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Immer der Karte nach

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Top oder Flop?

Top oder Flop?

Ein kurzer Blick aufs Smartphone – schon wissen wir, wo wir sind. Doch wer liefert eigentlich die Daten, die uns den Weg weisen?

von Werner Beer

Schon die Bildergalerie auf meinem Smartphone zeigt mir unaufgeregt auf einer Karte, wo meine Fotos aufgenommen wurden. Ist mir der Wegverlauf am Berg unklar, erwarte ich beim Blick auf die digitale Karte sofortige Aufklärung, bestenfalls samt Informationen über die aktuellen Wetterbedingungen am Standort. Ganz selbstverständlich verlassen wir uns auf verschiedenste digitale Karten, doch denken selten darüber nach, woher diese Daten eigentlich stammen. Die vergangene Ausgabe von Bergauf #2.2025 gab Einblicke in die Entstehung der einschlägigen Grundlagendaten. Doch was genau passiert draußen im Gelände bei den jährlichen Einsätzen der Kartographie des Alpenvereins im Außendienst? Werfen wir einen Blick hinaus ins Freie und erfahren, was hinter den Karten steckt, die uns so selbstverständlich den Weg weisen.

Neustart des Kartenwerks

Das Kartenwerk des Österreichischen Alpenvereins ist über die vergangenen 160 Jahre laufend gewachsen. Es umfasst große Gebiete der Ostalpen. Weil es keine genauen Informationen über das Gelände gab, wurde jedes Gebiet nach und nach mit der jeweils besten verfügbaren Technik vermessen und in Karten gezeichnet. Über 100 Jahre später – natürlich inhaltlich laufend aktualisiert – werden diese Karten immer noch verwendet, vor allem aber in digitaler Form. Dabei fällt erstmals auf, dass es teilweise ernste geometrische Abweichungen gibt, die Echtzeitpositionierung mittels Satelliten ist hier gnadenlos. Dazu kommt, dass die Karten, welche historisch bedingt rasterbasiert vorliegen, nur mit einem enormen Aufwand aktualisiert werden können. Zu guter Letzt hat die Verfügbarkeit hochgenauer Geodaten die Kartographie komplett revolutioniert. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Das gesamte Kartenwerk muss komplett neu aufgebaut werden und das möglichst schön, möglichst genau und möglichst rasch.

Ein stiller Kraftakt

Man kann sich überlegen, was es bedeutet, binnen kurzer Zeit – selbstredend mit beschränkten Ressourcen – über 40 Blätter komplett neu und eigenständig erstellen zu müssen, mit dem hohen Eigenanspruch aufgrund der langen kartographischen Tradition im Nacken.

Dazu musste von den Kartographen im Alpenverein einerseits eine Methode entwickelt werden, um Karten hochwertig und rasch aktualisierbar herstellen zu können. Dies ist erfolgreich gelungen. Anderseits musste ein Partner gefunden werden, auf dessen Grundlagedaten man das Ganze aufbauen kann. Dieser wurde mit dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) in Form einer Kooperation gefunden.

Das BEV erhält zunächst maßstabsfreie topographische Basisdaten. Es erstellt u. a. daraus die amtlichen österreichischen Karten im Maßstab 1:50.000, auch als ÖK50 bekannt. Diese Basisdaten, genauer das zugrunde liegende digitale Landschaftsmodell (DLM), werden laufend und flächendeckend durch Mitarbeiter des BEV auf den neuesten Stand gebracht.

An dieser Stelle setzt die Zusammenarbeit an: Der Alpenverein übernimmt den topographischen Außendienst im schwer zugänglichen alpinen Gelände. Dieser Bereich ist für das BEV besonders aufwändig zu erfassen. Gerade im alpinen Gelände stellen wir höchste Ansprüche an die Genauigkeit der Daten. Und eben hier greift der Österreichische Alpenverein auf sein großes Netzwerk aus Alpenvereinssektionen, Hütten und Ehrenamtlichen zurück.

Dieser Weg wurde wohl lange nicht mehr begangen und muss gelöscht werden.
Foto: Alpenverein/W. Beer

Mit Hightech auf alten Pfaden

Die jährliche, flächenhafte Aktualisierung des digitalen Landschaftsmodells beginnt zunächst im BEV selbst. Dort werden die betreffenden Gebiete anhand aktueller Orthofotos und Laserscandaten überprüft. Soweit möglich, erfolgt die Bearbeitung direkt im Büro. Dabei findet viel Recherche statt. Veränderungen, die sich nicht eindeutig klären lassen, werden für den Außendienst als sogenannte Verifikationspunkte vorgemerkt.

Nun beginnt die Arbeit des Alpenvereins – draußen im Gelände, bei Wind und Wetter. Wir übernehmen in Absprache mit dem BEV bestimmte Teilgebiete. Damit widmen wir uns auch den unklaren oder zu überprüfenden Stellen im Gelände – sogenannten Verifikationspunkten. Existiert ein Weg überhaupt noch, und ist er sicher begehbar? Wir klären Fragen wie diese oder haben die Aufgabe, einen Weg präzise zu erfassen, weil die Informationen über seine aktuelle Lage noch der historischen Landesaufnahme entstammen. Solche Erhebungen erfolgen mithilfe hochpräziser GNSS-Geräte. Diese weisen in der Regel Abweichungen von weniger als einem Meter auf. Im Gelände arbeiten wir mit denselben Geräten und Softwareprodukten, mit denen auch die BEV-Topographen unterwegs sind. Diese garantieren im Anschluss eine nahtlose Zusammenarbeit und einen reibungslosen Datenrückfluss an das BEV. Am Ende des Jahres werden alle Daten gesammelt und nach umfassenden Prüfungen in das österreichweite DLM überspielt.

Jährlich wird etwa ein Drittel der Staatsfläche aktualisiert. Somit bleibt ganz Österreich im Dreijahresrhythmus kartographisch auf dem neuesten Stand.

Drehscheibe für Geodaten

Die Alpenvereinskartographie übernimmt in der Folge die Daten des aktualisierten DLM. Sie ergänzt die eigenen Inhalte und produziert daraus die neuen Karten. Ist dieser Ablauf gut koordiniert, bleiben auch die Karten möglichst aktuell. Nicht nur die Alpenvereinskartographie, sondern auch die Allgemeinheit profitiert von diesem Datenschatz. Große Teile des DLM sind im Rahmen der Regelungen zu Open Government Data öffentlich verfügbar und grundsätzlich nutzbar. Der Außendienst des Alpenvereins leistet somit einen Beitrag zur Sicherheit aller Menschen, die in den Bergen unterwegs sind. Im Rahmen unserer Möglichkeiten tragen wir nämlich dafür Sorge, die amtlichen topographischen Basisdaten auch im Gebirge korrekt und aktuell zu halten. Andere Projekte des Alpenvereins – etwa die Wegedatenbank – stützen und erweitern diesen Anspruch. Auch das Engagement der Graphenintegrations-Plattform und der Partnervereine stärkt uns in unserem Tun. Das ganze Jahr über stehen wir im regen Austausch mit unseren Partnern und informieren über Wege, Hütten, die alpine Infrastruktur, Bergsport, Naturschutz und viele weitere Themen des Alpenvereins.

Die Vernetzung von Projekten zeigt: Die Alpenvereinskartographie hat sich von der reinen Papierkartenproduktion längst zu einer bedeutenden Drehscheibe für Geodaten entwickelt. Mit der Bereitstellung von hochwertigen Geodaten könnte der Alpenverein seine Rolle als verlässliche Anlaufstelle festigen. —

Autor: Werner Beer ist Geograph, Kartograph und Mitarbeiter der Digitalen Services im Österreichischen Alpenverein.

Info: Auffälligkeiten bitte melden

Jeder Kartenverlag ist bemüht, aktuelle und korrekte Karten zu produzieren. Es gibt jedoch meist kaum Ressourcen, ein Gebiet umfassend zu recherchieren oder gar jeden Weg selbst vor Ort zu überprüfen. Umso wichtiger ist es, Fehler in den Karten oder Veränderungen im Gelände aktiv zu melden.

Euch fallen landschaftliche Veränderungen, Kartenfehler oder andere Besonderheiten auf? Wir freuen uns über jede Benachrichtigung: kartographie@alpenverein.at

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