Rede zu Aufwertung und ihren Folgen

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Liebe Demonstrantinnen und Demonstranten, wir beschäftigen uns heute hier mit einem Thema, das, auch in Fürth längst überfällig ist. Kaum eine Straße ist mehr frei von Abrisshäusern, Baustellen oder Neubauten. Altbauten werden luxussaniert, neue Mitten entstehen – das Stadtbild verändert sich und damit auch die Bewohnerschaft. Die Veränderung ist in vollem Gange, wir nennen sie Aufwertung und kritisieren ihre Folgen. Wo es in den 1970er Jahren „chic“ war, in ruhigen Vorortsiedlungen zu wohnen, geht der Trend seit den 1990er Jahre wieder in die entgegengesetzte Richtung. Innenstädtisches Wohnen wird immer gefragter. Kurze Wege, optimale Nahverkehrsanbindung und kulturelle Angebote vor der Haustür waren und sind so angesagt, wie nie zuvor. Fürth erlebt eine Renaissance der Innenstadt. Diese öffnet einen wirtschaftlichen Markt. Er wird von Baufirmen und Investor_innen nur allzu gern bedient. Mit dem kapitalistischen und somit zwanghaften Ziel der Profitmaximierung, wird saniert, gebaut und verkauft. Auf diesen Zug springt auch die Stadtverwaltung auf. Sie schafft die bauliche und rechtliche Grundlage und erhofft sich steuerliche Mehreinnahmen. Diese Vorgänge kennzeichnen den Prozess der Aufwertung. Wir müssen uns allerdings fragen, welche Folgen dieser Trend hat. In der Innen- und Südstadt wird die Altbausubstanz systematisch saniert und in teuren Wohnraum verwandelt. Außerdem werden zunehmend Großprojekte umgesetzt. Die „Neue Mitte“, der Ausbau des Nahverkehrs und kulturelle Großveranstaltungen sind hier nur einige Beispiele. Die Attraktivität Fürths soll gesteigert werden. Dies hat nicht nur negative Folgen. Durch die Aufwertung der Innenstadt und die damit einhergehende Mietpreissteigerung, können sich aber verschiedene Gruppen innenstädtisches Wohnen nicht mehr leisten. Besonders hart trifft es Migranten, Erwerbslose, Studierende und prekär Beschäftigte. Vom Amt bezahlter Wohnraum wird zum heiligen Gral – und das nicht nur in der Innenstadt, sondern im kompletten Fürther Stadtgebiet. Offensichtlich wird dies an ... Zwangsräumungen im Jahr 2012. Ein Vorgang der zutiefst menschenverachtend ist, nimmt er den Betroffenen doch ihr Recht auf Wohnen. Außerdem stellt er eine besondere Form der Verdrängung dar. Zwangsräumungen werden gezielt eingesetzt, um zum Beispiel Menschen aus Häusern zu entfernen, die anschließend aufwendig renoviert werden. Ein Wiedereinzug ist dabei, aufgrund der Mietpreissteigerung nicht möglich. Bei der näheren Betrachtung der Veränderungen in Fürth, fällt auf, dass bestimmte Baumfirmen und Investoren maßgeblich an der Umstrukturierung beteiligt sind. Es wäre allerdings verkürzt diese als „das Böse“ zu stilisieren. Die Investition in den Immobiliensektor spielt seit Beginn des Kapitalismus vor ca. 200 Jahren eine tragende Rolle. Der Handel mit Immobilien warf und wirft, trotz immer wiederkehrender Krisen massiven Profit ab. Unternehmen müssen zwangsweise ihren Profit maximieren, um bestehen zu können. Baufirmen wie P&P und Konsorten spiegeln dabei diese, dem Kapitalismus inne liegende Logik wieder. Dafür finden sie in Fürth optimale Voraussetzungen vor. Dass dabei soziale Aspekte, wie das Recht auf Wohnraum auf der Strecke bleiben, ist dabei im Kapitalismus nur allzu natürlich. Dies wird sich erst ändern, wenn der Wohnungs- und Immobilienmarkt und letztlich die Gesellschaft nicht mehr nach der Logik der Profitmaximierung funktioniert. Menschliche Grundbedürfnisse, wie auch das Recht auf Wohnraum dürfen also nicht marktförmig organisiert werden. Für diese verlockende Perspektive lohnt es sich zu kämpfen. Aktuelle Kämpfe in Berlin oder Hamburg zeigen, dass durch die Organisierung von Mieterinnen und Mietern eine starke und durchsetzungsfähige Bewegung entstehen kann. Wenn auch nur punktuell – Erfolge, wie die Verhinderung von teuren Großprojekten oder Flächensanierungen sind zu verzeichnen. Lasst uns dieses Engagement und die Utopie einer demokratischeren und sozialeren Stadt auch nach Fürth zu tragen. Eine soziale Stadt für alle! Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte!


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