Prolog 1931 Antonia ergriff die Hand ihres Großvaters und zog ihn in die Dunkelheit. „Komm, Nonno. Du darfst dich nicht wehren.“ Sein Hinken war stärker denn je, aber es war nicht viel Zeit. Sein weißer Schopf leuchtete im Kerzenschein. Im Keller gab es weder Gas noch Strom, und der Gang wurde nur von der Messinglaterne erhellt, die sie in der Hand hielt. „Komm––“ Sie verstummte, als sie Geräusche über sich vernahm. Durch das Holz und den Stein und die Erde klang es, als wären Murmeln auf einem gekachelten Boden ausgeschüttet worden. Aber das war es nicht. Sie hatte gebetet, dass Papa sich irrte und sie nichts zu befürchten hatten. Aber er hatte Recht gehabt. Signore! Sie wurde von dem verzweifelten Drang erfüllt, zurückzulaufen und die Treppe hinaufzurennen. Sie hatten Papa gefunden! Was sonst konnte es sein? Aber Nonnos Griff schloss sich fester um ihre Hand. Er sagte nichts, aber der schmerzliche Ausdruck in seinen Augen schürte ihre Willenskraft. Nonno brauchte sie. Vorsichtig führte sie ihn tiefer in den stillen Steinschlund, der ihre Gegenwart verschluckte, während die Angst hinter ihnen hereinsickerte. Ihr Herz schrie: Papa! Aber ihre Tränen waren lautlos. Sie durften kein Geräusch machen, das man oben hören konnte. Plötzlich wurde die Hand ihres Großvaters, mit der sie festhielt, zu einer Kralle und er sank in die Knie. „Nonno?“ Sie kniete sich neben ihn, während er zusammensackte, und ein Schrei stieg in ihr auf, als er ihre Hand an seine Brust presste. Nonno! Sie musste Hilfe holen! Sie musste–– Er klammerte sich an sie und keuchte: „Nein, Antonia. Sie dürfen dich nicht finden.“ Nicht finden? Was spielte ihre Sicherheit für eine Rolle, wenn sie die Menschen, die sie am meisten auf der Welt liebte, verlor? Tränen tropften von ihrem Kinn. Hektische Gedanken huschten wie Mäuse in dem Tunnel herum, während zugleich Brunnen der Trauer sich aus 5