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HANNOVER MESSE: DATEN, KI UND NACHHALTIGKEIT

from IT-BUSINESS 08/2023
by vit
Ohne IT geht es nicht. Auch nicht in der Industrie. Wie eng beide bereits verzahnt sind, zeigte sich auf der Hannover Messe. Anwendungsbeispiele zuhauf und hoher Besucherandrang in den „IT“-Hallen belegen das große Interesse. Denn IT ist der Schlüssel für die Zukunft.
Die tiefgehende Verzahnung von IT und Industrie war auf der Hannover Messe in vielen Facetten zu sehen. Ob Pumpanlage auf dem Microsoft-Stand oder ein Windkraftpark bei SAP – was die Messe so besonders macht, sind die vielen konkreten Anwendungsszenarien.
An Ideen mangelt es also glücklicherweise nicht. Und das ist wichtig für die Zukunft, wie Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe, zusammenfasst: „CO2-neutrale Produktion, Künstliche Intelligenz, Wasserstofftechnologien, Energiemanagement und Industrie 4.0 –das sind die übergreifenden Themen der Weltleitmesse der Industrie. Nur im Zusammenspiel dieser Technologien wird es gelingen, unseren Wohlstand nachhaltig zu sichern und gleichzeitig den Klimaschutz voranzutreiben.“
Höhere Effizienz und Sicherheit sind zwei Effekte, die sich viele Unternehmen durch eine engere Verzahnung von Industrie und IT erhoffen. Zentral sind auch Kooperationen und offene Standards, wie ein Szenario auf dem Microsoft-Stand zeigte. Mit der Harting Technologiegruppe, Siemens und SAP demonstrierten die Redmonder, wie offene Industriestandards dafür sorgen, dass standardisierte Daten entlang einer Fertigungslieferkette übermittelt werden können. Das spart Zeit und Geld, weil Daten eben nicht konvertiert werden müssen.
Datenräume, Datenaustausch, Datenanalyse sind weitere große Themen, die rund um Industrie 4.0 diskutiert werden – auch auf dem Stand des Eco-Verbands, der den Gaia-X-Werkzeugkasten mit dabei hatte. Denn: „Mangelnde Datenverfügbarkeit sowie Rechtsunsicherheiten bei der Nutzung von Daten, fehlende einheitliche Standards, sowie regulatorische und finanzielle Anreize für das Teilen von Daten halten viele Unternehmen davon ab, Datensilos aufzubrechen und zu investieren“, sagt EcoVorstandsvorsitzender Oliver Süme und fordert von der Bundesregierung schnelle Nachbesserung. Ein weiterer Booster könnte das Datenökosystem Manufacturing-X werden. Dieser Datenraum „Made in Euro -
KI bringt die Schubkraft für eine neue Deutschlandgeschwindigkeit.
pe“ soll es insbesondere KMU ermöglichen, ihre Daten günstig auszutauschen und die Souveränität über diese zu behalten.
In der Praxis scheint aber gerade dies bereits zu funktionieren – zumindest wenn man darauf blickt, wie viele datengetriebene Use Cases auf der Messe zu sehen waren. Aber eines ist klar: Ohne Beratung geht es für viele nicht. Zu unübersichtlich ist die Zahl der Anbieter, der gesetzlichen Vorschriften, der technologischen Standards und der Mitarbeiter, die das alles umsetzen müssen. Kein Wunder also,
Industrial Transformation – Making the Difference
Unter diesem Leitthema zeigten in Hannover rund 4.000 Unternehmen ihre Lösungen: von der Automatisierung komplexer Produktionsprozesse, dem Einzug von KI in die Industrie, dem Einsatz von Wasserstoff zur Energieversorgung bis hin zur Anwendung von Software zur Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks.
dass auffällig viele Beratungshäuser auf der Messe vertreten waren – von Deloitte, über KPMG bis hin zu Capgemini. Und bei Beratung ist für viele noch nicht Schluss, da geht es auch in die Umsetzung, wie das Beispiel von MHP zeigt. Das Beratungshaus, das mehrheitlich zu Porsche gehört, bietet ab sofort Software asaService Lösungen für industrielle Produktion an – und zwar auf der AWS Plattform. Michael Appel, Partner bei MHP: „Im Rahmen von Industrial Cloud Solutions bieten wir ab sofort fertige, digitale Produkte an, die bereits OEMerprobt sind und die somit unsere Kunden auf ihrem Weg in die Produktion der Zukunft begleiten.“ Erprobt, fertig und mit wenig Aufwand einsetzbar – das sind die Schlüsselworte für viele, wie auch Tim Kartali, Channel Chef bei Ionos, bestätigt. Der deutsche CloudAnbieter hat selbst derartige Services im Portfolio und war das erste Mal auf der Hannover Messe. Kartali sieht hier noch großes Poten zial für den Channel. „Zehn Jahre nachdem auf der Hannover Messe ein Startschuss für das Projekt Industrie 4.0 gegeben wurde, bietet sich auch heute wieder eine einzigartige historische Chance“, betont Barbara Frei, als Executive Vice President verantwortlich für das weltweite Industriegeschäft von Schneider Electric. Die nötigen Technologien für Digitalisierung, Automatisierung und Elektrifizierung seinen vorhanden, so Frei. Nun käme es darauf an, sie für ein klimafreundlicheres Wirtschaften „richtig zu erklären und digitale Transformation als unternehmerische Kernkompetenz begreiflich zu machen“. Dann könnten sie auch mit großen ökonomischen Vorteilen verbunden sein. Entsprechende Beratungsleistungen bietet der Hersteller mit den Industrial Digital Transformation Services ab sofort selbst an. Die neue ConsultingAbteilung soll Produktionsunternehmen sowie Anlagen und Maschinenbauer bei Planung, Implementierung und Nutzung von Industrie-4.0-Technologien unterstützen.
5G, Edge und KI waren weitere Schwerpunktthemen auf der Messe. So zeigte Nokia eine Lösung, die neben 5G auch 4G und WiFi zusammenbringt und so für Investitionssicherheit sorgen soll. Beim Edge Computing fällt auf, dass in Hannover immer mehr sehr leistungsstarke Systeme für den Netzwerkrand vertreten waren. HPE präsentierte auf der Messe eine KIAnwendung, die einiges Aufsehen erregt, da statt OpenAI hier das Heidelberger KIStartup Aleph Alpha beteiligt ist. Bei dieser Beispielanwendung wurde das auf einem KISupercomputer laufende multimodale Sprachmodell Luminous von Aleph Alpha mit dem umfangreichen Betriebshandbuch eines Industrieroboters trainiert. Der auf einem lokalen HPERechner laufende Assistent kann so in natürlicher Sprache und mit Bildern im Dialog Hilfen und Hinweise bei Bedienung und Wartung geben.
Flut digitaler Zwillinge
Digitale Zwillinge tummelten sich an vielen Ständen auf der Hannover Messe. Die Hyperscaler zeigten hier Lösungen und natürlich Unternehmen wie Dassault Systèmes oder Ansys, die aus der 3D-Entwicklung und Simulation kommen. Zudem zeigten die Hersteller aus der Industrie eigene Konzepte, die auf ihre jeweiligen Produkte zugeschnitten sind. Dassault Systèmes hat im Oktober 2022 die französische Firma Diota übernommen, die Software-Lösungen für digital unterstützte Arbeitsabläufe sowie digital basierte Inspektionen mit Robotern entwickelt. Auf der Messe standen daher Lösungen im Mittelpunkt, in denen Digitale Zwillinge, Dassault nennt sie
Virtual Twins, und Augmented Reality verknüpft sind. Beispiele dafür sind Assistenzsysteme für die Montage oder für die Wartung, hier gleich mit einer Schnittstelle zur Produktentwicklung über den Virtual Twin, die Entwickler über häufiger auftretende Fehler informiert. Für Philippe Bartissol, Vice President Industrial Equipment bei Dassault Systèmes, gibt es auch nicht den einen Digitalen Zwilling, sondern verschiedene Varianten mit unterschiedlichen Aufgaben.
Der Softwarehersteller Avena ist seit diesem Jahr komplett im Besitz von Schneider Electric. Auf der Hannover Messe präsentiert die Firma eine steuerungsunabhängige und cloudbasierte Softwareplattform, auf der Unternehmen kooperieren und Daten austauschen können. Ein Kernbestandteil der Plattform ist eine Digital-Twin-Applikation, die auch als Kollaborations-Tool dient. Simon Bennett, Global Head of Research bei Avena, sieht dabei die Idee des industriellen Metaverse verwirklicht. So könnten sich verteilte Teams in einem virtuellen Raum treffen, um gemeinsam am virtuellen Zwilling einer geplanten Anlage zu arbeiten oder Probleme mit einer realen Anlage bereits am Digital Twin in Augenschein nehmen, ohne erst anreisen zu müssen.