Alpenpost 09 2014

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Die Familien Redlich und Hellmann in Aussee

Teil 3

Dank dem Tagebuch von Josef Redlich wissen wir, daß die Familien Hellmann und Redlich in Wien und Altaussee neben den hier ansässigen Familien Andrian-Werburg, Hofmannsthal, Hohenlohe-Schillingsfürst, Franckenstein, Oppenheimer-Todesco und Wassermann in der Zeit zwischen 1890, 1918 und 1938 das Zentrum eines intensiv gepflegten kulturellen Netzwerkes bildeten, das danach in seiner hohen allgemeinen Bedeutung von niemandem jemals wieder erreicht wurde. Dazu kamen zeitweise so illustre Gäste wie Gustav Mahler, das Rosé-Quartett, Richard Strauss, Hermann Bahr und manche andere, die gleichfalls tiefe und bleibende kulturelle Spuren hinterließen. VON MARTIN TH. POLLNER Eine der kulturellen Großtaten dieses Freundeskreises, vielleicht die wichtigste, war die Förderung und schließlich die bleibende Einrichtung der Salzburger Festspiele. Sie gehörten bereits von Anfang an zu den bedeutendsten Festspielen der Welt. Was uns so selbstverständlich erscheint, wurde auf oft mühsamen und, worauf uns Redlichs Tagebücher hinweisen, auf ziemlich geheimen Wegen erreicht. In aller Kürze kann hier einiges über die hinter den Kulissen verborgenen Verflechtungen erzählt werden. Altausseer Netzwerk ermöglicht Salzburger Festspielhaus Alles begann natürlich ganz offen mit Wolfgang Amadeus Mozart. Nach der Gründung des „Dommusikvereines und Mozarteums“ 1841, die als Musikschule und Sammlungsstelle von Mozartdokumenten diente, wurde 1842 das Salzburger Mozart-Denkmal enthüllt, danach gab es häufig Salzburger Musikfeste. 1880 entstand aus dem „Dommusikverein“ die öffentliche Musikschule Mozarteum, die erst 1914 als Konservatorium das Öffentlichkeitsrecht erlangte. Der berühmte Dirigent Hans Richter hatte als erster schon 1887 regelmäßige „Mozart-Festspiele“ in Salzburg vorgeschlagen. Dafür wurde ein „Aktions-Komitee“ gegründet, das die besten Theaterarchitekten Österreichs, Ferdinand Fellner und Hermann Helmer, mit der Erstellung eines Projektes für ein „Welt-Festspielhaus“ auf der Höhe des Mönchsberges beauftragte. Vorbild war das Festspielhaus Richard Wagners am Grünen Hügel in Bayreuth. Aber die für den Salzburger Bau notwendigen 430.000 Gulden konnten nicht aufgebracht werden. Auch zwanzig Jahre später, 1918, fehlte es noch immer an geeigneten Salzburger Konzertsälen. Keine ausreichende private oder staatliche Stelle konnte für dieses Projekt gewonnen werden. Hier trat nun Hugo von Hofmannsthal mit dem Regisseur und Intendanten Max Reinhardt, seinem Wiener und Salzburger Freundeskreis und speziell mit den beiden Altausseern, Konrad Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1863 – 1918) und Leopold von Andrian-Werburg (1875 – 1951), in Aktion. Der 55jährige Konrad Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, 1906 österreichischer Ministerpräsident, vorher und nachher Statthalter im Küstenland, Innenminister, Reformpolitiker und Finanzminister war Anfang Februar 1917 zum Obersthofmeister von Kaiser Karl ernannt worden und besaß beträchtlichen Einfluß auf den Kaiser. Dr. Leopold von Andrian-Werburg war im Juli 1918 schon seit mehr als 18 Jahren Berufsdiplomat, a.o. Gesandter und 18

bevollmächtigter Minister, war in Jugendtagen als Dichter in Erscheinung getreten und hatte nun eine beträchtliche Praxis in politischer Verwaltung rund um den ganzen Globus erlangt. Seit kurzem saß er, nach Erledigung der polnisch-galizischen Probleme, nahezu beschäftigungslos im Außenamt am Ballhausplatz. Obersthofmeister Hohenlohe und seine Freunde konnten Kaiser Karl überreden, den Botschafter AndrianWerburg als k.u.k. Generalintendanten der k.k. Hoftheater einzusetzen, wozu dieser zwar gerne bereit war, allerdings kaum nennenswerte Erfahrungen mitbrachte. Letzter Vorgänger in diesem Hofamt war August Plappart Frh. von Leenheer (1836-1907) gewesen, der dieses Amt 1897 angetreten hatte. Er hatte 1897 Gustav Mahler an das Wiener Hof-Operntheater geholt und sah sich 1906 gezwungen, sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zurückzulegen. Von schwerer Krankheit geplagt, versuchte er in Altaussee Heilung zu finden, starb aber hier am 16. Juli 1907. Im Gegensatz zum Bericht in der Alpen-Post wurde er nicht in Altaussee, sondern in seiner Familiengruft am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Kaiser Franz Josef fand es nicht für notwendig, dieses Amt neu zu besetzen. Es war 1918 schon seit elf Jahren unbesetzt und galt eigentlich als erledigt. Um so mehr erregte die Neubesetzung trotz der grauenhaften Kriegslage beträchtliches Aufsehen. Kaiser Karl hatte mit einem einfachen Handschreiben am 18. Juli 1918 die Ernennung Andrians ausgesprochen und ihm in einem zweiten Handschreiben den Geheimen Rat und damit den Titel Excellenz verliehen. Leopold von Andrian wurde als staatlicher Beamter mit 8.500 Kronen pensioniert, erhielt als Hofbeamter 6.000 Kronen Aktivgehalt, auf Kriegsdauer einen Dienstwagen und 6.000 Kronen Wagenpauschale, für sein privates Telephon eine Telephonpauschale und eine neue Büroeinrichtung in der Bräunerstraße. Kaiser Karl gab seinem Generalintendanten den Auftrag, österreichische, mit den k.k. Hoftheatern verbundene Festspiele in Salzburg unter Max Reinhardts Leitung einzurichten. Dieser allerhöchste Auftrag war zweifellos Hofmannsthals Werk und war der eigentliche Zweck der Ernennung Andrians. Geschickter Schachzug bremst bekannten Antisemiten aus Denn schon ein Jahr vor dieser Ernennung hatte der Wiener Musikschriftsteller Heinrich Damisch am 1. August 1917 in Wien eine „Salzburger Festspielhausgemeinde“ gegründet. Außerdem hatte er 1913 eine „Wiener akademische Mozart-

Sir Georg Albert Reichsfreiherr von und zu Franckenstein, ab 1920 österreichischer Botschafter in London, gemalt von Viktor Karl Hammer 1920 mit kleinen Änderungen 1927.

gemeinde“ gegründet und erfolgreiche Konzertreihen veranstaltet. Aber der Schönheitsfehler dieser beiden Gründungen war, daß Damisch ein erklärter Antisemit war. Seine Beiträge gegen die „jüdische Korruption alles Musikalischen“ erwiesen ihn als würdigen Nachfolger Richard Wagners und als entschiedenen Vorkämpfer der National-sozialisten. Hugo von Hofmannsthal wußte um den Antisemitismus des Heinrich Damisch und um die innere Bösartigkeit seiner Gründungen. Die Ernennung von Leopold von Andrian als Generalintendant der Hoftheater war ein sehr geschickter Schachzug, denn mit dem kaiserlichen Auftrag erhielt eine amtliche Stelle eine Planungsaufgabe für Salzburger Festspiele mit einem ersten Zugriff auf die besten Kräfte des k.k. HofOperntheaters.Gleichzeitig erhielt die aus dem Salzburger „AktionsKomitee“ von 1887 entstandene dortige „Salzburger Festspielhausgemeinde“ eine zumindest theoretische Möglichkeit, doch auf irgendeine Weise öffentliche Gelder in Anspruch nehmen zu können. – Trotz der tristen Zeitumstände hatte niemand wirklich mit dem Ende der Monarchie gerechnet, weil man sich ein solches Ende ganz einfach nicht vorstellen konnte. Am 11. November 1918 war es aber

soweit, Kaiser Karl verzichtete auf sein Herrscheramt und entließ seine Hofangestellten. Leopold von Andrians Generalintendanz war schon am 4. November beendet worden. Aber er hinterließ immerhin wichtige Termin-, Personal- und Sachplanungen für die nächsten Jahre und es zeigte sich, daß ein tüchtiger Verwaltungsbeamter auch ein tüchtiger Theaterdirektor sein konnte. Vielleicht hatte Leopold von Andrian mit dem auch in Altaussee ansässigen Bayerischen Generalintendanten Clemens von Franckenstein (1875 – 1942), Fischerndorf Nr. 72, damals ebenfalls Generalintendant in München, einen Gedankenaustausch über Theaterangelegenheiten gepflogen und Tipps erhalten, denn gute Ideen brauchen immer eine ordentliche Grundlage. Weit verzweigte Familienhistorie Um an dieser Stelle kurz auf die Altausseer Familie Franckenstein einzugehen, kann über sie folgendes berichtet werden. Der Vater, Karl Freiherr von und zu Franckenstein, aus einem uralten Adelsgeschlecht, war verwandt mit den Familien Hohenlohe-Schillingsfürst und Schönborn, war k.u.k. Diplomat, Gesandter und bevollmächtigter Minis-


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