6 minute read

PARK UND MUSEUM SCHLOSS MOYLAND

Das Museum Schloss Moyland widmet sich mit seinen Ausstellungen und wissenschaftlichen Veranstaltungen schwerpunktmäßig dem künstlerischen Schaffen von Joseph Beuys. Dieser war seit den 1950er-Jahren mit den Kranenburger Brüdern Hans und Franz Joseph van der Grinten befreundet; sie wurden seine ersten Sammler. Dieses annähernd 6.000 Objekte umfassende Konvolut an Beuys-Arbeiten mit Zeichnungen, Wasserfarbenblättern, Ölgemälden, plastischen Bildern und anderen Arbeiten bildet heute den Grundstock des Joseph Beuys Archivs in Schloss Moyland. Ebenso finden sich zahlreiche Archivalien zu Leben, Werk und Wirken des Künstlers in der Sammlung, die auch als internationale Forschungseinrichtung eine zentrale Rolle in der und für die Beuys-Forschung spielt. Zugleich ist man Partnerinstitut der Kunstakademie Düsseldorf.

Schlosspark, Foto: Stiftung Museum Schloss Moyland / Lokomotiv.de

Ute Klophaus, „Joseph Beuys“, undatiert, S/W-Fotografie, Baryt, 31 x 20 cm, Stiftung Museum Schloss Moyland, Joseph Beuys Archiv jba-f 90613 / bpk

Joseph Beuys Der mit dem Kojoten tanzte

Schutzbringende Ahnen und Abwehrzauber, uralte Geisterrituale, Altäre aus Erde und Knochen, Tiermumien und Amulette. In vielen Kulturen existiert eine Fülle schamanischer Objekte und Praktiken. Schamanen spielen seit der frühen Menschheitsgeschichte eine zentrale Rolle für Gemeinschaften. Sie sind bis heute die „Hüter traditionellen Wissens, vermitteln [...] archaische Rituale, mythologische Kenntnisse und spirituelle Weltsicht“. Magisches Denken, Jagdzauber, Orakel, Krankenheilung und verschiedene Übergangsrituale sind wichtige Techniken und Werkzeuge. Sie sorgen für Erleichterung, manchmal für Heilung.

„Joseph Beuys und die Schamanen“ heißt die Ausstellung im Museum Schloss Moyland, die am 2. Mai beginnen soll (bis 29. August 2021) und neben Werken von Joseph Beuys zum ersten Mal auch ethnologische Exponate aus schamanischen Lebenswelten zeigt. Objekte aus dem zirkumpolaren, eurasischen Raum, in dem Beuys in seiner frühen Schaffensphase Inspiration fand. Tiere spielen in den schamanischen Kulturen, etwa in Sibirien und der Mongolei, stets eine große Rolle: als Doppelgänger des Schamanen oder als Schutzgeister gegen böse Mächte. Sie besitzen eine ganz besondere Kraft und große spirituelle Autorität. Federn, Krallen, Zähne, Bären-, Hunde-, Rentierfelle verkörpern ihre Kräfte ebenso wie Kopfbedeckungen, Masken, mit Stoff und Lederstreifen umwickelte Püppchen ... Immer wieder tauchen Tiere auch in Joseph Beuys’ Kunst auf: Hase, Elch und Hirsch, Schwan, präparierte Fische, Bienen, Pferde und Kojoten. Und auch Pflanzen mit ihren vielfältigen Wirkungen als Heil- und Wundermittel sind wichtig in schamanischen Ritualen − und wichtig für Joseph Beuys’ Kunst. Die Natur war ihm ein Gleichnis und gleichzeitig Quelle energetischer Prozesse. Honig, Margarine und Wachs waren ihm ebenso Werkstoff wie Holz, Blei oder Filz. Es waren deren Energien und wärmende oder leitende Eigenschaften, die er suchte. Die Rolle des Schamanen hat Beuys in vielen Aktionen immer wieder selbst übernommen, hat sich schamanischer Praktiken bedient, um spirituelle Zusammenhänge aufzuzeigen und Transformationen einzuleiten. Als „Magier, Heiler, Seelenführer“ hat er den historischen wie den zeitgenössischen Schamanismus in Kunstaktionen überführt und fruchtbar gemacht. Hat sich in dieser Rolle als „spirituellen Vermittler zwischen sichtbarer und unsichtbarer Wirklichkeit“ verstanden, als Mittler zwischen Natur und Kosmos, zwischen Materiellem und Spirituellem. Vor dem Hintergrund existenzieller globaler Fragestellungen widmet sich die Ausstellung im Museum Schloss Moyland mit ihrem interdisziplinären Ansatz der zeitgenössischen künstlerischen Aneignung von Schamanismus und dem nach wie vor hohen Aktualitätswert schamanischen Denkens auch in der westlichen Welt. Es geht den Künstlerinnen und Künstlern heute (wie einst) um persönlich-spirituelle Sinnstiftung, genauso aber um Kapitalismus- und Zivilisationskritik oder radikale feministische Ansätze, um postkoloniale Diskurse und andere Themen wie Natur und Umwelt oder nicht menschliches Leben. Beuys’ Ansatz hat ganz offenbar nichts von seiner Relevanz eingebüßt.

Robert Schad Tango im Park

Massiver Vierkantstahl, stählerne Stäbe, industriell hergestellte Stücke aus Metall: Der Bildhauer Robert Schad arbeitet im Außenraum mit massiven, wuchtigen Materialien. Er bearbeitet sie zuvor mit schwerem Gerät, zersägt und addiert die dicken Brammen, braucht großes Werkzeug und riesige Hallen als Werkstatt, verwendet die Spielzeuge der großen Jungs ... und doch schafft er höchst poetische Skulpturen, die mitunter fast leichtfüßig erscheinen. In sich bewegt, immer wieder abknickend in die eine oder andere Richtung, sich kreuzend und verzweigend, mit verschliffenen Schweißnähten, sich im Raum entfaltend. Sie schweben in weiten Schwüngen, Bögen und fast klingt es, als würden sie im Park mit den Bäumen tanzen. Harter kalter Stahl ist eigentlich das Material der Maschinen und Waffen. In der Natur und im Stadtraum allerdings gewinnen die Skulpturen von Robert Schad geradezu vegetabilen Charakter. Im Skulpturenpark des Museums Schloss Moyland hat der Künstler anlässlich seiner Ausstellung „Tango“ nun 16 große Objekte platziert, ihnen jeweils eigene Orte zugewiesen, von wo aus sie in muntere Dialoge mit Natur oder Architektur verstrickt werden. Die ausladenden Skulpturen besetzen den sie umfangenden Raum, eignen sich die Umgebung ein Stück weit an und ... verändern sie. Sie antworten auf die Besucherinnen und Besucher, überraschen immer wieder mit neuen Ansichten. In ihrer Bewegtheit, ihrem Taumeln und ihrer Beschwingtheit geben sie einen ganz eigenen Rhythmus vor. An was erinnern die großen Tentakeln im Raum sonst noch?

Robert Schad, „SERBINT“, 2019, 241 x 217 x 62 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Stiftung Museum Schloss Moyland / Maurice Dorren

„Mein Anspruch ist es, denjenigen, die den Skulpturen begegnen, einen Impuls zu geben, um sich auf die Reise in ureigene Assoziationswelten aufzumachen“, so formuliert es der Künstler. Man muss vermutlich nicht selber Tango tanzen, um das Tänzerische dieser Skulpturen auch am eigenen Leib zu erfahren. Nicht ohne Grund platziert Schad seine Werke am liebsten ohne Sockel direkt auf dem Boden, dem Grund, auf dem auch wir als Betrachtende uns befinden. „Kunstwerke gehören nicht auf einen Sockel, sie sollen sich nicht erheben und wichtigtun“. Der in Frankreich lebende Bildhauer Robert Schad (*1953 in Ravensburg) arbeitet schon seit Langem mit Stahl. Mit jenem energischen Werkstoff, der eigentlich für die Großindustrie reserviert schien. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben bildende Künstler und Architekten jene rohen Baumaterialien wie Beton und Stahl und deren ganz spezielle brutale Anmutung für sich entdeckt. Lärm und Dreck und Maloche, tatsächlich ist die Aura des Industriellen den Materialien selbst eingeschrieben. In ihren Kunstwerken aber gelingt es Bildhauern wie Robert Schad, jene spröde und abweisende Materialgeschichte fast vergessen zu lassen und in so etwas wie Eleganz zu wenden. Eleganz als Vokabel klingt freilich ein bisschen dekadent, denn die großen, aber genauso die kleineren Arbeiten verbergen niemals ihre Herkunft aus jener rauen, dreckigen Welt. Warum sollten sie auch? Es ist ja gerade Teil ihres Zaubers, die vermeintliche Grobheit in Anmut zu verwandeln. Bis August 2021 werden die Arbeiten im Park stehen. Derweil geben bis 27. Juni 2021 im Inneren des Schlosses Zeichnungen, Maquetten und Wandarbeiten aus Blech Einblicke in den Prozess der Formfindung und in die Genese seiner Stahlplastiken.

KATJA BEHRENS

www.moyland.de

Joseph Beuys im Süden

Achberg in den 1970ern: Treffpunkt des geistigpolitischen Aufbruchs in Deutschland

Dem 100. Geburtstag von Joseph Beuys (1921−1986) widmen das Museum Ulm (23. Januar bis 4. Juli 2021) und die Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn (24. Juli bis 31. Oktober 2021) ein gemeinsames Ausstellungsprojekt. Im Fokus stehen Joseph Beuys’ gesellschaftspolitisches Wirken sowie die Beziehung des Künstlers zum deutschen Süden am Beispiel markanter Persönlichkeiten, Institutionen und Projekte. Kaum bekannt ist Beuys’ erste Aktion im Heilbronner Hauptbahnhof 1945/46, die ihn 1967 zum Projekt „Aktion Hauptstrom“ führte. Weitere wichtige Verbindungslinien bestehen nach Giengen an der Brenz, woher Joseph Beuys den Filz für seine Objekte bezog, sowie nach Wangen im Allgäu, wo er die berühmte „Honigpumpe“ für seine Teilnahme an der „documenta 6“ herstellen ließ. Das Beuys-Archiv für Soziale Plastik des Verlegers und Publizisten Rainer Rappmann in Achberg bei Lindau am Bodensee bildet einen Schwerpunkt der Ausstellung. Beuys’ Wirken im dortigen Internationalen Kulturzentrum (INKA) in den durch alternative Bewegungen charakterisierten 1970er-Jahren wird durch Ton-, Bild- und Filmdokumente lebendig gemacht. Die Ausstellungsthemen sind vielfältig: So geben die Multiples aus zwei privaten Sammlungen, die die musealen Bestände ergänzen, unter anderem zur Direkten Demokratie, zu Kunst und Kapital, Ökologie und Friedensbewegung oder zur Partei DIE GRÜNEN, auch Auskunft darüber, dass Beuys’ Ideen, die ihn vor wenigen Jahrzehnten beschäftigten, heute aktueller sind denn je.

www.museumulm.de museen.heilbronn.de

Joseph Beuys während des Aufbaus der „Honigpumpe“ auf der „documenta 6“ in der Rotunde des Fridericianums in Kassel 1977, Foto: © Archiv der Pumpenfabrik Wangen GmbH