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Lithografien und Stereotypien

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Markenzeichen

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Lithografien und Stereotypien

In den Brunecker Beständen gibt es auffallend wenige lithografierte Blätter, was freilich (auch) am Fehlen einer lithografischen Anstalt im näheren und weiteren Einzugsgebiet der Stadt liegt, vor allem aber an der Druckerei Mahl, die gute Alternativen zum Steindruck anbot. Lithografierte Blätter wurden somit importiert. Dazu gehört eine Rechnung von Ignaz Franzelin (ausgestellt am 26. Juni 1920, Nr. 106), die mit „Wagner’sche k.k. Univ. Buchdruckerei, Innsbruck“ signiert ist. Der Briefkopf kombiniert eine Fraktur- mit mehreren Groteskschriften, die mit HellDunkel- und Schatteneffekten eine besondere Wirkung erzielen. Die dargestellten Zweige und Zapfen stehen symbolisch für die Verarbeitung von Holz in dem Betrieb, zu dem eine Holzhandlung, ein elektrisches Säge-, Spalt- und Hobelwerk sowie eine Holzstoff- und Pappenfabrik gehörten. Abgesehen davon kann vermutet werden, dass hinter dem Briefkopf bereits eine ausgefeiltere Werbestrategie steckte: Die Darstellung appelliert nicht nur an die visuelle Wahrnehmung, sondern auch an ein Geruchsgedächtnis, das angenehme Gefühlen hervorrufen kann. Die Bedeutung der Firma für das lokale Wirtschaftsleben wird durch die Nennung einer einstelligen (!) Telefonnummer untermauert.

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Nr. 107

Eine Lithografie findet sich auch auf einer Rechnung der Fassbinderei des Anton Staudacher in Bruneck, die am 29. Dezember 1895 ausgestellt wurde (Nr. 107). Der aufwändige Briefkopf zeigt neben viel Ornamentik auch zwei Medaillen. Die Lithografie selbst – also der Mittelteil des Rechnungskopfes – stammt laut Signatur von Alois Härting in Bozen. Ob der Briefbogen als Ganzes in Bozen gedruckt wurde, ist fraglich, es liegt aber nahe. Eine zweite Lithografie begegnet auf einer weiteren Rechnung der Fassbinderei Staudacher, die mit dem 10. Jänner 1899 datiert ist (Nr. 108). Auch an diesem Beispiel wird deutlich, wie innerhalb weniger Jahre komplett unterschiedliche Formensprachen zur Anwendung kommen konnten. Der Briefkopf zeichnet sich im Gegensatz zum vorigen durch die Wahl dynamisch wirkender Schrifttypen aus, auf die Darstellung der Medaillen wurde verzichtet. Der Eindruck von Dynamik verstärkt sich dadurch, dass die Schrift schräg gesetzt wurde und visuell eine Aufwärtsbewegung simuliert. Auch diese Lithografie stammt von Alois Härting, die Signatur bezieht sich in diesem Fall eindeutig auf das gesamte Blatt.

Nr. 107, 108

Ein eigenwillig gestalteter Bogen wurde vom Sattler und Tapezierer Johann Hofer am 7. Juni 1908 als Rechnung ausgestellt (Nr. 109). Bei der bildlichen Darstellung handelt es sich wohl nicht um eine Lithografie, sondern um einen Holzschnitt, wenngleich dieser sehr fein ausgearbeitet wurde. Er zeigt die Verbindung einer Jugendstil-Schriftart mit einem Adler, Blumen und verschiedenen Ornamenten. Die Produkte der Firma – eine Kutsche und ein Sofa –wirken wie zufällig dazugestellt, sodass das Blatt als Ganzes einen etwas zusammengewürfelten Eindruck erweckt. An die Qualität der lithografierten Blätter des Anton Staudacher reicht es nicht heran.

Nr. 109, 49

Auch auf einer Rechnung der Druckerei Mahl, die am 21. November 1898 ausgestellt wurde (Nr. 49), erinnert der Briefkopf an eine Lithografie, weist aber ähnlich feine Schraffuren sowie die Kombination von Schriftarten, Blumen und Ornamenten auf wie jener von Hofer. An dieser Darstellung wird explizit erklärt, dass es sich um eine „Stereotypie“ handle. Diese Technik machte es möglich, Druckplatten auf der Basis von Holzstichen (?) zu duplizieren und von den Duplikaten unbegrenzt Abzüge herzustellen.12 Stereotypien sind wohl auch auf mehreren Rechnungen zu sehen, auf denen Symbole für Dienstleistungen oder

12 Vgl. Winfrid Glocker, Drucktechnik. Ein Begleitbuch zur Ausstellung im Deutschen Museum, München 2007, 65.

Produkte aus dem Sortiment abgebildet sind wie etwa den Drucksorten von Anton Mariner (datiert 1906 und 1908), die Brillen und Ferngläser zeigen (Nr. 110–112). Was im Brunecker Archiv gänzlich fehlt, sind lithografierte Ansichten lokaler Fabriken und Betriebe, wie sie in anderen Städten vor allem in der Zeit zwischen etwa 1850 und 1920 üblich waren.13 Mit manchmal in ihren Dimensionen übertrieben mächtig dargestellten Gebäuden, Maschinen und Interieurs sowie rauchenden Schloten und belebten Straßen versuchten Inhaber*innen, auf die Bedeutung ihrer Produktionsstätten für eine Stadt oder eine Region hinzuweisen. Derartige Ansichten finden sich in den Brunecker Beständen nur auf Blättern, die als Werbeschriften, Angebote oder Rechnungen von auswärtigen Firmen eingebracht wurden (Nr. 114).

Nr. 110, 111

13 Vgl. Martin Eduard Fischer, Briefköpfe, Zeitdokumente und Quellen zur Bau- und Wirtschaftsgeschichte, in: Oltner Neujahrsblätter 38 (1980), 34–39; Selheim, Selbstdarstellung; Paul Wietzorek, Industrie in Krefeld – Geschichte und Selbstdarstellung Krefelder Firmen auf Briefköpfen, Rechnungsbögen und Anzeigen, in: Der Niederrhein 3/2021, 105–114.

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