Tirolerin (Mai 2012)

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| wirtschaft klar getrennte Zuständigkeiten gelegt, wobei alleinige Geschäftsführerin Ingeborg Freudenthaler ist. Führt sie anders, als es ein Mann täte? Die Chefin von Freudenthaler bejaht dies; für sie ist es ganz zentral, dass alle Mitarbeiter immer genau wissen, wo das Unternehmen steht und wie es weitergeht. Die Kommunikation läuft ebenso in die Gegenrichtung: Die Tür in das Büro von Ingeborg Freudenthaler steht immer offen. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes Managementsystem, denn die Geschäftsführerin sieht auch bei Klein- und Mittelbetrieben nicht nur die technische, sondern auch die organisatorische Weiterentwicklung als notwendig für ein erfolgreiches Überleben an. Mitarbeitermotivation war auch ein wichtiges Thema zu Zeiten der Wirtschaftskrise: Weniger Produktion in der Industrie bedeutet weniger Abfall. Man spürte die Krise daher durchaus, doch Ingeborg Freudenthaler hätte es als persönliche Niederlage empfunden, Arbeitsplätze in größerem Stil abzubauen. Hinter ihren rund 50 Mitarbeitern stehen schließlich 50 Familien. Daher begegnete sie den schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, indem sie ihren Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz versprach, sofern jeder zu einer größeren Flexibilität bereit sei. Und es zahlte sich aus: Bei einem Rückgang um fünf Prozent des Umsatzes, der derzeit bei ca. 10 Millionen Euro liegt, schrieb man zugleich vom Ergebnis her das erfolgreichste Jahr der Geschichte. Ingeborg Freudenthaler ist der Meinung, dass eine Frau durchaus denselben Erfolg haben kann wie ein Mann, gerade auch in männlich dominierten Branchen, aber sie muss mehr dafür tun. Doch sie warnt davor, sich mit Selbstmitleid aufzuhalten, und Frauenquoten sieht sie als schädlich für die Sache der Frauen an. Man müsse ganz einfach mit Kompetenz punkten – und eine unglaubliche Härte gegen sich selbst mitbringen. „Unternehmer zu sein ist der härteste Job der Welt, denn man ist es 24 Stunden am Tag. Für mich ist es aber nach wie vor der schönste Job, den ich mir vorstellen kann.“ Etwas anderes als die Selbstständigkeit ist für sie un-

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Links: Ingeborg Freudenthaler an der Tür zu ihrem Büro, die stets für alle Mitarbeiter offen steht. Rechts: Die Unternehmerin fährt nicht nur zur Entspannung begeistert Rad, sondern auch für gute Zwecke – hier für ihren Verein „lichtblicke – Demenzhilfe tirol“.

denkbar, denn sie wollte immer schon gestalten – „das hat man oder man hat es nicht.“ Zum Erfolg gehört aber auch zu wissen, wann man wieder eine Kraftquelle anzapfen muss – denn verbissen wollte Ingeborg Freudenthaler nie werden. Sie findet ihren Ausgleich im Sport – auch wenn sie für ihre tägliche Laufrunde um halb 6 Uhr morgens aufstehen muss. Sie schwimmt, fährt Rad und geht Skitouren; gerade der Blick von den Bergen ist ihr als Perspektivenwechsel wichtig, genauso wie ihre Reisen auf andere Kontinente, die immer wieder einen neuen Blickwinkel erlauben. Sie meint dazu: „Ich bin eine ganz begeisterte Tirolerin, aber ich muss die Welt sehen.“ Und sie möchte der Welt auch etwas zurückgeben: Sie finanzierte den VinziBus, der Obdachlose mit dem Nötigsten versorgt, da sie nicht nur die „schöne Not: Katzen, Kinder und Katastrophen“ unterstützen will, sondern auch jene, die man gerne übersieht – oder über die man gerne hinwegsieht. Zudem hat sie nach dem Tod ihres an Demenz erkrankten Vaters den Verein „lichtblicke – Demenzhilfe tirol“ gegründet. Sie will damit auch Tabus aufbrechen und Menschen helfen, die wie sie mit einer solchen Diagnose im Familienumfeld konfrontiert werden. Und wenn Ingeborg Freudenthaler von ihrem Vater erzählt, etwa dass er am Ende sei-

nes Lebens alle Lätzchen der Seniorenresidenz heimlich sammelte und ihrer Mutter schenkte, und dass er trotz seiner Krankheit zwei wunderschöne letzte Jahre hatte, in denen es ihm an nichts fehlte außer an der Erinnerung, dann wird ganz klar, dass Ingeborg Freudenthaler eines sicher nicht ist: verbissen. Sondern dass es möglich ist, eine erfolgreiche, visionäre Unternehmerin zu sein und dennoch die Bodenhaftung und die Menschlichkeit nicht zu verlieren.

Steckbrief 5 Fragen an Ingeborg Freudenthaler 1. Was ist Ihr Lieblingsplatz in Tirol? Archbrand; ich fahre oft mit dem Rad hinauf und genieße die totale Abgeschiedenheit.

2. Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachtkästchen? Die Biographie von Steve Jobbs.

3. Welche Persönlichkeit bewundern Sie? Keine, ich habe keine Vorbilder.

4. Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Geschäftsführerin von Freudenthaler wären? Das ist für mich unvorstellbar, ich wäre auf jeden Fall Unternehmerin.

5. Was ist das Schönste an Ihrem Job? Dass ich mit meiner Arbeit Menschen bewegen kann und sie auf ihrem Weg zum Erfolg unterstützen kann.


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