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QUARTIER-MIX
Bern, 1. Juni 2022
NORDRING-KIOSK
«Wir ziehen alle am gleichen Strick» Diese Geschichte fängt an wie ein Krimi. Und dürfte am 1. Juni in ein Happy End münden. Die Zeichen dafür stehen gut. Doch lassen wir Kajuran Vigneswaranathan, den freundlichen Kioskbetreiber mit dem spitzbübischen Lachen, gleich selber berichten, was vor bald drei Monaten und seither geschah. Katrin Bärtschi
Noch ist der Kiosk geschlossen – aber nicht mehr lange.
«E
s war Anfang Februar. An einem Samstag. Ich öffnete wie üblich, um zwei. Und freute mich. Samstag ist der Tag, an dem alle frei haben, sie kommen zu uns, trinken ein Bierchen, kaufen Lösli oder was sie sonst brauchen, erzählen, was ihnen grad auf dem Herzen liegt. Mir fiel nichts Besonderes auf. Ein Kunde, der bei den Spielgeräten stand, sagte aber plötzlich: ‹He, da isch ä Tropf abecho.› Ich sah’s, dachte mir aber nicht viel dabei. Doch dann wurde es immer ein bisschen mehr und spätestens, als es rauschte wie ein Wasserfall, wurde klar: Da ist etwas gar nicht mehr gut. Ich schickte die Leute raus und rief, da ich ja nicht vom Fach bin, den Hauseigentümer an. Der riet, die Feuerwehr zu alarmieren.» Die Feuerwehr kam, der Kioskmann hatte inzwischen die Bewohnerinnen und Bewohner des
Bild: kb
Hauses, insbesondere die leicht eingeschränkten unter ihnen, aufgesucht und gewarnt. Zum Glück trat das Schlimmste, der Einsturz der Decke, nicht ein. Sie hielt, trotz der kleinen Risse, die sich bereits zeigten. Bald war klar, dass die Ursache der Flut nicht eine Überschwemmung in einer der Wohnungen war, sondern ein Rohrbruch. «Die Feuerwehr sagte, die Decke würde halten, und beruhigte so mein Gemüt», erinnert sich Kajuran Vigneswaranathan. «Aber der Tag war schon aufregend.» Der avisierte Sanitär-Pikettler stellte fest: «Das wird eine Baustelle.» Der Kiosk musste ausgeräumt und die Lebensmittel mussten weggeworfen werden, beim Wasser handelte es sich ja um Abwasser. «Es ging zackzack, die Spezialisten taten ihre Arbeit, ich half. Und dann hatte ich Ferien.»
Nachdem ihre Eltern 2019 in Colombo bei einem Bombenattentat ums Leben gekommen waren, hatten Kajuran Vigneswaranathan und seine Schwester Karthiga Subramanyam den Kiosk übernommen. Für beide war klar, dass sie das, was ihre Eltern aufgebaut hatten, weiterführen wollten. «Wir sahen auch, welche Kraft wir vom Quartier erhielten, um alles durchzustehen. Darum war es nie eine Frage, ob wir weiterfahren oder nicht.» Jetzt, drei Jahre später, zwang der Rohrbruch die Kioskbetreibenden zur Pause. Was Kajuran Vigneswaranathan aber die Möglichkeit gab, «in mich zu gehen und mich zu fragen: Will ich den Laden wirklich?». Und er merkte, dass er den Kiosk behalten wolle. Dass ihm sonst etwas fehlt. «Das Menschliche. Dass ich mit den Leuten sein kann. Dass wir eine Anlaufstelle sein können für alle und alles.» Viele Quartierbewohnerinnen und -bewohner erkundigten sich schon bald besorgt, ob und wie es weitergehe. Es sollte weitergehen! Der Kiosk sei seit mehr als zehn Jahren ein Familienbetrieb. «Meine Schwo und der Schwager machten mit und jetzt der kleine Bruder, der eben die Lehre abschloss. Bis er so weit war, wollten wir ihn nicht zu sehr einbeziehen. Es ist schön für uns, dass wir das Vermächtnis der Eltern weiterführen können und dass wir alle am gleichen Strick ziehen.» Wie aber sollte wieder aufgebaut werden? Was sollte erneuert werden, was nicht? Das Lokale soll mehr Beachtung erhalten. Wer eine Cola will, will
eine Cola. Aber es gebe ja auch viele Produkte aus dem Quartier. Davon sollen mehr ins Sortiment aufgenommen werden. Und schliesslich: «Was können wir ans Quartier zurückgeben von dem, was wir hier erleben konnten?» Rasch war klar: Auch etwas aus dem eigenen Sack investieren und den kleinen Laden auf neue Art weiterführen. Denn: «Der Kiosk ist ja nicht nur ein Kiosk, wie man einen Kiosk kennt, er ist ein Ort des Beisammenseins und des Austausches, ein Ort, an dem alle willkommen sind. Familiär, nicht nur, weil wir als Familie ihn betreiben, sondern auch wegen seines Charakters. Das war schon so, als unsere Eltern noch da waren.» Ein Treffpunkt sei der Kiosk, fährt der schalkhafte Kajuran weiter. Zum Firabebierlitrinken, und dies auch an schlechten Tagen. Es dürfe gemotzt werden. «Das Quartier ist bei uns, der Zusammenhalt ist gross und spürbar. Alle bekommen ein Ohr hier, das ist der Sinn und Zweck des Ladens, der auch stark von den Kundinnen und Kunden geprägt ist.» Kajuran Vigneswaranathan war vom Büro hergekommen, er hatte die sozialen Bindungen, die ein kleiner Quartierladen schafft, nicht gekannt, im Büro sei alles professioneller und oberf lächlicher gewesen. Erst im Kiosk habe er erfahren, was einen Menschen ausmache. «Jung oder alt und egal, woher man kommt. All die Geschichten. Die alten Leute, die immer hier lebten. Was sie erzählen – das ist das Lädeli! Herzerwärmend. Und was wir in der schweren Zeit an Unterstützung vom Quartier und von den Leuten erhielten, ist mehr wert als manches anderswo. Solange ich sehe, dass es einen Sinn macht, bleibe ich hier.»
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Quellen: Accelerom-Studie «Vorsprung durch Wissen» + ZMG-Studie «Corona-Befragung»
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