Anwaltsblatt Karriere 2/2009

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kinder und anwälte < JOHANN, 1 JAHR

Rechtsanwalt Marc Wesser (36)

kümmert. An zwei Tagen holt sie die Kinder am Nachmittag aus der Kita und verbringt mit ihnen die Zeit, bis Baumbach und ihr Lebensgefährte aus der Kanzlei kommen. Freitags arbeitet Baumbach von zu Hause und mittwochs ist Papa-Nachmittag. „Da mache ich meine Nachtschichten“, sagt sie. Ihre Familienerfahrungen haben Antje Baumbach auch beruflich geprägt. In der Kanzlei kümmert sie sich um die Einstellungen der Sekretariatskollegen. „Ich nehme gerne Frauen mit Kindern. Die konzentrieren sich auf das Wesentliche“, sagt Baumbach mit einem Lächeln. „Kinder machen einfach gelassen.“ Turbulent geht es bei Marc Wesser, 36, zu. Sein erster Sohn Johann ist 15 Monate alt und erkundet seit kurzem mit wachsender Beweglichkeit die Umgebung. „Ich habe den Überwachungsaufwand mit einem kleinen Kind ziemlich unterschätzt“, sagt Wesser, ein schlanker, blonder Mann mit verschmitztem Lächeln. Nach 12 Monaten, in denen sich seine Frau um Johann kümmerte, ist Wesser jetzt am Zug. „Das verändert das Vater-Sohn-Verhältnis total, wenn man so viel Zeit miteinander verbringt“, sagt er und nippt im Kindercafé um die Ecke an seinem Cappuccino. Johann klettert, jauchzt und hüpft auf der Spielburg, während immer mehr Mütter im Café eintreffen. Männer sind außer Wesser nicht zu sehen. Er ist ein geduldiger Vater, doch die Lust am Beruf versucht Wesser gar nicht zu verstecken. Das Handy klingelt regelmäßig in der Brusttasche des Hemdes und als seine Frau nach der Elternzeit wieder arbeiten ging, wartete Wesser, bis sie um halb sieben in der gemeinsamen Wohnung im Berliner Stadtteil Friedenau eintraf, um dann bis Mitternacht in die Kanzlei zu verschwinden. Sein Arbeitseifer hat einen einfachen Grund: Die Kanzlei ist jung, aufstrebend und vor allem seine eigene. 2002 gründete

er sie mit zwei Freunden. Ein Anwaltsladen waren sie zu Beginn, mit Schaufenster und der Hoffnung auf Laufkundschaft. „Wir haben mit einem einzigen Mandanten angefangen“, erzählt Wesser, „heute sind es einige hundert Akten im Jahr.“ Inzwischen sind sie zu viert bei Tümmler, Wesser, Lenz – und umgezogen: ins Anwaltsviertel um den Charlottenburger Ku’damm. Hier hat sich Wesser nach Anfangsjahren als Generalist seit einiger Zeit aufs Arbeitsrecht und die Mediation spezialisiert. Wesser weiß, dass er mit seinen gerade mal zwei Elternzeit-Monaten das Klischee des Vaters verkörpert, der nicht mehr als einen längeren Urlaub alleine mit seinem Kind verbringt. Einen Ausweg kennt er aber nicht: „Als Selbständiger schwankt die Auftragslage“, sagt er und man ahnt, wie eng die Beziehung zur selbst gegründeten Kanzlei im Lauf der Zeit wird. „Mandanten erwarten von ihrem Anwalt, dass er sich an sieben Tagen in der Woche kümmert.“ Auch deshalb gilt bei Tümmler, Wesser, Lenz die Sprachregelung bei Anrufen, dass Rechtsanwalt Wesser „auf einem Termin“ sei, und nicht mit seinem Sohn beim Babyturnen. Die Sorge, dass die Mandanten dafür kein Verständnis haben, überwiegt, obwohl die Sorge um den Nachwuchs zu den Urinstinkten des Menschen gehört. Elternzeit wird für selbständige Anwälte in kleineren Kanzleien aber auch zu einer Belastungsprobe für die Kollegen. „Man kann die Mehrarbeit vielleicht nicht in einzelnen Akten ausdrücken“, sagt Wesser, „aber Elternzeit heißt für die anderen erhebliche zusätzliche Belastung.“ Wenn Johann in wenigen Wochen in die Kita gehen wird, hat Marc Wesser wieder mehr Zeit für seine Fälle. „Die Doppelbelastung mit Elternzeit und Kanzlei ist unglaublich anstrengend”, sagt er, missen will er die Zeit aber nicht. anwaltsblatt karriere / 53


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