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Extraterritoriale Ansätze in der Exportkontrolle

Trade Compliance

Extraterritoriale Ansätze in der Exportkontrolle

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Rund um das Thema der Extraterritorialität hat sich ein gefährliches Halbwissen aufgebaut und verbreitet. Unternehmen kommen deshalb nicht mehr umhin, sich selbst urteilsfähig zu machen. AnachB erläutert die wichtigsten Grundlagen und zeigt fünf Praxisfälle mit Bezug auf Regelungen aus der EU, dem Vereinigten Königreich, den USA und China.

Das Thema Extraterritorialität ist im Zusammenhang mit dem neuen chinesischen Exportkontrollgesetz verstärkt in den Fokus gerückt. Keine Seltenheit sind Aussagen wie „[…] Wegen des extraterritorialen Geltungsbereichs treffen die Neuregelungen Unternehmen mit und ohne Niederlassung in China gleichermaßen. Unternehmen mit China-Geschäft sind daher gut beraten, Lieferketten und Handelswege schon jetzt einer kritischen Risikobewertung zu unterziehen und diese nötigenfalls an die neuen Vorgaben anzupassen […]“. Sie vermitteln den Eindruck, jedes deutsche Unternehmen mit China-Geschäft müsste sich um das neue chinesische Exportkontrollgesetz kümmern.

Extraterritorialität in der Exportkontrolle: Was ist genau gemeint

Für Klarheit beim Thema „Extraterritorialität“ ist es essenziell, in einem ersten Schritt den Begriff zu definieren und einzugrenzen. Extraterritorialität bedeutet im Außenwirtschaftsrecht, dass ein Staat sein Recht auf Sachverhalte und Personen außerhalb seiner Grenzen anwendet und durchsetzt.

Es liegt auf der Hand, dass dies in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Neben fehlenden Sprachkenntnissen (die Gesetze stehen meist nur in der Landessprache zur Verfügung) sind fehlende Rechtskenntnisse das elementare Problem.

Als Folge davon fehlt es oftmals an der Rechtssicherheit bei der Umsetzung ausländischer Gesetze. Dazu kommt, dass mangels Kenntnis des Rechtssystems auch die Sanktionsmöglichkeiten der ausländischen Behörden unbekannt sind. Auswirkungen hat dies in vielen Fällen auf die Festlegung der unternehmensinternen Prozesse. Geleitet von Angst und Unsicherheit sind Überregulierungen und damit negative Auswirkungen auf die eigene Geschäftstätigkeit und auf die Lieferkette nicht selten. Eindrucksvolle Beispiele dazu bietet die Umsetzung des US-Re-Exportkontrollrechts in deutschen Unternehmen.

Im Folgenden werden die extraterritorialen Ansätze der EU-Embargoverordnungen, der Sanktionsgesetze des Vereinigten Königreichs, des neuen chinesischen Exportkontrollgesetzes (ECL), der amerikanischen Export Administration Regulations (EAR) und des amerikanischen Sanktionsrechts des OFAC betrachtet.

Extraterritorialität von EU-Sanktionsvorschriften

Ein Beispiel von Extraterritorialität in den EU-Sanktionsvorschriften findet sich in Art. 13 der EU-Embargoverordnung Nr. 833/2014 gegen Russland. Dort heißt es beispielsweise:

Diese Verordnung gilt […] c) für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union; d) für nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union; […]

Die EU-Embargoverordnung gegen Russland ist extraterritorial ausgestaltet. Sie gilt weltweit, allerdings eingeschränkt auf die genannten Bezugsfaktoren:

● Natürliche Personen: Staatsbürgerschaft in einem EU-Mitgliedstaat

● Juristische Personen: Gegründet und eingetragen nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats

Praxisbeispiel EU

Muss das eigenständige russische Tochterunternehmen einer deutschen GmbH in Russland das EU-Embargo gegen Russland beachten?

Richtig ist, dass es sich bei der eigenständigen russischen Tochter um eine nach russischem Recht organisierte juristische Person handelt und diese damit nicht in den Anwendungsbereich der EU-Sanktionen gegen Russland fällt.

Extraterritoriale Geltung der Sanktionsregelungen des Vereinigten Königreichs

Extraterritorialität findet sich auch in den Sanktionsregelungen des Vereinigten Königreichs, wie ein Auszug aus dem UK Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018 zeigt:

Part 1, Chapter 1 Section 21 Extra-territorial application (1) Prohibitions or requirements may be imposed by or under regulations under section 1 in relation to –(a) […] (b) Conduct elsewhere, but only if the conduct is by a United Kingdom person. (2) In subsection (1) “United Kingdom person” means –(a) a United Kingdom national, or (b) a body incorporated or constituted under the law of any part of the United Kingdom. (3) For this purpose, a United Kingdom national is an individual who is – (a) […]

Auch die Sanktionsvorschriften des Vereinigten Königreichs sind extraterritorial ausgestaltet. Sie gelten weltweit, wenn folgende Bezugsfaktoren vorliegen:

● Natürliche Personen: Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs

● Juristische Personen: Gegründet und eingetragen nach dem Recht des Vereinigten Königreichs

Praxisbeispiel UK

Die deutsche A GmbH mit Sitz in Stuttgart ist die eigenständige Tochter der britischen A Ltd. Fällt die A GmbH in den Anwendungsbereich des UK Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018?

Bei der deutschen GmbH handelt es sich um eine nach deutschem Recht organisierte juristische Person und diese fällt damit nicht in den Anwendungsbereich des UK Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018.

Extraterritoriale Geltung des neuen chinesischen Exportkontrollgesetzes

Wie eingangs erwähnt, hat das Thema Extraterritorialität durch das neue chinesische Exportkontrollgesetz (ECL) an Aufmerksamkeit gewonnen. Dort heißt es etwa im Artikel 2 zum Anwendungsbereich des ECL:

For the purposes of this Law, export control means the prohibitive or restrictive measures taken by the State against the transfer of any Controlled Items out of the People’s Republic of China, and the provision of any Controlled Items by any citizens, legal persons or non-corporate organizations of the People’s Republic of China to any foreign organizations and individuals.

Das neue chinesische Exportkontrollgesetz ist damit nicht extraterritorial ausgestaltet. Kontrolliert werden Exporte aus China und die Weitergabe kontrollierter Güter durch chinesische Personen (natürliche und juristische) an Ausländer – sogenannte Deemed Exporte.

Praxisbeispiel China

Ist ein deutsches Unternehmen, das chinesische Produkte in die USA ausführt vom neuen chinesischen Exportkontrollgesetz betroffen?

Richtig ist, dass das ECL den Anwendungsbereich auf Exporte aus China beschränkt und Re-Exporte nicht in den Anwendungsbereich des ECL fallen.

Mehr Infos zum Exportkontrollgesetz in China

Was beinhaltet das neue chinesische Gesetz? Was sind die Folgen bei Verstößen? Und was sind Empfehlungen für globale Trade Compliance-Programme? Alle Infos hier: https://www.aeb.com/de-de/china-trade-compliance/exportkontrollgesetz.php

Extraterritorialität und die amerikanischen Export Adminstration Regulations

Ein Blick in die Export Administration Regulations (EAR) der USA zeigt beispielsweise folgende Regelung:

§ 734.14 EAR REEXPORT (1) An actual shipment or transmission of an item subject to the EAR from one foreign country to another foreign country [...] § 732.1.c EAR (c) Are your items and activities subject to the EAR? You should first determine whether your commodity, software, or technology is subject to the EAR (see part § 734 of the EAR concerning scope)

Die EAR sind also extraterritorial ausgestaltet. Sie gelten weltweit, allerdings beschränkt auf die in § 734.3-5 EAR genannten Bezugsfaktoren:

● Natürliche Person: US-Staatsbürgerschaft, Greencard, erster Wohnsitz

● Juristische Person: Organisiert nach dem US-Gesellschaftsrecht, Unternehmen mit amerikanischer Gesellschaftsform

● US-Produkte gem. § 734.3 & 4 EAR

Praxisbeispiel zu EAR

Ist ein deutsches Unternehmen, das US-Produkte nach China ausführt vom US-Re-Exportkontrollrecht nach den EAR betroffen?

Die EAR kontrollieren Re-Exporte von US-Produkten weltweit. Die Lieferung von US-Produkten nach China ist aus US-Sicht ein Re-Export, der in den Anwendungsbereich der EAR fällt.

Extraterritorialität der amerikanischen Sanktionsvorschriften des OFAC

Wie steht es nun um die Sanktionsvorschriften des OFAC? Lassen Sie uns dazu in die POLICY ISSUES des U.S. Department of the Treasury schauen. Hier ein Auszug zum Anwendungsbereich der Specially Designated Nationals List (SDN):

“As part of its enforcement efforts, OFAC publishes a list of individuals and companies owned or controlled by, or acting for or on behalf of, targeted countries. It also lists individuals, groups, and entities, such as terrorists and narcotics traffickers designated under programs that are not country-specific. Collectively, such individuals and companies are called "Specially Designated Nationals" or "SDNs." Their assets are blocked and U.S. persons are generally prohibited from dealing with them.”

Die Sanktionsvorschriften des OFAC sind danach nicht extraterritorial ausgestaltet. Der Anwendungsbereich der Sanktionsvorschriften des OFAC ist grundsätzlich beschränkt auf US-Personen (Primary Sanctions). Allerdings gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz. Die Sanktionsvorschriften gegen den Iran und Russland normieren auch für Nicht-US-Personen Sanktionen (sog. Secondary Sanctions).

Praxisbeispiel Sanktionsvorschriften OFAC

Der Vertriebsleiter der B GmbH hat die US-Staatsbürgerschaft. Wird die B GmbH dadurch zu einer US-Person und muss sämtliche vom OFAC verwalteten US-Sanktionen beachten?

Richtig ist, dass eine nach deutschem Gesellschaftsrecht organisierte juristische Person durch die Anstellung eines US-Staatsbürgers grundsätzlich nicht zu einer US-Person im Anwendungsbereich der vom OFAC verwalteten US-Sanktionen wird. Die Definition der US-Person variiert allerdings je nach Gesetz und ist für den konkreten Anwendungsfall immer den Begriffsbestimmungen der einschlägigen Rechtsvorschrift zu entnehmen. Zu beachten sind insbesondere die abweichenden Definitionen der US-Person in den Embargo-VO gegen IR, CU, SY und KP.

Fazit: Prüfung notwendig

Wer sich mit der extraterritorialen Ausgestaltung ausländischer Gesetze beschäftigt und nicht Opfer des Flüsterposteffekts werden möchte, kommt nicht umhin, einen Blick in das ausländische Gesetz zu werfen und zu prüfen, ob diese extraterritorial ausgestaltet sind, welche Bezugsfaktoren für die weltweite Anwendung genannt werden und ob diese auf den konkreten Einzelfall Anwendung finden.

Die Autorin: Dr. Ulrike Jasper ist Juristin und betreut seit vielen Jahren die Themengebiete Exportkontrolle und Sanktionslistenscreening bei der AEB SE. Sie ist Referentin bei verschiedenen Weiterbildungsträgern sowie Autorin zahlreicher Beiträge in Fachzeitschriften.

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