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Feder und Bogen I: Stefan Zweig

MOZART KOMPONIERT WIE ANDERE SCHNEUZEN

Stefan Zweigs literarischer Ruhm reichte bis in den letzten Winkel der Erde, stellte Thomas Mann fest. Zweig war auch ein Musikschriftsteller und fand Heimat in den Tönen.

TEXT CORINNE HOLTZ

Darf ein guter Dirigent Fett ansetzen? Der politisch unkorrekte Satz findet sich in Stefan Zweigs Aufsatz über eine Aufführung von Wagners Parsifal, der «geraubt, heimtückisch entrissen wie Amfortas Speer» durch Nordamerika hetze. Zweig sitzt im März 1911 als Chronist in der Metropolitan Opera in New York, mitten im andächtig Kaugummi kauenden Publikum, als sich der übergewichtige Dirigent mit Mühe auf den Stuhl schwingt. «Jetzt ist es stockfinster. Man sieht nur ein paar Kerzen an den Notausgängen in unsicherem Licht und die Glatze» des Dirigenten.

Zweig hielt sich 1911 in New York auf und debütierte mit dem Parsifal-Aufsatz als 29-jähriger musikalischer Essayist in der Wiener Kulturzeitschrift Der Merker. Auf der Rückfahrt nach Europa vertiefte er das Gespräch mit dem todkranken Gustav Mahler und Ferruccio Busoni, denen er später feinsinnige Feuilletons widmen sollte. Mahler feiert Zweig als Dämon des Wiener Opernbetriebs, der sich der «Meute der Mittelmässigen» entgegenwirft. Busoni ist Zweigs liebster Pianist: Statt «betrügerisch» zu lächeln und aus dem Steinbruch der Tasten Töne zu «donnern», lausche er sich selbst. Ein Antlitz versteinert in süssem Erschrecken «vor der namenlosen Medusenschönheit der Musik».

Das «eifersüchtig bewahrte Gefühl» für Mahler wird auf die Probe gestellt, als nach dessen Tod Richard Strauss auf den Plan tritt. Keinem anderen Musiker unserer Tage verdanken wir so viel an neuer «Farbe und Leuchtkraft», an nervigem Rhythmus und rauschhafter Grösse, gesteht Zweig 1924. Er stellt Strauss in die «Kette», die «von Mozart zu Bruckner zu Mahler und nun durch ihn weiter in eine hoffentlich nicht geringere Zukunft führt.»

Strauss fasste Zweig, inzwischen weltberühmt, erst nach Hoffmannsthals Tod als Librettist ins Auge. Die Zusammenarbeit dauerte von 1931 bis 1935 und endete in einem Zerwürfnis. Strauss nutzte seinen Status als grösster lebender deutscher Komponist, den Juden Zweig trotz offiziellen Verbots bei Goebbels und Hitler durchzusetzen. Die Komödie Die schweigsame Frau kam 1935 an der Semperoper Dresden zur Uraufführung und wurde nach wenigen Aufführungen abgesetzt. Im Vorfeld musste Strauss, inzwischen Präsident der Reichsmusikkammer, nach Bregenz reisen, um sich mit seinem Librettisten auszutauschen. Zweig mied Nazideutschland, der Premiere in Dresden blieb er fern.

Sieben Jahre später schluckte Zweig im brasilianischen Exil bei Rio de Janeiro eine Überdosis Veronal, seine Frau Lotte Altmann tat es ihm gleich. Die Welt seiner eigenen Sprache sei untergegangen, seine geistige Heimat Europa vernichte sich selbst, lesen wir in seinem Abschiedsbrief. Geblieben ist bis zuletzt Heimat in der Musik, die er erstmals 1911 beschworen hatte. Zweig sammelte Autografen etwa von Bach, Strawinsky und Mozart und liess sich von ihnen auf der zermürbenden «Wanderschaft» begleiten: nach London, in die USA und nach Brasilien. Von Mozart würden sich kaum Skizzen finden, so Zweig, sondern «in einem Zuge hingeworfene Manuskripte in einer leichten, mühelosen, fliegenden Schrift». Mozarts Musik sei so mühelos entstanden, «wie sich jemand geschneuzt hat».

FEDER UND BOGEN I: STEFAN ZWEIG DO, 20. OKT. 2022, 19.30 UHR ZKO-HAUS

Thomas Douglas Konzept und Erzählung Anina La Roche Dramaturgie Tanja Sonc Violine Anna Tyka Nyffenegger Violoncello Suguru Ito Klavier

CHF 50

Klaviertrios von Mozart, Haydn und Beethoven