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Wie unethisch ist die Leihmutterschaft?

AG Medizinethik der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg

Wie unethisch ist die Leihmutterschaft?

Im 22. Degerlocher Ethikgespräch am im Oktober 2021 wurde der Frage nachgegangen, ob die in Deutschland verbotene Leihmutterschaft immer als unethisch einzuschätzen ist oder ob sie bei klaren und vernünftigen gesetzlichen Vorgaben einer Gruppe von Kinderwunschpatienten helfen könnte.

Leihmutterschaft kennt man in der Regel nur aus Skandalberichten über ausgebeutete Frauen in armen Ländern, die reichen Wunscheltern Kinder austragen, und über Vermittleragenturen, die beide Seiten bei diesem Kinderhandel ausnutzen und Unsummen damit verdienen. Aber es gibt diese Kinder aus Leihmutterschaften – auch bei uns. Um in Deutschland die Leihmutterschaft differenzierter zu sehen, muss dieses Thema in der Bevölkerung und in der Ärzteschaft diskutiert werden.

Die Referentin Dr. Petra Thorn – als Expertin zu diesem Thema im Deutschen Ethikrat und in der Leopoldina gefragt – ist seit 1993 in der Kinderwunschberatung als Sozialtherapeutin und Familientherapeutin tätig. Sie berichtete, welche Gewissensentscheidungen Paare vor einer Leihmutterschaft treffen müssen und welche finanziellen, rechtlichen und psychosozialen Probleme auf sie zukommen. Dem Urbedürfnis nach einem Kind stehen bei heterosexuellen Paaren medizinische Diagnosen (beispielsweise Uterusentfernung), bei homosexuellen männlichen Paaren offensichtliche Gründe entgegen. Wenn es aber technisch die Möglichkeit gibt, eine andere Frau das eigene Kind austragen zu lassen und Frauen sich dazu auch freiwillig bereit erklären, stellt sich die Frage, ob dies unethisch ist?

Natürlich müsste es in Deutschland klare Richtlinien zur Leihmutterschaft geben. Die Leihmütter dürften nicht ausgebeutet werden, es sollten vertragliche Vereinbarungen auf Augenhöhe getroffen werden. In Ländern mit funktionierenden Regeln wird empfohlen, dass sich Leihmutter und Wunscheltern schon vorher kennen (Freundin), vielleicht sogar verwandt sind (Schwester, Cousine). Es soll kein Geld fließen (nicht-kommerziell), aber schon eine Aufwandsentschädigung. Das Verfahren sollte psychologisch betreut werden. Auch nach der Geburt des Kindes sind Kontakte zwischen Leihmutter, Kind und Eltern zu empfehlen, das heißt ein offener Umgang mit dem Thema. Eine zufriedenstellende Regelung aller Probleme im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft erscheint als eine politisch sehr schwierige Aufgabe.

Die AG Medizinethik der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg plant in diesem Jahr drei weitere Themen zu bearbeiten:

16. März 2022:

Die 4. Dimension von Gesundheit – Spiritualität in der Medizin – ganzheitliche Seelsorge

22. Juni 2022:

Impfpflicht – ein ethisches Dilemma

26. Oktober 2022: Industrialisierung des Gesundheitsbetriebes

Wählbar

Kammerwahl im November 2022 www.aerztekammer-bw.de/wahl

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