AKTUELL
„Ich habe meine Berufswahl nie bereut“ Interview: Astrid Tötsch Mit 1. Jänner ging Dr. Wilhelm Seppi in Ruhestand. Als Hausarzt in der Gemeinde Wiesen-Pfitsch begleitete er seine Patienten über viele Jahre hinweg in schwierigen Situationen. Im Interview mit dem Erker spricht er über seine erfüllende Tätigkeit, die derzeitigen Probleme in der medizinischen Grundversorgung und Zukunftsperspektiven. Erker: Herr Dr. Seppi, Sie sind seit kurzem im Ruhestand. Vermissen Sie Ihre Arbeit? Dr. Wilhelm Seppi: In bestimmten Situationen und Momenten vermisse ich den Umgang mit den Patienten: Die Arzt-Patienten-Beziehung, die zum Teil sehr intensiv ist und sich über Jahrzehnte hinziehen kann, hinterlässt nachhaltige Spuren, die sich nicht ohne weiteres abstreifen lassen. Außerdem begegnet man im Alltag immer wieder ehemaligen Patienten, mit denen man gerne ins Gespräch kommt. Der Abschied vom Beruf kann somit nur graduell und allmählich erfolgen. Zudem stand ich in den letzten Monaten unter erheblichem beruflichen Druck, weil mir zusätzliche Arbeiten übertragen wurden, mit denen ich nicht gerechnet hatte, wie amtsärztliche Tätigkeiten und die medizinische Betreuung von Bewohnern des Altersheimes von Sterzing. Dies muss ich erst noch verarbeiten und es dauert sicherlich noch einige Zeit, bis ich den Kopf wieder frei habe. Ich freue mich trotzdem auf den Ruhestand und genieße den Alltag ohne den Stress, ständig erreichbar sein zu müssen.
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Erker 02/17
Dr. Wilhelm Seppi: „Ich habe meinen Beruf stets mit Leidenschaft ausgeübt.“
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, Arzt zu werden? Ich habe das Gymnasium im „Johanneum“, einem kirchlich geführten Heim in Dorf Tirol, besucht. Aufgrund der Erfahrungen während des Heimaufenthaltes, die in die bewegten 68er Jahre fallen, ist in mir der Wunsch gereift, einen sozialen Beruf zu ergreifen. Zunächst habe ich ein Psychologie-Studium begonnen, aber nach einiger Zeit war mir klar, dass der Arztberuf für mich das Richtige ist, und ich habe dann das Medizinstudium in Innsbruck abgeschlossen. Wie lange waren Sie Gemeindearzt in Pfitsch? Die Tätigkeit als Gemeindearzt in Pfitsch habe ich im Juni 1982 aufgenommen. Nach Beendigung meines Studiums 1979 habe ich drei Jahre als Assistenz-
arzt auf der medizinischen Abteilung am Krankenhaus in Sterzing gearbeitet und in dieser Zeit erste Kontakte mit der Bevölkerung und den Lokalpolitikern geknüpft. Dass ich im Wipptal geblieben bin, habe ich wohl in erster Linie dem damaligen Bürgermeister von Pfitsch Johann Pupp zu verdanken, der mich davon überzeugt hat, mich als Hausarzt in seiner Gemeinde niederzulassen. Ich habe diese Entscheidung nie bereut und die Pfitscher haben mich auch gleich angenommen; ich habe mich in diesem Tal immer wohl und beheimatet gefühlt. Mir gefallen die Leute und die Landschaft, auch wenn ich mich als gebürtiger Kalterer speziell in den ersten Jahren an das kalte Klima im Winter erst gewöhnen musste.
Wie waren die Anfänge in Sterzing? Anfangs der 80er Jahre übten neben den Primaren ein bis zwei Assistenzärzte den ärztlichen Dienst in den Abteilungen aus. Der Ärztemangel ist also kein neues Phänomen. Das bedeutete für junge Ärzte, sofort anzupacken, häufig Nacht- und Bereitschaftsdienste zu machen und auch große Verantwortung zu übernehmen. Wir wurden sozusagen ins kalte Wasser geworfen und mussten entsprechend Lehrgeld zahlen. Ich hatte aber auch das Glück, in den Primaren Dr. Siegfried Platzer und Dr. Richard Thurner verständnisvolle Vorgesetzte und Lehrmeister zu haben. Trotzdem hätte ich mir für diese Lernjahre mehr Begleitung und auch Kontrolle gewünscht. Rückblickend: Was hat sich seit den Anfängen verändert? Was das Medizinstudium betrifft, hatte es zu meinen Zeiten einen starken theoretischen Ansatz, heute erfolgt die Ausbildung zum Mediziner von Beginn an viel praxisbezogener. In der Tätigkeit als Allgemeinarzt fühlte ich mich zu Beginn meiner Tätigkeit mehr als Einzelkämpfer und war auf mich alleine gestellt. Dies änderte sich, als die Sprengel errichtet wurden und somit erfahrene Krankenschwestern uns zur Seite standen. Das bedeutete einen Qualitätssprung in der medizinischen Versorgung der Peripherie. Heute arbeitet ein Team von hervorragend qualifizierten und motivierten Mitarbeitern für die Bevölkerung im Wipptal. Mit der Computerisierung hat leider auch die „Verbürokratisierung“ der Arbeit stark zugenommen. Meine Generation ist noch ohne Computer aufgewach-