4c | Deutschland-Ausgabe 1/2017

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das nicht als strategische Priorität wahr. Amazon kocht nun einmal gerne auf 200 Töpfen gleichzeitig“, so Fries gegenüber 4c. Gelegenheiten Forscher Nikolaus Franke stimmt da zu: „Radikalere Schritte beim Mass Customization kommen eher von Newcomern. Die Großen haben oft Angst, ihr bisheriges Geschäftsmodell infrage zu stellen“. Die Angst der Großen ist die Gelegenheit der Kleinen. Und viele der Startups, die sich mit der Personalisierung von Waren am Markt etablieren möchten, benötigen Know-how und Produktionskapazität von Druckereien. Die Österreicherin Karin Janner zum Beispiel. Sie hat 2010 in Berlin Spieltz.de gegründet. Bei Spieltz.de können Privatkunden oder Unternehmen Brett- oder Kartenspiele gestalten lassen, zum privaten Gaudium oder auch für das Merchandising. „Die Suche nach einer Druckerei war anfangs natürlich nicht einfach. Denn die Drucker mussten auch Zeit in die Produktentwicklung investieren“, erzählt sie. Amazon will nicht Man sollte nun annehmen, dass Amazon mit einem Umsatz von 107 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 nur mäßige monetäre Mühen aufwenden müsste, sich selbst in diesen Markt der Massenindividualisierung einzukaufen. Erstaunlicherweise passiert genau das aber nicht. Der im Jahr 2014 gegründete Shop für individualisierte 3D-Objekte wurde mittlerweile offenbar wieder geschlossen. Die Tests, Waren per Drohne anzuliefern, verkauft die Marketingabteilung von Amazon mit wesentlich mehr Verve als etwa den Start von Amazon Merch, einem Service, mit dem T-Shirts gestaltet, bedruckt und dann zum Verkauf angeboten werden können. „Beim Mass Customization ist man recht schnell bei komplexen Konfiguratoren. Dass man sich da zuerst mit individuellen T-Shirts beschäftigt, liegt nahe. Das ist ja auch etwas, was dem durchschnittlichen Kunden von Amazon leicht vertraut gemacht werden kann“, bewertet Michael Fries, Geschäftsführer der bayerischen Onlineprinters, kühl das Kalkül von Amazon. Für Fries ist es nicht so sehr eine Frage der Möglichkeiten, die Amazon hat, sondern der Abwägung, wie wichtig Mass Customization für die Entwicklung des Unternehmens ist. In Seattle ist man offenbar zum Schluss gekommen: Im Moment ist das nicht so sehr von Bedeutung. „Natürlich macht es Sinn für Amazon, sich mit diesem Markt zu beschäftigen, aber ich nehme

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Mittlerweile arbeitet sie regelmäßig mit rund 20 Druckbetrieben in Berlin zusammen, die unter anderem Brettspiele ganz nach Kundenwunsch auf LKW-Planen drucken. Stolpern Nikolaus Franke ist sicher: „Wir werden uns schon bald fragen, wie es passieren konnte, dass uns Unternehmen so lange diktiert haben, wie Produkte beschaffen sein müssen.“ Seinen Studierenden erzählt der Professor manchmal auch eine Geschichte, die beweisen soll, dass verliert, wer nicht personalisiert, und dass dies irgendwie schon vor mehr als 200 Jahren gegolten hat. Napoleon nämlich, der große Eroberer, sparte beim Russland-Feldzug im Jahre 1812 an der falschen Stelle. Seine Soldaten rüstete er mit Schuhen aus, die alle die gleiche Größe hatten. Und um noch mehr zu sparen, gab es auch keine Varianten für den linken oder rechten Fuß. Das hat sich gerächt. Auf dem rund 3.000 Kilometer langen Marsch bis Moskau fiel ihm dann ein großer Teil seiner Armee fußlahm aus. ∑∑∑∑

π Der #4ctalk zum Thema

„Wir werden uns schon bald fragen, wie es passieren konnte, dass uns Unternehmen so lange diktiert haben, wie Produkte beschaffen sein müssen.“ Nikolaus Franke, Forscher

Können Druckereien von der Massenindividualisierung profitieren? Eröffnen sich da neue Märkte für Druckdienstleister? Und was muss eine Druckerei überhaupt können, um mit Anbietern solcher personalisierter Produkte zusammenarbeiten zu können? Diskutieren Sie mit anderen 4c-Lesern und mit der 4c-Redaktion über dieses Thema. Bei unserem nächsten #4ctalk auf Twitter. Am Donnerstag, dem 16. März, von 14.00 bis 15.00 Uhr. Bitte fügen Sie Ihren Beiträgen immer den Hashtag #4ctalk hinzu, damit andere Ihren Tweets folgen können. Wir freuen uns, wenn Sie mitdiskutieren. www.twitter.com/4cmagazin

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