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Außenwirtschaftsprüfungen
from AnachB 07.2020 Bestände weltweit im Griff – bei Fahrradreifenspezialist Ralf Bohle
by AEB Software
Außenhandel
Keine Panik vor der Prüfung
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Wer Dual-use Güter in Drittländer ausführt oder Embargoländer beliefert, rechnet mit der Außenwirtschaftsprüfung. Aber es kann auch Exporteure unkritischer Waren treffen, die wenig bis gar keine Erfahrung damit haben. AnachB stellt die wichtigsten Fakten und Praxistipps zusammen, um diese herausfordernde Zeit zu meistern.
Freundlich sehen sie drein, sie sind handlich in der Größe und knuffig anzuschauen. Für manche sind sie Kult, für andere einfach Kitsch: Über 25 Mio. Gartenzwerge zieren die Vorgärten und Fensterbänke rund um den Globus. Sie stammen beispielsweise von einem Hersteller aus Thüringen, der vornehmlich Händler in Deutschland, Österreich und der Schweiz beliefert. Das Unternehmen staunte nicht schlecht, als vor einiger Zeit eine Anordnung zur Außenwirtschaftsprüfung (AWP) eingeht, die etwa auf Verstöße gegen Embargos oder
Thomas Peterka,
Diplom-Finanzwirt (FH) und Rechtsanwalt
Sanktionslisten abzielt: Was haben seine Tonprodukte mit Waffen oder Terroristen zu tun? Nichts, attestiert ihm der Prüfer nach nur zwei Tagen vor Ort.
Wie der Zoll plant
Das Hauptzollamt in Erfurt hatte den Zwerg-Hersteller zufällig ausgewählt unter den vielen Unternehmen mit regelmäßigen Ausfuhranmeldungen in Drittländer. Für die Auswahl nutzt die Zollverwaltung komplexe IT - Systeme, um exportierende Unternehmen zu bewerten. Ein automatisiertes Monitoring von Ausfuhrprozessen und Datenanalysen dient dazu, Risikoprognosen zu erstellen. Ausführende Unternehmen bekommen davon nicht viel mit; es sei denn, sie finden sich auf dem Prüfungsplan wieder. Der Zoll als kontrollierende Instanz hält sich verständlicherweise mit Details zurück. Nur so viel verrät Luise Hoppe von der Pressestelle der Generalzolldirektion: „Es handelt sich um eine risikoorientierte Auswahl. Die alleinige Betrachtung des Warenkreises reicht hierbei nicht aus.“ Zur Risikoeinstufung erklärt sie: „Die Parameter sind vielfältig, werden regelmäßig überprüft und angepasst.“ Im groben kommt der Prüfungsplan so zustande: Die Zollverwaltung sammelt die Daten von Exportunternehmen – wie personenbezogene Stammdaten und verfahrensbezogene Daten aus Bewilligungen, Erlaubnissen, Zulassungen – und wertet sie risikoorientiert aus. Mit Ziffern von 1 bis 3 beschreibt der Zoll das Risikopotenzial eines Beteiligten: 1 steht für geringes, 2 für mittleres und 3 für hohes Risiko. Aus der Analyse ergeben sich Vorschläge, welche die Sachgebiete Abgabenerhebung und Prüfungsdienst abstimmen und in die jährlichen Prüfungspläne der über 40 Hauptzollämter (HZA) in Deutschland aufnehmen. Diese Planprüfungen machen circa 90 % aller Außenwirtschaftsprüfungen aus.
Wie sich Unternehmen verhalten sollten
Dazu kommen eine geringe Zahl an Anlassprüfungen und etwa 10 % Zufallsprüfungen wie eben jene beim Gartenzwerg-Hersteller. „Diese Zufallsprüfungen dienen auch der Korruptionsvorsorge: Kein Exporteur in Drittländer ist sicher vor der Außenwirtschaftsprüfung“, erklärt Thomas Peterka, Inhaber der Zollkanzlei Peterka in Hamburg. Etwa 1.500 Außenwirtschaftsprüfungen fanden 2018 statt. Er empfiehlt, eine Prüfung gut vorzubereiten – und das fängt mit der richtigen Einstellung an: „Im Außenwirtschaftsrecht geht es um Gesetze, die einzuhalten sind. Ein Unternehmen muss es dem Prüfer ermöglichen, das zu kontrollieren“, betont der Diplom-Finanzwirt (FH) und Rechtsanwalt. Dazu gehört ein fachkundiger Ansprechpartner, der über den gesamten Prüfzeitraum zur Verfügung steht. Ist dies nicht möglich, etwa wegen Urlaubsplanung, sollte ein neuer Termin angestrebt werden.
Mit dem Prüfer kooperieren
Wenn die Prüfung stattfindet, sollten Unternehmen kooperativ mit dem Prüfer zusammenarbeiten, sodass dieser seine Arbeit effizient erledigen kann. Manuel Sieben von der AWB Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/AWB Steuerberatungsgesellschaft mbH in Münster, empfiehlt
„Prüfer wollen den kompletten Zahlungsfluss einer Ausfuhr sehen. Unternehmen müssen eine Referenzierung abbilden, etwa durch einen elektronischen Prüfpfad.“
Manuel Sieben, Steuerberater und Prokurist etwa: „Es macht wenig Sinn, sich mit dem Prüfer vor Ort zu streiten. Denn die Entscheidung über Bußgelder bzw. Strafen treffen andere. Nichtsdestotrotz ist es natürlich legitim, auch andere Rechtsauffassungen zu vertreten und diese auch kundzutun.“ Wie lange die Außenwirtschaftsprüfung dauert, hängt vom Prüfungsumfang, dem abgewickelten Volumen des Außenwirtschaftsverkehrs und der Warengruppen ab. Besonders sensible Branchen kontrolliert der Zoll deutlich intensiver. Das kann durchaus mehrere Monate dauern. Was geprüft wird, also den Prüfungsumfang, darüber enthält die übermittelte Prüfungsanordnung erste Informationen – ebenso wie zu Rechtsgrundlage, Zeitraum und Beginn. Beim Außenwirtschaftsverkehr lässt sich in etwa vorhersagen, welche Vorgänge sich der Prüfer in welcher Abfolge anschaut. „Im Juristischen prüft man immer das Speziellere vor dem Allgemeinen“, erklärt Dr. Ulrike Jasper, Juristin im Bereich Außenwirtschaftsrecht bei AEB SE. So folgt ein Außenprüfer in der Regel der 4-Schritt-Methode aus der Exportkontrolle:
1. Sanktionslisten
Hier fragt der Außenprüfer nach dem Screening-Verfahren und der Dokumentation. Wer Software wie AEB Compliance Screening nutzt, ist hier im Vorteil. Die Lösung gleicht automatisch Personen und Unternehmen mit den hinterlegten Sanktionslisten ab und protokolliert die Prüfungen. Theoretisch ließe sich der Abgleich auch manuell ausführen mit der Web-Version der FiSaLis (Finanzsanktionsliste zur Ermittlung von Personen, Gruppen und Organisati onen für die aufgrund einer Sanktion ein umfassendes Verfügungsverbot besteht). Aber der Aufwand mitsamt händischer Dokumentation dürfte für größere Kunden
Die vier Schritte der Prüfung
stämme kaum praktikabel sein.
2. Embargoländer
Im Fokus der Prüfung stehen Ausfuhren in sanktionierte Länder wie Russland oder Iran. Anhand ausgewählter Vorgänge lässt sich der Prüfer die nötigen Ausfuhrgenehmigungen vorlegen und sieht gegebenenfalls die Verfahrensanweisungen zum Umgang mit Embargoregeln ein. Exporteure mit solchen Geschäftsbeziehungen nutzen in der Regel spezialisierte Software wie Export Controls von AEB. Dort sind Prüfroutinen hinterlegt, die zu beachtende Embargoregeln melden. Auch potenziell heikle Reihengeschäfte werden abgebildet, weil unterschiedliche Datenfelder für Empfänger und Käufer existieren. Beliefert ein Unternehmen solche Länder nicht, wie der oben genannte Hersteller von Gartenzwergen, ist dieser Schritt während der Außenwirtschaftsprüfung schnell abgehakt.
3. Exportkontrolle
Gegenstand der Prüfung sind Dual-use-Güter – auch wenn sie laut EU-Statistik nur etwa zwei Prozent des gesamten
Ausfuhrvolumens aus der EU ausmachen. Der Prüfer lässt sich in diesem Schritt z. B. das Verfahren für die Güterklassifizierung zeigen und sucht in Maschinenstücklisten nach potenziellen Bauteilen. Zu den „Klassikern“ gehören bestimmte Ventile, Frequenzumrichter und Pumpen, die im verbauten Zustand unkritisch, aber als Handelsware bzw. als einzelne Ersatzteile genehmigungspflichtig sind.
4. Verwendungszwecke
Hier sucht der Prüfer nach Gütern für bestimmte Verwendungszwecke, die nur mit Genehmigung ausgeführt werden dürfen.
Kontrollinstanzen und Bußgeldverfahren
Zuständige Behörde für Ausfuhrgenehmigungen: BAFA Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Kontrollierende Instanz für Außenwirtschaftsvorgänge: Hauptzollämter (HZA) • Sachgebiet B Abgabenerhebung:
Planendes Organ, das Außenprüfungen intern beauftragt • Sachgebiet D Außenprüfung:
Ausführendes Organ für Außenwirtschaftsprüfungen (AWP) • Sachgebiet F Ahndung:
Ausführendes Organ für Bußgeldverfahren, das nach dem Opportunitätsprinzip agiert: Ein Verfahren kann eingeleitet werden, muss es aber nicht. Strafverfolgende Instanz: Staatsanwaltschaft. Bei strafrechtlichen Vorfällen setzt der Prüfer die Außenprüfung aus und übergibt den Fall an die Staatsanwaltschaft.
Wie der Datenzugriff erfolgt
Zur Außenwirtschaftsprüfung müssen alle zollrelevanten Unterlagen zur Einsicht bereitstehen. Wenn sie digital archiviert sind, braucht der Prüfer einen geeigneten Arbeitsplatz mitsamt Lesezugriff für die entsprechenden IT-Systeme. Das allein reiche jedoch nicht, meint Steuerberater Manuel Sieben: „Der Zoll erwartet heute einen elektronischen Prüfpfad, um alle Dokumente im Idealfall auf Knopfdruck zu finden.“ Gerade die Verbindung zur Buchhaltung sei wichtig. „Wenn in der Ausfuhranmeldung ein Wert von 100.000 Euro steht, muss dieser auch im Kundenauftrag sowie der Rechnung auftauchen und eingegangen sein“, so der Master of Customs Administration (MCA) und Diplom-Finanzwirt (FH). Der Prüfpfad lässt sich über eine interne Referenznummer umsetzen. Das können beispielsweise im ERP-System vergebene Bestell-, Liefer- oder Rechnungsnummer sein. Wichtig sei auf jeden Fall, dass eine derartige ID eine Verbindung zwischen allen Unterlagen ermöglicht – etwa Lieferschein, Packliste, Frachtbriefe, Rechnungen und Ausfuhranmeldung.
Software kann helfen
Für mehr Transparenz sorgt spezielle Zollsoftware wie Export Filing: ATLAS von AEB, die nicht nur den Alltag der Zollverantwortlichen, sondern auch die Prüfungssituation erleichtert. So kann der Nutzer relevante Unterlagen zum gewünschten Ausfuhrvorgang auf Knopfdruck abrufen und dem Prüfer zur Verfügung stellen. Beim Thema Sanktionslisten unterstützt die Lösung AEB Compliance Screening: Sie gleicht die Stammdaten aus dem ERP-System mit den hinterlegten Sanktionslisten ab und dokumentiert die Ergebnisse in Protokollen, die der Prüfer jederzeit einsehen kann. „Trotzdem ist jede Lösung nur so gut wie die eingespielten Daten“, betont Dr. Ulrike Jasper. Dementsprechend häufig gebe es in Unternehmen Diskussionen zur Stammdatenqualität, wie Thomas Peterka weiß: „Bei Zoll und Außenwirtschaft verlassen sich alle Fachabteilungen auf die Zollkollegen. Dabei sind alle daran beteiligt einschließlich Einkauf, Buchhaltung, IT und Vertrieb.“

Praxisbeispiel Reihengeschäft
Manuel Sieben erlebte einen Problemfall mit einem klassischen Reihengeschäft: Ein Maschinenbauer aus Deutschland baute Motoren und verkaufte sie an einen ebenfalls deutschen Händler. Der veräußerte die Waren weiter an ein Unternehmen in den USA und bat den Hersteller, seine Motoren direkt an den Endabnehmer zu senden. Der Maschinenbauer kam dem nach und trug in 14 Ausfuhranmeldungen im Feld 2: „Ausführer“ sich selbst ein und nicht den Händler. Dies war aus Sicht der Zollverwaltung mit der damals gültigen Ausführerdefinition nicht vereinbar. Diesen Fehler bemerkte der Prüfer und leitete den Fall ans Sachgebiet F: „Ahndung“ innerhalb des Hauptzollamtes weiter. Die Juristen von AWB wurden eingeschaltet und konnten die Höhe des Bußgeldes noch verhandeln. Trotzdem stand eine Zahlung von 14 x 200 Euro an – zuzüglich des Honorars für die externe Beratung und vieler interner Stunden, die der Fall gebunden hatte. Häufig ginge es den Unternehmen weniger um die Höhe des Bußgeldes, sondern um die Vermeidung eines negativen Eintrages bei der Zollverwaltung oder im Gewerbezentralregister.
Aus der Praxis: Dual-use-Gut falsch codiert
Thomas Peterka berichtet über ein Inhouse-Audit, in dem alte Exportvorgänge auf Fehler geprüft wurden. Bei einer Handelsware wurde man fündig: Sie war vom Lieferanten nicht als Dual-use codiert. Dem Bezieher war dies nicht aufgefallen. Um ein derartiges klassisches Organisationsverschulden zukünftig zu vermeiden, erweiterte das auditierte Unternehmen seinen Einkaufsprozess um diese Schritte: grundsätzlich bei Lieferanten nachfragen, deren Aussagen auf Plausibilität prüfen und zusätzliche Eigenprüfungen vornehmen.
Die Experten empfahlen zudem, künftig die Ausfuhranmeldungen stichprobenartig zu kontrollieren. „Eine generelle Aussage zum Umfang der Stichproben lässt sich eigentlich nicht treffen, weil dies unternehmensspezifisch ist. 10 % zu überprüfen, dürfte aber ein guter Richtwert sein“, meint Thomas Peterka. In anderen Fällen könne es sinnvoller sein, die komplizierten Fälle anzuschauen, wie komplette Anlagen oder Ausfuhren mit Sondereinträgen: „Jedes Unternehmen muss selbst ermitteln, wo die höchsten Fehlerrisiken liegen, und sie mit einem internen Kontrollsystem ausschließen.“
Proaktiv handeln
„Exportkontrolle ist ein heikles Thema, weil potenziell Gefängnisstrafen drohen. Das geistert durch viele Köpfe“, resümiert Dr. Ulrike Jasper. Die Rechtsanwältin empfiehlt, sich ausreichend Zeit einzuräumen, um aktuelle Entwicklungen und die Rechtsprechung zu verfolgen. Generell sei es ratsam, sich fachlich auf dem Laufenden halten – etwa auch durch Teilnahme an Seminaren. Zudem sollten Exporteure proaktiv handeln. Das können interne Audits vor einer Außenwirtschaftsprüfung sein, um Schwachpunkte bzw. Fehler aufzudecken und frühzeitig zu beheben. Wer über keine bis wenig Erfahrung in verfahrensrechtlicher Hinsicht verfügt, kann die Prüfung durch einen externen Spezialisten begleiten lassen. Weiter sollten Unternehmen in passende Software investieren und die eigene Organisation anpassen, um eine durchgängige interne Kontrolle der Ausfuhrvorgänge zu gewährleisten. Damit sollte dann kein Unternehmen mehr Panik vor einer Außenwirtschaftsprüfung haben.
Die Autorin: Dipl.-Ing. Corinna Scholz ist Fachjournalistin in Hamburg und mit vielen Personen in Kontakt, die sich täglich mit Außenwirtschaft beschäftigen. Es erstaunt sie immer wieder, wie komplex sich die Thematik gestaltet und neue Perspektiven auftun.
Kurz erklärt: Zoll- und Außenwirtschaftsprüfung „Regelt das Zollrecht vor allem das Wie des grenzüberschreitenden Warenverkehrs, so befasst sich das Außenwirtschaftsrecht zuerst mit dem Ob“, erklärt Thomas Peterka von der Zollkanzlei Peterka. Die Zollprüfung betrachtet die Importseite und fokussiert auf fiskalische Aspekte wie Einfuhrabgaben. Hält ein Unternehmen die Vorschriften des Zollrechts nicht ein, kann das hohe monetäre Folgen haben, wenn der Zoll nicht nur Bußgelder verhängt, sondern auch Einfuhrzölle nacherhebt. Etwa 90 % aller Kontrollen durch den Zoll gehören dieser Prüfungsart an. Die Außenwirtschaftsprüfung beleuchtet die Exportseite. Das wirtschaftliche Risikopotenzial für das Unternehmen ist hier geringer, selbst wenn Verstöße mit Bußgeldern bis zu 30.000 Euro pro Fall bzw. mit maximal 3 Mio. Euro geahndet werden. Bei beiden Prüfungsarten drohen in schweren Fällen auch Haftstrafen.