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IDEOLOGIEN“ IN 2021

Internationale Triennale „RAY Fotografieprojekte Frankfurt/RheinMain“

Es ist wieder soweit – zum vierten Mal findet die internationale Triennale „RAY Fotografieprojekte Frankfurt/RheinMain“ statt. Wie schon bei den ersten drei Ausgaben geht es auch diesmal um Vernetzung von Sammlungen und Institutionen, um Kooperation: Gemeinsam widmet sich die ganze Region dem Festivalthema. Internationale Leuchtkraft und die Vernetzung in der Region hatte der Kulturfonds Frankfurt RheinMain im Sinn, als er das Projekt 2012 initiierte und bis heute fördert. „EXTREME“ lautete das letzte RAY-Thema, 2021 dreht sich das Festival um „IDEOLOGIEN“. Und auch in diesem Jahr ist der Anspruch wieder hoch: Internationale Fotokunst wird vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen Bedeutung an elf verschiedenen Orten präsentiert. „Das große Versprechen der Globalisierung – den Menschen weltweit mehr Wohlstand zu bringen – weicht zunehmender Skepsis“, konstatieren die Veranstalter: „Von Menschen gemachter Klimawandel, Raubbau an der Natur, die Macht und Abhängigkeit der Gesellschaften von den großen Tech-Konzernen und die stetige Konzentration von Reichtum in den Händen weniger führen nicht allein zu weltweiten Migrationsbewegungen, sondern zu immer mehr Frustration, was eine zunehmende Polarisierung öffentlicher Debatten zur Folge hat.“ Das Festival kreist also um Ideologien und ideologische Einstellungen als Begründung und Rechtfertigung von Ideen, Überzeugungen und Werten – ein Thema, das wirklich brandaktuell ist. Gezeigt werden soll kritische, reflexive Kunst, die „ihre eigenen Grundlagen zur Entstehung und das Zeigen mit hinterfragt“. Vom 3. Juni bis 12. September ist das Festival zu erleben, das diesmal von fünf Institutionen und sieben Kuratorinnen und Kuratoren entwickelt wurde: Die Deutsche Börse Photography Foundation, die Kunststiftung DZ BANK, das Fotografie Forum Frankfurt, das Museum Angewandte Kunst und das MMK werden ausgewählte Beiträge sowie Neuproduktionen von Künstlerinnen und Künstlern wie Akinbode Akinbiyi, Máté Bartha, Johanna Diehl, Eddo Hartmann, Paula Markert, Qiana Mestrich, Yves Sambu, Adrian Sauer und Salvatore Vitale zeigen. Im Rahmen der RAY-Triennale sind auch drei Festivaltage mit Vorträgen und Talks geplant.

Yves Sambu, „Vanitas project“, 2010–2017, Ausstellung im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main © Yves Sambu

Lee Miller, „Fire Masks“, London, England, 1941, Ausstellung „Lee Miller. Hautnah. Fotografien von 1940 bis 1946“, Opelvillen, Rüsselsheim © Lee Miller Archives, England 2021

Sechs RAY-Partnerprojekte ergänzen das Programm: So werden im Museum Giersch der Goethe-Universität Nini und Carry Hess, im Kunstforum der TU Darmstadt Hilde Roth und in der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim Lee Miller präsentiert. Mit der Ausstellung „Schöne ordentliche Bilderwelt – Erziehung zum Wegsehen?“ nimmt das Historische Museum Frankfurt die manipulative Struktur der NS-Bildberichterstattung anhand des Nachlasses des Frankfurter Fotografen Otto Emmel in den Blick. Der Nassauische Kunstverein Wiesbaden zeigt Eva und Franco Mattes. Und die Marta Hoepffner-Gesellschaft für Fotografie e. V. im Stadtmuseum Hofheim setzt auf einen fotografischen Dialog von Nicole Ahland und Sibylle Fendt mit Marta Hoepffner. Eröffnet wird die Kooperationsschau mit einem Festival, das vom 1. bis 3. September Referentinnen und Referenten unterschiedlicher Disziplinen zum Diskurs einlädt. Aus dem großen Ausstellungsprogramm hervorheben möchten wir die Arbeiten von Yves Sambu, die im Museum Angewandte Kunst zu sehen sind. Der 1980 geborene Kongolese porträtiert die „Sapeure“, jene in westeuropäische Luxusmarken gekleidete Männer Kinshasas, die er auf Friedhöfen posieren lässt, also in einem Raum, „in dem Narzissmus – als extreme Liebe zu sich selbst – und der Respekt vor dem Tod und den Toten zusammenfallen“. Für die Kuratoren ist die „La Sape“-Bewegung ein „performativer Akt einer Selbstermächtigung, in der Kollektivismus und Individualismus verschmelzen“. Ein besonderer Höhepunkt wird sicher die Ausstellung „Lee Miller. Hautnah. Fotografien von 1940 bis 1946“ in den Rüsselsheimer Opelvillen sein. Die Arbeit Millers hat sich über fünf Jahrzehnte entwickelt: ein fotografisches Werk, das in seiner thematischen Bandbreite ungewöhnlich ist. Experimentelle, surrealistische Fotografie, Mode- und Reisefotografie, Porträts und Reportagen aus dem Zweiten Weltkrieg – Millers Œuvre ist von erstaunlicher Vielgestaltigkeit.

Eddo Hartmann, „Trolley Bus“, Somun Street, Pyongyang, 2015, Ausstellung in der Deutsche Börse Photography Foundation, Frankfurt am Main

Die bedeutendsten Aufnahmen gelingen Lee Miller in den befreiten KZs in Dachau und Buchenwald: Das Leid der Gefangenen, tote SS-Offiziere, die Krematoriumsöfen – all das hat sich eingeschrieben in die Geschichte der Fotografie, aber ebenso in die Psyche der Fotografin, die diese Bilder zeit ihres Lebens nicht mehr los werden konnte. Miller wird nach dem Krieg nur noch wenige Jahre als Fotografin arbeiten. Zwar entstehen noch Modeaufnahmen, doch die große Zeit der leidenschaftlichen Bildreporterin ist vorbei. Zurück bleiben ihre Bilder: dunkle, abgründige Schlaglichter auf eine brüchige Lebenswelt.

MARC PESCHKE

3. Juni bis 12. September 2021 www.ray2021.de