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ARBEITSKRÄFTE AUS DRITTLÄNDERN HOLEN

from IT-BUSINESS 08/2023
by vit
Ende März hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen. Welche Neuerungen enthält der Entwurf? Und warum fordert unter anderem der Bitkom bereits jetzt Nachbesserungen?
Fachkräftemangel herrscht quasi in jeder Branche und vor allem IT-Fachkräfte werden händeringend gesucht. 137.000 offene Stellen gab es dem Bitkom zufolge in Deutschland vergangenes Jahr. „Wir müssen das Potenzial im Inland besser nutzen, etwa durch mehr Aus- und Weiterbildung und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren. Zusätzlich werden wir aber auch Fachkräfte aus dem Ausland brauchen“, prognostiziert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
Um es Unternehmen zu erleichtern, auch Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern einzustellen, hat die Bundesregierung im Rahmen der Fachkräftestrategie ein modernes Einwanderungsgesetz auf der Agenda. Das bislang geltende Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) ist seit dem 1. März 2020 in Kraft (s. Kasten). Am 29. März 2023 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform beschlossen, der vom Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegt worden war. Was sieht dieser vor?
„Wir nutzen endlich die Chance, ein modernes Einwanderungsrecht zu schaffen. Wir werden dafür sorgen, dass wir die Fachkräfte ins Land holen, die unsere Wirtschaft seit Jahren dringend braucht“, verspricht Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Auf drei Säulen stellt die Regierung das über- arbeitete FEG. Wer einen in Deutschland erworbenen oder anerkannten Abschluss hat, kann beispielsweise über die Blaue Karte EU für Hochschulabsolventen aus Drittstaaten oder über die nationale Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft in Deutschland arbeiten. Weiterhin sollen IT-Spezialisten künftig unter bestimmten Voraussetzungen eine Blaue Karte EU erhalten können, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss besitzen, aber bestimmte non-formale Qualifikationen nachweisen können.
Mehr Flexibilität für Quereinsteiger soll der neue Zusatz schaffen, dass, wer einen entsprechenden Abschluss hat, künftig „jede qualifizierte Beschäftigung“ ausüben kann. „Wir brauchen ein Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsrecht, das es nicht nur den besonders hochqualifizierten Menschen aus dem Ausland ermöglicht, ohne
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (Stand März 2020)
Beim noch aktuellen Gesetz, das seit März 2020 gilt, können Fachkräfte aus Drittstaaten mit einer ausländischen Berufsausbildung per bisher geltenden Fachkräfteeinwanderungsgesetz für sechs Monate einen Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche erhalten. Dazu müssen sie ihre ausländische Qualifikation in Deutschland anerkennen lassen, deutsche Sprachkenntnisse (mindestens Niveau B1) nachweisen sowie ihre Lebensunterhaltssicherung mit einem Sperrkonto gewährleisten. Weiterhin ist eine Krankenversicherung sowie eine nachweisliche Unterkunft Voraussetzung. Für IT-Fachkräfte gibt es eine Sonderregelung. Diese Spezialisten dürfen auch jetzt schon ohne Ausbildung und per Jobsuche-Visa einreisen. Voraussetzung sind Sprachkenntnisse auf B1-Niveau sowie mindestens drei Jahre praktische Berufserfahrung im Ausland in dieser Branche innerhalb der vergangenen sieben Jahre. Das Bruttogehalt muss mindestens 60 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung betragen.
Wieso rekrutieren Sie keine ausländischen Fachkräfte? (Mehrfachnennungen möglich; Befragungszeitraum 8/2022)
Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten Schwierigkeit, Qualifikation einzuschätzen
Falsche Vorstellung der Bewerber:innen Gibt genügend inländische Fachkräfte
Bürokratische Hürden
Können notwendige Ressourcen nicht aufbringen
Rechtliche Hürden
Aus anderen Gründen
Coronabedingte große bürokratische Hürden Jobs in der ITund Internetwirtschaft in Deutschland zeitnah anzunehmen“, unterstützt Lucia Falkenberg, CPO und Sprecherin der Kompetenzgruppe New Work im Eco-Verband, den Ansatz.
Auch eine Berufsausbildung oder ein Studium in Deutschland soll die Novellierung attraktiver für potenzielle ausländische Arbeitskräfte machen.
Das zweite Standbein der Reform soll Arbeitskräften die Einwanderung ermöglichen, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss haben. Dass dieser nicht mehr in Deutschland anerkannt sein muss, soll die Bürokratie reduzieren. Eine Vorgabe hier ist jedoch, dass „eine Gehaltsschwelle einzuhalten ist oder der Arbeitgeber tarifgebunden sein muss“, so der Gesetzentwurf.
Nach der Einreise kann, wie bisher, ein Antrag gestellt werden, dass der Berufsabschluss in Deutschland anerkannt wird. Im Rahmen einer so genannten „Anerkennungspartnerschaft“ kann der Arbeitgeber so schneller eine qualifizierte Fachkraft beschäftigen und der Arbeitnehmer parallel zum Anerkennungsverfahren bereits qualifiziert arbeiten. „Wenn Menschen Berufserfahrung oder persönliches Potenzial mitbringen, werden wir es ihnen ermöglichen, auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, so Faeser.
Der Bitkom kritisiert, dass auch in den An- erkennungsprozessen digitale Potenziale nicht genutzt würden, was den Bearbeitungsprozess „immens hemmt“. Überhaupt mangelt es, dem Bitkom zufolge, daran, dass die behördlichen digitalen Schnittstellen zu langsam ausgebaut würden. Unter anderem bei der Visa-Erteilung müsse die Digitalisierung Tempo aufnehmen, fordert auch Nicolas Keller von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, in einem LinkedIn-Post. Dies sei eine Voraussetzung, dass die Neuregelung des FEG erfolgreich sei.
Als dritten Weg soll durch die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes eine Chancenkarte zur Arbeitssuche eingeführt werden. Diese basiert auf einem Punktesystem, das folgende Auswahlkriterien berücksichtigt:
Qualifikation
Deutsch- und Englischkenntnisse
Berufserfahrung
Deutschlandbezug
Alter
Potenzial des mitziehenden Ehe- oder Lebenspartners bzw. der mitziehenden Ehe- oder Lebenspartnerin Der Bitkom bemängelt, dass das Punktesystem zu kompliziert sei und insbesondere für den IT-Bereich keine Erleichterung enthalte.
Dass ein Arbeitssuchender bereits während der Suche nach einem Arbeitsplatz bis zu 20 Wochenstunden arbeiten oder bis zu zwei Wochen bei einem potenziellen Ar- beitgeber probearbeiten darf, ist dagegen schon eine Erleichterung. Ebenso, dass die Voraussetzung für die Einreise zur Ausbildungssuche gesenkt wurde.
Für Branchen, die einen besonders großen Fachkräftebedarf haben – dazu zählt auch die IT-Branche – soll erstmals eine kontingentierte kurzzeitige Beschäftigung geschaffen werden. Unabhängig von einer Qualif ikation können Kandidaten über diesen Weg acht Monate in Deutschland arbeiten. Ein tarifgebundener Arbeitgeber sowie Sozialversicherungspflicht sind Bedingung. Außerdem müssen IT-Spezialisten nur dann deutsche Sprachkenntnisse nachweisen, wenn der künftige Arbeitgeber dies verlange.
Neben dem Abbau administrativer Hürden müssen auch die Rahmenbedingungen passen, um Deutschland für ausländische Fachkräfte interessant zu machen. So müssen Erleichterungen beim Familiennachzug gegeben sein und auch die Beratungsstrukturen ausgebaut werden. Auch Sprachkurse gehören dazu, ist die Kenntnis der Landessprache zur Integration doch unerlässlich.
Die Novellierung soll voraussichtlich ab Herbst 2023 greifen.
Infos zur Einwanderung finden Fachkräfte und Arbeitgeber unter http://www.make-it-in-germany.com/de