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Einführung

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Fotografien

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Briefköpfe sind und waren immer Aushängeschilder von Gewerbebetrieben. Sie bieten Firmen die Möglichkeit, sich wirksam zu präsentieren und sind bzw. waren aufgrund dieses Werbeeffekts oftmals „am Puls der Zeit“, was Grafik und Typografie betrifft. Die Wurzel der Briefköpfe auf Schriften privater Firmen liegt dabei in der Tradition des behördlichen Schriftverkehrs, für den ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Habsburgermonarchie lithografierte Vordrucke verwendet wurden, die mit der Zeit immer detaillierter wurden. Vorgedruckte oder gestempelte Briefköpfe (sogenannte Kopfbögen oder En-tête) gab es für Behördenexpeditionen in größerem Stil bereits seit der Französischen Revolution.1 An den Briefköpfen lässt sich gut beobachten, wie sich der Gebrauch und die anfängliche Imitation von Handschrift zunehmend zur Verwendung teilweise aufwändiger Druckschriften wandelte, zu denen gedruckte Devisen, Symbole und schließlich ganze Außen- und Innenansichten von Fabriken hinzutraten, die der Selbstdarstellung dienten. Dadurch können Brief- und Rechnungsköpfe als wertvolle Quellen zur Geschichte von Handwerk und Gewerbe, für die Gepflogenheiten im Schriftverkehr sowie für die Entwicklung von Grafik, Typografie und das Druckwesen im Allgemeinen gesehen werden. Sie beziehen sich auf Firmen, deren Besitzer*innen wechselten, die ihr Geschäftsfeld oder ihre strategische Ausrichtung änderten, ihren Sitz verlagerten oder nur kurzzeitig existierten. Neben größeren Betrieben beleuchten die Brief- und Rechnungsköpfe den Bereich des Handwerks und Kleinhandels ebenso wie von Dienstleistungen wie Lohnkutschern und Kaminkehrern, der durch andere Quellen oftmals kaum oder nur mit großem Aufwand rekonstruierbar ist. In den Magistratsakten der Stadt Bruneck, die heute im Stadtarchiv verwahrt werden, haben sich zahlreiche Schreiben und Rechnungen mit gedruckten Briefbzw. Rechnungsköpfen erhalten. Die über die Registratur beim Stadtmagistrat oder bei den Vertretern der städtischen Fonds (Armen-, Schul-, Spital- und Stadtkammerfond) eingereichten Dokumente wurden nach ihrer Erledigung „ad acta“, d.h. im wörtlichen Sinne zu den Akten gelegt und gehören somit zur Quellengruppe der zufälligen Überlieferung. Für die vorliegende Studie wurden die älteren Drucksorten untersucht, die aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie, das heißt in etwa bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und der Annexion Südtirols durch das Königreich Italien stammen. Eine Durchsicht der Akten ab den 1920er Jahren wäre ungleich aufwändiger, da sich die Menge anfallender Dokumente vervielfachte. Durch das Aufkommen des Offsetdrucks boten sich zudem neue Möglichkeiten, was die Gestaltung und Verbreitung von

1 Michael Hochedlinger, Aktenkunde. Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit (Historische Hilfswissenschaften), Wien/München 2009, 131–132.

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Brief- und Rechnungsköpfen lokaler Firmen betrifft. Heute erlaubt der Digitaldruck eine viel leichtere und günstigere Produktion unterschiedlicher Drucksorten und deren Zahl ist auch für eine kleine lokale Körperschaft wie die Stadtgemeinde Bruneck kaum mehr überschaubar. Nichtsdestotrotz bleiben auch die jüngeren Zeugnisse kommerzieller Drucksorten im Stadtarchiv deponiert und stehen für zukünftige Forschungen zur Verfügung. Viele der überlieferten Bögen wirken heute noch dekorativ, sind künstlerisch an den vorherrschenden Kunstströmungen (Klassizismus, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit) ausgerichtet. Anschreiben, die primär über die Leistung oder gelieferte Produkte einer Firma Auskunft gaben oder zur Angebotslegung oder Abrechnung dienten, spiegeln das Selbstverständnis eines Betriebes und dessen Ansprüche an einen professionellen Auftritt. Neben dem Briefpapier bemühten sich Firmen und Anbieter*innen auch um die dekorative Gestaltung von Rechnungsformularen, die – oftmals in kleinerem Format – ebenfalls Werbebotschaften im Sinne von Corporate Identities enthielten. Neben den gedruckten Brief- und Rechnungsköpfen spielte dabei auch die Verwendung spezieller Papiere, von Stempeln und Tinten sowie die Platzierung handschriftlicher Elemente wie Unterschriften, Datierungen und Höflichkeitsfloskeln eine Rolle.

Für viele Briefpapiere und Rechnungsformulare, die in Bruneck ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Einsatz kamen, zeichnet die Druckerei Mahl verantwortlich. Johann Georg Mahl (1823–1901) richtete 1849 in der Brunecker Stadtgasse eine Buchdruckerei mit zugehöriger „Christenlehrwaaren-Handlung“ ein; die Druckerei blieb der einzige vergleichbare Betrieb zwischen der Bischofsstadt Brixen im Westen und Lienz im Osten.2 Der Betrieb hatte somit ein lokales Monopol auf Drucksachen und erhielt entsprechend viele Aufträge, nicht zuletzt auch von der Stadtverwaltung selbst, die Formulare, Plakate und vorgedruckte Schreibebücher, nicht zuletzt aber auch bedrucktes Papier für Kanzleischreiben von der Firma Mahl herstellen ließ.

In den Briefköpfen und Rechnungen zeigt sich, dass sich die Druckerei Mahl bemühte, stets sich rasch wandelnden Moden zu entsprechen, mit neuen Schriftarten und -schnitten zu experimentieren und zeitgemäße Ornamente zu verwenden. Höhepunkte der Druckgrafik finden sich verständlicherweise unter jenen Produkten, mit denen die Firma Mahl für ihre eigene Produkt- und Dienstleistungspalette warb. Drucksachen wurden mitunter signiert, was zeigt, dass sich die Druckerei der Qualität ihrer Produkte bewusst war und sie für

2 Vgl. Martin Harpf, gründen/fondare, in: Verein Brunopolis (Hg.), 1870: Aufbruch ins Grün. 150 Jahre Gründung des Stadtverschönerungsvereins Bruneck / Evasione nel Verde. 150 anni dalla fondazione dello Stadtverschönerungsverein di Brunico, Bruneck 2020, 31–33; Andreas Oberhofer, Hermann Mahl (1860–1944), Ansätze für eine Biografie, in: Verein für Kultur und Heimatpflege Bruneck (Hg.), Hermann Mahl: Pionier der Farbfotografie im Pustertal / Pioniere della fotografia a colori in Val Pusteria, Bruneck 2017, 15–35.

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