Die Salzburgerin (Juli 2013)

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Ein Artikel von Eva Pittertschatscher

Seit rund 40 Jahren beobachtet er das Wettergeschehen in Salzburg und erstellt durch Vergleichswerte langfristige Wetterprognosen. Daneben hält er ein riesengroßes Bienenvolk, welches ihm nicht nur Honig einbringt, sondern Veränderungen in der Natur verrät. Wir haben uns aufgemacht und Horst Nöbl in Saalfelden besucht.

N

ein, er sei eigentlich kein unbekannter und medienscheuer Mann mehr, sagt Horst Nöbl. Mit Fotokamera und Diktiergerät bewaffnet wollen wir genau wissen, was es mit den Wetterprognosen und seinen Bienen auf sich hat. Zuerst ist der 71-jährige Imker und Hobbymeteorologe noch etwas verhalten, wirkt schüchtern und bescheiden. Dabei hat er dazu keinen Grund, verfügt er doch über das Wissen und die Erfahrung einer beinahe lebenslangen Beobachtung des Wettergeschehens und ist bereits seit jungen Jahren Herr über das Bienenvolk. Schon als kleiner Junge hat sich Horst Nöbl für das Wetter und die gelben Hautflügler interessiert. Ob beim Schafehüten oder bei der Heuernte – ein Gespür für das Wetter zu entwickeln war notwendig. „War ein Gewitter im Anzug, musste ich sehr genau beobachten, wie weit es noch entfernt war, um rechtzeitig den Heimweg anzutreten. Bei der Heuernte war ich als Bub bereits als Wetterexperte im Einsatz“, erzählt er stolz. Wetterprognosen anhand des Kalenders Wir haben es uns in Horst Nöbls Wohnzimmer gemütlich gemacht. Eine zentrale Frage brennt uns auf den Lippen. Immerhin sitzen wir einem Hobbymeteorologen gegenüber, der uns mit 80-prozentiger Sicherheit das Sommerwetter voraus sagen kann. Nach einem kühlen und nassen Frühling verzehren wir uns nach Sonne und Wärme. „Wie wird der Sommer?“ platzt es aus mir heraus. Horst Nöbl schweigt. Dafür breitet er zahlreiche handschriftliche Kalender und Notizblöcke vor uns aus. „Das Sommerwetter wird dadurch bestimmt, wie viel Schnee vom Winter in den Bergen noch vorhanden ist, weil dadurch die Feuchtigkeit des Bodens feststeht und es kommt natürlich auf die weitere Entwicklung an ...“, spannt er uns auf die Folter. „Im heurigen Jahr hab ich eigentlich einen eher trockenen Sommer prognostiziert, im Frühjahr hat es ganz danach ausgesehen ...“ Oje, denke ich,

es wird wohl heuer nichts mehr werden mit dem Sommer. „Da gibt es verschiedene Bauernregeln“, fährt Horst Nöbl fort, „wenn zum Beispiel die Eiche vor der Esche austreibt, dann gibt es viel Niederschlag und Hochwasser, das hat im vergangenen Jahr zugetroffen. Heuer war eindeutig die Esche vor der Eiche dran, d. h. nach der Bauernregel würde Trockenheit folgen. Bis Mai war das auch der Fall, allerdings ist dann durch die großen Niederschläge alles durcheinander gebracht worden ... „Eine solche Verzögerung im Mai bewirkt dann meistens im Sommer, dass die Austrocknung des Waldes und des Gebirges nicht sofort erfolgt und gleich im Juli kommen schon die nächsten großen Gewitter.“ Dann können wir endlich aufatmen. „Es wird ein schöner Sommer, die Gewitter können aber trotzdem gefährlich werden.“ Zudem werde es ein hervorragendes Schwammerljahr, ergänzt Horst Nöbl die gute Nachricht, denn dafür verantwortlich sei ein Frühjahr mit viel Feuchtigkeit. „Ab Juli werden die Eierschwammerl und die Herrenpilze aus dem Boden schießen, jene Pilze, die besonders beliebt sind.“ Einen Leitfaden zur erfolgreichen Suche fände sich neben anderen brauchbaren Tipps und Berichten in seinem Buch („Die Natur, das Wetter und ich“, erschienen im FST Verlag 2012), so Horst Nöbl. „Ihr könnt aber ohne weiteres auch gern mal mitkommen, zum Schwammerlsuchen, in einer Stunde haben wir die erlaubten zwei Kilo gebrockt“, verspricht er und lächelt verschmitzt. Vor allem im Bereich der Fichte seien Pilze zu finden und auch sogenannte Zeigerpflanzen seien von Bedeutung, „bei uns ist das vor allem der Bürstling (Borstgras)“, verrät er. Die Lage der Pilze hat sich heute verändert. „Der Hauptanteil ist früher zwischen 1.300 und 1.500 Metern zu finden gewesen, heute findet man unter 1.200 Metern nur mehr sehr wenig, während die Hauptmenge derzeit auf 1.400 und 1.600 Metern versteckt ist.“ Die Bauernregeln und der Mond deuten Horst Nöbl einen gewissen Rhythmus des Wettergeschehens an, das eigentliche Geheimnis seiner Prognosen befindet sich jedoch in den akribisch geführten Kalendern und Notizbüchern. Aus den aufgezeichneten Werten nimmt er Vergleichswerte aus ähnlichen, vergangenen Jahren her und erstellt damit die Prognosen für die Zukunft. Über 200.000 Einzelaufzeichnungen hat Horst Nöbl in den letzten 40 Jahren gesammelt, handschriftlich festgehalten mit blauem und rotem Buntstift. Zweimal im Jahr erstellt Horst Nöbl seine Prognosen. „Für den Sommer fange ich Ende April damit an.“ Zu 80 Prozent seien die Prognosen für den Sommer richtig, im Winter könne er sogar mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit das Wettergeschehen voraussagen. „Im Sommer können einfach viele Dinge unerwartet eintreten und das Wettergeschehen kurzfristig beeinflussen und verändern, es kann zu einer Rhythmusverschiebung kommen.“ Wir beugen uns über die Notizbücher und versuchen, dem Wahrheitsgehalt von Hörst Nöbls Wetterprognosen anhand der Kalender selbst auf die Spur zu kommen. Bald steht fest, er

Fotos: Kaindl-Hönig Fotostudio+Werbeteam, www.kaindl-hoenig.com

die reportage

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