweite und in den 1950er eine dritte Papiermaschine. Zwingen gehörte zu den drei grössten Zeitungspapierherstellern in der Schweiz. 1981 übernahm die Biberholding die Aktienmehrheit und Leitung der Papierfabrik Zwingen. Nach einigem Hin und Her wurde sie im Jahre 2004 geschlossen. Ziegler Papier AG Grellingen Sechs Kilometer unterhalb von Zwingen steht die 1861 gegründete und bis Ende April 2016 älteste noch produzierende Papierfabrik der Schweiz, die Ziegler Papier AG. Wie die Papierfabriken in Laufen und Zwingen hatte auch Grellingen eine Holzschleiferei, diese wurde in den 60er Jahren still gelegt. Man spezialisierte sich auf höherwertige Produkte aus Zellstoff und Hadern als Fasermaterial. Die hochwertigen, hadernhaltigen Papiere wurden hauptsächlich von öffentlichen Ämtern, Notaren, Versicherungen und als Direktions-

papier verwendet. Eine andere Spezialität: Das Lochkartenpapier von Ziegler war weltbekannt und brachte viel Geld in die Kasse. Ziegler hatte eine eigene Computeranlage, um die Lauffähigkeit von Lochkartenpapier auch in der Praxis zu testen. Der Computer stand in einem Raum von ca. 4x7 Meter und brauchte zusätzlich ein Kühlaggregat das nebenan in einem Raum (ca. 3x4 Meter) stand. Die Leistung dieses Computers hatte nicht mal die Leistung eines heutigen Mobiltelefons. Doch machte gerade die Weiterentwicklung der elektronischen Datenverarbeitung die Lochkarten überflüssig. Ziegler gab auch die kostspielige Aufbereitung von Hadern auf. Andere Spezialitäten wurden hergestellt z.B. Diagrammpapiere, Fahrtenschreiber, Bibeldruck, Fotopapiere oder Druckpapiere mit präziser Dicke. Trotz dieser diversifizierten Produktepalette musste der Betrieb im April dieses Jahres geschlossen werden. Auch Stöcklin in Münchenstein Sieben Kilometer weiter birsabwärts, kurz vor Basel gab es die Papierfabrik Stöcklin in Münchenstein. Sie wurde 1877 gegründet und 1981 aufgegeben. Der erste Standort war in Basel am St. Albanteich der als Gewerbekanal von der Birs abgeleitet ist. Der Betriebsleiter, Herr Brauchle, war ein sehr innovativer Mann. Er hatte die Produktion mit Altpapier weiter entwickelt und viele Altpapier verarbeitende Firmen beraten. Er erfand auch Chemikalien um Altpapier umweltschonender aufzubereiten. Mit dem Recycling-Papier wurde der Bedarf an Frischholz, Wasser und Energie wesentlich eingespart. Herr Brauchle war ein Verfechter von Graupapier (keine Bleichchemikalien). Unterschiedliche Gründe Wie schwierig es die Papierindustrie in der Schweiz hat, zeigt eine Fabrik bei Luzern. Die Papierfabrik Perlen ist eine der modernsten Papierfabriken Europas; trotzdem schreibt auch diese Produktionsstätte rote Zahlen. Wer annimmt, die «böse» EFTA sei alleine schuld am Sterben vieler schweizerischer Papierfabriken liegt nicht richtig. Die Skandinavier, vor allem Finnland, unterstützen die heimische Industrie viel besser als die Schweiz. Einige Papierfabriken in der Schweiz erfüllten die strengen Vorgaben des Umweltschutzes nicht oder nur schlecht und wurden per Dekret (siehe Dozière) geschlossen. Sie mussten z.T. Millionen für die Wasserreinigungsanlagen ausgeben. Dazu kamen die Unterhaltskosten der ARA und die Kosten für das gereinigte Abwasser. Hohes Lohnniveau Ein weiterer Punkt sind die extrem tiefen Transportkosten. Nach der Schliessung der Zellulosefabrik Attisholz ist die Schweiz zu 100 Prozent auf den Zellstoffimport angewiesen. Viele ausländische Papierfabriken produzieren die Zellulose selber und schicken sie ohne Zwischentrocknung (das spart viel Geld) direkt in die eigene Papierfabrikation. Auch lohnmässig sind die Schweizer Firmen im Nachteil. Zudem besteht ein weltweite Überproduktion. Viel mehr Pendler Die Schliessung der Papier- und anderer Industrien im Birstal hat auch einen sehr negativen Effekt auf den Verkehr. Die meisten Arbeitnehmer die hier die Arbeitsstelle verloren haben, wurden zu Pendlern und mussten sich nach Basel orientieren. Das Resultat sind überfüllte Bahnen und Strassen. Fredi A. Simonetti Breitenbach

RÖSCHENZ

Neuer Gemeinderat Am 1. Juli hat Yannik Darms (22) sein Amt als Gemeinderat angetreten. Darms ist zuständig für das Departement Bildung und Kultur.

Eine Spur ist nicht genug: ICN über der Chessilochbrücke bei Grellingen.

Wieder direkte Züge durchs Laufental von Basel nach Genf und Schnellzüge im Halbstundentakt. Mit dem Ausbau auf Doppespurabschnitten soll das bis 2021 realisierbar sein. Das Komitee SBB Pro Juralinie setzt Druck auf. Hans-Martin Jermann

M

it vereinten Kräften macht die Nordwestschweiz Druck für einen Ausbau der Bahnlinie im Laufental: Sämtliche Nationalund Ständeräte der Kantone Baselland, Basel-Stadt, Solothurn und Jura sowie Parlamentarier aus dem Berner Jura fordern mit einer Resolution an das Bundesamt für Verkehr (BAV) und die SBB den Bau eines vier Kilometer langen Doppelspur-Korridors auf der heute durchweg eingleisigen Linie .

Verbesserung nur mit Doppelspur Das politische Powerplay kommt nicht von ungefähr: Im BAV laufen die Vorbereitungen für den Ausbauschritt 2030 der Bahninfrastruktur (Step 2030). Der auf 140 Millionen Franken veranschlagte Doppelspur-Ausbau im Laufental ist zwar Bestandteil des Step 2030. In der 2015 unterzeichneten «Vereinbarung

von Grellingen» verpflichten sich die Kantone Baselland und Jura, das BAV und die SBB, das Bahnangebot auf der Achse Basel-Laufen-Delémont zu verbessern. Das ist technisch nur mit einem Ausbau auf Doppelspur über rund 3 Kilometer im Raum Grellingen möglich. Doch das letzte Wort hat das Bundesparlament; dieses wird voraussichtlich 2019 über das – je nach Variante – 7 bis 12 Milliarden Franken schwere Programm entscheiden. Im zweiten Halbjahr 2017 wird der Bundesrat seine Ideen in die Vernehmlassung schicken. «Die Zeit drängt. Der DoppelspurAusbau muss in dieses Programm», sagt Marc Scherrer, Laufner CVP-Landrat und Co-Präsident des Komitees Pro Juralinie. Bei der Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) ist man auf Anfrage zwar weiterhin «sehr zuversichtlich», dass dies der Fall sein und der Doppelspurabschnitt wie geplant 2021 in Betrieb genommen wird. Der Kanton tue einiges dafür: Der Landrat hat bereits 2015 einen Planungskredit von 3,5 Millionen Franken genehmigt, an dem Solothurn, Jura und Basel-Stadt beteiligt sind. Die Baselbieter Regierung ist zudem gewillt, das ganze Projekt vorzufinanzieren, um dem Bund zu zeigen, wie ernst es ihr damit ist. Laut der kantonalen öV-Beauftragten Eva Juhasz wird noch 2016 eine Finanzierungsvorlage an den Landrat überwiesen. Eine Nichtberücksichtigung des Doppelspur-Projekts wäre für das Laufental und den Jura, aber auch für den Raum Basel mit einer weiteren Verschlechte-

FOTO: MARTIN STAUB

rung des Bahnangebots verbunden: Änderungen im SBB-Fahrplan wegen des Grossprojekts Léman 2030 führen dazu, dass die Abfahrtszeit der Schnellzüge auf der Linie Basel–Laufen–Biel per 2021 um eine halbe Stunde gedreht wird. Dies hat zur Folge, dass etliche Direktanschlüsse am Basler Bahnhof SBB verloren gehen. Um dies zu kompensieren, soll zwischen Basel und Biel ein zweiter Regionalexpress eingeführt werden, der den Bahnhof SBB weiter zur vollen Stunde bedient. Aber eben – dies ist nur mit dem zweiten Gleis im Laufental möglich. Herabstufung der Linie droht Aktuell ist die Situation für Bahnreisende unbefriedigend: Seit dem Fahrplanwechsel im vergangenen Dezember verkehren keine Schnellzüge mehr direkt von Basel ins Genferseebecken und umgekehrt. In Biel ist jeweils Umsteigen angesagt; die Reisezeit hat sich je nach Destination um bis zu 20 Minuten verlängert. «Wenn wir hier nicht dranbleiben, dann ist die Gefahr gross, dass aus der vorläufigen Verschlechterung ein Dauerzustand wird», betont Scherrer. Die Befürchtungen sind nicht unbegründet: BAV und SBB verhandeln im Rahmen der Fernverkehrskonzession darüber, ob es sich bei der Strecke Biel–Delémont um ein Regionalverkehrs- oder wie bisher um ein Fernverkehrsprodukt handelt. Eine Herabstufung wäre für die öV-Anbindung des Laufentals und des Juras eine mittlere Katastrophe. (BZ, 14. 7. 2016)

DENKPAUSE

Doppelspur Laufental – Für die Entwicklung unseres Tals ist dieser Ausbau entscheidend!

Marc Scherrer Seit Jahrzenten kämpfen wir für den dringend nötigen Doppelspur-Infrastrukturausbau in unserer Region. Denn für uns ist klar: Diese Verbindung stellt ein wesentliches Element für die Attraktivität und Entwicklung unserer Region dar. Doch anstelle der längst überfälligen Priorisierung von Seiten der SBB, folgte im Jahr 2015 die Herabstufung unserer Linie aufgrund einer Baustelle im Raum Lausanne. Im Rahmen der Fernverkehrskonzession prüfen die SBB und das BAV (Bundesamt für Verkehr) gar die Herabstufung der Linie von einer Fernverkehr- in eine

Regionalverkehrsstrecke – Letzteres hätte verheerende Konsequenzen. Aufgrund dieser Ausgangslage haben wir als Komitee beim Bund, beim BAV sowie bei der Regierung des Kantons Basel-Landschaft mehrfach interveniert und immer wieder nach dem seit Jahren fälligen Doppelspurausbau gedrängt – dabei wurde auch immer wieder angeregt, doch eine Vorfinanzierung zu prüfen. Letztes Jahr war es dann endlich so weit, der Landrat hat einen Planungskredit von 3,5 Millionen Franken genehmigt und die Regierung hat bekannt gegeben, den Ausbau vorzufinanzieren. Mittels dieser Vorfinanzierung wird erreicht, dass der Doppelspurausbau bereits auf 2021 erfolgt und weitere Züge auf dieser Achse verkehren können. Doch eine Vorfinanzierung kommt nur zustande, wenn das Projekt Doppelspur in den STEP-Ausbauschritt 2030 des Bundes aufgenommen wird, die darin enthaltenden Projekte werden in den nächsten Monaten definiert. Aus diesem

Grund haben wir letzte Woche, zusammen mit dem Komitee «Liaison directe» eine Resolution zugunsten des Projektes Doppelspur beim BAV eingereicht. Unsere Forderung ist klar; Das Projekt Doppelspur gehört in den Ausbauschritt 2030. Unsere Resolution wird unterstützt von den Parlamenten der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und dem Jura sowie von allen Bundesparlamentariern aus den Kantonen BS, BL, SO und JU, den beiden Ständeräten des Kantons Bern sowie von zahlreiche Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft und den betroffenen Gemeinden. Es ist nun von grosser Bedeutung, dass wir als Region Nordwestschweiz – mit vereinten Kräften – Druck ausüben und geeint für den Ausbau der Bahnlinie im Laufental einstehen. Denn: Für die Entwicklung unseres Tals ist dieser Ausbau entscheidend! Marc Scherrer Präsident Komitee Doppelspur Pro Juralinie Landrat, Laufen


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
20160721 woz wosanz by AZ-Anzeiger - Issuu