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Das Lila Lied

Im Oktober lässt das Zürcher Kammerorchester zusammen mit den Geschwister Pfister traumhafte und frivole Musik aus den Goldenen Zwanzigerjahren wiederauferstehen. Im Zentrum der Veranstaltung «Verzaubert» in Zürich und Winterthur steht die erste Homosexuellenhymne der Welt.

TEXT MARK BAER

Es war eine Zeit des Aufbruchs. Nach dem Ersten Weltkrieg packten Schlager verwegene und zum Teil auch anstössige Themen auf. Das Lila Lied aus dem Jahr 1920 mit der Musik von Mischa Spoliansky und dem Text von Kurt Schwabach war als gemächlicher Foxtrott weit weg vom Marschlärm aus dieser Zeit. Der Text brachte ein neues Selbstbild und Selbstbewusstsein von Schwulen und Lesben zum Ausdruck: «Wir sind nun einmal anders, als die andern, die nur im Gleichschritt der Moral geliebt», heisst es in einer Zeile des pinken Songs. Zum ersten Mal ging es auch um den Stolz, homosexuell bzw. nicht heteronorm zu sein.

Ralf Jörg Raber, der in seinem Buch «Wir sind wie wir sind» die Historie des Lila Lieds ausführlich darlegt, ist noch heute angetan und berührt von diesem speziellen Schlager: «Dass der Traum, für sein Recht einzustehen, vor über einhundert Jahren musikalisch öffentlich gemacht wurde, beeindruckt mich nach wie vor.»

Am 24. Oktober 2022 werden im Zürcher KaufleutenSaal und am 25. Oktober im Casinotheater Winterthur neben dem Lila Lied noch weitere typische Stücke und frivole Schlager aus den 1920er- und 1930er-Jahren im Zentrum stehen. Beispielsweise auch verträumte und fantasievolle Instrumentalkompositionen des Ausnahmekomponisten Spoliansky.

Die Geschwister Pfister werden im Rahmen der EventReihe «Verzaubert» zusammen mit dem Zürcher Kammerorchester auch den Schlager «Bubi, lass uns Freunde sein» zu neuem Leben erwecken. Der Song von Bruno Balz, dem später so populären Texter der erfolgreichen Zarah-Leander-Schlager, stammt aus dem Jahr 1924 und ist damit nur ein paar Jahre jünger als das Lila Lied. «Es gibt von diesem durch und durch schwulen Schlager leider keine Tonaufnahme, aber wir haben zum Glück die Noten auftreiben können», freut sich Christoph Marti von der Musik-Kabarettisten-Combo.

Ansonsten werden in Zürich und Winterthur auch noch einige Lieder vorgetragen, deren queerer Content sich eher über Andeutungen und über Zweideutiges mitteilt, «was mir ganz oft lieber ist, weil es mit Mitteln der Verführung, des Humors oder eines Geheimnisses arbeitet», wie der Schweizer Sänger verrät.

«Wir sind nun einmal anders, als die andern, die nur im Gleichschritt der Moral geliebt.»

«Verzaubert» ist eine Live-Talk-Reihe, wo jeweils spezielle LGBTIQ-Themen diskutiert werden. Auf spielerische und unterhaltende Art und Weise werden Wissen und Zeitgeist vermittelt. Wer nun denkt, dass sich der Event ausschliesslich an homosexuelle und trans Menschen wendet, irrt. «Wir richten uns an ein sehr diverses Publikum», sagt Markus Sulzer, Initiant der «Verzaubert»-Reihe. «Erfreulicherweise fühlen sich auch viele heterosexuelle Personen von den Themen angesprochen», erklärt der Projektleiter Corporate Citizenship der Zürcher Kantonalbank weiter.

Nach der etwa 60-minütigen musikalischen Darbietung werden sich die Geschwister Pfister noch zusammen mit Lena-Catherina Schneider, der künstlerischen Leiterin des Zürcher Kammerorchesters, und dem Schlager-Experten und Autor Ralf Jörg Raber über die lila Roaring Twenties unterhalten. Moderiert wird der Abend von der feministischen Autorin und LGBTIQ-Expertin Anna Rosenwasser.

DAS LILA LIED – IM RAHMEN DER VERZAUBERT-REIHE MO, 24. OKT. 2022, 20.00 UHR, CASINOTHEATER WINTERTHUR DI, 25. OKT. 2022, 20.00 UHR, KAUFLEUTEN ZÜRICH

Geschwister Pfister Ursli & Toni Pfister Kai Tietje Musikalische Leitung Anna Rosenwasser Autorin, Moderation Ralf Jörg Raber Autor, Special Guest Zürcher Kammerorchester

CHF 69 / 59 / 49 Vorverkauf: Kaufleuten Zürich, www.kaufleuten.ch Casinotheater Winterthur, www.casinotheater.ch

Mit freundlicher Unterstützung der Zürcher Kantonalbank