
9 minute read
Mehrwert Erfahrungsaustausch
Interview mit Andreas Mühlberg
Advertisement
Interview und Fotos: Joop van Reeken
Der Außenhandelsverband Nordrhein-Westfalen (AHV NRW e.V.) ist der Fachverband, in dem Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größenordnungen weltweit Außenhandel betreiben. Hierzu zählen Importeure und Exporteure aus Industrie und Handel sowie Dienstleistungsunternehmen. Anlässlich der achten Ausgabe des ahv nrw magazins freuen wir uns auf ein Interview mit dem langjährigen Geschäftsführer, Herrn Andreas Mühlberg.
Joop van Reeken: Der AHV NRW hat sich im vergangenen Jahr neue Schwerpunkte gesetzt, um den Nutzen der Verbandsarbeit für die Mitgliedsunternehmen neu auszurichten. Können Sie diese kurz erläutern?
Andreas Mühlberg: Der AHV NRW definiert sich als Unternehmernetzwerk. Im Mittelpunkt steht die Interessenvertretung auf Landes-, Bundes- und auf EU-Ebene, die Nachwuchsförderung sowie der Know-how Transfer bei Außenhandelsthemen. Hierzu zählt auch die konkrete Unterstützung bei der Überwindung der zahlreichen und praktischen Herausforderungen im Außenhandel. So werden wir in unserem Mitgliederkreis einen stärkeren Fokus auf den Austausch von Erfahrungswerten und der Weitergabe von Handlungsempfehlungen an den Tag legen. Der konkrete Erfahrungsaustausch zu praktischen Fragen im Außenhandel ist für die Mitgliedsunternehmen ein unschätzbarer Mehrwert. Dank der Digitalisierung bieten wir natürlich auch themenbezogene digitale Mitgliedertreffen an, bei denen, oftmals unter Hinzunahme von Experten, auf aktuelle Herausforderungen eingegangen wird.
JvR: Wer im Außenhandel tätig ist, hat derzeit mit einer ungewohnt hohen Anzahl von Herausforderungen zu kämpfen. Wie wirkt sich das auf Ihre Verbandsarbeit aus?
AHV NRW Geschäftsführer Andreas Mühlberg
AM: Schon immer gab es internationale Verwerfungen, die sich auf das Geschäft der Außenhändler ausgewirkt haben. Der Beginn der Corona-Pandemie und der damit verbundene erste Lockdown im März 2020 hat sich nachhaltig auf die Verbandsarbeit ausgewirkt. Die Geschäftsstelle und unsere Mitgliedsunternehmen haben sich schnell an die neuen Rahmenbedingungen angepasst und sind über die Monate hinweg vergleichsweise gut durch diese Krise gekommen. Mit dem Jahreswechsel 2021/2022 keimte die Hoffnung, das Schlimmste überstanden zu haben. Lieferketten konnten im Rahmen des Machbaren neu ausgerichtet werden, Homeoffice, umfassende Hygienevorschriften in den Betrieben und digitale Veranstaltungsformate haben sich in rascher Zeit im Geschäftsalltag etablieren können. Natürlich gab und gibt es weiterhin Rückschläge, wie die Zero-Covid-Politik Chinas, die uns vor Augen führt, dass Millionenstädte mal eben in den Lockdown geschickt werden, so dass weder produziert, noch auf Lager befindliche Ware auf den Weg zum Endkunden gebracht werden kann. Die Zeichen auf eine wirtschaftliche Erholung im Laufe 2022 waren dennoch vielversprechend. Auch aus dem Abflachen hoher Infektionszahlen schöpften wir Optimismus. Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine am 24.02.2022 kam dann alles anders. Mit dem Krieg in Europa wurde eine Zeitenwende eingeläutet.
Wirtschaftssanktionen
Die europäische Staatengemeinschaft hat hierauf geeint mit umfangreichen Sanktionen reagiert, welche auch die Wirtschaft mitträgt. Es gab in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn unzählige Anfragen aus dem Mitgliederkreis zu den Wirtschaftssanktionen. Welche bestehenden Geschäfte können noch abgewickelt werden? Was passiert mit den Angestellten in russischen Tochtergesellschaften? Welche Waren sind gelistet? Wie bekomme ich meine Ware ohne Probleme aus Russland raus? Wie wird mit Altverträgen umgegangen? Wie sieht es mit dem Zahlungsverkehr aus? Die im Rekordtempo erlassenen Sanktionspakete waren umfangreich und zu Beginn unübersichtlich. Unternehmen mussten in einem kleinen Zeitfenster entscheiden, ob sie bleiben oder ob sie Russland den Rücken kehren. In mehreren Ad-hoc Webinaren konnten viele Rechtsfragen beantwortet oder im Nachgang geklärt werden. Mit einem Sanktionsupdate wurden unsere Mitgliedsunternehmen stets auf dem Laufenden gehalten. Auch hier zahlt sich unser enges Netzwerk nach Berlin aus.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Unabhängig davon begleiten wir aufmerksam und kritisch die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), welches zum 01.01.2023 in Kraft treten wird. Die Wirtschaft steht uneingeschränkt zu ihrer menschenrechtlichen Verantwortung. Mit einem gut gemeinten, aber schlecht gemachten Gesetz werden praxisfremde Vorgaben unserer Auffassung nach dazu führen, dass sich einige der engagierten deutschen Unternehmen, aufgrund von Risikoabwägungen, aus kritischen Standorten zurückziehen werden. Ausländische Wettbewerber mit niedrigeren Standards werden dann die entstandene Lücke schließen. Im Ergebnis wäre sogar mit einer Verschlechterung des Menschenrechtsschutzes zu rechnen. Es ist Aufgabe der Politik, auf Regierungsebene, auf die Einhaltung der Menschenrechte an kritischen Standorten einzuwirken.
Das Zusammentreffen mehrerer Herausforderungen führt dazu, dass der AHV NRW zwischen der Politik und den Mitgliedsunternehmen eine immer stärker werdende Scharnierfunktion einnimmt.
JvR: Welche Rolle spielt dabei das AHV NRW Netzwerk?
AM: Eine ganz entscheidende. Wir können schnell und flexibel reagieren. Die Erfahrungen, die wir schon 2020 mit Corona bedingten Lieferkettenstörungen und Grenzschließungen innerhalb Europas gemacht haben, kommen uns jetzt zu Gute. Die Gesprächskanäle mit der Landes- und Bundesregierung sowie unserer Bundesverbände waren und sind überaus eng und offen.
Mitgliedsunternehmen wenden sich mit ganz konkreten Fragen an die Geschäftsstelle und bitten um Hilfestellung; Was kann ich unternehmen, um die Ware durch den Zoll zu bekommen? Welche Informationsquellen kann ich nutzen und welche Verbindungen innerhalb des AHV NRW Netzwerkes bestehen zu Brasilien? Wie kann aus Sicht einzelner Außenhändler Einfluss auf Brüssel ausgeübt werden, um Zusatzzölle auf Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse abzuwehren? Wir sind ein branchenübergreifender Fachverband und arbeiten sehr vernetzt und vertrauensvoll mit vielen Akteuren der Außenwirtschaft, einschließlich dem Kammernetzwerk, zusammen. Oftmals hilft aber schon das Aufzeigen eines Pfades, um Fragen zur Marktbearbeitung zu lösen. Wir verstehen uns dabei auch als Lotse, damit das jeweilige Mitgliedsunternehmen keinen Schiffbruch erleidet. Außerdem ersparen wir den Unternehmen Zeit, da wir ihnen i.d.R. einen Großteil der Recherchetätigkeiten abnehmen.
Austausch von Positionen
Der Anstieg der Anfragen ist auch dadurch zu erklären, dass die Anzahl von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen seit Jahren nur eine Richtung kennt, nämlich nach oben und das unabhängig von den derzeitigen Krisenherden. Zwecks Überwindung und Handhabung von Handelshemmnissen sind Verbände, wie der AHV NRW, unerlässliche Impulsgeber für die Politik. Zu diesem Zweck haben wir, anlässlich der erfolgten Bundestagswahl im September 2021, eine Initiative ins Leben gerufen, um mit Bundestagsabgeordneten mit NRW-Bezug intensiver ins Gespräch zu kommen. Mit einem „mehr miteinander als übereinander reden“ kann einer Entfremdung der Politik von den am Außenhandel beteiligten Unternehmen erfolgreich entgegengewirkt werden. Der Wunsch nach einem Austausch von Positionen ist auf beiden Seiten sehr groß. ▶
Die Bedeutung des AHV NRW Netzwerkes ist auch bei der Frage nach der zukünftigen Rolle Chinas in der Weltwirtschaft Belang.
Am 14.06.2022 fand das Strategieforum Außenwirtschaft, unter Federführung der IHK Mittlerer Niederrhein gemeinsam mit der Sparkasse Neuss und dem Rhein-Kreis Neuss, zum Thema: „Handel im Wandel? Perspektiven für die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen in unsicheren Zeiten“ statt. Zu Gast war der chinesische Botschafter, S.E. Ken Wu. Nach seiner Keynote gab es eine Podiumsdiskussion mit Unternehmensvertretern, an der u.a. auch unser Vorsitzender, Herr Axel Hebmüller, teilnahm. Die offene und in jeder Hinsicht aufschlussreiche Diskussion führte dazu, dass unsere Mitgliedsunternehmen chinesischen Ursprungs wenige Tage später an mich herantraten und um einen Gesprächstermin baten. Bei dem Termin ging es dann u.a. um die unternehmensbezogene Wahrnehmung bestehender Geschäftsbeziehungen und deren Zukunftsaussichten. Für mich ist das ein Beleg, dass sich der globale Systemwettbewerb zwischen China und dem liberal-demokratischen Westen bereits auf konkrete Geschäftsbeziehungen auswirkt. Der damit verbundene Technologie- und Handelsstreit zwischen der VR China und den USA führt zwangsläufig zu einer Entkopplung beider Wirtschaftsblöcke, bei denen Europa auf der Strecke zu bleiben droht. Das zeigt sich beispielsweise auch an dem chinesischen Exportkontrollgesetz, was Elemente der Extraterritorialität miteinschließt. Da herrscht bei den Außenhändlern eine große Rechtsunsicherheit, mit der wir irgendwie zurechtkommen müssen.
Das heißt jedoch nicht, dass sich die Außenhandelsunternehmen komplett aus dem chinesischen Markt zurückziehen werden, vielmehr erschließt man nun zusätzliche Bezugsquellen und Absatzmöglichkeiten in anderen Ländern. Gleichzeitig wird eine neue Risikobewertung der bestehenden und in Frage kommenden neuen Beschaffungs- und Absatzmärkte vorgenommen, um die Abhängigkeit zu verringern.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Politisierung von Außenhandelsgeschäften in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Deutschland lebt von offenen Märkten, und dafür setzen wir uns weiterhin engagiert ein.

75 Jahre AHV NRW Jubiläumsfeier JvR: Was macht der AHV NRW im Bereich der Nachwuchsförderung?
AM: Das Thema Nachwuchsförderung im Außenhandel haben wir uns vor rund zehn Jahren auf die Agenda geschrieben. Aus dem Mitgliederkreis heraus wurde an uns die Forderung herangetragen, auf diesem Feld tätig zu werden. Das haben wir dann auch mit Engagement getan. Insbesondere klein- und mittlere Außenhandelsunternehmen haben ein hohes Interesse an qualifizierten Nachwuchskräften. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis steht dabei an erster Stelle. Für die Verbandsarbeit ins-
gesamt ist es eine Bereicherung, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen, zumal Denkmuster der jüngeren Generation sich von älteren Generationen deutlich unterscheiden. Durch die organisatorische Anbindung vom AHV NRW an die Düsseldorfer Arbeitgeberverbände e. V. und der damit verbundenen Stiftung Pro Ausbildung bekamen unsere Aktivitäten zusätzlichen Rückenwind. So konnten wir auch mit Berufsschulen und weiteren Fortbildungsinstitutionen Gespräche führen. 2019 wurde dann die Idee geboren, zu spezifischen Außenhandelsthemen Kurzseminare anzubieten, um den Nachwuchskräften Grundlagenwissen aus der Praxis zu vermitteln. Dabei greifen wir auf Experten aus unserem Netzwerk zurück, die als Referenten zur Verfügung stehen. Zunächst fanden die „Fit for Trade Seminare“ in Präsenzform im Industrie-Club Gelsenkirchen statt. Aufgrund von Corona und einer besseren Erreichbarkeit der Teilnehmenden seit 2021 ausschließlich online.
Unabhängig davon besteht seit 2019 eine Kooperation mit der Außenwirtschaftsakademie (AWA) in Münster und der Reguvis Fachmedien GmbH aus Köln, bei denen Mitgliedsunternehmen zu vergünstigten Konditionen an Seminaren und Fachtagungen teilnehmen können.
Abgerundet wird das Thema Nachwuchsförderung dadurch, dass unsere Mitgliedsunternehmen zu den auf Bundesebene

AHV NRW Mitgliederversammlung 2022
angesiedelten Arbeitskreisen, Außenhandelsfinanzierung, Exportkontrolle und Zoll auch ihre Nachwuchskräfte entsenden können.
Für die Nachwuchskräfte unserer Mitgliedsunternehmen ist der AHV NRW eine optimale Plattform, sich beruflich und persönlich weiter zu entwickeln.
JvR: Zum Abschluss noch die Frage, was macht den AHV NRW einzigartig?
AM: Wer den Außenhandelsverband Nordrhein-Westfalen (AHV NRW e. V.) und sein Netzwerk erst einmal persönlich kennengelernt hat, wird überrascht sein, welches Nutzenpotential er hat. Als Impuls- und Ratgeber leistet er unter Hinzunahme von Erfahrungswerten anderer Mitgliedsunternehmen eine wertvolle Hilfestellung in außenwirtschaftlichen Fragen. Für mich ist entscheidend, dass den Mitgliedsunternehmen geholfen wird.
Die Kombination von Erfahrung, Kompetenz, Austausch und persönlicher Verbindung, die in unserem Mitgliederkreis nicht nur vorhanden ist, sondern auch gelebt wird und das über die Jahre hinweg entwickelte Unternehmer- und Verbandsnetzwerk ist letztendlich die DNA des Außenhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen, und das seit 1946. Von den Vorteilen einer Mitgliedschaft profitiert sowohl die Unternehmensleitung als auch die Fach- und Führungsebene.
Unternehmen, die noch nicht Mitglied bei uns sind, sind herzlich eingeladen, sich uns anzuschließen und hieran erfolgreich und langfristig zu partizipieren.
JvR: Wir bedanken uns für das Gespräch. ◀
Dipl.-Betriebswirt Andreas Mühlberg
Geschäftsführer

Das Interview fand am 19.08.2022 in Bocholt statt.
Außenhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.
Achenbachstraße 28 40237 Düsseldorf
T +49 211 66 908 28 F +49 211 66 908 40 andreas.muehlberg@ahv.nrw www.ahv.nrw
Ihr Partner für Zoll und Außenhandel
Lassen Sie uns gemeinsam Ihre Zoll- und Außenhandelsprozesse optimieren:
Strategische Beratung und Compliance Effiziente Zollabwicklung
Praxisgerechte, digitale Lösungen

Custom Platinum Diagnosis My Digital Academykghcustoms.com
KGH Customs Services GmbH Niederlassung Soest Kurze Straße 19–21 DE-59494 Soest Customs Process ManagementTelefon: +49 (0)2921 70437-20 Customs WarehouseE-mail: sales.de@kghcustoms.com
STRATEGY AND COMPLIANCE
OPERATIONS
TRADE AND CUSTOMS MANAGEMENT
DIGITAL