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Gemeinschaft erleben

In der Alpenvereinsjugend wird Gemeinschaft lebendig – egal ob beim Wandern, Klettern oder Spielen, ob zu Fuß, am Fahrrad, auf den Skiern oder baumelnd in der Hängematte beim Nichtstun, denn: Echtes Miteinander braucht keinen Anlass.

von Johanna Grassegger

Gemeinschaft ist ein verbindendes Miteinander, das von Respekt, Wertschätzung und Vertrauen getragen wird. Es geht der Alpenvereinsjugend darum, Tage draußen gemeinsam zu erleben: füreinander da zu sein, miteinander zu wachsen und Vielfalt als Stärke zu erkennen. Das ist nicht nur in unseren Angeboten erlebbar, sondern auch als zentraler Wert in unserem Leitbild festgeschrieben: „Gemeinschaft: Freunde und Freundinnen finden, miteinander Spaß haben! Kinder und Jugendliche brauchen ein soziales Netz, positive Erlebnisse und freudvolle Erfahrungen.“ Die Förderung von Gemeinschaft ist im pädagogischen Kompass und den Bildungszielen der Alpenvereinsjugend verankert: „Wir ermöglichen Gemeinschaft, Abenteuer und außergewöhnliche Erlebnisse.“

Gemeinsam wachsen

Gemeinschaft prägt die kindliche Entwicklung und ist essenziell für die psychische Gesundheit. Beides liegt uns als Alpenvereinsjugend sehr am Herzen. Sich mit anderen verbunden und zu etwas zugehörig zu fühlen, gehört zum Menschsein und stärkt unser Selbstwertgefühl. Lernen in Gemeinschaft ist ein „Erfolgsmodell“, auch aus neurobiologischer Sicht (1) , wie Studien zeigen. Gemeinsames Spielen, Erkunden und Erleben fördert nicht nur soziale Fähigkeiten, sondern auch die kognitive Entwicklung – ein Wissen, das Eltern intuitiv oft schon spüren.

Das kindliche gemeinsame Spiel ermöglicht effektives Lernen und bringt Kinder dazu, „das zu tun, was sie für ihre Entwicklung brauchen“. (2) Für ihr Wachstum brauchen Kinder jedoch auch ein Fundament aus tragfähigen Beziehungen zu ihren erwachsenen Begleiter*innen – sei es in der Familie, im Freundeskreis, in Bildungs- oder Betreuungseinrichtungen oder bei Angeboten wie jenen der Alpenvereinsjugend. Sie ermöglichen Erfahrungen von Sicherheit, Anerkennung sowie Zugehörigkeit, die wiederum ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Durch diese Erfahrungen und die Möglichkeit zur Mitgestaltung wachsen junge Menschen in Gemeinschaften hinein, lernen kooperatives Verhalten und entwickeln sich zu starken Persönlichkeiten. Kinder bekommen Orientierung, wie ein gutes Zusammenleben gelingen kann. (3) Im Zusammensein schließen Kinder und Jugendliche nicht nur Freundschaften, sondern entwickeln soziale Kompetenzen, erleben demokratisches Handeln und wachsen in ihrer Persönlichkeit. Gemeinschaft schafft ein tragfähiges Fundament für ein solidarisches und respektvolles Miteinander – innerhalb der Gruppe und darüber hinaus.

Auch im Familienalltag lässt sich Gemeinschaft bewusst fördern: eine gemeinsam geplante Wanderung, ein regelmäßiger Naturnachmittag mit anderen Familien oder einfach das bewusste Teilen von Aufgaben und Erlebnissen – all das stärkt das Gefühl von Zugehörigkeit. Es muss nicht immer ein großes Abenteuer sein: Oft reicht es, gemeinsam ein Feuer zu machen, ein Zelt im Garten aufzubauen oder nach einem Regentag durch Pfützen zu springen.

Team ROL IT Inklusive Transalp der Alpenvereinsjugend am BrennerGrenzkamm.
Foto: Mel Presslaber

Zusammenfinden

Verbundenheit und Zugehörigkeit entstehen durch gemeinsame Visionen, Erlebnisse und Erfahrungen und gemeinsames Tun sowie das Gefühl, dazuzugehören - unabhängig von individuellen Eigenschaften oder Fähigkeiten. Sie stärkt jede*n Einzelne*n und schafft Zusammenhalt. Gemeinschaft ist kein Zufall und mehr als bloßes Zusammensein – sie entsteht als Prozess, indem wir sie aktiv zusammen gestalten!

Beim Zusammenkommen, Zusammenwachsen, Zusammenhalten und hin und wieder auch beim wertschätzenden „Zusammenraufen“, denn auch Konflikte und deren konstruktive Lösung gehören dazu. Besonders Kinder und Jugendliche sollen in allen Angeboten der Alpenvereinsjugend das Gefühl haben: „Hier bin ich sicher, hier kann ich vertrauen, hier habe ich Wert und Namen, hier fühle ich mich als Teil einer Gemeinschaft.“ (4) Sie sollen die stärkende Erfahrung machen, dass sich jemand auf sie einlässt, das Zusammensein genießt und schöne Momente mit ihnen teilt. (5) Ich bin überzeugt davon, dass wir alle zu diesem Erleben von Gemeinschaft beitragen können. Bergauf-Chefredakteurin Evelin Stark, die regelmäßig mit ihrem Sohn an Alpenvereinsaktionen teilnimmt, beschreibt es so: „Ich sehe, wie er dort aufblüht – wie er Verantwortung übernimmt, Freundschaften schließt, sich selbst etwas zutraut. Und ich spüre, wie gut ihm das gemeinschaftliche Draußensein tut.“

Bedürfnisse, die uns im praktischen Tun leiten können:

  • „Ich bin sicher“

Um gut zu begleiten und die Gemeinschaft zu stärken, ist es wichtig, Vertrauen und Sicherheit zu schaffen. Dazu brauchen wir eine klare, empathische Haltung und die Möglichkeiten zur Beteiligung und Reflexion. Um aktiv die verschiedenen Phasen der Gruppendynamik zu unterstützen, helfen zusätzlich kooperative oder kreative Methoden und Spiele, beispielsweise zum Kennenlernen der Gruppe.

  • „Ich werde gehört“

Echte Teilhabe entsteht, wenn gemeinsame Entscheidungsprozesse ermöglicht werden. So können sich alle aktiv z. B. bei der gemeinsamen Planung einer Tour einbringen. Dies fördert gegenseitigen Respekt und stärkt das Selbstbewusstsein. Eine wertschätzende Feedbackkultur ist ebenso wichtig. Herausragende Gruppen zeichnen sich nach Daniel Coyle durch ihre Feedbackkultur aus: indem sie sich sehr offen und direkt Feedback geben, es dabei aber gleichzeitig schaffen, ein Klima der Sicherheit, Unterstützung, Verbundenheit und Zugehörigkeit aufzubauen. (6)

  • „Wir unterstützen uns gegenseitig“

Etwas gemeinsam zu tragen wird im wörtlichen und übertragenen Sinne erlebt, wenn Aufgaben und Verantwortungen wie Kochen oder das Tragen von Gruppenmaterial gemeinsam übernommen werden. Echte Gemeinschaft zeigt sich besonders in schwierigen Momenten. „Wenn wir einen Misserfolg einstecken mussten, wollen wir vor allem eines: Menschen um uns herum, die uns vermitteln, dass sie zu uns stehen und für uns da sind.“ (7) So wird das Gefühl von Zusammenhalt und Solidarität gestärkt.

  • „Ich gehöre dazu“

Jede Person bringt als wichtiger Teil der Gruppe individuelle Eigenschaften und Hintergründe wie Herkunft, Kultur, Alter und Geschlecht sowie eigene Fähigkeiten, Stärken und Interessen mit. Diese machen Gemeinschaft lebendig und so können wir gemeinsam verschieden sein. In einer wertschätzenden Gruppe haben alle Platz und ergänzen sich gegenseitig. Als Alpenvereinsjugend sehen wir Vielfalt als Chance oder, um es in den Worten eines Elfjährigen zu sagen, der bei einem unserer Schulprogramme seine Klasse beschrieb: „Wir sind so bunt wie die Herbstblätter im Wald und unsere Unterschiede machen uns gemeinsam stark.“ Gemeinschaft und Inklusion leben heißt für uns auch: gemeinsam schaffen, was man allein für unmöglich hält.

Tage draußen! für Kinder: Begleiter*innen geben Sicherheit.
Foto: Franz Walter

Autorin: Johanna Grassegger ist pädagogische Mitarbeiterin in der Abteilung Jugend des Österreichischen Alpenvereins und beschäftigt sich als Psychologin, Erlebnispädagogin und Bergwanderführerin gerne mit Gemeinschaft.

Nachweise:

  • (1) Vgl. Heckmair, Bernd & Michl, Werner (2012). Erleben und Lernen. Einführung in die Erlebnispädagogik, 7. Auflage, Ernst Reinhardt, S. 84.

  • (2) Renz-Polster, Herbert (2024), Mit Herz und Klarheit, Piper, S. 50.

  • (3) ebd., S. 40 ff.

  • (4) ebd., S. 41.

  • (5) Vgl. Grolimund, Fabian & Rietzler, Stefanie (2019). Geborgen, mutig, frei, Herder, S. 21.

  • (6) ebd., S. 29.

  • (7) ebd., S. 30.

Info: Sektionsangebote der Alpenvereinsjugend

Wer sich für die Aktivitäten der Alpenvereinsjugend interessiert, wendet sich am besten direkt an die eigene Alpenvereinssektion. Hier geht's zu einer Übersicht der Sektionen und Jugendteams: www.alpenvereinsjugend.at/ueber-uns/bundesgeschaeftstelle.php

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