Three Six O | Immersive Sound | August 2023 | deutsch

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Zeitung für Raumkunst | 11. Ausgabe | August 2023

GRATIS

IMMERSIVE SOUND

Oceania: Der Sound der Unterwasserwelt Live Performance

Ausstellung Hockneys großes Schaufenster: Der Lightroom in London

Dark Matter: Berlin in Licht und Sound Ausstellung

Interview Bildsinfonien: Die Panoramamusiken des belgischen Komponisten Eric Babak

Kitsch oder Kunst? Darüber streiten sie, die Experten. Immersive Kunst wird jedenfalls von der Kunstkritik gern mal mit dieser Frage bedacht. Denn die ist in den vergangenen Jahren weitab vom eigentlichen Kunstmarkt ein Megatrend geworden. Dazu gehören auch die Großausstellungen mit Werken von Superstars der Kunstgeschichte wie Vincent van Gogh, Gustav Klimt oder Frida Kahlo – in vielen Städten als digitale Projektionsschauen zu sehen.

Das gefällt nicht allen. Die Edelfedern großer Feuilletons schreiben von niederschwelliger Unterhaltung, Effekthascherei, von Überwältigung als Stilmittel usw., müssen aber trotzdem zugeben, dass es sich um eine neue Kunstform handelt. Nicht für die Kunstgeschichte. Aber für die Menschen. Also mit demokratischer Breitenwirkung. Die digitalen Kunstschauen haben sich fast aus dem Nichts zu den erfolgreichsten monothematischen Museen entwickelt. Für Menschen, die sonst gar nicht ins Museum gehen würden. Vielen ist es nicht wichtig, sich in Amsterdam zum Beispiel die Originale von Vincent van Gogh anzusehen. Oder erst dann, wenn sie die Bilder als Show erlebt haben.

Und das ist noch nicht alles: In Las Vegas wird im September The Sphere eröffnet, eine Unterhaltungskugel für zwanzigtausend Zuschauer, das weltgrößte kugelförmige Gebäude, mit dem weltgrößten LED-Netz, innen und außen. Die Riesenkugel verspricht ein immersives Kunsterlebnis der absoluten Superlative. Schon jetzt werden für The Sphere ganze Welten gefilmt oder animiert. Der kleine Mensch sitzt dann da in seinem Sessel inmitten des weiten Universums, in den Tiefen der Meere, in der unendlichen Schönheit der Natur.

Auch Panoramen sind immersive Kunst. Der Betrachter findet sich inmitten einer anderen Welt. In einem Rundbild, in dem sich, anders als in den digitalen Shows, gar nichts bewegt. Es ist ein Augenblick eingefrorene Zeit. Panoramen waren im 19. Jahrhundert durchaus Entertainment. Aber auch künstlerisches Ausdrucksmittel. Man kann einigen von ihnen sogar vorwerfen, dass sie als ideologisches Massenmedium fungierten, vor allem die großen Schlachtenpanoramen. Der Berliner Panoramakünstler Yadegar Asisi aber hat mit seinen Panoramen des 21. Jahrhunderts eine einzigartige Kunstform geschaffen. Nicht weil seine Panoramen die weltgrößten Rundbilder sind. Es geht, anders als in den überbordenden digitalen Immersions-Shows, nicht um die Sensation. Vielmehr nutzt der Künstler die Panoramen, um sein Verständnis unserer Welt und der Natur und der Gesellschaft, in der wir leben ganz faktisch aber vor allem auch emotional zu vermitteln. Je größer die Rotunden sind, umso größer ist die illusionistische Wirkung. Viele Besucher und Besucherinnen berichten von überraschenden, offenbarenden Eindrücken. Die Asisi-Panoramen sind Orte der Ruhe, des In-sichGehens, der Erhellung. Also: Kunst muss nicht immer kompliziert sein und erklärungsbedürftig. Sie kann auch einfach zu verstehen sein und zutiefst berühren. Was auch immer die Kunstkritik davon hält.

2 Editorial
Liebe Leserinnen, Liebe Leser,

Umso mehr erfreut es, dass ein Star der modernen Kunst, David Hockney, seine Malerei jetzt als immersives Gesamt-Kunstwerk konzipiert hat. „Bigger & Closer – not smaller and further away“, („Größer & Näher – nicht kleiner und weiter weg“) ist in London zu besichtigen. Es ist Hockneys großes Schaufenster mit seinem Blick auf die Welt seiner Bilder. In einem Zyklus von sechs thematischen Kapiteln, mit einer eigens komponierten Musik von Nico Muhly und einem Kommentar des Künstlers selbst, offenbart uns Hockney seinen Prozess. Wir hören seine Stimme, wenn er mit der Perspektive experimentiert, die Fotografie als eine Art „Zeichnen mit der Kamera“ einsetzt, das Vergehen der Zeit in seinen Polaroid-Collagen und die Freude des Frühlings auf seinem iPad festhält. Damit ist er der erste lebende Künstler, der sich zu dieser Form der Kunstpräsentation bekennt. Einer, der sich den modernen Medien nie verschlossen hat und schon in den 90er Jahren auch die digitale Zeichnung in sein Werk aufgenommen hat. Jetzt ist sein Gesamtwerk als digital-immersives Kunstwerk erlebbar, wahrscheinlich aus dem einfachen Grunde, weil es jetzt erst die technischen Voraussetzungen dafür gibt.

In dieser Ausgabe der ThreeSixO stellen wir die Installationen des Lichtkünstlers Christopher Bauder vor. Das Dark Matter in Berlin ist sein Experimentierort, eine abgedunkelte ehemalige Fabrik, in der nur das Kunstlicht, im Wortsinn, die Besucher und Besucherinnen durch die sieben Rauminstallationen leitet. Da lässt es sich gemütlich an einem digitalen Lagerfeuer herumlungern, durch verspiegelte Räume irren, in denen 800 bewegliche Lichtpunkte den Himmel darüber in wabernde Bewegungen setzen oder dynamische Lichttexturen sowie Tonleitern

erklimmen. Kunstkritiker nennen es Lichtdesgin. Christopher Bauder nennt es Kunst. Und das Dark Matter ist in einem Randbezirk Berlins eine neue Adresse, an dem die Menschen gern Schlange stehen, um sich erleuchten zu lassen.

Anders als in den meisten immersiven Ausstellungen, bewegen sich in den Panoramen von Yadegar Asisi die Zuschauer – nicht das Bild. Die Musik für diese Kunstwerke, komponiert seit 20 Jahren der in London lebende Komponist Eric Babak. Yadegar Asisi und er haben damit ein eigenes Musik-Genres erfunden, denn die Musik und die Soundinstallationen dafür sind Bild-Musiken, die ähnlich wie Film-Musiken entstehen. Eigens komponierte Musik und Sounds heben einzelne Szenen hervor und führen damit die Besucher durch das Panorama. Darüber, wie diese Bild-Musik-Collagen genau entstehen und wie das zwischen Regisseur und Komponist abläuft, haben wir mit Eric Babak gesprochen.

Und dass die Asisi-Panoramen manchmal auch andere Musiker und Musikerinnen zu neuer Musik inspirieren, darum geht es in unserem Beitrag über die Stuttgarter Künstler „Boum-Percussion“ und ihrer Live-Percussion zum „Great Barrier Reef“ im Pforzheimer Panorama im vergangenen Jahr.

Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung! Beim Lesen ebenso wie mittendrin in der immersiven Kunst.

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Ihre Juliane Voigt

Oceania – der Sound der Unterwasserwelt

Boum-Percussion performte ein spektakuläres Filmkonzert

im Panorama „Great Barrier Reef“

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Foto: WeLive
Interview: Sebastian Oswald

Das Panorama „Great Barrier Reef“, welches für einige Jahre im Gasometer Pforzheim zu sehen war, wurde von den Stuttgarter Künstlern „Boum-Percussion“, den Schlagzeugern Marc und Kai Strobel klanglich interpretiert und neu entdeckt: In einem 60-minütigen Live-Konzertfilm kreieren die Brüder ein Gesamtkunstwerk, in dem sich akustische und elektronische Musik, Performance und Theatralik, durch eine differenzierte Dramaturgie in nie da gewesener Art mit dem von Yadegar Asisi erschaffenen Panorama „Great Barrier Reef“ verbinden.

Auf welche Art ist das Panorama „Great Barrier Reef“ im Film Oceania „neu entdeckt und interpretiert“ worden?

Alle musikalischen Werke im Film beruhen auf den Eindrücken unseres Besuchs des Panoramas im Gasometer Pforzheim. Als Schlagwerker und Komponisten sind wir von Natur aus neugierige Charaktere und stets auf der Suche nach neuen Formen der Inspiration. Im Falle des „Great Barrier Reef“ hinterließ der enorme Raum, mit seinem gekonnten Spiel aus Farben, Energie und unglaublicher Höhe einen großen Eindruck, welcher sich in der Grundstimmung der Kompositionen und insbesondere der Elektronik wiederfindet. Beim Besteigen des im Zentrums stehenden Stahlturms, eröffnen sich den Betrachtenden detailreiche Perspektiven, wie durch Fenster. Er rahmt durch seine Stahlkonstruktion gewissermaßen Ausschnitte des Panoramas ein. Ein wichtiger Ansatzpunkt für unser weiteres Schaffen.

Die Parallelen zur Musik sind hier offensichtlich: besteht das typische Musikstück doch ebenfalls aus einer großen Phrase, welche sich wiederum aus einer Vielzahl von kleinen Phrasen, Motiven, Noten und Pausen zusammensetzt.

Inhaltlich waren wir von der Mannigfaltigkeit und diffizilen Ornamentik des Korallenriffs und insbesondere den dunkleren Bereichen des Meeres bewegt.

Mit diesen vielschichtigen Eindrücken starteten wir unseren Arbeitsprozess, einen ganzheitlichen Ansatz verfolgend: unseren, beim Besuch der Installation erlebten Emotionen und Gefühlen, musikalisch Ausdruck zu verleihen. Sie in größerem Kontext zu reflektieren und letztlich Musik und Panorama in einer Symbiose zusammenzuführen.

Welche Herausforderungen bringt ein 360°-Panorama mit sich, im Hinblick auf ein Filmprojekt wie „Oceania“?

Sowohl filmisch als auch dramaturgisch stellt sich bei einem 360°-Bild unweigerlich die Frage nach der Perspektive. Man wendet sich bewusst einem bestimmten Ausschnitt zu, wohlwissend, dass man dabei gleichzeitig einen Teil des Panoramas im Rücken ausblendet. So arbeiteten wir ausgewählte Elemente des Rundbildes

musikalisch heraus, und entschieden uns im nächsten Schritt für verschiedene Spielpositionen im Raum des Gasometers mit entsprechend wechselnden Kameraperspektiven. So gelang es uns, auf spezifische Elemente einzugehen und dabei klanglich mit dem Panorama zu korrespondieren.

Die Kompositionen setzen sich u. a. mit den Themen „Wasser, Riff und Weltmeere“ auseinander.

Den Großteil der Kompositionen im Film haben wir selbst geschrieben. Jedes Werk bezieht sich dabei auf eine der vielen Facetten des Panorama und des Raums. Das Boum-Percussion Programm Oceania besteht aus vier Neukompositionen und einem bereits existierenden Werk, welches sich klanglich wie thematisch perfekt einfügt.

Wir entschlossen uns bewusst, mit den Werken einen großen, dramaturgischen Kreis zu formen, ganz im Sinne des uns umschließenden Panoramas und des zylinderförmigen Raums. Ein wichtiger Bestandteil bildet dabei die Synthese aus Live-Akustik und elektroakustischer Musik. Diese Verbindung zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm.

Insbesondere durch die elektronischen Elemente dringt die Gesamt-Performance in tiefgründigere Ebenen vor. Die Elektronik verstärkt die Größe und Tiefe des Raums und wird von Marc Strobel als Komponist kammermusikalisch eingesetzt, quasi wie eine zusätzliche dritte Person.

Welche Schwerpunkte habt ihr euch in Bezug auf das Panorama „Great Barrier Reef“ ausgesucht?

Nun, da ist natürlich die pure Schönheit der Unterwasserlandschaft im Panorama, die wahnsinnig detaillierten Verzierungen der Korallen und das Tiefblau des Meeres selbst, welches, je nach Art der Betrachtung und Beleuchtung, eine beruhigende Wirkung erzeugen, oder auch Unbehagen auslösen kann.

Der Beginn unseres Programms „Oceania“ bleibt in ambivalenter Ungewissheit und bezieht sich auf jenes Gefühl des Unbehagens: der Zuschauende wird ins kalte Wasser geworfen, in einen mystischen Sog und bis hinab in die Tiefen des Meeres gezogen. In Monolith II dominiert ein mystischer Charakter, der geprägt wird von zwei großen Rahmentrommeln im Zusammenspiel mit elektro-akustischen Klängen. Erwartbares, typisches Trommeln oder Schlagen mit Trommelstöcken findet hier nicht statt – die neuen Klänge sollen die Fantasie der Zuschauenden anregen. Beginnend mit dem ersten Ton des Stücks, der durch Reiben eines Gummiballs auf dem Trommelfell erzeugt wird. Was ein dumpfes Dröhnen, einen langgezogenen Ton hervorbringt. Vielleicht das Motorgeräusch eines Schiffs oder der Gesang eines Wals?

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Klang und Bewegung werden im Film bewusst eingesetzt und verbunden.

Durch die Verfilmung erschließen sich den Betrachtenden weitere Ebenen: wischende Kreisbewegungen auf dem Fell der Trommel skizzieren das Spiel der Wellen, kratzende Hände bewegen sich wie Lebewesen auf dem Meeresgrund. Monolith II stellt bewusst Klang und Bewegung auf eine Ebene. Die Grenzen zwischen Musik, Choreographie und Performance verschwimmen.

Mit den Stücken Ecochain und Time & Money – letzteres beinhaltet sogar eine reine Schauspielsequenz – sind wir in einem neuen Kapitel des Films. Das Meer ganz reduziert betrachtet als Ressource und Handelsweg, Teil einer durchorganisierten „Just-in-Time“-Welt, welche Kollateralschaden quasi im Vornherein einkalkuliert, denn „Zeit ist Geld“. Ein enormer Druck lastet auf den Ökosystemen und bedroht existenziell die einzigartige Unterwasserwelt.

Diese extreme Form der Realität und Kehrseite zur Farbenpracht des Meeres und des Panoramas, kommt vor allem durch den Fokus im Film in Richtung des Stahlturms, in der Raummitte des Gasometer, zum Tragen. Neben schnellen, dramatischen Schnittfolgen, prägen kupferfarbene Ästhetik und extreme Dynamik die Szenerie. Sind wir Teil einer Maschinerie? Dringen wir musikalisch ins Innere eines Beinah-Verrücktgewordenen vor? Dies zu interpretieren ist am Ende aber Sache des Betrachters.

Das Hauptwerk von „Oceania“ für Marimba und Vibraphon beschließt schließlich den großen klanglichen Spannungsbogen, der vor allem von der räumlichen Komponente des Meeres bzw. des Panoramas inspiriert ist.

Wie läuft ein Filmdreh mit solch einem speziellen Rahmen ab?

Der Film ist wie ein Live-Konzert angelegt, das heisst alle Musikstücke werden ohne Unterbrechung gespielt und mit mobilen Kameras gleichzeitig aus verschiedenen Perspektiven gefilmt. Da das filmische Konzept von vornherein keine Zuschauer vorsah, konnten sich Künstler, Ton-, Film- & Lichtteam im Gasometer frei bewegen. Oceania selbst entstand im Rahmen des „WeLive-Musikfestival“, einer von Punchline Studio und Lahrer Rockwerkstatt e.V. initiierten Konzert-Serie, die während der Corona-Pandemie einen bewussten Gegenpol zu den überwiegend eindimensionalen und flachen Livestreams darstellt. Im Mittelpunkt steht dabei der Live-Aspekt: Bild, Ton, Licht, die gesamte Stimmung entsteht im Moment. Dramaturgische & technische Vorgaben werden bewusst variabel gehalten, da gerade die spontanen und intuiti -

ven Reaktionen des aufmerksamen Kamera-Teams auf unser Spiel hin, dem Film und dem „Great Barrier Reef“ Panorama seine ganz eigene Dynamik verleiht. Zudem sind die Künstler auf der Konzertbühne plötzlich ganz nah, privat, fast intim. Der Zuschauende begleitet uns Musiker auf dem Weg durch den Raum, Kleidungswechsel werden Teil der Inszenierung.

Ist das Instrument Schlagzeug für so ein Großprojekt prädestiniert?

Gerade als Schlagzeuger können wir visuelle Eindrücke, Formen und Bilder durch endlose Möglichkeiten an Klängen, Materialien und Instrumente in Musik verarbeiten und ihnen individuell Ausdruck verleihen. Durch das musikalische Einbeziehen von Metallfässern und Eisenketten stellen wir, parallel zum dramaturgischen Gedanken, eine Verbindung zum Gasometer als industrielles Kulturerbe her: der metallene Sound und die pulsierend virtuosen Rhythmen verbinden sich im Bild mit der markant eisernen Skulptur der Besucher-Plattform. Ein weiteres Beispiel ist das Element Wasser, das wir auf subtile Art und Weise als Resonanzkörper eingearbeitet haben: im Waterphone ist es für die wunderbar schaurigen und gleichwohl schönen, langen Töne verantwortlich, der Gong variiert, durch Eintauchen in Wasser nach dem Schlagen, die Tonhöhe und die „Water-Drum“ – ein riesiger, im Wasser schwimmender halbierter Kürbis – kommt in Deep Current als Basston und kernige Fingertrommel zum Einsatz.

Boum-Percussion – als Ensemble – ist aus dem Bestreben entstanden, mit den gegebenen Möglichkeiten des Schlagwerks die Grenzen der Kunstformen zu überwinden. Durch Eigenkompositionen und der Verbindung von klassischem Schlagzeug, elektro-akustischer Musik, Alltags-Gegenständen und Elemente aus der Natur, entwickelte sich so über die gemeinsamen Jahre eine eigene Tonsprache.

„Oceania“ by „Boum-Percussion“, kreiert von Marc & Kai Strobel

Ein „weLive“-Film, produziert von „Punchline Studio“, organisiert von „Lahrer Rockwerkstatt e.V.“

6 Oceania – Der Sound der Unterwasserwelt
7 Foto: Tom Schulze © asisi

Hockneys großes Schaufenster: Der Lightroom in London

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David Hockney Bigger Closer (not smaller further away) Photo by Justin Sutcliffe Text: Sebastian Oswald

London ist immer eine Reise wert – keine Frage. Und doch bietet die Stadt mehr Kunststätten, als man im Rahmen eines noch so ambitionierten Besuchs besichtigen kann. Man muss eine Auswahl treffen, eine Liste der Orte anlegen, die man gesehen haben muss. Dass der Lightroom unbedingt in diese Liste gehört, beweist nicht nur der große Name David Hockney, dem als wohl populärstem britischen bildenden Künstler der Gegenwart die Ehre einer ersten, ganz ihm gewidmeten Ausstellung im Lightroom zuteil wurde, sondern vor allem die räumliche Inszenierung seiner Malerei mit ebenso immersiven Klanginstallationen in einer neuartigen Ausstellungsform. Als eine Art Retrospektive mit dem vielsagenden Titel „David Hockney: BIGGER & CLOSER (not smaller & further away)“ steht die Schau gerade im Zentrum der öffentlichen Diskussion. Diese dreht sich um den Wert der Inszenierung und die von einigen Feuilletonisten kritisierte Niedrigschwelligkeit und Zugänglichkeit, die das immersive Erlebnis mit sich bringt. Doch springen wir zunächst zurück zum Anfang, zum Lightroom als Ausstellungsort mit einer zukunftsweisenden technologischen Ausstattung.

In einem dunklen Bunkersystem unter dem neuen Einkaufszentrum King’s Cross taucht man in eine Welt ein, in der fast alles immersiv ist. Die Reise durch die am 22. Februar 2023 eröffnete Ausstellung BIGGER & CLOSER beginnt in einem riesigen, in sanftes grünes Licht getauchten Raum. Zunächst fällt auf: Der Sound ist unglaublich gut, lebensecht und wahnsinnig räumlich.

Die für die Ausstellung genutzte Holoplot X1 Matrix ist tatsächlich ein revolutionäres Soundsystem und verwandelt den Kunstraum in eine nahezu perfekt inszenierte Klanglandschaft. Die Matrix ermöglicht eine präzise Steuerung von Schallwellen, was bedeutet, dass der Klang gezielt auf bestimmte Bereiche gerichtet werden kann und verschiedene Klänge gleichzeitig in unterschiedlichen Bereichen ertönen können. So entsteht ein sehr eindringliches und individuell anpassbares Klangerlebnis. Um es einfach auszudrücken: Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Raum, in dem Sie in einer Ecke das Zwitschern eines Vogels, in einer anderen das Rauschen eines Flusses und direkt neben Ihnen eine sanfte Melodie hören können – alles zur gleichen Zeit und ohne sich gegenseitig zu stören. Das ist die Art von Audioerlebnis, von der wir hier sprechen. Zusammen mit Hockneys Werken ergeben sich schon beim ersten Betreten des Rundgangs eine harmonische Verbindung und eine Eindringlichkeit, die man wohl in keiner Galerie oder sonst einem Ausstellungshaus finden kann.

Auf den Wänden sind Hockneys Werke eindrucksvoll animiert. Malerische Szenen aus den Straßen von Yorkshire und typische Hockney-Landschaften vermitteln die Illusion, direkt in sein lebendiges Werk einzutauchen. Beim Betreten des Lightroom wird deutlich, dass Hockneys Persönlichkeit jeden Winkel des Raumes durchdringt. Der britische Künstler war schon immer ein Performer. Seine Exzentrik, sein farbenfroher Stil, seine Herkunft aus Yorkshire und die Klarheit, mit der er seine Ideen ausdrückt, haben seine Identität geprägt und ihn zu einem der am meisten bewunderten englischen Künstler aller Zeiten gemacht. So verwundert es auch nicht, dass über die X1-Matrix auch Hockneys Stimme täuschend lebensecht für die Besucher wiedergegeben wird.

Seine Bilder werden von 27 Beamern auf die 11 Meter hohen Wände projiziert und füllen den gesamten Raum. Die kuratierte Auswahl umfasst fast alle bekannten Gemälde und Installationen des Künstlers. Besonders hervorzuheben ist der Wagner Drive in den San Gabriel Mountains, eine Installation zu Hockneys Videoarbeit aus dem Jahr 2012, in der die Besucher die unterschiedlichen Perspektiven von Fahrer und Beifahrer einnehmen können. Sehenswert sind auch die Installationen zu seiner „Pools“-Serie und zu „Sunbather“, die ein ähnlich spannendes Kunsterlebnis bieten wie das Original, aber doch ganz anders und umfassender auf den Betrachter wirken. Erwähnenswert ist auch eine Reihe bislang weniger bekannter Arbeiten, vor allem Bühnenbilder für die Londoner Oper, die Hockney bereits vor Jahrzehnten schuf. Alles in allem ergibt sich eine medial äußerst eindrucksvolle und immer wieder neue Perspektiven eröffnende Werkschau, wie sie wohl kein anderer bildender Künstler vor ihm inszeniert hat.

Hockney, dessen Werke seit den frühen 1960er Jahren für Aufsehen sorgen, widersetzt sich gekonnt den Erwartungen. Er ist bekannt für seine Technikbegeisterung, die ihn von der Erstellung multiperspektivischer Fotomontagen in den 1980er Jahren bis zur Erforschung der iPad-Zeichnung Mitte der 2000er Jahre führte. Nun nutzt Hockney die Möglichkeiten des Lightroom, um ein immersives Kunsterlebnis zu schaffen, das die Beschränkung auf ein bestimmtes Medium sprengt und mit einem ästhetischen Zusammenspiel aus Malerei, Animation, Licht und Sound eine umfassende Raumerfahrung erzeugt.

Im Gegensatz zu anderen immersiven Ausstellungen, die beispielsweise Van Gogh, Klimt oder Dali gewidmet sind, handelt es sich hier nicht um eine posthume Hommage oder ein Spektakel zum Selbstzweck. BIGGER & CLOSER wird von Hockney selbst mitgestaltet und als eigenständiges Kunstwerk betrachtet – eine greifbare, inhaltlich motivierte Erweiterung seines künstlerischen Schaffens und eine innovative Form der Retrospektive mit einem einzigartigen Sounddesign.

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Hockneys großes Schaufenster: Der Lightroom in London David Hockey at Lightroom, photo by Justin Sutcliffe

Wer Hockneys Karriere verfolgt hat, mag zunächst skeptisch sein. Schließlich wird uns eine Reise durch 60 Jahre seiner Kunst versprochen, eine Chance, „die Welt durch Hockneys Augen zu sehen“. Man könnte fragen, ob es sich um eine weitere groß angelegte Dokumentation mit sentimentaler Musik handelt. Doch die Erfahrung, die sich in Lightroom vor dem Hintergrund von Hockneys Soundtrack und seinen dynamischen Bildern entfaltet, ist alles andere als überflüssig. Jede Installation ist eigen und bringt gänzlich neue Erfahrungen mit sich.

Sobald man Platz nimmt, wird man von einer zauberhaften Welt gefangen genommen, die Hockney mit großer Sorgfalt gemalt hat. Die Panoramalandschaften, die sich ständig verändernde Szenerie und Hockneys Stimme, die durch den Raum hallt, sind durchaus im positiven Sinne hypnotisch.

Durch die Verschmelzung der visuellen Technologie von Lightroom mit der X1-Soundmatrix von Holoplot nimmt uns Hockney mit auf eine Reise durch seine künstlerischen Obsessionen, von den vielen Facetten der Perspektive bis hin zu seiner Faszination für den Kubismus. Das Tempo der Ausstellung mag teilweise überhastet wirken, trägt aber zum Gefühl eines berauschenden audiovisuellen Spektakels bei, einer Erfahrung, die einen in Atem hält und dadurch in Teilen des Feuilletons Kritik hervorruft. So bezeichnete der Guardian die Ausstellung als „überwältigenden, leidenschaftslosen Kitsch“, der Evening Standard meint die Schau sei „weniger ein Kunsterlebnis als eine 360-Grad-Dokumentation“.

Natürlich gibt es auch viele begeisterte Gegenstimmen. Im Independent lesen wir von einem „atemberaubenden Triumph“ und das Magazin Weltkunst spricht von einem „furiosen Auftakt im Lightroom“. Gerade die Kritik an BIGGER & CLOSER lässt jedoch schnell den Verdacht aufkommen, dass die Kommentatoren entweder Hockneys Werk generell nicht mögen oder grundsätzlich alle immersiven, auf ein größeres Publikum zielenden Ausstellungen gerade wegen der angestrebten Popularität und der Nähe zu einem vermeintlichen Mainstream verdammen. Ein Schelm, wer dabei an elitäre Reflexe denkt. Am besten, jeder Besucher macht sich bei seiner nächsten London-Reise selbst ein Bild und hört vor allem genau hin.

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Ich wollte die Bilder neu sehen, und ich denke, das habe ich geschafft.
David Hockney

Dark Matter: Berlin in Licht und Sound

Text: Sebastian Oswald

Seit nunmehr zwei Jahren beherbergt eine ehemalige Fabrikhalle neben dem Techno-Club Sisyphos im Berliner Bezirk Lichtenberg das DARK MATTER. Als Idee eines Museums an der Schnittstelle von Kunst und Technologie zeigt die Dauerausstellung auf 1.000 Quadratmetern sieben großformatige Installationen mit einer wohl einzigarten Licht- und Soundinszenierung. Die Installationen, die über eine reine multimediale Lichtshow hinausgehen, treffen offenbar den Nerv der Zeit und haben bis heute über 400.000 Besucher angezogen. Angesichts der Lage des Ausstellungsortes fernab der hippen Szeneviertel der Berliner Innenstadt ist dies keineswegs selbstverständlich. Worin liegt also das Geheimnis des Ortes und seiner immersiven Installationen? Wir haben genau hingesehen –sowie vor allem: hingehört.

Bereits beim ersten Betreten der Ausstellungsfläche tauchen wir ein in eine Parallelwelt. Einzig und allein die Lichtinstallationen beleuchten die sieben Ausstellungsräume und sorgen für eine schnell einsetzende Trance, ein Gefühl der absoluten Fokussierung auf die von Raum zu Raum größer und interaktiver werdenden Installationen. Wie beiläufig steigert die Dramaturgie des Ausstellungsrundgangs den Grad der Immersion. Während man sich anfangs noch

wie ein passiver Betrachter wähnt, stellt sich spätestens ab dem dritten oder vierten Raum ein absolut umfängliches Gefühl der Immersion ein. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet der überwältigende Soundtrack und ein Audiosystem, das insbesondere bei den letzten Installationen einen selten in dieser Qualität hörbaren Raumklang abliefert.

Die erste Installation „Liquid Sky“ mit ihren 800 einzelnen, wellen- und kreisförmig bewegten Lichtpunkten inmitten eines verspiegelten Raumes vermittelt den Eindruck von Unendlichkeit. Der Klang ist meditativ, elektronisch und mitreißend. Schließt man die Augen, eröffnet sich ein fast paradoxes Erleben von Natur, als stünde man am Meer und spüre Wind und See gleichermaßen. „Inverse“, die darauffolgende Installation, besteht aus 169 schwarzen Kugeln, die sich in einem choreografierten Tanz bewegen und so die Illusion eines lebenden Organismus erzeugen. Die Kugeln heben und senken sich vor einem strahlend weißen Hintergrund, ihre Bewegungen sind mit einem tiefen Bass-Soundtrack synchronisiert, der gelegentlich von sanften melodischen Elementen begleitet wird. Das Ergebnis ist eine fesselnde Performance, die lebendig und organisch wirkt.

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Foto: Ralph Larmann
14 Dark Matter: Berlin in Licht und Sound
Foto: Ralph Larmann

Einen ebenso schönen wie hypnotisierenden Tanz des Lichts bietet „Circular“, ein Art Ballett aus drei Lichtringen, die im Raum schweben und sich zum pulsierenden, elektronischen Soundtrack bewegen. Zurück zur Natur geht es in der ersten deutlich größeren Installation, dem „Bonfire“. Simuliert wird hier eine zutiefst soziale und gleichzeitig archaische Institution – das Lagerfeuer – mit moderner Technologie. 20.000 Lichtpunkte schaffen ein digitales Feuer, einen Treffpunkt für Besucher, die sich im Kreis hinsetzen und das flackernde Licht inklusive täuschend echtem Funkenflug und (digitalem) Kerzenlicht betrachten können.

Ganz auf Interaktion der Besucher setzt dagegen die fünfte Installation „Polygon Playground“: Eine 360-Grad-Projektion, die dynamische Lichttexturen über die Umgebung zu legen scheint. Besucher sind eingeladen, ihre Schuhe auszuziehen und auf die Installation zu klettern, um mit dem Lichtspektakel eins zu werden und dieses durch ihre Bewegungen zu verändern.

Nahezu überwältigt wurden wir von der schlicht und einfach „Grid“ genannten Installation, die im sechsten und größten Raum wartet. Während in Dreiecken angeordnete Leuchtröhren sich im Takt über den liegenden und sitzenden Besuchern bewegen, erzeugt eine Soundmatrix von Holoplot einen unglaublich wirkmächtigen, dreidimensionalen Raumklang. Alle Töne sind präzise verortbar und dynamisch an den Raum angepasst. Der von Robert Henke komponierte Sound ist mal perkussiv eindringlich, mal wabernd atmosphärisch und lässt einen in die Immersion der audiovisuellen Skulptur abtauchen, so dass der Durchlauf der kinetischen Performance wie im Flug vergeht. Man hat nun endgültig das Gefühl von einer Art Matrix und den raumschiffähnlichen Strukturen von „Grid“ umgeben zu sein.

Abgeschlossen wird der Ausstellungsrundgang von einem weiteren interaktiven Sound-Experiment. Die Installation „Tonleiter“ verwandelt eine Leiter in ein Musikinstrument zum Ausprobieren, wobei jede Stufe mit einem Klangbeispiel und Lichtern an der Decke verbunden ist. Besucher können ihre eigene Musik kreieren und dem Erlebnis damit eine persönliche Note verleihen.

Hinter dem Projekt und den Werken steht Christopher Bauder, Gründer des Designstudios WHITEvoid und des Lichttechnikherstellers KINETIC LIGHTS. Er ist der kreative Kopf hinter DARK MATTER. Bekannt für seine großformatigen Lichtkunstinstallationen wurden Bauders Arbeiten weltweit ausgestellt, darunter auch sein Projekt SKALAR, das weltweit zahlreiche Besucher anzog. In DARK MATTER wird Bauders Vision der Verschmelzung von digitaler und physischer Welt zum Leben erweckt und den Besuchern durch modernste Technologie und immersive Installationen ein einzigartiges Erlebnis geboten. Die erzeugten Klanglandschaften sind ebenso integraler Bestandteil des Erlebnisses wie Licht und Bewegung und verleihen den Installationen eine weitere Ebene der Immersion. Man spürt die hohe Kunstfertigkeit und den aufwendigen Prozess, der in allen äußerst hochwertig produzierten Installationen steckt. Wir haben selten eine stimmigere Verbindung von Kunst und Technologie gesehen und gehört.

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Seit 20 Jahren arbeiten Yadegar Asisi und Eric Babak zusammen. Der Panoramakünstler und der Komponist. Angefangen hat es mit dem Mount-Everest-Panorama 2003 im Panometer Leipzig. Es war die Wiederentdeckung des Panoramas im 21. Jahrhundert. Als Malerei mit digitalen Techniken und unterschiedlichsten Motiven und Themen wurde auch die Inszenierung völlig neu gedacht – mit wechselnden Lichtstimmungen und den von Eric Babak komponierten Soundcollagen als einem der wesentlichen Gestaltungselemente. Die Musik, die Eric Babak dazu komponiert ist ähnlich wie die Filmmusik ein unverzichtbarer emotionaler Verstärker. Auf einer 360°-Klangmatrix führt sie die Besucherinnen und Besucher als sinfonische Bildbegleitung durch die Szenen und verstärkt auch die räumliche Wirkung des Bildes. Wie diese Musik entsteht, darüber sprachen wir mit Eric Babak an seinem Wohnort im Londoner Bezirk Soho.

Text: Juliane Voigt

Bildsinfonien

Die Panoramamusiken des belgischen Komponisten Eric Babak

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ERIC BABAK Eric Babak ist ein Warner/ChappellKünstler und komponiert neben seiner Arbeit für Yadegar Asisi zahlreiche Werke für das europäische Fernsehen und viele weitere Kulturinstitutionen.

ThreeSixO In Filmproduktionen gibt es eine Phase der Postproduktion, in der Regisseur und Komponist zusammenkommen, um über die Platzierung der musikalischen Segmente zu entscheiden. Wie läuft dieser Prozess bei Ihrer Zusammenarbeit mit Asisi ab?

Eric Babak Ja, tatsächlich ähnlich. Ich kenne das jeweilige Panoramabild vom ersten Gedanken an. Schon bevor ich den ersten Entwurf bekomme, sprechen wir über seine Idee und seine Vision. Nehmen wir mal das PERGAMON -Panorama. Da geht es um die antike Stadt Pergamon, die Yadegar Asisi in Zusammenarbeit mit den Archäologen der Staatlichen Museen zu Berlin zu neuem Leben erweckt hat. Sein Bild der Stadt zeigt unter anderem, wie der Pergamonaltar während eines antiken Theaterfestivals als Opferstätte genutzt wurde. Da wird Theater gespielt, der Kaiser Hadrian betritt die Arena und wird von Massen gefeiert, in anderen Szenen wird musiziert und getanzt. Wenn dann die ersten Entwürfe vorliegen, besprechen wir das ganze Bild und wählen die Szenen aus, die musikalisch unterstützt werden sollen, die ich dann mit Sounds und Musik erkennbar mache. Yadegar Asisi ist hier der Regisseur und hat immer klare Vorstellungen. Es ist mir wichtig, zu wissen, was er will. Erst dann setze ich im Studio meine ersten Ideen um. Die Arbeit am Soundtrack ist ein ständiger Austausch von Musik und Gedanken.

ThreeSixO Woher nehmen Sie Ihre musikalische Inspiration? In Pergamon zum Beispiel weiß niemand, wie die Musik damals geklungen hat.

Eric Babak Das stimmt, in anderen Fällen kann ich mich in die Musik den entsprechenden Zeiten reinhören. Aber wir haben ja Fantasie. Yadegar Asisi arbeitet in seinen Bildern immer sehr genau und führt wissenschaftliche Erkenntnisse mit seiner künstlerischen Interpretation zusammen. Ich bin in der Komposition meist noch freier. Jede Panoramamusik hat, wie es auch in Filmen wichtig ist, ein großes musikalisches Hauptthema. Wir setzen es meistens für den Übergang aus der Nacht- in die Tagvariante ein. Aber es kommt auch ständig in kleineren Varianten vor. Bei DRESDEN BAROCK klingt es dann wie in der Barockzeit. Beim Soundtrack zum TITANIC-Panorama haben wir mit einem großen Orchester gearbeitet, um die Größe zu erreichen. Für das PERGAMON -Panorama haben wir in der Schweiz jemanden gefunden, der sich auf sehr alte Flöten spezialisiert hat. Ihm habe ich dann meine Partituren gesendet, die er dann eingespielt hat. Manchmal bringt Yadegar Asisi auch Sounds von seinen Reisen mit. Bei dem AMAZONIEN -Panorama konnte ich zum Beispiel den Gesang eines indigenen Amazonas-Bewohners an einem Feuerkreis im Urwald in die Collage einsetzen. Oder die originalen Urwaldgeräusche. Wenn wir uns dann wohl fühlen mit dem Ergebnis wird alles im Studio produziert und die Orchester, Chöre oder Solisten aufgenommen und alles mit den Geräuschen in eine Klangwolke verwandelt.

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Foto: Tom Schulze © asisi

ThreeSixO Sie kreieren aufwendige Klangcollagen oder ‚Klangwolken‘. Im Panorama PERGAMON gibt es Fanfaren für Kaiser Hadrian, jubelnde Menschen, klappernde Räder, kreischende Tiere am Opferaltar, Schritte, Regen, Wind, zirpende Zikaden ...

Eric Babak Alles, was in dem Bild gezeigt wird, kann auch zu hören sein, wenn es für Yadegar Asisis Inszenierung von Bedeutung ist. Im Film sind das die Geräusche, die die Szenen authentisch machen. Die Panoramamusik führt die Besucher durch das Bild. Licht und Musik sind genau aufeinander abgestimmt. Bei Bildern mit einem Tag und Nacht Wechsel wird das natürlich auch unterstützt. Manchmal ist es für eine Weile einfach still, oder es zwitschern nur die Vögel, oder es regnet, auch das kann Ruhe erzeugen. Insgesamt läuft der Sound im Tag-Nacht-Rhythmus etwa 15-20 Minuten pro Durchgang, aber viele Besucher bleiben viel länger für mehrere Durchgänge und entdecken auf ihren Rundgängen immer wieder neue Details im Panorama und in der Musik.

ThreeSixO Im Bereich der klassischen Musik gibt es die symphonische Dichtung, Musik, die ohne Worte erzählt. Ihre Panoramamusik scheint mir ähnlich zu sein, vor allem wenn man bedenkt, welch tiefe emotionale Wirkung sie auf das Publikum hat. Wenn man die Besuchenden beobachtet, kann man sehen, wie sie allein durch den Anblick und den Klang mitgerissen werden. Wie gehen Sie beim Komponieren von Emotionen vor?

Eric Babak Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht genau. Ich will gar nicht verstehen, wie es entsteht. Ich wehre mich immer dagegen zu analysieren, wie es entsteht, es muss aus einer Leichtigkeit, einer Unbeschwertheit heraus entstehen. Meine Zusammenarbeit mit Yadegar Asisi ist sehr spontan und der ständige Austausch inspiriert sofort zu neuen Ideen. Wir entwickeln gemeinsam das Konzept vom Soundtrack, und ich hatte noch nie das Gefühl, dass ich mich im Ergebnis verbiegen musste. Er hat sehr klare Vorstellungen wie sein Bild klingen soll, und ein sehr feines Gespür bezüglich der Intensität der Emotionen. Das können Gedanken sein wie beispielsweise Traurigkeit mit einem Hoffnungsschimmer oder Freude mit einem Hauch von Sorge. Dies umzusetzen ist ein spannender Vorgang für mich. Glücklicherweise stimmen unsere Vorstellungen darüber überein, wie es klingen soll, welche Emotionen es hervorrufen soll. Nach unseren Gesprächen kristallisiert sich für mich immer eine Idee klare heraus. Erst wenn es im Kopf fertig ist, gehe ich ins Studio für die Umsetzung, weil ich die Musik dann mit Orchester und Chören aufnehme. Für mich ist wichtig, dass das Bild für Yadegar so klingt wie er es im Kopf hatte, dann ist meine Mission erfüllt. Ich freue mich auf jedes neue Werk als wäre es das erste. Wenn man dann die Besucher mit staunenden Augen sieht, und hier und da eine Träne, ist das ein toller Moment.

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Bildsinfonien – Die Panoramamusiken des belgischen Komponisten Eric Babak
19 Foto: Felix Broede © asisi

ALLE AKTUELLEN PROJEKTE VON YADEGAR ASISI:

NEW YORK 9/11

Bis Anfang 2024

PANOMETER LEIPZIG

Richard-Lehmann-Straße 114 04275 Leipzig

T +49(0)341.35 55 34-0 www.panometer.de

DRESDEN IM BAROCK

PANOMETER DRESDEN

Gasanstaltstraße 8b 01237 Dresden

T +49 (0)351.48 64 42 42 www.panometer-dresden.de

LUTHER 1517

WITTENBERG360 Lutherstraße 42 06886 Wittenberg

T +49(0)3491.459 49-10 www.wittenberg360.de

PERGAMON

GASOMETER PFORZHEIM Hohwiesenweg 6 75175 Pforzheim

T +49(0)7231.776 09 97 www.gasometer-pforzheim.de

PERGAMON PERGAMONMUSEUM.

DAS PANORAMA (BERLIN) Museumsinsel Berlin

Am Kupfergraben 2 10117 Berlin service@smb.museum www.smb.museum/pmp

DIE MAUER

ASISI PANORAMA BERLIN Friedrichstraße 205 10117 Berlin

T +49(0)30.695 80 86 01 www.die-mauer.de

Die ThreeSixO ist gratis, für den Leser und für Ihre Location. Als Betreiber einer Galerie, eines Museums, Cafés, Hotels o.ä. wenden Sie sich bitte an unseren Vertrieb. Wir senden Ihnen die gewünschte Menge ohne für Sie anfallende Kosten gern zu.

Chefredaktion

Juliane Voigt | info@threesixo.com Vertrieb

Fanny Thiel | fanny.thiel@threesixo.com www.threesixo.com

Impressum: asisi F&E GmbH, Oranienplatz 2, 10999 Berlin threesixo.com
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