3 minute read

Klettern und Jugendarbeit

Griff für Griff: Sportklettern und die Bildungsziele der Alpenvereinsjugend

von David Kupsa

Der Fuß steht etwas wackelig auf einem kleinen Tritt. Die zwölfjährige Eva setzt immer wieder zum nächsten Zug in der Schlüsselstelle an, geht dann doch zurück in die Rastposition und schüttelt die Arme aus. Die ganze Jugendgruppe sitzt am Fuß des Klettergartens und feuert sie an. „Allez Eva! Du schaffst das!“ Sie und ihr Sicherungspartner Tobi tauschen noch einmal Blicke, dann nimmt sie all ihren Mut zusammen und zieht durch. Geschafft! Alle sind aus dem Häuschen. Dieser Moment steckt voller Lernchancen und Entwicklungsmöglichkeiten: Risiko einschätzen, Grenzen überwinden, Vertrauen spüren und gemeinsam freuen.

Für viele Kinder und Jugendliche ist Sportklettern der erste Kontaktpunkt mit dem Alpenverein. Zahlreiche Angebote der Alpenvereinssektionen bieten einen niederschwelligen Zugang, um erste Höhenluft zu schnuppern. Viele Kids sind begeistert und nehmen an Klettergruppen, Kursen oder unseren Aktivitäten im Freien teil.

Bildungsauftrag als Jugendorganisation

Mit rund 200.000 Mitgliedern ist die Alpenvereinsjugend eine der größten verbandlichen Jugendorganisationen in Österreich. Daraus ergibt sich ein umfassender Bildungsauftrag (Bundeskanzleramt zur verbandlichen Jugendarbeit):

Organisationen der verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit verfolgen einen ganzheitlichen und partizipativen Bildungsansatz und verstehen sich als gesellschaftlicher Gestaltungsraum, in dem junge Menschen ihre Talente entfalten können …

Im Leitbild der Alpenvereinsjugend heißt es: „Wir begleiten junge Menschen und Familien bei ihren Tagen draußen und befähigen sie, selbstständig unterwegs zu sein.“ Unsere fünf Bildungsziele sind für uns richtungsweisende Aussagen darüber, was junge Menschen durch unsere Begleitung lernen, erleben und entwickeln können. Sportklettern ist dafür ein starker Lernraum. Der pädagogische Kompass der Alpenvereinsjugend gibt Orientierung fürs praktische Tun.

Wie Klettern pädagogisch wirkt

Mit Klettern unterstützen wir die ganzheitliche Entwicklung junger Menschen. Ganzheitliche Entwicklung meint die Förderung der körperlichen, emotionalen, sozialen, kognitiven und wertebezogenen Dimension. In unserem Beispiel: Eva löst die Schlüsselstelle (kognitiv), spürt Selbstvertrauen (emotional), vertraut Tobi (sozial), trainiert Bewegungsabläufe (körperlich) und erlebt Sinn (wertebezogen).

Mit Klettern ermöglichen wir Gemeinschaft, Abenteuer und außergewöhnliche Erlebnisse. Die ganze Gruppe fiebert mit. Der Erfolg wird gemeinsam gefeiert, das Erlebnis bleibt lange im Gespräch. Ob am Lagerfeuer oder beim Heimweg – solche gemeinsamen Erfahrungen stiften Zugehörigkeit und bleibende Erinnerungen.

Mit Klettern fördern wir risikobewussten und eigenverantwortlichen Bergsport. Sportklettern erfordert Entscheidungen unter Unsicherheit. Eva hat das Risiko abgewogen, ihre Fähigkeiten eingeschätzt und bewusst entschieden, es zu versuchen. Wir begleiten solche Prozesse mit Austausch, Reflexion und Verantwortung.

Mit Klettern fördern wir Naturbeziehung, Umweltschutz und nachhaltiges Handeln. Viele Klettergärten bieten beeindruckende Naturerlebnisse – am Berg, am Fluss oder im Wald. Wir thematisieren naturschonendes Verhalten, Schutzzeiten, respektvollen Umgang mit Lebensräumen – und machen nachhaltiges Handeln konkret erlebbar.

Mit Klettern ermöglichen wir Mitgestaltung, Engagement und Beteiligung. Ziel, Ort und Ablauf des Ausflugs wurden gemeinsam mit der Gruppe geplant. Vor Ort können alle frei wählen, welche Routen sie klettern wollen. Beteiligung schafft Motivation, Verantwortung und Selbstvertrauen.

Fazit: Erlebnisorientiertes Lernen

Sportklettern bietet uns vielfältige Möglichkeiten zur Umsetzung unserer Bildungsziele. Neben technischem Knowhow braucht es dafür vor allem eine bewusste Begleitung. Unterstützt werden kann diese durch den pädagogischen Kompass der Alpenvereinsjugend. Unsere Ausbildungen zur/zum Jugendleiter*in oder Familiengruppenleiter*in bereiten darauf vor. So werden Tage draußen! zu echten Bildungserlebnissen – und das funktioniert nicht nur am Felsen, sondern auch in der Kletter- oder Boulderhalle. Mit einem strahlenden Lächeln wird Eva von ihrem Sicherungspartner abgelassen. Die Jugendgruppe empfängt sie mit High-Fives. Ihr Blick zur Jugendleiterin verrät: Da ist gerade viel passiert. Bildung eben.

Egal ob 4a oder 7c, beim Klettern wächst jede*r an den Herausforderungen.
Foto: Anna Reple

Autor: David Kupsa ist als pädagogischer Mitarbeiter in der Abteilung Jugend des Österreichischen Alpenvereins für die Funktionär*innenausbildung mitverantwortlich. Im Alpenverein Wattens war er Sportkletterreferent und ist jetzt als stellvertretender Jugendteamleiter aktiv.

This article is from: