Leseprobe zu: Sebastian B. Sander Ballgeflüster Warm laufen Eigentlich lief bisher alles in meinem Leben in rechten Bahnen. Ich hatte eine ganz normale Kindheit und fühlte mich bisher nie als jemand, der vielleicht ein wenig außergewöhnlich ist. Bis auf, na ja, mein kleines Problem. Es ist mir viele Jahre überhaupt nicht bewusst gewesen. Denn schon sehr früh kam ich mit dem „Corpus delicti“ in Berührung. Und das war schon seit seiner Erfindung eine wirklich runde Sache. Als Vierjähriger steckten mich die großen Nachbarjungen in ein schwarz-oranges Trikot und stellten mich ins Tor. Auch ein Weg, wie man sich Erfolgserlebnisse erschleichen kann ... Auch mir machte es Spaß, wenn der Ball im Netz zappelte, und der Unterschied zwischen Torwart und Balljunge war mir noch gar nicht so bewusst. Ach so: Ich heiße übrigens Sebastian. Aber bereits als Kind sagten alle Ben zu mir. Meine Eltern hatten mir diesen zweiten Namen gegeben, weil ich nicht nur das letzte Kind in der Reihe war, sondern auch das einzige. Aber ein Junge braucht keine Brüder, um eine besondere Liebe für den Fußball zu entwickeln. Bereits als Teenager sammelte ich alle Ausgaben des Fußballmagazins „Kicker“, um auch ja keine Informationen zu verpassen und auf dem Schulhof und im Verein mitreden zu können. Und zum Saisonstart kaufte ich immer zwei Sonderausgaben: Eine, um die Bilder über meinem Bett aufzuhängen und eine, um die Spielerdaten auswendig zu lernen. Und dann habe ich Stunden um Stunden am Schreibtisch gesessen und selber Mannschaften aufgestellt. Ich habe Hefte mit den unterschiedlichsten Spielpaarungen voll geschrieben, habe Spieler gekauft und verkauft, Paarungen ausgelost und die verschiedenen Mannschaften der Bundesliga eine ganze Saison im Geiste und auf dem Papier gegeneinander spielen lassen. Die Ergebnisse habe ich ausgewürfelt. Und wenn mir eins nicht so ganz passte, dann habe ich eben noch mal gewürfelt ... Und als Jugendlicher habe ich auch lieber mit dem runden Leder als mit irgendeinem jungen Luder gespielt. Aber heute, wo ich seit zwei Jahren meinen vierzigsten Geburtstag feiere, habe ich gemerkt, dass ich es vielleicht in letzter Zeit doch ein wenig übertrieben habe mit meiner Liebe zum Fußball. Schon immer hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich so manche Veranstaltungen in meiner Kirchengemeinde schwänzte, um stattdessen ins Stadion zu gehen oder zu Hause gemütlich als Sesselsportler die Spiele zu sehen. An einem Sonntag war es dann so weit: Ich beschloss, mich meinem Problem zu stellen. Es konnte doch nicht sein, dass meine Liebe zum Fußball größer war als meine Liebe zu Jesus. Irgendwie ist mir das im Gottesdienst auf einmal bewusst geworden und ich habe mich entschieden, an mir selbst zu arbeiten.
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