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SCHUL-DIGITALISIERUNG BRAUCHT NACHHILFE

Ein Jahr noch läuft der Digitalpakt Schule, der mit staatlichen Fördermitteln die Digitalisierung im Bildungsbereich voranbringen sollte. Wenn Schulen aber mit der rasanten Entwicklung der IT Schritt halten wollen, ist Nachhilfe erforderlich.

Tablet statt Tafel, Notebooks und smarte Software fürden Vertretungsplan und die individuelle Förderung von Schülern, Podcasts, Vlogs und Videos statt Klausuren – das sollte schon längst zum Alltag allgemeinbildender und beruflicher Schulen in Deutschland gehören. Keine Frage: Die Corona-Pandemie und Fördermittel etwa aus dem Digitalpakt Schule haben Schulen zu einen Digitalisierungsschub verholfen, dennoch ist der digitale Unterricht an vielen Schulen noch nicht angekommen

Und es mag ja sein, dass die IT-Infrastruktur und -Ausstattung vieler Schulen aufgestockt und modernisiert werden konnte. Doch braucht es an Schulen weitaus mehr als adäquate Endgeräte für Schüler und Lehrer, damit Schulen in Deutschland zeitgemäßen, medienpädagogisch sinnvollen Unterricht anbieten können

So werden ein Jahrvor Ablauf des Digitalpakts Schule nicht nur die Rufe nach einer Fortsetzung des Förderprogramms lauter. Vielmehr fordern Verantwortliche neue Strategien, länderübergreifende Konzepte und Standards fürdie Schul-IT, um Risiken zu minimieren, Kosten zu sparen und Planungssicherheit zu schaffen Und nicht zuletzt sind pädagogische Konzepte gefragt, um die Medienkompetenz junger Menschen zu schulen

Dass bei der Digitalisierung der Schulen das Klassenziel noch nicht ganz erreicht ist, zeigen unterschiedliche Studien. So bewerten beispielsweise Eltern in einer Bitkom-Umfrage die Ausstattung von Schulen mit digitalen Endgeräten auf der Schulnotenskala im Durchschnitt mit einer 4- („ausreichend“) Die Mehrheit der Eltern (98 %) sind sich aber einig, dass weiter in die technische Ausstattung der Schulen investiert werden muss. Zudem sind 90 Prozent der Eltern der Meinung, dass es regelmäßige Lehrkräftefortbildungen zu digitalen Themen und Kompetenzen geben sollte Ähnlich schlechte Schulnoten erreicht die Digitale Transformation von Schulen auch nach einer Studie des Netzausrüsters Lancom Demnach bestätigen lediglich 40 Prozent der Befragten, dass die ihnen bekannten Schulen über WLAN verfügen. Dabei unterstreichen die Ergebnisse einer Studie des Spezialisten für Bildungsmedien Cornelsen die Wichtigkeit der Digitalisierung von Schulen Für 44 Prozent der in der Cornelsen-Schulleitungsstudie

2023 befragten Schulleiter gehört die Digitalisierung des Unterrichts zu den zentralen Herausforderungen in Schulen Dabei sehen 95 Prozent der Rektoren die Digitalisierung eher als Chance und Hebel, um Lernprozesse zu unterstützen und um individualisiertes, selbstbestimmtes Lernen zu verbessern Außerdem sehen sie darin eine Möglichkeit, um Lehrkräfte etwa bei Verwaltungsaufgaben zu entlasten und damit dem zunehmenden Personalmangel zu begegnen.

Der digitale Umbau der Schulen geht also mit unterschiedlichem Tempo weiter Dennoch verbucht Bundesbildungsmi-

Der Status quo beim Digitalpakt Schule

Seit 2019, dem Beginn der Laufzeit des Digitalpakts Schule sind Bundesmittel von fast zwei Milliarden Euro für den Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen abgerechnet und Projekte im Umfang von 4,1 Milliarden Euro bewilligt worden. Doch reichen die Mittel beiWeitem nicht aus. Laut einer Studie von Cornelsen gehört die Digitalisierung des Unterrichts (44 %) und die digitale Ausstattung (36 %) der Schulen zu den großen Herausforderungen für Schulleiter Schlechte Noten und Nachbesserungsbedarf gibt es laut Lancom auch für die IT-Infrastruktur an Schulen.

Kommentar

Zu Beginn der Umsetzung des Digitalpakts Schule, als die Fördermittel zur Verfügung gestellt wurden, war das Interesse an Beratung besonders hoch. Schulen und Bildungseinrichtungen suchten nach Unterstützung bei der Beantragung und Nutzung der Fördermittel, um sicherzustellen, dass sie die bestmögliche Ausstattung für ihre Schüler erhalten.

Bei der Umsetzung des Digitalpakts Schule sind Systemhäuser, die für die technische Ausstattung und Integration von IT-Infrastrukturen an Schulen verantwortlich sind, auf verschiedene Probleme und Herausforderungen gestoßen. Problematisch war zum Beispiel die Komplexität der Ausschreibungen: Die Vergabe von Aufträgen im Rahmen des Digitalpakts Schule erfolgte häufig über öffentliche Ausschreibungen und Systemhäuser müssen in der Lage sein, effektiv auf solche Ausschreibungen zu reagieren. Neben der Bereitstellung der technischen Ausstattung ist es wichtig, Schulen bei der Schulung der Lehrkräfte, der Schüler sowie beim technischen Support zu unterstützen.

Auch nach Ablauf des Digitalpakts Schule könnten Systemhäuser weiterhin für die Betreuung und Wartung der technischen Infrastruktur an Schulen verantwortlich sein. ITDienstleister wären dann für regelmäßige Updates, Wartungsarbeiten oder etwa die Fehlerbehebung und Sicherheit zuständig. Auch bei der Fortbildung im Umgang mit digitalen Technologien sind die Experten nach wie vor gefragt. Die Zusammenarbeit könnte dabei auf der Grundlage von Serviceverträgen nisterin Bettina Stark-Watzinger den Digitalpakt als Erfolg. „Mittlerweile sind bereits rund 80 Prozent der Gelder verplant und 20 Prozent abgerechnet. Davon profitieren schon jetzt rund 26.000 Schulen in ganz Deutschland.“ Sie beruft sich damit auf Zahlen des letzten Statusberichts des Bildungsministeriums, das die Mittel des Digitalpakts verwaltet. Demnach sind bis Ende Dezember 2022 insgesamt 985 Millionen Euro aus dem Basis-Digitalpakt bereits abgeflossen. Verplant und bewilligt sind bereits etwas mehr als 3,9 Milliarden Euro. Das heißt, pakt Schule gebunden sind, haben die Saarländer nur 45,8 Prozent der Gelder aus diesem Topf abgerufen. dass fast 80 Prozent der im zur Verfügung stehenden Fördergelder für IT-Ausstattung, Infrastruktur, Administration sowie Lehrerfortbildung bewilligt oder bereits ausgegeben sind.

Als Gründe für den regional sehr unterschiedlichen Mittelabfluss gehören zunächst einmal verschiedene Förderprogramme der Länder. Und während im vergangenen Jahr noch Lieferengpässe bei der Beschaffung von Endgeräten ebenfalls die Vergabe der Fördermittel behinderte, geraten heute das komplexe Antragsverfahren und die Bürokratie immer mehr in den Mittelpunkt der Kritik.

Der tatsächliche Stand der Dinge lasse sich aus diesen Zahlen nicht herauslesen, gibt Anne Dederer, Leiterin Bildungsmanagement bei Rednet, zu bedenken. Schließlich müssten die Schulträger in den meisten Bundesländern in Vorleistung gehen und könnten die Gelder erst abrufen, wenn die Maßnahmen in Gänze umgesetzt wurden, erklärt Dederer. Oscar Nobre, Fördermittelberater bei Comteam, ist der Ansicht, dass von den bewilligten Geldern am meisten in eine bessere Ausstattung der Schulen investiert wurde. Das bestätigt auch StarkWatzinger und führt aus: „die zusätzlichen Tablets und Laptops aus den Sonderprogrammen für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sind schon nahezu vollständig in den Schulen angekommen“.

Tatsächlich gehören IT-Infrastruktur und -Ausstattung zu den wichtigsten Zielen des Digitalpakts Schule und sind zweifellos eine Grundvoraussetzung für die Digitalisierung der Schulen. Allerdings zeigen die Zahlen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), dass es starke regionale Unterschiede bei Vergabe und Einsatz der Fördermittel gibt. Während etwa in Baden-Württemberg über 96 Prozent der Mittel aus dem Basis-Digital-

So erfolge die Vergabe von Aufträgen im Rahmen des Digitalpakts Schule über öffentliche Ausschreibungen und ITDienstleister müssten in der Lage sein, effektiv auf solche Ausschreibungen zu reagieren, erklärt Oscar Nobre. Zudem gäbe es bei den Fördermaßnahmen einen sehr engen Zeitrahmen. Systemhäuser müssten daher Projekte effizient planen und umzusetzen können, um vorgegebene Fristen einhalten zu können. Anne Dederer ergänzt, dass „zusätzlich die aktuelle Lage im Baubereich und auf dem IT-Arbeitsmarkt die zügige Umsetzung wichtiger, grundlegender Maßnahmen erschweren“.

Computer-Anbieter wie Acer, die Notebooks und Tablets für Schulen im Portfolio führen und in skandinavischen Ländern oder in Großbritannien im Bildungsbereich stark vertreten sind, bemängeln, dass die IT-Ausstattung nicht zentral geregelt wird. So gäbe es in Spanien beispielsweise Ausschreibungen der Regionen, bei denen gleich 30.000 bis 40.000 Geräte angefragt werden, weiß Acer-EMEA-Chef Emmanuel Fromont zu berichten. Das schafft nicht nur Standards und gleiche Bedingungen für die Schulen, sondern ist auch im Hinblick auf Effizienz und Kosten von Vorteil. Und Karl Trautmann, Vorstand Electronic Partner und Mitglied des Stadtrates in Meerbusch beklagt, dass die Kommunen bei den laufenden Kosten für die Schul-IT allein gelassen werden. Und genau dieser Aspekt zeigt, wo es dringend Nachholbedarf gibt. Schließlich sind die finanziellen Lasten für die fortlaufende Betreuung und Wartung der IT-Systeme in Schulen stark gestiegen.

Unabhängig von Fördermitteln und darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass Betrieb, Administration und Support schulischer IT-Systeme gewährleistet wird. Und über die IT-Beschaffung hinaus winken da für den ITK-Channel üppige Aufträge. Schließlich geht es um nicht weniger als um die Sicherung des Betriebs von fast 40.000 Schulen in Deutschland. Die Leiterin Bildungsmanagement bei Rednet gibt zudem zu bedenken, „dass die meisten Schulen heute eine IT-Landschaft haben, die mit der eines mittelständischen Unternehmens vergleichbar ist, wäre es abstrus, die Verantwortung weiterhin an technisch affine Lehrkräfte abzuwälzen“. Letzteres war zumindest am Anfang der Schul-Digitalisierung häufig der Fall. Dederer führt weiter aus: „Eine Schul-IT darf nicht mehr „nebenbei“ laufen. Sicherheit, Datenschutz und technische Stabilität sind ein Muss für zukunftsfähigen digitalen Unterricht. Bleibt es bei halbgaren Teillösungen – so wie es jetzt noch vielerorts ist – werden es deutsche SchülerInnen in einer stetig digitaler werdenden Arbeitswelt und Gesellschaft schwer haben.“

Die Forderung nach einer Verlängerung des Digitalpakts über das nächste Jahr hinaus steht bei allen Verantwortlichen ganz oben in der Agenda. Verankert ist ein neuer Digitalpakt 2.0 mit einer Laufzeit bis 2030 zwar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Er soll unter anderem auch verstärkt die „nachhaltige Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik sowie die Gerätewartung und Administration“ umfassen. Auch die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften rückt soll beim nächsten Digitalpakt stärker in den Fokus. Das befürwortet auch die Bildungsbeauftragte von Rednet. „Der Technologieaustausch, das Support-Personal und die

Befähigung der Lehrkräfte – medienpädagogisch wie ressourcenorientiert – muss künftig im Vordergrund stehen und verlässlich finanzierbar sein“, ist Dederer überzeugt. Spruchreif ist da allerdings noch nichts. Und so drängt auch der Bitkom darauf, „dass der angekündigte Digitalpakt 2.0 dringend formuliert und verabschiedet werden muss. Außerdem müssen bürokratische Hürden bei der Mittelvergabe abgebaut werden.“

Und nicht nur Schulen und Schulträger, sondern auch IT-Dienstleister, die Schulen bei der Digitalisierung unterstützen, brauchen Planungssicherheit. Andernfalls drohe bei der Digitalisierung von Deutschlands Schulen erneut Stillstand, wie Bitkom-Präsident Achim Berg befürchtet.

Mehr unter: https://voge.ly/vgl8M0g/

Autor: Margrit Lingner

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