DMM 2013

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1983 «Consumer’s Rest»: Der Name ist Programm. Frank Schreiner, Stiletto, lässt aus einem Einkaufswagen ein Sitzmöbel werden. Reedition: Gebrüder Siegel, Leipheim

1991 «Stitz»: Hans Roericht hat für Wilkhahn diesen Stehsitz entworfen, der ergonomisches Sitzen ermöglicht.

Formen» erschien da als adäquate Therapie. Ulm war ein Zentrum der bundesdeutschen Neomoderne. Stuttgart, unter anderem Standort der Firmen Bofinger und Wilde & Spieht, ein anderes. Dort wirkte auch der Ex-Bauhäusler Herbert Hirche, der Anbau- und Phonokommoden wie Ziegelquader aneinandersetzte. Der in Saarbrücken und später ebenfalls in Ulm tätige Peter Raacke – später Erfinder des Pappmöbels – übertrug den systematischen Ansatz als einer der ersten zurück ins Büro. Sein aus Tischen und Schränken kombiniertes «ZeitgewinnSystem» enthielt bereits das Grundmuster kommender Modulmöbel. Ähnlich wie Bilder an der Wand bis dahin ihren festen Platz gehabt hatten, waren auch die Möbel «unverrückbar» gewesen. Nun löste sich diese Ordnung auf. In den noch wilderen Sechzigerjahren kamen Stile aus dem «Underground». Und der lag manchmal auch auf dem flachen Lande, zum Beispiel im südniedersächsischen Lemförde. Dort eröffnete nicht nur eine Chemiefabrik, sondern auch das erste «Design-Center». Dafür entwarf der junge Architekt Peter Ghyczy die erste komplette industriell gefertigte Möbelkollektion aus Polyurethan. Dass sich der Freiheitsdrang auch in den neuen Kunststoffen manifestierte, liess den Chemiestandort Köln und die dortige Möbelmesse in den Mittelpunkt des Wohndesigns rücken. Dass solche Tendenzen auch unter die Leute kamen, dafür sorgten inzwischen verschiedene Wohn-Zeitschriften. Sie waren die wahre Designschule der Nachkriegsdeutschen.

1996 «Backenzahn»: Philipp Mainzer lässt aus vier gleichen, sich nach unten verjüngenden Beinen für e15 einen Hocker entstehen.

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Die letzte Wohnrebellion der Achtzigerjahre hatte zwei Stossrichtungen. Sie zielte sowohl auf die Ulmer Prinzipienreiterei der Väter als auch auf Uropas Hirsch, der immer noch hie und da über dem Sofa röhrte. Deshalb trieb die Postmoderne in Deutschland, die sich auch noch mit dem Postpunk verbündete, besonders krasse Blüten. Die wurden letzt-

Fotos: zVg

Die Deutschen und ihre Wohnungen

Deutsche Manufakturen für Wohnkultur — Design-Geschichte

04.11.13 13:50


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