Angela Hunt
Töchter der Wüste Roman
Miryam Wieder einmal wurde mein Vater von dem Aufseher aufgehalten und kam an diesem Abend nicht nach Hause. Und so hörte meine Mutter endlich auf zu weinen und gebrauchte ihren Verstand. Beim Schein des trüben Lichts unserer einzigen Öllampe nahm sie getrocknetes Schilf aus einem Behälter vor dem Haus und begann, es zu einem Korb zu flechten. Schweigend beobachtete ich sie. Das traurige Lächeln auf ihrem Gesicht machte mir Angst. „Ich werde vielleicht nicht mehr erleben, wie er unter einem Hochzeitsbaldachin steht“, murmelte Mutter, während ihre Finger geschickt die langen Stränge verflochten, „aber ich werde ihn jetzt mit einem Baldachin beschirmen.“ Sie würde es nicht erleben? Ich kauerte mich gegen die Wand, mein Herz klopfte zum Zerspringen in meiner Brust. Was hatte meine Mutter vor? Ich erschauerte, als eine Vision vor meinen müden Augen auftauchte – meine Mutter, die ihr Baby in diesem Korb in den Händen hielt und in den Fluss marschierte, bis das Wasser ihre Knie umspielte, ihre Oberschenkel, ihre Taille. Doch sie würde weitergehen, bis der Fluss sie und das Baby verschlungen hatte. Sie würde ihre Seele und die des Babys Gott geben, bevor sie zuließ, dass die Ägypter es ihr wegnahmen. „Miryam!“ Mutters Stimme riss mich aus meinen Tagträumen. „Nimm den Krug mit Pech und zünde draußen das Feuer an. Sofort.“ Ich starrte sie einen Augenblick lang verständnislos an, aber ihrer Entschlossenheit konnte ich mich nicht widersetzen. Gehorsam nahm ich den Krug mit Pech und