Innovation in Tirol (November 2014)

DAS MAGAZIN ZU FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG AUSGABE 02/2014

IN TIROL

ENTKOMMEN

Warum der Fall von Diktaturen Flüchtlinge die Überquerung des Mittelmeers wagen lässt

ENTSCHLÜSSELT

Wie Biotechnologen die Prozesse in Zellen mit chemischen Lichtschaltern analysieren

ENTWICKELT

Welche Therapien Parkinson Patienten das Leben erleichtern und neue Hoffnung geben

KONSUMENTEN AUF DER SPUR

Wie ein Innsbrucker Start-up-Unternehmen Kundenerfahrungen live mitverfolgt

© C-EXPERIENCEFELLOW

WIRTSCHAFT Die wertvollen Spuren der Kunden

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Prozesse im Blick

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Sensor Mensch

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Herrn Kronbichlers Gespür für den Schnee

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Exquisites Skivergnügen

20 © DOMINIQUE HUTER

I

nnovation ist ein Schlagwort unserer Zeit.

Die permanente Optimierung von Vorhandenem und die Entwicklung völlig neuer Ideen sind nicht nur Motor der Wirtschaft, sondern tragen vor allem zur ständigen Verbesserung unseres Lebens bei. Auch wenn es aktuell besonders neue Technologien sind, in denen sich Innovationen am offensichtlichsten manifestieren, darf der Terminus nicht nur auf diesen Bereich beschränkt bleiben. Gute Ideen haben Raum in allen Bereichen. Egal ob Geschäftskonzepte, Technik, Medizin, Kundeninteraktion oder die Erforschung der Vergangenheit: Ein neuer Ansatz oder ein alternativer Blickwinkel haben überall das Potenzial, eine kleine Revolution mit sich zu bringen – oft still und heimlich, ohne dass wir etwas davon merken.

Auch in Tirol beschäftigen sich viele helle Köpfe damit, aktuelle und zukünftige Probleme zu lösen und unser Verständnis der Welt zu erweitern.

Manche suchen den wirtschaftlichen Erfolg, andere wollen „nur“ die Welt verbessern. Dieses Magazin holt all jene vor den Vorhang, die normalerweise hinter verschlossenen Türen in Laboren, Werkstätten oder auch im eigenen Hinterzimmer daran arbeiten, ihre Ideen umzusetzen – um von Tirol aus ihre Innovation in die Welt hinauszutragen.

200 JAHRE TIROLER ERFINDERGEIST

GEISTESWISSENSCHAFTEN Alles andere als verstaubt

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Die Analyse der Flucht

28 © MCI

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Inhalt

FORSCHUNG & TECHNOLOGIE Kleinste Teile herausgefiltert

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Das Netzwerk sportlicher Textilien

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Lichtschalter auf zellulärer Ebene

38 © MED. UNI INNSBRUCK

EDITORIAL

Die Redaktion

Impressum Innovation in Tirol Beilage in der „Tiroler Tageszeitung“ Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: TARGET GROUP Publishing GmbH | Redaktion: Daniel Feichtner, Barbara Wohlsein, Eva Schwienbacher, Eva-Maria Hotter, Steffen Arora, Ernst Spreng, Sylvia Ainetter, Susanne Gurschler, Andreas Heinz-Erian | Layout: Marco Lösch, BA | Illustrationen: Monika Cichon | Anzeigenverkauf: Wolfgang Mayr | Anschrift für alle: Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck | E: office@target-group.at | T: +43 (0)512/58 60 20 | F: +43 (0)512/58 60 20-2820 | www.target-group.at | Druck: Intergraphik GmbH, Innsbruck

MEDIZIN Gegen das Zittern

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Kranke Herzen immer im Blick

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Ich bestimme selbst über mein Leben

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Neue Medikamente gegen Krebs

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Die Fehler der anderen

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INNOVATION BRAUCHT …

200 Jahre Tiroler

Erfindergeist 1814 Der gebürtige Kufsteiner Josef Madersperger (1768–1850) war Schneidermeister und erfand 1814 seine erste Nähmaschine. Diese war den Bewegungen nähender Hände nachempfunden. Sein Ziel war eine Arbeitserleichterung für das Schneiderhandwerk.

1867 erfand der in Innsbruck wohnhafte Mechaniker Johann Kravogl (1823–1889) ein elektromotorisches Kraftrad, eine frühe Form eines Elektromotors. Diese und andere Erfindungen stellte er auch auf der Pariser Weltausstellung 1867 aus.

1828 1866

1867

Pfretzschner Norbert Sr. aus Jenbach (1817–1909), Arzt und Politiker, war begeisterter Amateurfotograf. Die in der Fotografie damals gängigen Nassplatten erschienen ihm unhandlich. Deswegen entwickelte er 1866 gemeinsam mit dem Chemiker Hlasiwetz eine fotografische Trockenplatte.

Die Chemikerin Erika Cremer (1900–1996) entwickelte 1944 in Innsbruck neue Grundlagen im Bereich Adsorptionsgaschromatographie, einer Analysenmethode zum Trennen und Bestimmen von chemischen Gemischen. Die Forscherin ist Namensgeberin des ErikaCremer-Habilitationsprogramms der LeopoldFranzens-Universität Innsbruck.

1944

2008 Der Tiroler Christoph Egger stellte 2008 die erste vollkommen unzerbrechliche „gloryfy unbreakable“Brille her. Die Firma mit Sitz in Buch bei Jenbach produziert unzerbrechliche Sonnen- und Sportbrillen der höchsten optischen Güte und begeistert damit Kunden weltweit.

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© KLAUSMORGENSTERN.COM, GERI-GRAFIK.AT, GLORYFY/SAUTNER, GLORYFY/SAUTNER, UNIVERSITÄTSARCHIV

Christian Josef Tschuggmall (1785–1845), gebürtiger Pitztaler und Mechaniker, baute einzigartige, kunstvolle AutomatikFigurentheater. Vermutlich 1828 stellte er ein großes, selbst konstruiertes ” Kunst- und Automatentheater“ fertig, das in mehreren öffentlichen Vorstellungen bewundert werden konnte.

1832 Der Mathematiker Simon Stampfer (1790–1864) erfand 1832 parallel zu dem belgischen Physiker Plateau das Lebensrad (Phenakistiskop). Es bestand aus einer flachen Scheibe mit unterschiedlichen, am Rand aufgemalten Bewegungsphasen. Wurde diese Platte in Rotation versetzt, entstand aus den einzelnen Bildern für das menschliche Auge ein Bewegungsfluss.

1833

1852

Christian Leo Müller (1799–1814), Techniker und Pionier des maschinellen Buchdrucks, besaß eine Maschinenfabrik in Tirol und baute die erste Buchschnelldruckpresse Österreichs. 1833 erhielt er auch das Patent auf eine weiterentwickelte Schnelldruckpresse.

Der Uhrmacher Christian Reithmann (1818–1909) aus St. Jakob in Haus soll bereits drei Jahre vor Nicolaus Otto (1860) den Viertaktmotor erfunden haben. Man vermutet, dass er bereits seit 1852 mit diversen Luft- und Knallgasgemischen an dieser Erfindung tüftelte.

2009 Hubert Hochleitner aus Schwaz erfand 2009 den „Deeflexx“-Schalldiffuser. Angebracht vor Boxen verhindert er den schrillen und für das menschliche Ohr äußerst unangenehmen Ton (Beam-Effekt) beim E-Gitarren-Spiel, indem der Schall gleichmäßig verteilt wird.

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WIRTSCHAFT

Die wertvollen Spuren der Kunden Wettbewerbsfähig bleibt ein Anbieter oder Dienstleister nur dann, wenn er weiß, was sein Kunde wünscht, und seinen Service dementsprechend anpasst. Die neue App des Tiroler Start-up-Unternehmens ExperienceFellow soll helfen, Erlebnisse der Kunden einfach und schnell am Bildschirm zu präsentieren. Eine junge Idee mit Wachstumspotenzial.

Von Eva Schwienbacher

U Klaus Schwarzenberger hat Management, Communication & IT am MCI Management Center Innsbruck studiert, längere Zeit als Softwareentwickler gearbeitet und ist jetzt technischer Leiter der ExperienceFellow GmbH.

rlaub in Süditalien: Der Kletterführer erklärt exakt den Weg zum Parkplatz oberhalb einer Lagune. Grüner Punkt. Die in Fels geschlagene Treppe führt, wie im Buch beschrieben, zum Traumstrand mit Kletterrouten in schönster Lage. Grüner Punkt. Das Bild der paradiesischen Bucht ist von Müllbergen getrübt. Dunkelroter Punkt. Über heißem Untergrund führen Dünen zu einer von Mücken belagerten und mit Sträuchern verdeckten Grotte.

Die Warnschilder „Privates Eigentum“ und „Steinschlaggefahr“ sowie ein Stacheldrahtzaun verbieten den Zutritt zur Höhle. Dunkelroter Punkt.

Oft nehmen sich Reisende vor, nach ihrer Rückkehr Empfehlungen aus Internetportalen oder Büchern per EMail oder Kurzkommentar zu bewerten.

Mit dem Ende des Urlaubs sind solche Vorsätze meist vergessen. So entgehen dem Anbieter oder Dienstleister wichtige Kundenfeedbacks, die es ermöglichen, ihren Service zu verbessern und ihr Überleben am Markt zu sichern. Die vom Innsbrucker Start-up-Unternehmen ExperienceFellow entwickelte gleichnamige Online-Plattform soll genau diesem Problem entgegenwirken.

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Den Kunden auf der Spur Die Online-Plattform ExperienceFellow ermöglicht es Anbietern oder Dienstleistern, die Interaktion ihrer Kunden mit dem beanspruchten Service oder dem gekauften Produkt zu visualisieren und zu analysieren. Datensammlung und Analyse sind dabei mit geringstem Aufwand verbunden: Der Nutzer von ExperienceFellow – das kann beispielsweise ein Hotelier, ein Bankier oder ein Veranstalter sein – lädt zunächst Kunden dazu ein, ihre Erfahrungen rund um ein Service oder ein Produkt mit ihrem Smartphone zu dokumentieren. Um eine Teilnahme interessanter zu machen, stellt er den Eingeladenen eine kleine Belohnung, etwa ein gratis Abendessen,

© C-EXPERIENCEFELLOW

WIRTSCHAFT

01 Bei der kürzlich abgehaltenen Konferenz „Service Design Global Conference 2014“ in Stockholm luden die Veranstalter Besucher dazu ein, ihre Erlebnisse mit der Smartphone-App von ExperienceFellow zu tracken. Sie konnten die getrackten Erlebnisse der Teilnehmer an ihrem Bildschirm beobachten.

Klaus Schwarzenberger

in Aussicht. Bei einer Zusage wird den Teilnehmern die App ExperienceFellow kostenlos zum Download freigegeben.

Der Kunde hält dann mit der Funktion all jene Momente fest, die er gerne bewerten möchte. Dafür erstellt er mit seinem Smartphone sogenannte Kontaktpunkte, die sich farblich je nach Zufriedenheit unterscheiden, und kommentiert sie beliebig mit Text, Fotos oder Videos. In Echtzeit greift die App auf einen Server zu und erstellt aus den getrackten Kontaktpunkten eine sogenannte Kundenreise. Anhand dieser Grafik sieht der Anbieter dann, was seinen Kunden begeistert, ärgert oder ihm gleichgültig ist und kann entsprechend agieren.

Um die Erfahrungen der Kunden zu optimieren oder ihre Erwartungen besser zu managen, sei dann die Kreativität der Dienstleister und Anbieter gefragt. „Das Einzigartige an ExperienceFellow ist, dass der Konsument selbst bestimmt, welche Erfahrungen er als Kunde überhaupt einem Produkt oder 7

Service zuordnet und welche davon er beurteilen will“, erklärt Klaus Schwarzenberger, technischer Entwickler von zenberger ExperienceFellow. Anders als bei herkömmlichen Marktforschungstechniken, wie Fragebögen, wählt der Kunde durchs eigenständige Anlegen der Kontaktpunkte den Befragungskontext selbst. Dieses authentische Feedback bringt oftmals völlig neue Gedankengänge ans Licht, ist der junge Softwareentwickler begeistert: „In Großstädten zum Beispiel pflegen Hoteliers besonders den Haupteingang Richtung Straße, um einen guten ersten Eindruck zu erwecken. Sie bedenken oft leider nicht, dass ihre Gäste bei der Ankunft zunächst nur den Eingang seitens der Tiefgarage sehen, und vernachläs-

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WIRTSCHAFT

← © C-EXPERIENCEFELLOW (4)

Marc Stickdorn

„Im Service Design geht es im Groben um die Frage, wie Kundenerlebnisse verbessert werden können.“ sigen diesen.“ Um die Erfahrungen der Kunden zu optimieren oder ihre Erwartungen besser zu managen, sei dann die Kreativität der Dienstleister und Anbieter gefragt. Im Falle des Kletterführers kann der Autor den Abfall zwar nicht beseitigen, ihn aber in einer Bemerkung erwähnen und so Enttäuschungen vorbeugen.

Marc Stickdorn hat in Deutschland strategisches Tourismusmanagement studiert, promoviert extern an der Universität Erlangen-Nürnberg über mobile Ethnographie, arbeitet als selbstständiger Berater für Service Design und ist Geschäftsführer der ExperienceFellow GmbH.

Jakob Schneider hat in Deutschland Design studiert, arbeitet als Partner der Designagentur KD1 in Köln und ist Mitgründer und leitender Designer der ExperienceFellow GmbH.

Die Geburtsstunde als EU-Projekt Die Plattform ExperienceFellow wird derzeit von einem sechsköpfigen Team intensiv in neuen Räumlichkeiten in der Leopoldstraße in Innsbruck weiterentwickelt. Ihren Anfang nahm die neue Marktforschungsmethode vor sechs Jahren als Forschungsarbeit am MCI Management Center Innsbruck. Federführend dabei war der Firmenmitgründer Marc Stickdorn, der damals als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lektor für Service Design im Studienzweig Tourismus am MCI tätig war. „Im Service Design geht es im Groben um die Frage, wie Kundenerlebnisse verbessert werden können“, erläutert Marc Stickdorn das Forschungsgebiet.

Anders als im Produkt-Design, geht es dabei um die bestmöglichste Gestaltung von Dienstleistungen, was aber nicht bedeutet, dass Produkthersteller davon nicht betroffen sind: „Fast jedes Produkt beinhaltet auch einen Service. Da das Produkt an sich oft austauschbar ist, hilft nur ein guter Service, um neue Kunden zu gewinnen und bestehende zu binden.“ Hinter der Idee, Kundenerlebnisse mit einer App zu sammeln, steckt Stickdorns Forschung an einer neuen wissenschaftlichen Methode im Service Design, die er als „mobile Ethnographie“ bezeichnet. Anders als bei der klassischen Ethnographie in der Marktforschung, bei der ein Forscher eine Gruppe beobachtend begleitet und Eindrücke festhält, notiert sich bei der mobilen Ethnographie der zu untersuchende Teilnehmer seine Erlebnisse selbst, in diesem Fall mit einer Smartphone-App. In diesem Zusammenhang ermöglichte 2008 ein EU-Projekt finanziell, einen 8

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ersten Prototypen der SmartphoneApp zu entwickeln. Damals noch unter dem Namen „MyServiceFellow“, wurde dieser von internationalen Partnern in unterschiedlichen touristischen Destinationen getestet, etwa in Schweden zur Adventsmarktzeit. „Das war eine sehr intensive Zeit“, erinnert sich Schwarzenberger an das zweijährige Projekt zurück, das ihn als Techniker mit dem Service Designer Stickdorn zusammenführte. Die Entwicklung der App steckte noch in Kinderschuhen und erforderte vor allem viel technisches Know-how. Die positiven Feedbacks von den Projektpartnern und Touristikern bestätigten den Erfindern aber das Potenzial der Idee. Und mit Ende des Projektes und der öffentlichen Förderungen drängte sich die Frage auf, ob das Konzept auch aus geschäftlicher Sicht etwas taugen könnte.

WIRTSCHAFT

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01 Insgesamt 86 Besucher der Konferenz „Service Design Global Conference 2014“ in Stockholm trackten ihre Anreise nach Schweden und gaben den Veranstaltern Feedback zur Organisation.

Die Kundererlebnisse werden in einer Landkarte dargestellt.

02/03 Die Graphiken zeigen die Kontaktpunkte, die die Teilnehmer 65 und 31 auf ihrer Reise nach und während ihres Aufenthaltes in Stockholm getrackt haben und geben Aufschlüsse über die erlebten Tief- und Höhepunkte.

04 Mit Fotos können die User der App die errichteten Kontaktpunkte kommentieren.

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Das Geschäftsmodell „Wir waren überzeugt von der Innovation. Doch uns fehlte nicht nur die Erfahrung als Unternehmer, sondern auch das nötige Geld zur Weiterentwicklung der Plattform“, beschreibt Schwarzenberger die Überlegungen vor Firmengründung. So ist etwa im Moment die App nur für iOS erhältlich, was sich aber so schnell wie möglich ändern soll.

Um Förderungen und Investoren zu mobilisieren, nutzten die Erfinder Synergien. Stickdorn wandte sich gemeinsam mit seinem langjährigen Forschungspartner, dem Designer Jakob Schneider und Klaus Schwarzenberger an das Gründungszentrum CAST. Das CAST verfügte über Wissen zu allen möglichen Gründungsförderungen aus öffentlicher Hand sowie über ein breites Netzwerk an potentiellen Investoren und half, Geld und innovative Ideen zusammenzuführen. Das Geschäftsmodell der Online-Plattform bestand die Erstprüfung des CAST auf seine wirtschaftliche Tragfähigkeit und Realisierbarkeit. Eine erste Startfinanzierung durch die Förderbank aws – Austria Wirtschaftsservice

Die ExperienceFellow GmbH Das Unternehmen wurde 2014 gegründet. Das Gründerteam besteht aus Marc Stickdorn und Jakob Schneider. Neben Klaus Schwarzenberger als technischen Leiter, beschäftigt es derzeit die zwei Softwareentwickler Hardy Titz und Alexander Mayr als Vollzeit-Mitarbeiter und Birgit Bosio in Teilzeit als Projektmanagerin.

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GmbH – konnte im Jahr 2012 für eine Laufzeit von einundeinhalb Jahren erzielt werden. Parallel dazu wurden Kontakte im Tiroler Investorennetzwerk innet aktiviert und ein interessierter Investor würde ausfindig gemacht. „Dank der unterstützenden Beratung durch CAST, den öffentlichen Förderungen und unsere Investoren können wir den Markteintritt wagen“, freut sich Schwarzenberger heute.

Im Moment ist die Software von ExperienceFellow in einer Beta-Version noch kostenlos erhältlich.

Doch bis Dezember soll die Plattform technisch einwandfrei funktionieren und die Software zum Kauf erhältlich sein. Dann können interessierte Unternehmer entweder für ein Einmalprojekt einen dreimonatigen Zugang zur Plattform kaufen oder mit einem monatlichen Beitrag den Zugang über einen längeren Zeitraum abonnieren. Bisher haben bereits 250 Anwender die Plattform getestet. „Unser Ziel ist es, das Unternehmen bis Juni 2015 selbst tragen zu können“, blickt Schwarzenberger in die Zukunft. Bis dahin sollen noch weitere Funktionen der App weiterentwickelt werden.

WIRTSCHAFT

Prozesse im Blick Fehlervermeidung in Geschäftsprozessen – mit diesem Thema beschäftigt sich ein Forschungsprojekt der Universität Innsbruck. Die Informatikerin Barbara Weber und ihr Team erforschen, wann und warum Fehler gemacht werden – und wie man sie vermeidet.

Von Barbara Wohlsein

D

ie Effizienz von Geschäftsprozessen kann den Erfolg eines Unternehmens stark beeinflussen. Barbara Weber Weber, Betriebswirtin und Informatikerin, beschäftigt sich bereits seit über zehn Jahren mit dem Thema Business Process Management. Zunächst im Rahmen ihrer Dissertation, 2011 startete dann ihr erstes FWF-gefördertes Projekt „Nautilus“. In diesem vierjährigen Forschungsprojekt geht es darum, die Entwicklung von Prozessmodellen zu untersuchen – Modelle werden mitgeloggt, nachgespielt und analysiert. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt fließen seit Jänner 2014 in das Forschungsprojekt „ModErAre“, wo typische Fehler beim Modellieren von Geschäftsprozessmodellen identifiziert werden. „Das Ziel ist, den Menschen zu unterstützen, ohne ihm eine Arbeitsweise aufzuzwingen“, erklärt Barbara Weber den Fokus ihrer Forschung.

Flexible Software Generell ist das Management von Geschäftsprozessen ein Forschungsfeld, in dem sich sehr viel tut. Einerseits hat die Wirtschaft großes Interesse daran, Schwachpunkte in Arbeitsprozes-

Barbara Weber (geboren 1977) studierte an der Universität Innsbruck Betriebswirtschaftslehre. Nach ihrer Promotion wechselte sie ans Institut für Informatik, wo sie 2009 habilitierte. Seit 2011 ist sie Assoziierte Professorin und leitet im Arbeitsbereich Quality Engineering den Forschungsbereich zur flexiblen IT-Unterstützung von Geschäftsprozessen und Arbeitsabläufen. Derzeit arbeiten fünf wissenschaftliche Mitarbeiter an Webers Projekten, ab Jänner 2015 werden es sechs sein. Unter ihnen finden sich auch zwei Psychologen, die sich um die menschlichen Aspekte der Prozessanalyse kümmern.

sen auszumerzen, andererseits hat sich auch die Softwareprogrammierung extrem weiterentwickelt. Barbara Weber: „Früher waren Softwareprogramme regelrechte Monolithen. Wenn es da einen Änderungswunsch gab, war es sehr schwierig, diesem nachzukommen. Heute wird Software viel modularer nach einem Baukastenprinzip gebaut. Es gibt 10

einzelne Komponenten, also kleinere ‚Teile‘, die leichter änderbar und austauschbar sind. Prozesse kommen ins Spiel, wenn es darum geht, die einzelnen Komponenten zusammenzuschalten.“ Durch diese Vorteile werden ProcessManagement-Systeme in der Wirtschaft immer öfter eingesetzt. Jedoch nützt nicht jeder das volle Spektrum aus, wie die Informatikerin erklärt: „Manche Unternehmen nutzen die Systeme ausschließlich, um Arbeitsprozesse in Modellen zu beschreiben. Andere wiederum zeichnen Prozesse auf, weil diese zum Beispiel für eine Zertifizierung notwendig sind. Die weitreichendere Nutzung ist eine (Teil-)Automatisierung von Prozessen, oftmals zur Steigerung der Effizienz und Erhöhung der Nachvollziehbarkeit.“ Einfach bis komplex Je nach Branche sind die Abläufe, die analysiert werden, mehr oder weniger abstrakt. Barbara Weber: „Bei Banken oder Versicherungen laufen Arbeitsprozesse oft sehr strukturiert und geregelt ab. In der Medizin sind Prozesse schon komplexer und von vielen einzelnen Faktoren abhängig. Am unvorhersehbarsten sind etwa Modelle für eine Mar-

WIRTSCHAFT

01 Der „Mental Effort“ wird während des gesamten Arbeitsprozesses gemessen – wichtige Parameter sind hier die Aktivität der Augen und die Variabilität des Herzschlags.

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Barbara Weber

ketingkampagne oder die Lösung eines Kriminalfalls – diese Prozesse sind extrem individuell.“ Von Analyse-Tools und Software-Support können alle profitieren. Weber meint: „Je nach Art der Prozesse sind unterschiedliche Technologien sinnvoll.“ Der menschliche Aspekt In Webers neuestem Forschungsprojekt „Modeling Mind“, das im Juli 2014 gestartet wurde und in Kooperation mit dem Institut für Psychologie der Universität Innsbruck durchgeführt wird, stehen vor allem die menschlichen Aspekte im Mittelpunkt. „Es ist wichtig zu verstehen, wann es in einem Arbeitsprozess zu Schwierigkeiten kommt und wieso diese überhaupt auftreten“, sagt Barbara Weber. Grundsätzlich passieren Fehler vor allem dann, wenn eine Aufgabe zu komplex oder zu einfach ist. Im ersten Fall kommt es zu einer hohen kognitiven Beanspruchung, im zweiten Fall zu einer sehr niedrigen – die Person langweilt sich und wird unkonzentriert.

Wichtige Grundlagenforschung In diesem Bereich betreibt das Team um Barbara Weber derzeit wichtige Grund-

„Das Ziel ist, Schwachpunkte in Prozessen aufzuzeigen und den Menschen zu unterstützen, ohne ihm eine Arbeitsweise aufzuzwingen.“

lagenforschung. In aufwendigen Testverfahren werden Methoden entwickelt, um die kognitive Beanspruchung – den „Mental Effort“ – während eines gesamten Arbeitsprozesses zu messen. Dazu wird einerseits das individuell zur Verfügung stehende Arbeitsgedächtnis mittels Tests erhoben. Unter dem Arbeitsgedächtnis versteht man einen Teil des menschlichen Erinnerungsvermögens – dieser Teil kann eine begrenzte Anzahl von Informationselementen gleichzeitig behalten und manipulieren. Andererseits wird die Ausnutzung dieser Kapazität (der „Mental Effort“) anhand zweier Parameter beobachtet: der Aktivität der Augen und der Variabilität des Herzschlags.

Bei der Blickbewegungsanalyse („Eye Tracking“) werden die Aktivitäten des 11

Auges während eines Arbeitsprozesses beobachtet – die Veränderung der Pupillengröße gilt als Maß für die aktuelle kognitive Beanspruchung. Bei der Herzratenvariabilität wird gemessen, wie sich die zeitlichen Abstände zwischen den Herzschlägen verändern – je anstrengender eine Tätigkeit ist, desto weniger variabel ist die Herzrate. Dadurch können tiefere Einblicke in die kognitiven Prozesse von Personen gewonnen werden.

Die wissenschaftliche Bedeutung der laufenden Testreihen ist nicht zu unterschätzen, wie Barbara Weber erklärt: „Diese Methoden sind nicht nur für uns, sondern auch für andere Forschungsrichtungen wie etwa die Psychologie interessant. Derzeit prüfen wir, ob diese Messverfahren wissenschaftlich einsetzbar sind.“

WIRTSCHAFT

01 Das MOFNUG-Projekt ist bereits im Einsatz.

Sowohl an der FH Kufstein als auch an einer Passivhausschule wurden bereits Befragungen durchgeführt und das Prinzip eines Feldes unterzogen. Jetzt muss der Fragenkatalog noch feinabgestimmt werden.

Sensor Mensch: Wie Lebensqualität messbar wird Christian Huber ist Professor für Architektur und Technische Gebäudeausrüstung. An der Fachhochschule Kufstein leitet er den Studiengang Facility Management & Immobilienwirtschaft und ist Sprecher des Departements Wirtschaft und Technik.

Beim Bau und Betrieb von Gebäuden zählt vor allem die Zufriedenheit der Benutzer. Die Fachhochschule Kufstein Tirol arbeitet zusammen mit drei anderen FHs erstmalig an einem System, um diese messbar zu machen.

Von Daniel Feichtner

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WIRTSCHAFT

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Christian Huber

„Die einzige Möglichkeit festzustellen, wie zufrieden Nutzer mit einem Gebäude sind, ist das Gespräch. Da es um das individuelle Empfinden von Menschen geht, muss auch der Mensch selbst zum Messfühler werden.

Wir müssen nur den richtigen Weg finden, um die Daten auch ‚auszulesen‘.“

© FH KUFSTEIN

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ebäude dominieren unseren Alltag. Egal ob wir wohnen und leben, einkaufen oder arbeiten: Wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens im Inneren von Häusern aller Art. „Gebäude erfüllen keinen Selbstzweck“, erklärt Christian Huber von der Fachhochschule Kufstein. „Wir bauen sie, um darin geschützt und in einer angenehmen Umgebung zu leben und zu arbeiten. Sie sind für Menschen da.“ Deswegen existiert eine Vielzahl von Richtlinien und Regeln für ihren Bau und Betrieb, die ihre ‚Funktionalität‘ garantieren sollen.

Im Zentrum des Interesses von Architekten, Ausstattern und Facility Managern sollten dementsprechend die Nutzer des Gebäudes stehen. „Wir unterrichten an der FH Kufstein im Lehrgang für Facility Management und Immobilienwirtschaft, worauf es bei der Planung und im laufenden Betrieb von Gebäuden ankommt. Dadurch sollen sie so nutzerfreundlich für Menschen wie möglich gestaltet werden“, meint Huber. „Doch bislang gibt es kein verlässliches, standardisiertes Instrument, das eine objektive Bewertung der Nutzerzufriedenheit erlaubt.“ Während sich viele andere Messgrößen, wie der Energieverbrauch, die Kosten oder die Arbeitsstunden für den Betrieb objektiv ermitteln lassen, fehlt eine Messlatte für den „Faktor Mensch“.

Dieser ist individuell von jedem einzelnen Benutzer abhängig. Deswegen kann auch kein Experte stellvertretend für die Nutzer bewerten, wie gut oder schlecht das Gebäude den Bedürfnissen gerecht wird.

burg an dem Modularen Fragenkatalog zur NutzerInnenzufriedenheit in Gebäuden – kurz MOFNUG – gearbeitet. „Die einzige Möglichkeit festzustellen, wie zufrieden Nutzer mit einem Gebäude sind, ist das Gespräch. Da es um das individuelle Empfinden von Menschen geht, muss auch der Mensch selbst zum Messfühler werden. Wir müssen nur den richtigen Weg finden, um die Daten auch ‚auszulesen‘“, erklärt Huber.

Ziel ist es, einen Standard zu etablieren, der auf eine möglichst große Zahl verschiedener Gebäudetypen angewandt werden kann. „Durch unseren Fokus auf eine Frage, bei der die Teilnehmer ihre subjektive Bewertung zum Gebäude mitteilen, können alle Gebäudetypen berücksichtigt werden“, erklärt Sabrina Busko, wissenschaftliche Mitarbeiterin am MOFNUG. „Die Kunst liegt in der Auswertung der Texte und der daraus abgeleiteten Empfehlungen.“ Freies Denken Bei der Befragung verlassen sich die MOFNUGEntwickler allerdings nicht auf klassische Fragenkataloge. Die sonst übliche Variante mit vorgefertigten Fragen und multiplen Antwortmöglichkeiten wäre eher kontraproduktiv, meint Huber. Ein solcher Katalog kann niemals alle Felder abdecken, ohne extrem zeitaufwendig zu sein. Dazu kommt, dass alleine die gestellten Fragen die Antworten verfälschen: „Vorgegebene Fragen verursachen gewissermaßen einen Antwort-Zwang“, sagt er. „Selbst wenn der Aspekt einen Befragten eigentlich nicht betrifft, wird er oder sie ihn beantworten. So wird jemand zum einen auf Probleme hingestoßen, die er vielleicht gar nicht wahrnimmt. Zum anderen ist es bei der Auswertung auch unmöglich, eine Gewichtung festzustellen. Zudem ist es sehr wahrscheinlich, dass Aspekte nicht zur Sprache kommen, die vielleicht ein großes Anliegen sind.“

Lösung in Sicht Dieses Manko könnte ein neues Projekt der FH Kufstein bald beseitigen. Seit vergangenem Jahr wird an der Fachhochschule in Zusammenarbeit mit der FH Oberösterreich Campus Wels, der FH Vorarlberg und der FH Wiener Neustadt Campus Wiesel13

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WIRTSCHAFT

← Sabrina Busko

„Bestimmte Rahmenbedingungen wie Stress in der Arbeit, der aktuelle Gesundheitszustand der befragten Person oder Schwierigkeiten zu Hause beeinflussen das Wohlbefinden. Das ist etwas, das wir nicht vermeiden und nur schwer differenzieren können.“ 02

Deswegen soll MOFNUG bei von rund 180 Schülern der FH der Befragung neue Wege Kufstein genutzt, als auch zur beschreiten. Anstatt klare Evaluierung der ZufriedenFragen vorgegeben zu beheit im Modellbetrieb einer kommen, sind die UmfragePassivhausschule. Dort nahteilnehmer dazu angehalten, men insgesamt 1.000 Schüler 02 In sogenannten Clustern werden die Antworten der frei von der Leber weg zu erund Lehrer an mehreren UmBefragten analysiert. Schriftgröße und Farbe symbolisieren dabei jeweils die Häufigkeit der Nennung und zählen. Dadurch sprechen sie fragerunden teil. „Noch feilen positive oder negative Assoziationen. genau die Bereiche an, die sie wir am Feintuning des MOFwahrnehmen – sowohl auf neNUG“, erzählt Huber. Es geht gative als auch auf positive Weise. Das erlaubt nicht noch darum, verschiedenste Faktoren so weit wie nur, die Themenbereiche zu erkennen, die die Benut- möglich auszublenden. „Bestimmte Rahmenbedinzer selbst als relevant empfinden, sondern sie auch gungen wie Stress in der Arbeit, der aktuelle Gesundentsprechend zu gewichten. Ganz treu dem komple- heitszustand der befragten Person oder Schwierigxen Themenbereich erfolgt auch die Auswertung der keiten zu Hause beeinflussen das Wohlbefinden. Das Statements nicht nach einem einfachen Punktesys- ist etwas, das wir nicht vermeiden und nur schwer tem wie bei normalen Fragebögen. differenzieren können.“

Sabrina Busko ist an der Fachhochschule Kufstein als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Department Facility Management & Immobilienwirtschaft tätig. Sie arbeitet auch an der Betreuung des MOFNUGProjektes mit.

Wort-Wolken Stattdessen werden die völlig frei gegebenen Antworten nach linguistischen Aspekten analysiert.

Dazu werden sogenannte Wortcluster gebildet, indem die Entwickler die Texte nach sinngleichen und ähnlichen Wörtern durchsuchen. „Zum Beispiel gehören Wörter wie ‚Stuhl‘, ‚Stühle‘, ‚Sessel‘ und ‚Sitzgelegenheit‘ zusammen“, erklärt Busko. „Anschließend wird anhand der damit in Verbindung stehenden Adjektive und Formulierungen eruiert, ob es sich dabei um eine sehr positive, positive, negative oder sehr negative Assoziation handelt.

Daraus ergibt sich dann ein jeweiliger Cluster, der entsprechend der damit verbundenen Empfindung eingefärbt wird. Die Häufigkeit der Nennung wird durch die Schriftgröße abgebildet. So entsteht eine Visualisierung, aus der genau abgelesen werden kann, womit die Gebäudenutzer zufrieden sind und womit nicht.

Diese Methode, die im Umfang einen fünfseitigen Fragebogen ersetzt, wie Busko sagt, ist im Zuge des MOFNUG-Projektes bereits seit eineinhalb Jahren im Einsatz. Sie wurde sowohl zur Befragung 14

Weltverbesserer Wenn es gelingt, solche Einflüsse noch weiter zu minimieren, wird MOFNUG bald marktreif sein. Der Plan sieht vor, den Fragenkatalog als Dienstleistung anzubieten. Allerdings steht nicht der finanzielle Erfolg der Innovation im Vordergrund, sagt Huber ganz ohne falsche Bescheidenheit: „Wirtschaftlich ist das Prinzip natürlich interessant. Aber ein möglicher Gewinn ist nicht unsere Motivation. Wir haben vor allem im Sinn, die Welt ein klein wenig besser zu machen. Es ist nicht so wichtig, wer das Problem der Evaluierung der Nutzerzufriedenheit einheitlich löst, sondern dass es gelöst wird.“ Denn auch wenn sich die meisten der Problematik nicht einmal bewusst sind: Die Auswirkungen wären langfristig groß. Ist erst messbar, welche Maßnahmen wirklich die Zufriedenheit steigern, kann die Lebensqualität zielgerichtet erhöht werden. Das bringt nicht nur angenehmeres Wohnen und Leben mit sich, sondern kann auch direkte Auswirkungen auf die Produktivität am Arbeitsplatz, die Anzahl von Krankheitstagen und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter haben.

Herrn Kronbichlers Gespür für Schnee Die Firma HWK Skiwax im Tiroler Unterland zählt zur absoluten Weltspitze, wenn es darum geht, möglichst schnell über den Schnee zu gleiten.

Mit Unterstützung durch die WKO setzt HWK-Chef Reinhard Kronbichler auf Vorsprung durch Forschung.

Von Steffen Arora

Reinhard Kronbichler

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er Unterländer Reinhard Kronbichler war jahrelang begeisterter Volkslangläufer. „Naja, sagen wir so“, merkt er bescheiden an, „ich war früher ein mittelmäßiger Rennläufer, ein Halb-Profi.“ In seiner Zeit als aktiver Sportler lernte er, wie wichtig das richtige Material ist und dass etwa die Wahl des passenden Skiwachses über Sieg und Niederlage entscheiden kann. „Immer, wenn ich etwas gewonnen habe, lag das vielmehr am Material als an meiner Leistung“, sagt er verschmitzt schmunzelnd. Nach seiner sportlichen Karriere wechselte er zum Serviceteam.

Kronbichler betreute fünf Jahre lang als Skitechniker Athleten des Deutschen Skiverbandes (DSV). In dieser Zeit bildete er vor allem mit dem Deutschen Skilangläufer Peter Schlickenrieder ein erfolgreiches Duo: „Er war der Sportler, ich der Techniker.“ In dieser Konstellation feierten die beiden bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City ihren größten Erfolg. Schlickenrieder holte auf von Kronbichler präparier-

„Immer, wenn ich etwas gewonnen habe, lag das vielmehr am Material als an meiner Leistung.“

ten Skiern die Silbermedaille im Sprint.

Zudem gewann er zwei Weltcup-Einzelrennen, einen Weltcupstaffelsieg und insgesamt fünf deutsche Meistertitel.

Nach seiner Zeit beim DSV folgten drei weitere Jahre als Techniker beim Österreichischen Skiverband (ÖSV). „Als Servicemann habe ich immer dasselbe Wachs verwendet, das ich von der Firma HWK bezogen habe“, erinnert sich Kronbichler. Im Spitzenskisport gibt es nur eine Handvoll Anbieter von professionellem Skiwachs. Jeder Techniker hat hier seine eigene Philosophie und seinen Favoriten. Kronbichlers Wachs der Wahl stammte eben von HWK, einem 1989 gegründeten Familienbetrieb aus Burgkirchen in Bayern.

Die Firmenübernahme Servicemann Kronbichler und Wachshersteller HWK verband über die Jahre 16

eine enge Freundschaft. Man kannte und vertraute sich, schließlich ist die Wahl des Wachses die alles entscheidende Frage für die Skitechniker der Spitzensportler. Im Jahr 2004 stand bei HWK jedoch eine Entscheidung an, die Kronbichlers Leben verändern sollte: „Der Firmenchef ging in Pension und es gab niemanden aus der Familie, der den Betrieb übernehmen wollte.“ Man wollte das Unternehmen in jüngere, aber erfahrene Hände geben. Der langjährige Partner, Reinhard Kronbichler, der praktische Erfahrung als Servicemann im DSV und ÖSV sowie eigene Sporterfahrung als Volkslangläufer aufwies, erschien als die perfekte Besetzung für die Übernahme. „Ich wurde gefragt, ob ich die Firma kaufen wolle. Ich habe nicht lange überlegt und zugesagt“, so Kronbichler. 2005 war es dann so weit, die HWK Kronbichler GmbH wurde aus der Taufe gehoben.

Zugleich wurde die Neuübernahme mit einem Wechsel des Firmensitzes von Burgkirchen nach Ebbs bei Kufstein verbunden.

© HWK (5)

WIRTSCHAFT

WIRTSCHAFT

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Reinhard Kronbichler Nach einer „mittelmäßig erfolgreichen Karriere“ als Volkslangläufer hat Reinhard Kronbichler ins Lager der Serviceleute gewechselt. Hier feierte er 2002 als Technik-Betreuer des deutschen Langläufers Peter Schlickenrieder mit dessen olympischer Silbermedaille in Salt Lake City 2002 seinen größten Erfolg.

Nach Einsätzen als Skitechniker für DSV und ÖSV übernahm Kronbichler 2004 die Firma HWK Skiwax, deren Gründer den Betrieb aus Altersgründen in jüngere Hände übergaben. Kronbichler arbeitete seit jeher mit den Produkten von HWK und verlegte kurzerhand den Firmensitz nach Ebbs bei Kufstein. Hier entwickelt er mit seinem Team seither neue Wachsmischungen für Profiathleten.

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01 Im ersten Arbeitsschritt wird das feste Wachs auf den Ski gestreut. 02 Beim Bügeln schmilzt es und wird gleichmäßiger verteilt. 03 Mit einer Rolle aus Vlies oder Kork gilt es dann das Wachs in die Lauffläche des Skis zu „massieren“. So dringt es in die Poren und die Struktur des Belags.

04 Beim nächsten Arbeitsschritt kommt eine Bürste zum Einsatz. Mit ihr wird das überschüssige Wachs entfernt. 05 Zu guter Letzt wird der frisch gewachste Ski poliert.

Dadurch glättet man die Wachsschicht und versiegelt sie.

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Formel 1 des Wachses Trotz des Besitzerwechsels hat sich an der Firmenphilosophie von HWK nichts geändert. Es geht darum, sowohl den Kundenanforderungen gerecht zu werden als auch den hohen Qualitätsstandard der Skiwachse durch permanente Weiterentwicklung zu sichern.

Kronbichler brachte seine Erfahrung und seine Kontakte als Servicemann in das Unternehmen ein. Noch mehr als zuvor konzentrierte sich HWK fortan auf die Herstellung von professionellem Wachs für den Rennsport. „Wir sind bis heute kaum im Einzelhandel vertreten.

Es gibt unser Wachs vielleicht in insgesamt 40 Spezialgeschäften zu kaufen, aber hauptsächlich arbeiten wir direkt mit den Sportmannschaften zusammen.

Dadurch, dass wir ausschließlich mit Materialien aus Österreich arbeiten, sind unsere Produkte zudem vergleichsweise teuer.“ Mittlerweile arbeiten Kronbichler und sein Team mit mehr als 20 Nationalmannschaften zusammen, allen voran ÖSV und DSV. Der Umsatz des Un-

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WIRTSCHAFT

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ternehmens konnte auf diese Weise seit der Übernahme verdreifacht werden. „Wir sind im Rennsport mittlerweile sehr bekannt und können auf zahlreiche Erfolge verweisen. Aber darauf kann man sich nicht ausruhen, die Konkurrenz schläft nicht. Wir müssen uns immer wieder aufs Neue mit Podestplätzen und Medaillen beweisen.“ Der Langlauf bleibt dabei die wichtigste Sportart für HWK. Denn er zählt unter den Wachsherstellern zur Königsklasse. „Weil beim Langlauf, anders als beim alpinen Skisport, das Material längst die Hauptrolle spielt“, erklärt Kronbichler. Während bei den Alpinskifahrern die Leistung des Athleten den Unterschied ausmacht, ist es bei den Langläufern meist die Wahl des richtigen Wachses. Er untermauert diese Behauptung mit Zahlen: „Allein das norwegische Langlaufteam beschäftigt 18 Serviceleute für nur 16 Athleten.“ Natürlich ist HWK auch in anderen Disziplinen aktiv. So vertrauen die ÖSV-AdReinhard Kronbichler

„Wir sind im Rennsport mittlerweile sehr bekannt und können auf zahlreiche Erfolge verweisen.“ ler rund um Gregor Schlierenzauer ebenso auf Wachs aus Kronbichlers Labor wie die Snowboarder und alpine Skifahrer.

Nicht ohne Stolz verweist der Unternehmer darauf, dass „der schnellste Mann auf Skiern“ mit HWK Wachs unterwegs ist – es geht um Gesamtweltcup-Sieger Marcel Hirscher.

Streng geheime Wissenschaft Viel mehr darf er aber nicht verraten, denn die Wahl des Wachses wird unter Spitzensportlern gehütet wie ein Staatsgeheimnis. „Wenn ich zum Beispiel in Kitzbühel rund um das Hahnenkamm-

rennen meine Kunden beliefere, muss ich oft den Wagen außerhalb parken und werde dann an einem Treffpunkt abgeholt.“ Die Teams wollen nicht verraten, auf welches Wachs sie setzen, um damit der Konkurrenz voraus zu sein. Diskretion ist in diesem Geschäft obligatorisch.

Denn die Entwicklung von Skiwachs

ausgewählte HWK-Kunden können als Tester diese Prototypen ausprobieren.

Forschung mit Hilfe der WKO auf Jahre gesichert Die Forschungskooperation mit den Chemikern der Universität Innsbruck wird über eine Förderung der FFG, der nationa-

Reinhard Kronbichler

„Wir expandieren langsam, aber stetig.

Mit der Universität als Partner sehe ich der Zukunft optimistisch entgegen.“ ist längst zur Wissenschaft geworden, die sich gegen Industriespionage durch die Konkurrenz wehren muss. Um mithalten zu können, setzt Kronbichler auf Unterstützung durch Chemiker der Universität Innsbruck, die ihm helfen, neue Wachsmischungen zu kreieren.

Neben seinen sechs Angestellten sind es die Innsbrucker Chemiker, die für den HWK-Chef zu unverzichtbaren Partnern wurden. Es gilt, die idealen Wachse für jedwede Schneebedingung zu entwickeln. Dabei kommen im Rennbetrieb in der Regel Fluor-Wachse, ein Gemisch aus einfachen Wachsen und fluorierten Wachsen in unterschiedlichem Anteil, zum Einsatz. Die genauen Gemische sind natürlich gut gehütetes Geheimnis jedes Herstellers. Diese Fluor-Wachse gleiten etwas besser und weisen Schmutz besser ab als herkömmliche HydrocarbonWachse, weil sie durch die Fluorierung ein wenig hydrophober sind. Jedoch sind fluorierte Wachse auch teurer. Für das letzte Feintuning der Rennlatten kommen zudem so genannte Finish-Wachse, die in unterschiedlicher Konsistenz als Pulver, Sprays und in Blöcken auf dem Markt sind, zum Einsatz. HWK bietet zudem eigene Testwachse an, die im normalen Verkauf noch gar nicht zu erhalten sind. Diese Wachse werden in Kooperation mit Weltcupteams getestet und auch 18

len Förderstelle für wirtschaftsnahe Forschung in Österreich, finanziert. „Dadurch bin ich nun chemisch für die nächsten drei Jahre zu 100 Prozent abgesichert“, zeigt sich der Unternehmer erleichtert. Denn ohne eigene Forschung wäre die Entwicklung neuer Wachsmischungen für den Spitzensport undenkbar. „Allerdings wäre es für mich unmöglich gewesen, alle dazu nötigen Anträge alleine zeitgerecht einzureichen. Denn das ist eine Wissenschaft für sich“, so Kronbichler. Daher suchte er die Unterstützung der WKO, die ihm beim Ansuchen um Gelder aus den FFG-Töpfen tatkräftig half. Nun sieht sich Kronbichler für die kommenden Jahre gerüstet, um am hart umkämpften Markt für Spitzen-Skiwachs bestehen zu können. „Wir expandieren langsam, aber stetig. Mit der Universität als Partner sehe ich der Zukunft optimistisch entgegen“, so der Unternehmer. Die kommende Wintersaison kann also kommen. HWK habe derzeit einen komfortablen Entwicklungsvorsprung, von dem man zehren könne. Allerdings sei stets Vorsicht geboten, da sich das sehr schnell ändern könne, so Kronbichler: „Im Vorjahr hatten wir perfektes Wachs für kaltes Wetter in petto, aber dann kam dieser unglaublich warme Winter. Man muss in diesem Geschäft eben auf alles vorbereitet sein. Mal sehen, was der nächste Winter bringt.“

WKO.at/tirol

E N I E D R E M KAM .

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WIRTSCHAFT

Exquisites Skivergnügen „Made in Tirol“ Maria Wibmer und Daniel Neururer verbindet so einiges, unter anderem die Liebe zum Skisport. Weil das Paar seine Traumskier jedoch nicht im Handel finden konnte, gründeten sie kurzerhand ihre eigene Ski-Firma.

Von Steffen Arora

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ie Idee zur Firma XQZT wurde aus der Not geboren. Architektin Maria Wibmer und Volkswirt Daniel Neururer sind begeisterte Bergsportler. Als Paar frönen sie im Winter ihrem gemeinsamen Hobby, dem Skifahren im freien Gelände. „Wir wussten immer schon, dass wir irgendwann auch beruflich etwas gemeinsam machen wollen“, sagt Neururer. Allein was, blieb angesichts der sehr unterschiedlichen Berufsausbildungen lange unklar.

Als sich die Architektin und der Volkswirt aber vor rund drei Jahren neue Skier zulegen wollten und einfach nichts Passendes finden konnten, kam ihnen die Idee zur Gründung ihrer eigenen Firma. „Wir sind bei unserer Suche auf CustomSki-Hersteller in Nordamerika gestoßen. Allerdings war es einfach zu kompliziert, deren Skier zu importieren. Und in Europa konnten wir keine guten Anbieter dafür finden“, erinnert sich Neururer. Unter Custom Skiern versteht man individuell nach Kundenwunsch gebaute Latten, die jedes Paar für sich ein Einzelstück darstellen. In Ötztal Bahnhof im Tiroler Oberland beheimatet, sahen die beiden Potenzial in ihrer

Idee: „Skifahren gehört hier zum Lebensgefühl.“ Die Kunden können bei XQZT jeden Parameter ihrer Skier genau an ihre Bedürfnisse anpassen lassen. Ähnlich wie bei einem Maßanzug, werden diese ihren zukünftigen Fahrern sprichwörtlich auf den Leib geschneidert.

Platz drei beim GründerInnen-Wettbewerb Doch von der Idee bis zur Umsetzung galt es einige Hürden zu meistern. Zu allererst mussten sich die Architektin und der Volkswirt die Kunst, Skier zu bauen, aneignen. „Das war nicht ganz einfach“, erinnert sich Neururer. „Es hat gut zwei Jahre gedauert, bis wir nach der ‚trial and error‘-Methode den Dreh heraus hatten.“ Beharrlichkeit, die sich auszahlt, denn die Custom Skier ihrer Firma XQZT, was als Abkürzung für exquisit steht, sind zu 100 Prozent in Handarbeit gefertigt. Doch neben den technischen Fertigkeiten galt es auch ein konkurrenzfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Dabei kam das „center for academic spin-offs tyrol“, kurz CAST ins Spiel. Das Gründungszentrum der Tiroler Standortagentur hilft jungen Unternehmern

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© XQZ (2)

WIRTSCHAFT

Daniel Neururer (30) hat als Volkswirt ideale Voraussetzungen mitgebracht, um eine eigene Geschäftsidee umzusetzen. Als Alpinist und Wintersportler fiel ihm der Entschluss leicht, gemeinsam mit seiner Partnerin Maria Wibmer auch berufl ich zusammenzuarbeiten.

Maria Wibmer (28) ist Architektin und begeisterte Berg- und Skisportlerin. Gemeinsam mit ihrem Partner Daniel Neururer teilt sie nicht nur ihre Leidenschaft, sondern hat sich dazu entschlossen, auch berufl ich eine Liaison einzugehen.

und Unternehmerinnen bei den ersten Schritten in die Selbständigkeit. „Das Team von CAST hat uns dabei geholfen, einen Geschäftsplan zu erstellen“, weiß Neururer die Hilfe zu schätzen.

Zudem nahmen sie mit XQZT am Tiroler GründerInnen-Wettbewerb „adventure X 2014“ teil.

Ihre Idee wusste die Fachjury zu überzeugen und sie konnten prompt den 3. Platz unter 132 teilnehmenden Gründerinnen und Gründern erobern. Die Standortagentur Tirol versüßte ihnen diesen Stockerlplatz zusätzlich mit 4.000 Euro Preisgeld, das den Jungunternehmern sehr gelegen kam.

Auf jeden Kunden abgestimmt Wenn man bei XQZT seine Custom-Skier bestellt, wird als erstes besprochen, in welchem Terrain man vorwiegend unterwegs ist und welche Fahreigenschaften der Ski haben soll.

Denn maßgefertigte Latten werden in jedem Detail auf den künftigen Fahrer abgestimmt.

Das beginnt bei den Maßen. Hierbei wird nicht nur bei der Skilänge, sondern auch bei der Schaufel-, Mittel- und Tailbreite auf den Kun-

den eingegangen. Denn die Taillierung der Skier beeinflusst den Kurvenradius und Auftrieb im Tiefschnee. Je taillierter die Skier, desto engere Kurven sind damit fahrbar. Je breiter die Taille hingegen ist, umso mehr Auftrieb verleihen sie im Powder. Danach gilt es, die Vorspannung auf den Kunden anzupassen. Darunter versteht man die Wölbung der Skier zwischen Tip und Tail. Bei traditioneller Vorspannung erzielt man maximalen Kantengriff auf hartem Untergrund. Diese Skier verlangen allerdings auch einen aktiven Fahrstil. Powderfans wählen wiederum am liebsten keine Vorspannung und dafür Tip sowie Tail Rocker. Diese Skier verleihen ein surfähnliches Fahrgefühl im Tiefschnee. Als nächster Schritt werden Steifheit und Flex bestimmt. Beide Variablen werden an das Körpergewicht und den Fahrstil angepasst.

Sind all diese Parameter festgelegt, geht es an die Materialwahl. Die Skier bestehen aus einem sehr komplexen Mehrschichtaufbau. Die Kunden können auch hier individuell die Materialien für den Skiaufbau wählen. Dies beeinflusst wiederum deren Fahreigenschaften und das

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Maria Wibmer und Daniel Neururer haben sich als Paar dazu entschlossen die gemeinsame Leidenschaft auch zum Beruf zu machen.

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WIRTSCHAFT

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Gewicht. XQZT bietet neben dem klassischen Aufbau mit hochwertigen Materialien auch umweltfreundlichere Alternativen an. „Wir forschen ständig an weiteren Wahlmöglichkeiten für unsere Kunden und versuchen, dabei auf regionale Zulieferer und Materialien zu setzen“, erklärt Neururer. Als letzter, aber mitunter wichtigster Schritt gilt den Kunden die Wahl des Designs. Dazu stehen verschiedene Holzfurniere oder sublimierte Grafiken von ausgezeichneten, lokalen Künstlern bereit. Sind alle Details geklärt, beginnt die Herstellung der Skier. Custom-Skier von XQZT sind aber nicht nur für Ski-Experten geeignet, im Gegenteil, Fahrer aller Könner-Stufen profitieren von einem individuell angepassten Ski und für die Anpassung ist keinerlei Fachwissen nötig, da die zwei jungen Skibauer mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Darüber hinaus hat jeder Kunde die Möglichkeit, verschiedene Skimodelle von XQZT zu testen, bevor er seinen eigenen Custom-Ski in Auftrag gibt.

Nachhaltiges Konzept Neben der Idee selbst, individuelle Skier für Wintersportenthusiasten herzustellen, war es vor allem auch das nachhaltige Geschäftsmodell von XQZT, das die Jury des Tiroler GründerInnen-Wettbewerbs überzeugte. Denn die Custom-Skier „Made in Ötztal Bahnhof“ sind zu 100 Prozent Tiroler Produkte. „Als Holz benutzen wir Ahorn und Esche aus heimischen Wäldern.

Praktischerweise ist unser Holzhändler, von dem wir dieses Grundmaterial zum Skibau beziehen, sprichwörtlich um die Ecke in der Straße nebenan“, verrät Neururer. Auch die Grafik wird vor Ort produziert. Allein das Bambusholz, das bisweilen zum Einsatz kommt, wird von außerhalb zugekauft. Wobei es für das Duo gar nicht einfach war, Zulieferer zu finden: „Interessanterweise ist Österreich zwar Weltmeister in Sachen Skikomponenten-Zulieferung. Es gibt jedoch keine Tradition, auch kleine Betriebe zu beliefern.“ Daher war ein bisschen Überzeugungsarbeit nötig, um die großen Hersteller davon zu überreden, auch in kleinen Margen zu liefern: „Die reagierten meist mit ungläubigem Staunen, als wir um so kleine Margen anfragten.“ Mittelfristiges Ziel von XQZT ist es, jährlich rund 200 Paar Skier bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von rund 1.000 Euro pro Paar herzustellen: „Dann könnten wir beide davon leben.“

Daniel Neururer

„Wir bedienen eine Nische.

Unsere Kunden sind begeisterte Wintersportler, in erster Linie Tourengeher und Freerider, die bereit sind, für ihr Sportgerät mehr auszugeben.“

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Regionale Vertriebsstruktur Der Markt für Skier ist nicht einfach. Gerade die großen Hersteller verzeichnen seit Jahren einen steten Rückgang bei den Verkaufszahlen.

Der Trend geht gerade im Alpin-Bereich zum Leihski. XQZT sieht sich von dieser Entwicklung aber nicht direkt betroffen: „Wir bedienen eine Nische. Unsere Kunden sind begeisterte Wintersportler, in erster Linie Tourengeher und Freerider, die bereit sind, für ihr Sportgerät mehr auszugeben.“ Zudem setzt XQZT auf Individualität, was bei den Tourengehern und Freeridern gut ankommt. Das spiegelt sich in den Kundenwünschen wider, wie Neururer verrät: „Bei uns kann jeder seinen Ski mit persönlicher Note gestalten lassen.“ Kürzlich etwa wollte ein Kunde unbedingt einen komplett schwarzen Ski. Weil es den so „nicht von der Stange zu kaufen gab“, wandte er sich an Wibmer und Neururer, die seine Traumskier ganz nach seinen Wünschen gestalteten.

Noch läuft der Verkauf der XQZT-Skier über den direkten Kontakt zu den Kunden. Doch in Zukunft werden auch die beiden Jungunternehmer nicht umhin kommen, sich eine Vertriebsstruktur über Händler aufzubauen. „Um langfristig bestehen zu können, ist ein Händlernetzwerk sicher notwendig. Wobei die großen Sportartikel-Handelsketten für uns wegen des Preises, den wir für unsere Skier verlangen, nicht wichtig sind. Für uns sind vielmehr die kleineren, lokalen Läden interessant.“ Es gab auch bereits erste Anfragen von regionalen Sportartikelhändlern. Mittelfristig werde man versuchen, sich über diese ein kleines, aber effizientes Vertriebsnetzwerk aufzubauen.

Bergführer als Werbeträger Ohne Werbung geht heute gar nichts, vor allem in der Freizeitwirtschaft. Das wissen auch Wibmer und Neururer. Sie haben daher eine Bergführerschule aus ihrem Umfeld als Werbeträger und Testfahrer gewinnen können. XQZT stattet sie mit Skiern aus, die Bergführer geben im Gegenzug ihr Feedback zu Fahreigenschaften und Qualität ab und fungieren zugleich als Werbeträger von höchster Glaubwürdigkeit. „Für die nächste Saison suchen wir derzeit ein paar junge Freerider, die mit unseren Skiern den einen oder anderen Contest fahren würden“, sagt Neururer. Denn diese Art des Sponsorings wirkt in der Freeride-Szene besonders gut.

GEISTESWISSENSCHAFTEN

Alles andere als verstaubt Das Ludwig Boltzmann Institut für Neulateinische Studien an der Universität Innsbruck widmet sich als eine der ersten Forschungseinrichtungen weltweit ganz der neulateinischen Literatur. Die bisherigen Ergebnisse lassen aufhorchen.

Von Susanne Gurschler

I

n der Antike war vollkommen klar: Berge sind dämonisch. Wer sich trotzdem ins Gebirge traute oder wie Hannibal gar über die Alpen marschierte, musste ein Günstling der Götter sein.

Dieses Bild zeichnen zahlreiche lateinische Texte der damaligen Zeit. Viele Jahrhunderte später waren es wieder lateinische Schriften, die eine Veränderung in der Sicht auf die Berge bewirkten. Die Texte führten die Leser nun weg von der Vorstellung einer gespenstisch-schauerlichen Bergwelt und begannen, ihnen ein positives, ein mythisch-schönes Bild der Alpen zu vermitteln. Ab dem 16. Jahrhundert wagten sich Forscher in immer höhere Regionen vor. Ihre Erkenntnisse und Untersuchungsergebnisse hielten sie in Büchern fest – in Neulatein, der internationalen Wissenschaftssprache der frühen Neuzeit.

Dementsprechend umfangreich sind die Quellen in Neulatein. Interessanterweise wurden diese aber bis dato kaum ausgewertet. Das Ludwig Boltzmann Institut für Neulateinische Studien an der Universität Innsbruck ist eine der ersten Forschungseinrichtungen weltweit, die sich ganz der neulateinischen Literatur widmet. In einem auf sieben Jahre angelegten Forschungsschwerpunkt stehen die Themenkreise Politik, Mentalitätsgeschichte und Religion im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die ersten Fallstudien stehen kurz vor dem Abschluss und fördern Bemerkenswertes zutage.

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Viel „neue“ Literatur Was kaum bekannt ist: Weniger als ein Prozent der lateinischen Texte wurde in der Antike verfasst, fünf Prozent im Mittelalter. Der weitaus größte Teil – nämlich mehr als 94 Prozent – stammt aus der Neuzeit. In der Wissenschaft dominierte dennoch lange der Blick ins Altertum. „Im 19. Jahrhundert war die Latinistik komplett auf die Antike ausgerichtet. Mit Auswirkungen bis heute“, so Florian Schaffenrath, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts an der Universität Innsbruck. Dabei hat die neulateinische Literatur viel Erhellendes beizutragen – zum Beispiel wenn es um Mentalitätsgeschichte geht.

Wahrnehmungen von Gegebenheiten wie etwa Tod und Zeit oder das Verhältnis zur Natur können sich über die Jahrhunderte fundamental ändern.

So etwa die eingangs schon angesprochene Sicht

GEISTESWISSENSCHAFTEN

© DOMINIQUE HUTER

01 Das Ludwig Boltzmann Institut für Neulateinische Studien hat seinen Sitz im Zentrum für Alte Kulturen der Universität Innsbruck.

auf die Bergwelt. Die Frage, die sich die Forscher am Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck stellten, war, warum sich die Beziehung der Menschen zum Gebirge derart radikal wandelte. Die Lösung fanden sie in den neulateinischen Schriften des 16.

Jahrhunderts. Um die blinden Flecken in den Naturwissenschaften zu füllen, machten sich Forscher damals auf ins Gebirge und veränderten damit den Zugang zu diesem. „In der neulateinischen Literatur beginnen Wertschätzung, Staunen und Begeisterung zu dominieren“, so Schaffenrath.

Zeugen des Zeitgeistes Auch auf politischer Ebene brachten die bisherigen Forschungen interessante Aspekte ans Licht.

Hier stand die Rolle des Neulateinischen im Habsburgerreich im Mittelpunkt. Im Vielvölkerstaat, in

Neulateinische Literatur werden jene in Latein verfassten Schriften genannt, die von der Renaissance bis in die Neuzeit entstanden sind und sich an den antiken Vorbildern orientieren (im Gegensatz etwa zur mittellateinischen Literatur). Der Begriff Neulatein ist etwas irreführend: Es handelt sich nicht um ein „neues“ Latein, sondern um die Rückkehr zu einer bestimmten Stufe des antiken Lateins in Satzbau und Wortschatz.

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Florian Schaffenrath, 1978 in Innsbruck geboren, studierte Klassische Philologie in Heidelberg, Innsbruck und Siena; Promotion sub auspiciis 2005. Er war Forschungsassistent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sprachen und Literaturen (Abt. Latinistik) an der Uni Innsbruck. Im August 2014 erfolgte seine Habilitation (venia für das Fach Klassische Philologie und Neulatein).

Im September 2014 wurde Schaffenrath Direktor des Ludwig Boltzmann Institutes für Neulateinische Studien an der Uni Innsbruck und seit Oktober ist er assoziierter Professor.

dem unzählige Kulturen und Sprachen zusammengeschweißt waren, spielte Neulatein primär eine verbindende Rolle. So wurden etwa Jubelschriften auf den Kaiser in dieser Sprache verfasst. Darüber hinaus nutzten die erstarkenden nationalistischen Kräfte innerhalb Österreichs Neulatein, um ihre Ideen nach außen zu tragen. So transportierten die Ungarn ihre Bestrebungen, sich vom Vielvölkerstaat Österreich loszulösen, in neulateinischen Schriften. Interessant hier auch, dass die Steiermark, orientiert an den „Metamorphosen“ Ovids, sich ein eigenes Nationalepos gönnte, die „Metamorphoses Styriae“. „In Neulatein verfasste Epen und Romane spielten eine wichtige Rolle bei der Bildung politischer Identitäten. Der Großteil hatte im politischen Sinne einheitsstiftende Funktion“, fasst Schaffenrath zusammen.

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GEISTESWISSENSCHAFTEN

02 © DOMINIQUE HUTER, LBI (2)

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04 02 2011 wurde das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck gegründet 03 Blick in einen frühneuzeitlichen philosophischen Traktat über den Himmel 04 In Handschriften und alten Drucken sind viele neulateinische Texte erhalten.

Nicht minder eindrücklich die Erkenntnisse im Bereich Neulatein und Religion. Bemühungen von Teilen der Amtskirche, bei liturgischen Feiern zum Beispiel wieder Latein als Sprache einzuführen, gelten heute als konservativ. Doch es gab eine Zeit, in der mittels Neulatein geradezu revolutionäre Gedanken unters Volk gebracht wurden. Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck legte seinen Forschungsschwerpunkt hier auf die sogenannten „Jesuitendramen“, die ab dem 16. Jahrhundert aufgeführt wurden, und zwar am Schulende in den von Jesuiten geführten Schulen. „Die Jesuiten waren der Bildungsorden schlechthin und sie dachten global. Lehrer mussten alle drei Jahre die Schule wechseln, wobei Neulatein die Sprache war, welche die Ordensbrüder in allen Ländern beherrschten“, erklärt Schaffenrath.

Bei der Untersuchung der Jesuitendramen aus dem 18. Jahrhundert zeigte sich, dass dieser Orden alles andere als konservativ war. Vielmehr brachte er 26

Florian Schaffenrath

„Die Jesuiten waren der Bildungsorden schlechthin und sie dachten global.

Lehrer mussten alle drei Jahre die Schule wechseln, wobei Neulatein die Sprache war, welche die Ordensbrüder in allen Ländern beherrschten.“

aufklärerisches, republikanisches Gedankengut auf die Bühne. Die Jesuiten erreichten damit sehr viele Menschen, da die gesamte Bevölkerung zu den Aufführungen eingeladen war. Zwar beherrschten viele Zuschauer kein Neulatein, sie erhielten aber Broschüren, in denen die Handlung zusammengefasst war. Die revolutionären Inhalte der Jesuitendramen führten natürlich zu Problemen mit den weltlichen Herrschern – und waren nicht zuletzt einer der Gründe, warum der Orden 1773 aufgelöst wurde.

Noch viel zu tun 17 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiteten in den letzten Jahren in diesen Forschungsbereichen am Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck. Mit Ende 2014 sind die Analysen abgeschlossen. Schon fixiert ist das weitere Vorgehen bis 2017. Im Bereich Politik wird sich der Fokus vom Habsburgerreich auf ganz Europa erweitern.

Bei der Untersuchung der neulateinischen Texte geht es dann um die Frage, ob sich hier in der frühen Neuzeit schon eine Art europäischer Gedanke ausmachen lässt. „Die EU hat sehr viele Studien gefördert, in denen es um dieses Thema ging. Allerdings wurden die umfangreichen neulateinischen Quellen dahingehend nicht untersucht“, so Schaffenrath.

Diese Lücke soll nun geschlossen werden.

Völlig im Dunkeln lagen bisher die sogenannten „Meditationsdramen“, die regelmäßig im Frühjahr aufgeführt wurden. Zu diesen werden die Forscherinnen und Forscher eine Monografie erstellen.

Im Bereich Mentalitätsgeschichte wechselt der Schwerpunkt in der nächsten Periode von den Bergen auf die Landschaftsbilder, die in der neulateinischen Literatur zu finden sind.

Schon die bisherigen Studienergebnisse unterstreichen, welch großen Beitrag die neulateinische Literatur zu so wichtigen Themen wie Politik, Mentalitätsgeschichte und Religion geleistet hat und wie viel an Quellenforschung hier noch notwendig ist. Nicht zu vergessen die Arbeiten an den Außenstellen etwa in Freiburg im Breisgau oder Oxford, mit denen die „Innsbrucker“ intensiv zusammenarbeiten. Das Ludwig Boltzmann Institut an der Universität Innsbruck denkt jedenfalls schon intensiv nach über weitere Forschungsfelder, die nach Abschluss dieses insgesamt siebenjährigen Schwerpunkts anzugehen wären.

GEISTESWISSENSCHAFTEN

Belachew Gebrewold Sozialwissenschaftler, MCI

© SHUTTERSTOCK.COM

„Die nordafrikanischen Diktaturen waren viele Jahre eine Pufferzone für die Migration nach Europa.“

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GEISTESWISSENSCHAFTEN

Die Analyse der Flucht Der Sturz nordafrikanischer Diktatoren und die arabische Revolution haben den Mittelmeerraum verändert. Welchen Einfluss das auf die Migration aus dem Süden Afrikas hat, wird unter anderem am Management Center Innsbruck analysiert.

Von Ernst Spreng

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elachew Gebrewold wurde in Äthiopien geboren. Seit mehr als 20 Jahren lebt und arbeitet er in Österreich und Deutschland. Das Studium der Theologie, Politikwissenschaft/Internationale Beziehungen und Friedens- und Konfliktforschung brachte ihn nach Mitteleuropa. Seit rund zwei Monaten leitet er das Department Soziale Arbeit, Sozialpolitik und Sozialmanagement am MCI Innsbruck. Eines seiner aktuellen Forschungsprojekte soll im Frühjahr 2015 als Buch erscheinen und beschäftigt sich mit einem mehr als aktuellen Thema. „Gemeinsam mit einer Kollegin der United Nations University Institute in Barcelona schauen wir uns an, ob die neuen Entwicklungen im Mittelmeer-Raum Einfluss auf das Migrationsverhalten aus dem Süden Afrikas haben“, erklärt Gebrewold. Mit im Boot sind dabei internationale Gastautoren aus den USA, der Türkei, aus Griechenland, Italien, Spanien, Deutschland, England, Holland und Ghana. Die Ergebnisse dieses internationalen Forschungsprojektes sollen erklären, welchen Einfluss der Wegfall der nordafrikanischen Diktaturen auf die Flüchtlingsströme hat.

die es nicht nach Europa geschafft haben. Das Thema der Flüchtlinge beschäftigt jedes europäische Land. In Österreich gab es beispielsweise im Jahr 2013 rund 17.500 Asylanträge.

Und der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab, es verändern sich meist nur die Herkunftsländer – je nachdem, wo gerade eine Krise herrscht. Eine Konstante der vergangenen Jahre sind dabei die Flüchtlinge aus den Staaten Zentral- und Südafrika wie Gambia oder Somalia. Sie sind in der Statistik der Asylkoordination Österreichs regelmäßig vertreten. Weit oben rangieren auch die Mittelmeerstaaten Algerien und Marokko, die als Sprungbretter von Afrika nach Europa dienen. Ein gefährliches Wagnis, wie die Bilder der kleinen Boote mit verzweifelten Menschen im Mittelmeerraum täglich beweisen.

Das Ende der Diktatoren Gerade deshalb sind die politischen Veränderungen der vergangenen Jahre im Mittelmeerraum ein so interessantes Forschungsfeld. „Die nordafrikanischen Diktaturen wirkten lange Zeit für Europa wie eine Pufferzone, in der Flüchtlinge aufgehalten wurden“, erklärt Gebrewold. „Ein Diktator wie Muammar al Gaddafi war nicht nur wegen seines Erdöls lange Zeit in Europa akzeptiert, sondern auch, weil Libyen ein Auffangbecken für Flüchtlinge aus dem Süden Afrikas war.“ Arabische Revolution und der Fall der nordafrikanischen Diktaturen haben das Mittelmeer

Bilder der Flucht Denn die Bilder häufen sich: Flüchtlinge aus Afrika wagen die gefährliche Überfahrt in kleinen Booten über das Mittelmeer. Die Insel Lampedusa ist fast täglich in den Nachrichten, genauso oft wie jene Meldungen von Menschen,

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GEISTESWISSENSCHAFTEN

← Belachew Gebrewold MCI

„Wir müssen in Afrika mehr darüber informieren, wie die Realität der Flucht aussieht.“

verändert. Aber haben sie auch einen Einfluss auf die Migration? Hier zeigt die Forschung von Belachew Gebrewold erste Ergebnisse, die ein differenziertes Bild auf die Migration werfen. „Tatsache ist, dass viele Flüchtlinge aus Subsahara-Afrikas zum Beispiel in Libyen geblieben sind, weil sie dort auch Arbeit bekommen haben. Nach dem Fall von Gaddafi wurden diese Gastarbeiter aber als Kollaborateure des Systems angesehen und verfolgt bzw. haben ihre Arbeit verloren. Das Ergebnis ist: Sie flüchten nach Europa“, so Gebrewold. Libyen war und ist ein für Afrika reiches Land. Die Erdölindustrie griff gerne auf die Flüchtenden als billige Arbeitskräfte zurück, hielt sie teilweise wie Sklaven. Mit dem Wandel im Land sind diese Arbeitsmöglichkeiten verschwunden bzw. mussten die Menschen ein zweites Mal vor einer Verfolgung flüchten.

Differenziertes Bild Die andere Seite der Medaille ist, dass viele Menschen aus dem Sub-Sahara-Raum Afrikas die Veränderung im Mittelmeerraum praktisch nicht mitbekommen haben. „Darum kann man auch feststellen, dass jetzt nicht mehr Menschen flüchten, nur weil die Pufferzone der nordafrikanischen Diktaturen für Europa fehlt“, ist Gebrewold nach den vorliegenden Ergebnissen überzeugt. „Es wäre ein falsches Bild, wenn man in Europa glaubt, diese Menschen hätten immer ein konkretes Ziel für ihre Flucht. Wenn sie die Flucht überleben, dann landen sie in den meisten Fällen dort, wo sie ihre Schlepper aussetzen oder sie aufgegriffen werden“, erzählt der MCI-Professor von den ersten Ergebnissen.

Was Gebrewold vor allem fehlt, ist die Aufklärung in den Ländern Subsahara-Afrikas. „Praktisch niemand weiß über die Gefahren der Flucht Bescheid, weil diese Informationskultur in diesen Ländern vollkommen fehlt. Viele Menschen verkaufen ihr Hab und Gut und übergeben ihre Zukunft einem Schlepper. Wie die Wirklichkeit

der Flucht aussieht, wissen sie nicht. Sie hoffen auf ein besseres Leben irgendwo“, so Gebrewold.

Der Innsbrucker Forscher zeichnet folgendes Bild: Wenn die Menschen aus dem SubsaharaRaum über Medien etwas von Europa erfahren, dann sind das meist Bilder von glorreichen Fußballspielen, eine schöne Welt, die Verdienstmöglichkeiten verspricht. Was nie gezeigt wird, sind die Leiden der Flucht, die Schwierigkeiten einer guten Integration. Diese Bilder fehlen den Menschen. Darum ist für sie die Flucht vor ihrem Leben in der Heimat eine mehr als verlockende Alternative. Die Realität holt sie meist erst dann ein, wenn sie unterwegs sind.

Belachew Gebrewold leitet seit drei Monaten das MCI-Department Soziale Arbeit, Sozialpolitik und Sozialmanagement.

Seine Lehr- und Vortragstätigkeit führte ihn unter anderem an Universitäten in Österreich, den USA und Deutschland. Der gebürtige Äthiopier lebt in Tirol.

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Mehr Aufklärung Mit seinem Buch, das im Frühjahr nächsten Jahres erscheinen soll, hofft Gebrewold, mit seinem internationalen Forscherteam einige Handlungsempfehlungen an die EU und die Vereinten Nationen abgeben zu können. „Darum ist auch die Zusammenarbeit mit der Universität der Vereinten Nationen in Barcelona und ein sehr direkter Zugang zu den Vereinten Nationen in diesem Zusammenhang so wichtig“, erklärt der Experte. Die Handlungsempfehlungen werden die Autoren gemeinsam in den kommenden Monaten festlegen. Eines ist aber für Gebrewold schon klar: „Wenn man direkt in den Ländern nicht über die Realität der Migration aufklärt wird, wird es in Subsahara- Afrika weiterhin ein verklärtes Bild über die Zukunft in anderen Ländern und Kulturen geben.“ Deshalb sei Aufklärungsarbeit vor Ort eine der wichtigsten Maßnahmen für den europäischen Raum in der Flüchtlingspolitik der Zukunft. Einzelne Initiativen zur Aufklärung der Menschen in ihrer Heimat gibt es bereits. Meist sind diese aber privat und derzeit bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber auch diese erfolgreichen Projekte haben im Buch ihren Platz gefunden und geben einen Anhaltspunkt, wo die Information in Zukunft ansetzen muss.

Foto: Trol Werbung · Thomas Jantscher, Top Mountain Hochgurgl

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Smarte Wirtschaft · Smarte Materialien · Smartes Leben Tiroler Innovationstag Donnerstag, 20. November 2014 Congress Innsbruck Beginn: 16.30 Uhr

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Standortagentur Tirol

FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

Kleinste Teile herausgefiltert „Etwas wird durchgelassen, etwas bleibt hängen.“ Der Grundsatz der Membrantechnik klingt einfach.

Am MCI wird in diesem Bereich allerdings Forschung auf höchster internationaler Ebene betrieben.

Von Ernst Spreng

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ie Forschung im Bereich der Membrantechnik hat am MCIDepartment für Umwelt-, Verfahrens- & Energietechnik durchaus Tradition. Seit 2006 beschäftigen sich Wissenschaftler mit dieser Technologie, die aus unserem Alltagsleben nicht mehr wegzudenken ist. „Membranen werden in sehr vielen Bereichen zur Filtration verwendet“, erklärt Marco Rupprich, Leiter des Departments. „Meerwasserentsalzung oder die Dialyse, Textilindustrie, Milch- und Molke-Aufbereitung oder die Wasseraufbereitung im Allgemeinen sind nur einige Beispiele von Einsatzgebieten.“ 2006 hat man am MCI begonnen, im Bereich der anwendungsorientierten Membrantechnik zu forschen. Seit 2009 arbeitet man auch daran, Verfahren für die Herstellung von Membranen für die Nanofiltration herzustellen. Nanofiltration ist ein Verfahren, das gelöste Moleküle, Schwermetall-Ionen und andere kleine Partikel zurückhält. Zuerst

Marco Rupprich leitet seit 2011 am Management Center Innsbruck das Department für Umwelt-, Verfahrens- & Energietechnik und beschäftigt sich v. a. mit der Membrantechnik, mit Advanced Oxidation Processes sowie der Kombination beider vorher genannten Verfahren.

war es vor allem die Herstellung von Flachmembranen, mit der man sich am MCI beschäftigt hat. Das Problem dieser flachen Membranen: Die gegenüber anderen Formen relativ geringe Fläche ermöglicht auch geringe Volumen zur Filtration. „Dann haben wir uns in ein 32

neues Feld vorgewagt und forschten mit anderen Formen für Membranen. Wir wollten auf möglichst geringem Raum eine möglichst große Oberfläche schaffen. Denn mehr Oberfläche bedeutet auch, dass man mehr filtrieren kann und der Vorgang somit effizienter ist“, so Rupprich.

Die Membranen als Schlauch Intensiv mit diesen neuen Formen von Membranen beschäftigt sich am MCI der Dissertant Martin Spruck. Die Idee ist einfach, aber genial. Die Membranen sollten zu einem Schlauch geformt werden, der wiederum in sich mehrere Kanäle hat. „So bekommt man auf kleinstem Raum eine sehr große Fläche zusammen“, erklärt Martin Spruck den Forschungsansatz. Diese am MCI gefertigten Mehrkanalsysteme in Schlauchform, welche mit Membranen nachbeschichtet werden, dienen der Nanofiltration, also dem Herausfiltern kleinster Moleküle aus einer Flüssigkeit. Ein Einsatzgebiet

FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

© MCI (3)

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01 Mit der HTL Fulpmes gemeinsam wurden am MCI auch die Geräte zur Herstellung der Mehrkanal-Membranen konzipiert und gebaut.

02 Durch die vielen Kanäle bei den neuartigen Membranen wird mehr Oberfläche geschaffen. Mehr Oberfläche bei einer Membran bedeutet, mehr Effektivität bei der Filtration.

03 Seit 2006 beschäftigt man sich am MCI erfolgreich mit der Erforschung von Membrantechnologie für die Nanofiltration.

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Marco Rupprich

„Meerwasserentsalzung oder die Dialyse, Textilindustrie, Milch- und Molke-Aufbereitung oder die Wasseraufbereitung im Allgemeinen sind nur einige Beispiele von Einsatzgebieten.“ dieser Membranen ist beispielsweise die Filtration mehrwertiger Salze. Konkreter: Diese Technologie findet Einsatz bei der Abtrennung von Schwermetallen aus Abwässern. „Ein anderes Beispiel, wo diese Membranen einsetzbar sind, ist die Wasserenthärtung“, meint Martin Spruck.

Vielfältige Forschung Am MCI entstand so in den vergangenen Jahren nicht nur das Mehrkanalsystem für Membranen in der Nanofiltration, sondern auch Verfahren zu deren Beschichtung und natürlich die entsprechenden Maschinen, um diese Produkte

anzufertigen. „Hier arbeiten wir sehr eng mit der HTL in Fulpmes zusammen, wo die Schülerinnen und Schüler in Projekten den Maschinenbau für unsere Forschungsarbeit umgesetzt haben“, erzählt Martin Spruck aus der bisherigen Forschung.

Die Herstellung Und zu erforschen gab es einiges, denn die Herstellung von Membranen orientiert sich immer anhand des individuellen Problems. „Je nachdem, was aus einer Lösung herausgefiltert werden soll, braucht es eine sehr individuelle Membran, die dieses Problem lösen kann“, 33

erklärt Martin Spruck. Dabei kann man im gesamten Herstellungsprozess an vielen Stellschrauben drehen. Und jeder veränderte Schritt führt zu einem unterschiedlichen Ergebnis. Der gesamte Prozess der Herstellung nennt sich Phaseninversionsprozess, spezialisiert hat man sich am MCI nämlich auf Membranen, die auf Kunststoffen basieren. Der erste Schritt bei der Fertigung ist, einen geeigneten Kunststoff in einem Lösungsmittel zu lösen. Die zählflüssige Polymerlösung wird in einem Fällungsbad durch eine nicht mischbare Flüssigkeit – zum Beispiel Wasser – fest und erhält die gewünschte Form. So entstehen Membranen, die selbst Verunreinigungen im Nano-Bereich abtrennen können. „Ohne Elektronenmikroskop schauen unsere Membranen aus wie Kunststoffschläuche. Erst unter extremer Vergrößerung erkennt man die Porenstruktur und kann nachvollziehen, warum kleinste Teilchen zurückgehalten werden“, erzählt Spruck.

Im speziellen Fall der schlauchartigen

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FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

← Mehrkanalmembranen wird das gelöste Polymer durch eine Düse gepresst, durch die der Kunststoff und das Fällungsmittel gleichzeitig fließen. So entstehen die dünnen Kanäle. Anschließend wird in einem weiteren Fällbad die Außenseite gehärtet.

Martin Spruck

„Bei den Mehrkanalmembranen für die Nanofiltration sind wir momentan so weit, dass 90 Prozent der mehrwertigen Salze aus einem Abwasser abgetrennt werden können.“

Optimierungsprozess Im Bereich der Membrantechnik für Nanotechnologie hat sich das MCI mit dieser Forschung einen internationalen Namen gemacht. Martin Spruck wird seine Dissertation zu diesem Thema 2015 abschließen und konnte bereits in einschlägigen wissenschaftlichen Journalen publizieren. Derzeit ist man bei der Optimierung der verschiedenen Herstellungsprozesse, die zur fertigen Membran führen. „Der erste Schritt in diesem ganzen Prozess war, diese MehrkanalMembranen in einer guten Qualität herstellen zu können“, erklären die Forscher. „Das ist uns schon gelungen.“ Der zweite Schritt ist das Leistungsvermögen der Membranen weiter zu steigern. „Bei den Mehrkanalmembranen für die Nanofiltration sind wir momentan so weit, dass 90 Prozent der mehrwertigen Salze aus einem Abwasser abgetrennt werden können. Das möchten wir in den kommenden Monaten noch steigern. Wir sind sehr

stolz auf das bisher Erreichte, aber der Ehrgeiz treibt uns noch weiter“, so Spruck.

Zukunftsvisionen Die Forschung in diesem Bereich der Technik sehen Marco Rupprich und Martin Spruck als die Grundlage dafür an, um die Membrantechnologie in Zukunft weiter zu entwickeln. Sie wollen die wissenschaftliche Basis dafür schaffen. „Es gibt natürlich Interesse aus der Wirtschaft an unseren Forschungsergebnissen, zumal Teilbereiche bereits international publiziert wurden“, erklärt Departmentleiter Marco Rupprich. „Wir haben aber die Membrantechnik immer sehr stark von der wissenschaftlichen Seite betrachtet und freuen uns, wenn unsere Grundlagen-Forschung in Zukunft Nutzen für die Allgemeinheit bringt.“ Das MCI-Department für Umwelt-, Verfahrens- & Energietechnik arbeitet abseits dieser Forschung oft eng mit Unternehmen zusammen. „Viele Unternehmen kommen mit einem Problem zu uns und stellen die Frage: Kann man es mit Hilfe von Membranen lösen?“, erklärt Rupprich. „Hier helfen wir gerne weiter, betrachten das Problem und versuchen, auf wissenschaftlicher Ebene eine Lösung zu finden.“

Martin Spruck ist seit 2010 am MCI tätig und schreibt derzeit seine Dissertation an der LFU Innsbruck an der Fakultät für Chemie und Pharmazie, die 2015 fertiggestellt wird. Sein Schwerpunkt liegt auf der Erforschung neuer Herstellungsverfahren in der Membrantechnik für die Nanofiltration.

Filtrationsspektrum Druck (bar)

Hefezellen

Zucker

Farbpigmente

gelöste Salze Tabakrauch

100

10

Menschliche Haare

Bakterien

Pestizide

Rote Blutkörper

Virionen

Umkehrosmose

E. coli

Trübstoffe

Legionellen Salmonellen

Nanofiltration Ultrafiltration

1

0,0001

Mikrofiltration

0,001

0,01

0,1 Partikelgröße (μm)

34

1

Partikelfiltration 10

100

FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

Das Netzwerk sportlicher Textilien Die Länder Tirol und Vorarlberg fördern Forschungsprojekte zur Entwicklung innovativer Textilien und Materialien für Sport, Freizeit und Gesundheit.

© TZSA

Von Ernst Spreng

01 Am Technologiezentrum Ski- und Alpinsport der Universität Innsbruck beschäftigt man intensiv mit dem Einfluss von Sportbekleidung auf die Leistungsfähigkeit des Sportlers

01

Michael Hasler

S

eit rund sechs Jahren beschäftigt sich das Technologiezentrum Skiund Alpinsport der Universität Innsbruck bereits mit sportlichen Textilien und der Frage, welchen Einfluss sie auf die Leistungsfähigkeit von Spitzen- und Freizeitsportlern haben.

Angesiedelt ist das Technologiezentrum am Institut für Sportwissenschaften.

Initiiert wurde das Projekt damals gemeinsam mit dem Institut für Textilchemie und Textilphysik der Uni Innsbruck unter der Leitung von Thomas Bechtold. „Wir haben festgestellt, dass es zwischen der Erforschung von Textilien und dem Sportbereich sehr viele Synergien geben könnte“, erzählt Michael Hasler vom Technologiezentrum Ski- und Alpinsport von den Anfängen.

Auf der einen Seite gibt es den konkreten Bezug zur Textilherstellung, auf der anderen den direkten Anwendungsbezug im Sportbereich. Recht schnell entstand

„Wir haben festgestellt, dass es zwischen der Erforschung von Textilien und dem Sportbereich sehr viele Synergien geben könnte.“

wicklung neuer Textilkonzepte und Hochleistungsmaterialien unter Leitung des Technologiezentrums Ski- und Alpinsport der Universität Innsbruck.

Am neuen, überregionalen Kompetenzzentrum beteiligen sich insgesamt 20 Unternehmen und Verbände sowie vier Forschungseinrichtungen.

aus dieser Grundidee nicht nur die erste konkrete Forschung, sondern ein Netzwerk an Forschungspartnern und Unternehmen, die bis heute an einem Strang ziehen.

Nun geht man in der Zusammenarbeit neue Wege. Die Länder Tirol und Vorarlberg fördern in den kommenden drei Jahren gemeinsam das Verbundforschungsprojekt „Textiles“ zur Ent-

Aktuell am Puls der Zeit Auf die Frage, was die Zukunft für das Kompetenzzentrum bringen wird, können Werner Nachbauer, ehrenamtlicher Geschäftsführer am Technologiezentrum Ski- und Alpinsport, und Projektmanager Michael Hasler interessante Ausblicke geben. „Das Thema Nachhaltigkeit war uns schon immer sehr wichtig und wird weiterhin ein Schwerpunkt sein“, ist Hasler überzeugt und verweist dabei auch auf die aktuellen Forschungsprojekte. Hier beschäftigt sich das Institut für Textilchemie und Textilphysik

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FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

Michael Hasler

„Alle Fragen sind nie geklärt, es gilt immer wieder neue Aspekte zu analysieren.“

derzeit intensiv mit der Hydrophobierung von Outdoor-Bekleidung. Eine moderne Outdoor-Jacke muss heute viele Funktionen erfüllen. Sie soll Schweiß nach außen transportieren, gleichzeitig sollten Kälte und Regen draußen bleiben. „Diese Jacken werden derzeit wasserabweisend, indem man die Oberflächen mit Chemikalien behandelt – konkret sind das perfluorierte Kohlenwasserstoffe, die sehr in der Kritik stehen und gesundheitsschädigend sein könnten“, sagt Werner Nachbauer. Im Rahmen des Kompetenzzentrums „Textiles“ wird nun nach Alternativen gesucht, die in der Herstellung umweltfreundlicher sind, die Gesundheit nicht gefährden und eine ähnlich gute Funktion garantieren. Die beiden Experten sehen aber auch sehr großes Potenzial in der Erforschung des Einsatzes von Naturmaterialien für den Sportbereich. Auch mit diesem Bereich wird sich ein Projekt beschäftigen.

Technische Stickerei Interessant ist auch, dass sich das neue Kompetenzzentrum nicht nur rein auf textile Fasern beschränken will. Die sogenannte technische Stickerei rückt immer mehr ins Interesse der Forschung.

Technische Stickerei setzt Kohle- und Glasfasertechnologie ein – beispielsweise in der Autoindustrie. „Kohlefasern und Glasfasern sind für den Sportbereich sehr interessante Materialien“, erklärt Nachbauer. „Überall, wo es um hohe Festigkeit und geringes Gewicht geht, können diese Materialien und damit die technische Stickerei Anwendung finden.

Beispiele wären Schutzausrüstungen für Sportler, Skier, Skischuhe, Kletterausrüstungen. Das Thema hohe Festigkeit bei geringem Gewicht ist gerade im Sport

© STANDORTAGENTUR TIROL TZSA

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02

Michael Hasler, MSc, ist im Technologiezentrum Ski- und Alpinsport als Projektmanager für das Verbundstoffprojekt „Textiles“ erster Ansprechpartner für alle Netzwerkpartner, die in diese länderübergreifende Zusammenarbeit involviert sind.

allgegenwärtig. Hier gibt es viele Ansätze, wie man Carbon- und Glasfasertechnologie in Zukunft im Sportbereich verwenden kann. Die Unternehmen, die diese Ansätze nutzen können, gibt es bereits im Netzwerk der textilen Partner aus Wissenschaft und Unternehmen.

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Hinter all diesen Forschungsprojekten steht für das Technologiezentrum Skiund Alpinsport die Frage, wie ein Textil die sportlichen Leistungsabläufe beeinflusst. Hier werden die Projekte der vergangenen sechs Jahre auch in Zukunft die Arbeit vorantreiben. Denn: „Alle Fragen sind nie geklärt, es gilt immer wieder, neue Aspekte zu analysieren“, so Michael Hasler. Während am Institut für Textilchemie und Textilphysik vor allem in Richtung Materialtechnologie geforscht wird, sind in Innsbruck alle Aspekte der Biomechanik angesiedelt. „Hier schließt sich beispielsweise wieder unsere Forschung rund um die Wirkung von Kniestrümpfen“, meint Michael Hasler. „Hier arbeiten wir weiter, beschäftigen uns zum Beispiel mit dem Thema, wie sich Kälte auf das Knie auswirkt. Vielleicht entsteht daraus einmal die Skihose der Zukunft, die im Kniebereich besonders

FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

02 Alternativen für die derzeit verwendeten Textilien bei Outdoorjacken zu finden, ist einer der Forschungsschwerpunkte des Verbundforschungsprojektes „Textiles“.

Werner Nachbauer

„Hier wurde ein Netzwerk geschaffen, das wirklich funktioniert und aktiv den Erfahrungsaustausch lebt.“

03 Partner und Unterstützer des Verbundforschungsprojektes Textiles v. l. n. r.: Werner Nachbauer (Institut für Sportwissenschaften, Uni Innsbruck), LRin Patrizia Zoller-Frischauf, Michele Stinco (polychromelab GmbH), BM Andrä Rupprechter, Tilmann Märk (Universität Innsbruck), Harald Gohm (Standortagentur Tirol), Joachim Heinzl (WISTO, WirtschaftsstandortVorarlberg GmbH), Werner Erhart (Smart Textiles Plattform Austria)

03

zen, die von der Forschung profitieren.

Und umgekehrt. So entstand im Laufe der Zeit ein echtes Netzwerk und ein Erfahrungs- und Wissensaustausch, von dem Wirtschaft und Forschung maßgeblich profitieren. „Unsere Plattformtreffen sind dabei nicht nur für die bestehenden Kooperationspartner, sondern auch als offenes Netzwerktreffen konzipiert, wo neue Ideen und Fragestellungen immer willkommen sind“, so Werner Nachbauer.

viel Wärme konserviert.“ Wie überhaupt das Thema der Thermoregulation für den gesamten Körper ein weites Forschungsfeld im Textilbereich ist.

Erfolgreiche Zusammenarbeit Ein Blick zurück zu den Anfängen: Die Zusammenarbeit von Forschung, Organisationen und Verbänden hat in den ersten sechs Jahren viele Erfolge gefeiert. So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass präventive Kniestrümpfe einen Effekt erzielen können. „Der Kniestrumpf verbessert durchaus die Selbstwahrnehmung des Sportlers, die wiederum einen positiven Effekt auf die Steuerung der Gelenke hat“, erklärt Hasler. Profitiert hat aber auch schon der ÖSV-Kader von den Forschungsprojekten. Hier wurden in Zusammenarbeit der Systempartner unterschiedliche Rauigkeiten, Schnitte und Faserausrich-

Univ.-Prof. Dr. Werner Nachbauer ist ehrenamtlicher Geschäftsführer des Technologiezentrums Ski- und Alpinsport der Universität Innsbruck und seit Jahrzehnten international anerkannter Sportwissenschaftler.

tungen bei den Rennanzügen erfolgreich im Windkanal getestet.

Von Beginn an stand dabei eines im Mittelpunkt: Die Forscher der beiden Uni-Institute wollten sich eng mit Unternehmen und Organisationen vernet37

Wichtiges Netzwerk Abseits der Forschungserfolge und der erfolgreichen Umsetzung in der Wirtschaft freut Michael Hasler und Werner Nachbauer aber vor allem eines: „Hier wurde ein Netzwerk geschaffen, das wirklich funktioniert und aktiv den Erfahrungsaustausch lebt.“ So entstehen sehr viele Ideen, die man gemeinsam angeht. „Es ist inzwischen so, dass Forscher in die Unternehmen eingeladen werden, die Unternehmen zu uns kommen und wir uns regelmäßig treffen“, erzählt Hasler. Diese enge Zusammenarbeit befruchtet die Ergebnisse. Es ist zu spüren, dass hier Wirtschaft und Forschung gerne kooperieren. Und die Erfolge der vergangenen Jahre geben dem Prinzip des offenen Austausches Recht.

Dieser Netzwerkgedanke wird auch in den kommenden drei Jahren im Vordergrund der Arbeit des Kompetenzzentrums stehen. „Wer Interesse an unseren Plattformtreffen hat, braucht sich nur beim Technologiezentrum Ski- und Alpinsport der Universität Innsbruck melden und wird in den Verteiler aufgenommen“, freut sich Werner Nachbauer auf einen offenen Innovationsaustausch in dem neuen Kompetenzzentrum.

FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

Lichtschalter auf zellulärer Ebene Am Institut für Biochemie der Universität Innsbruck wird eine Technologie entwickelt, um Vorgänge in lebenden Zellen zu analysieren. Langfristig kann das bessere Verständnis dieser Prozesse dazu beitragen, verschiedenste medikamentöse Therapien zu verbessern.

Von Daniel Feichtner

Z

ellen im menschlichen der Zelle. Entstehen Mutationen Körper interagieren unterin einzelnen Proteinen, wird die einander und mit ihrer UmSignalweiterleitung gestört. Das gebung. Dazu nutzen sie so- Eduard Stefan ist Privatdozent und kann schwerwiegende Folgen hagenannte Rezeptoren – Proteine, Arbeitsgruppenleiter am Institut für ben, denn auf diese Weise wird der Universität Innsbruck. die auf ihrer äußeren Membran po- Biochemie nicht zuletzt der Zelltod reguliert.

Neben seinen Forschungstätigkeiten ist er sitioniert sind. Diese funktionie- als Dozent im neuen Centrum für Chemie Funktioniert dieser Mechanismus ren nach dem Schlüssel-Schloss- und Biomedizin (CCB) tätig. nicht mehr, kann es zu WucherunPrinzip. Kommt ein Hormon in gen und damit zu Krebs kommen.“ Kontakt mit der Zellmembran und Zudem ist diese Form von Signaltrifft dort auf das dazugehörige „Schloss“, also das weiterleitung auch für die Wirksamkeit vieler MeProtein, wird ein Signal in das Zellinnere, meistens dikamente wichtig. Da die Zellmembran und ihre bis in den Zellkern, weitergeleitet. „Auf diese Weise Rezeptoren relativ einfach erreicht werden können, steuert der Körper Vorgänge auf zellulärer Ebene“, greifen dort auch rund 30 Prozent aller Medikamenerklärt Eduard Stefan vom Institut für Biochemie te an. Um genau zu verstehen, wie diese wirken, ist und dem Center for Molecular Biosciences Inns- es daher unerlässlich herauszufinden, was genau in bruck (CMBI). „Wenn zum Beispiel das Stresshor- der Zelle passiert. mon Adrenalin ausgeschüttet wird, reagiert es mit Zur Erforschung zellulärer Protein-Proteinden Rezeptoren bestimmter Zelltypen und ver- Interaktionen werden die jeweiligen Zellen oder anlasst, dass die Herzfrequenz und der Blutdruck Gewebe durch unterschiedlichste biochemische steigen und sich die Bronchien erweitern.“ Die ei- Methoden aufgebrochen. So ist es möglich festzugentliche Reaktion geschieht jedoch im Inneren der stellen, ob ein Rezeptor auf eine Substanz anspricht Zelle. Dort fügen sich, sobald ein Rezeptor aktiviert und welches intrazelluläre Proteinpaar dadurch akwird, bestimmte Proteinpaare zusammen. Daraus tiviert werden kann. Das Problem dieser biochemientsteht eine Kaskade, also eine Kettenreaktion, die schen Vorgangsweise ist, dass die Zelle selbst dabei das Signal schließlich in den Kern weiterleitet. zerstört wird.

Verständnis als Voraussetzung Die Prozesse im Inneren der Zelle zu kennen und zu verstehen, wird für die Forschung und die Medizin immer wichtiger, erklärt Stefan: „Die Kaskaden sind nicht nur zur Weiterleitung der Signale da. Sie regulieren und timen auch die Vorgänge in

Am lebenden Objekt Gemeinsam mit seinen Kollegen am Institut für Biochemie und dem CMBI, in Zusammenarbeit mit amerikanischen Universitäten (John Hopkins Universität und Universität von Kalifornien) und dem deutschen Max Planck Institut für Molekulare 38

FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

Protein-Protein-Interaktion ins rechte Licht gerückt Rezeptor

A

X

Signaltransduktion

B

A B

01

lebende Zelle

Luziferase F(1)

F(2) + Substrat

+ Substrat

01 Ohne den passenden „Schlüssel“ im Rezeptor interagieren die Proteine A und B nicht miteinander. So bleiben auch die beiden Teile der Luziferase - F(1) und F(2) – getrennt. Wird der Rezeptor aktiviert, kommt es in der Zelle zur Interaktion. Die Proteine A und B nähern sich einander.

Dadurch kann sich aus den beiden Teilen der Luziferase ein funktionelles Enzym bilden, das zu leuchten beginnt.

Lichtemission

Genetik in Berlin entwickelt Stefan eine biotechnologische Methode weiter, die es erlaubt, die Signalweiterleitung in lebenden und intakten Zellen zu beobachten und zu quantifizieren. „Wir nutzen dazu eine Luziferase – ein Enzym, das zum Beispiel in Leuchtquallen zu finden ist. Es ist in der Lage, unter bestimmten Bedingungen Biolumineszenz zu erzeugen, also Licht abzugeben, und kann so als Reporter verwendet werden.“ Diesen Effekt machen sich die Wissenschaftler zunutze. Um festzustellen, wann welche Proteine sich zu Paaren zusammenfügen, fusionieren die Forscher zwei Teile des Luziferase-Enzyms mit den Proteinen, die interagieren sollen – dem, sogenannten Köder und Beuteproteinen. Interagieren diese Köder/Beuteproteine, kommt es durch die räumliche Nähe zur Bildung einer funktionellen Luziferase aus den zwei Teilen.

So arbeiten die reinen Grundlagenforscher an der Trennlinie zwischen Biochemie und Medizin. Auf lange Sicht bergen ihre Erkenntnisse jedoch großes Potenzial speziell im Bereich der Krebsforschung. „Ein Beispiel: Bei der Behandlung von Hautkrebs hat sich gezeigt, dass ein bestimmtes Medikament bei manchen Patienten den Tumor schrumpfen lässt, bei anderen das Wachstum steigert“, erklärt Stefan. „In diesem Fall verursacht das mutierte Protein 1 oder 2 Krebs. Unterbindet das Medikament die fatale Aktivität des veränderten Proteins 1, dann schrumpft der Tumor. Dieses Protein bildet Protein-Protein-Interaktionen mit dem Protein 2. Ist nun Protein 2 von der Mutation betroffen, kann das Krebswachstum in der Anwesenheit des Medikamentes, das gegen Protein 1 gerichtet ist, sogar noch gefördert werden.“ Dieses Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit von personalisierter Medizin. Zudem sind manche Medikamente oft nicht „präzise“. Sie unterbrechen mehr als eine Interaktion und erzeugen dadurch bei einer hohen Dosis Nebenwirkungen. „Ein weiteres Problem ist zudem auch, dass im menschlichen Körper Resistenzen gegen manche Medikamente entwickelt werden. Tumorzellen sind sehr gut darin, blockierte Kaskaden zu umgehen. Dadurch werden Behandlungen oft schnell unwirksam.“

Lichtschalter für Zellen Solange die Köder/Beuteproteine getrennt in der Zelle vorliegen, gibt es keine Lichtreaktion. „Wenn Köder und Beuteproteine interagieren, dann fügen sich die zwei Teile der Luziferase zusammen und in Gegenwart einer definierten chemischen Verbindung beginnt es zu leuchten. So, als würde man einen Lichtschalter betätigen“, erklärt Stefan. „Sobald sich die Köder/Beuteproteine wieder trennen, trennen sich auch die zwei Luziferaseteile, vereinfacht gesagt heißt das, das Licht geht aus.“ Da diese dynamische Reaktion zu schwach ist, um mit bloßem Auge gesehen zu werden, müssen die Proben mit speziellen Detektoren und Kameras analysiert werden.

Diese erstellen dann ein Falschfarbenbild, das genau zeigt, in welchem Bereich und in welchen Zellen wie viel Licht abgestrahlt wird. „Wenn nun ein Hormon oder ein Medikament einen direkten oder indirekten Einfluss auf Köder und Beuteproteine haben, dann können wir das mit unserem Lichtschalter direkt in der definierten Krebszelle in der Gewebekultur oder in Modellorganismen wie z. B. der Bäckerhefe oder dem Zebrafisch, austesten“, sagt Stefan.

Mit Wissen gegen den Krebs Mit der von Stefan entwickelten Methode könnte genau entschlüsselt werden, wie, wann und wo welches Medikament in der untersuchten Zelle wirkt.

Das könnte in ferner Zukunft helfen, spezielle Signalkaskaden abseits der mutierten Proteine oder von neu gebildeten Resistenzen zu unterbrechen und unerwünschte Nebenwirkungen auszuschalten. „Wir wissen bei vielen Medikamenten zwar, dass sie funktionieren“, meint Stefan. „Das genaue Wie und Warum kennen wir aber in vielen Fällen nicht. Entschlüsselten wir diese Mechanismen, wären wir in der Lage, deutlich wirkungsvoller und zielgerichteter zu therapieren.“ 39

MEDIZIN

Gegen das Zittern Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer. Im Rahmen des EU-Projekts SYMPATH soll nun eine Impfung entwickelt werden.

Die Medizin-Uni Innsbruck ist mit dabei.

Von Sylvia Ainetter

Werner Poewe, Neurologe

„Die gute Nachricht ist: Wir können Parkinson sehr gut behandeln.“

M

ichael J. Fox ist der wohl berühmteste Patient einer Krankheit, die mit steigendem Lebensalter auch in Europa immer häufiger wird: Parkinson. Etwa drei Prozent der Über-70-Jährigen erkranken an der neurodegenerativen Erkrankung, die einerseits motorische Störungen wie das typische Händezittern und Steifheit mit sich bringt, andererseits in vielen Fällen zu Störungen der Kreislaufregulation, zu Apathie und Depression führt. Parkinson tritt am häufigsten zwischen dem 60. und dem 70.

Lebensjahr auf. Die Parkinson-Krankheit an sich hat keinen wesentlichen Einfluss auf die Lebenserwartung der Betroffenen. So hat eine Untersuchung an der Innsbrucker neurologischen Klinik gezeigt, dass in den ersten 15 Krankheitsjahren kein Unterschied im Überleben zwischen Patienten und der Tiroler Normalbevölkerung besteht – allerdings ist die Mortalität bei Parkinson-Patienten ab dem 20. Krankheitsjahr statistisch gegenüber der Vergleichsbevölkerung leicht erhöht. „Die gute Nachricht ist: Wir können Parkinson sehr gut behandeln“, erklärt Prof. Werner Poewe, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie am Landeskrankenhaus Innsbruck.

01

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© MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT INNSBRUCK

MEDIZIN

01 In der Abklärung von Parkinsonpatienten kann bei unklarer Symptomatik auch eine nuklearmedizinische Untersuchung, die sogenannte Dopamintransporter SPECT, hilfreich sein. Diese Untersuchung erlaubt eine Quantifizierung der dopaminergen Nervenzellen. Die Abbildung zeigt rechts eine gesunde Kontrollperson und links einen Patienten mit rechtsbetonter Parkinsonkrankheit.

Beim Parkinsonpatienten findet sich eine geringere Anreicherung des Signals links.

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MEDIZIN

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Die unmittelbare Ursache der Parkinson-Krankheit ist bei den allermeisten Patienten nach wie vor unbekannt – nur etwa fünf Prozent der Betroffenen entwickeln die Erkrankung aufgrund genetischer Mutationen. Dennoch hat die Forschung inzwischen zeigen können, dass bei der ParkinsonKrankheit eine bestimmte Störung im Eiweißstoffwechsel von Nervenzellen besteht. Das alphaSynuclein genannte Protein bildet in den von der Parkinson-Krankheit betroffenen Nervenzellen abnorme Aggregate, die letztlich zu Funktionsstörung und vorzeitigem Zelltod führen. Dieser Prozess betrifft neben den für die Motorikregulation wichtigen Dopaminzellen auch andere Gehirnsysteme, woraus sich sogenannte nichtmotorische Symptome der Erkrankung – z. B. Depressivität, Stuhlverstopfung oder Störung des Geruchssinns – erklären lassen. Verantwortlich für die Bewegungsstörung der Parkinson-Krankheit ist der Dopaminmangel: „Durch einen medikamentösen Dopaminersatz ist eine sehr erfolgreiche symptomatische Behandlung der motorischen Störung der Parkinson-Krankheit in fast allen Fällen sehr gut möglich“, so Poewe. Obwohl die Therapie mit Dopaminersatzstoffen sehr wirksam ist, kann sie jedoch die Ursache nicht beseitigen, sodass es auch trotz wirksamer Behandlung im Laufe vieler Jahre zu fortschreitenden Symptomen kommt.

An der Medizinischen Universität Innsbruck wird bereits seit Jahren an einer Verbesserung der Medikamente geforscht, auch Studien mit Medikamenten-Pumpen wurden bereits durchgeführt.

Nebenwirkungen reduzieren Ein weiterer Forschungsgegenstand sind die motorischen Überreaktionen, die nach vielen Behandlungsjahren eintreten können. „Durch die starken Schwankungen des Dopamins im Körper werden die Patienten häufig unruhig und zappelig. Das ist zwar immer noch besser als die Steifheit und das Zittern, aber natürlich müssen wir auch hier Maßnahmen ergreifen“, so Poewe. Diese Therapiekomplikationen lassen sich wiederum bei den meisten Patienten gut behandeln, entweder durch Anpassungen der Medikamente oder in bestimmten Fällen auch durch die neurochirurgische Implantation von sogenannten „Gehirnschrittmachern“. Bei der sogenannten „tiefen Gehirnstimulation“ werden Elektroden in bestimmte Zielgebiete des Gehirns eingebracht, auch

o. Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe ist Direktor der Universitätsklinik für Neurologie am Landeskrankenhaus Innsbruck.

Parkinson – die Geschichte einer Krankheit Das erste Mal beschrieben wurde die ParkinsonKrankheit vom englischen Arzt James Parkinson in der Schrift „An Essay on the Shaking Palsy“ (Eine Abhandlung über die Schüttellähmung).

James Parkinson wies bereits damals auf das langsame Fortschreiten der Krankheit hin und beschrieb die Symptome sehr detailliert – so wurde die Krankheit später auch nach ihm benannt. James Parkinson machte eine Erkrankung der Halswirbelsäule für das Zittern verantwortlich, 1919 entdeckten Forscher, dass die Ursache im Gehirn liegt.

Anfang der 1960er-Jahre wurde schließlich der biochemische Hintergrund bekannt, seither wird Morbus Parkinson mit L-Dopa therapiert.

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für diese Behandlungsform nimmt die Innsbrucker Klinik eine führende Rolle in Österreich ein.

Impfstoff wird getestet „Parkinson-Patienten können nach der Diagnose noch gut 20 Jahre ein normales Leben führen.

Stoppen oder heilen lässt sich die Krankheit derzeit aber noch nicht“, so Poewe. Dank neuer Erkenntnisse könnte sich das jedoch bald ändern. Dass das Protein alpha-Synuclein eine wichtige Rolle in der Krankheitsentstehung spielt, wissen die Forscher erst seit kurzem. „Das eröffnet in der Forschung neue Möglichkeiten“, erklärt Poewe. Die Forscher haben auch herausgefunden, dass das defekte Eiweiß von Zelle zu Zelle weitergegeben wird und sich die Krankheit somit langsam im Gehirn ausbreitet.

Hier setzt das EU-Projekt SYMPATH an. Gemeinsam mit AFFIRIS, einer Wiener Firma, die intelligente Impfstoffe entwickelt, und vier weiteren Partnern forscht ein Team der Medizinischen Universität Innsbruck an einem Impfstoff gegen Morbus Parkinson. Dieser Impfstoff soll das Immunsystem aktivieren, um das krankhafte alphaSynuclein zu beseitigen. „So könnte möglicherweise der Krankheitsverlauf eingedämmt und Verklumpungen könnten wieder aufgelöst werden“, so Poewe. Zwei Impfstoffkandidaten gibt es bereits, die nun in klinischen Studien – unter anderem am Landeskrankenhaus Innsbruck – getestet werden. „Der Impfstoff besteht aus einem sehr kleinen Peptid – so ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine immunologische Fehlreaktion auslöst, sehr gering.“ Zunächst soll in der jetzt geplanten Studie daher die Sicherheit dieses Ansatzes überprüft werden.

Die Möglichkeit eines Impfstoffes gegen Parkinson ist mit Sicherheit eine Aufsehen erregende Neuigkeit. Aber auch an anderen Forschungsprojekten rund um die Krankheit ist die Medizinische Universität Innsbruck beteiligt: Das Projekt Multisyn beschäftigt sich etwa mit einer Verbesserung der Bildgebung und könnte so eine Parkinson-Früherkennung ermöglichen. „Wir wollen auch in der Frühdiagnostik weiterkommen, weil wir glauben, dass die Krankheit im Nervensystem lange vor den ersten Symptomen entsteht“, so Poewe, „man müsste eingreifen, bevor die Krankheit in vollem Gange ist.“ Damit Parkinson künftig nicht nur gut behandelt, sondern auch verhindert und geheilt werden kann.

MEDIZIN

Kranke Herzen immer im Blick Herzinsuffizienz-Patienten wurden beim Tiroler Projekt „HerzMobil“ durch Ärzte fernüberwacht. Bei der Evaluation erhielt es wichtige Rückmeldungen von der UMIT. In naher Zukunft sollen alle Betroffenen davon profitieren.

© SHUTTERSTOCK.COM

Von Andreas Heinz-Erian

01 Von chronischer Herzinsuffizienz spricht man bei einer krankhaften Veränderung des Herzens.

Das betroffene Organ ist nicht mehr in der Lage, den Körper mit der benötigten Blutmenge zu versorgen, ohne dass der Druck in den Herzvorhöfen ansteigt. Die Insuffizienz selbst kann durch verschiedenste Ursachen ausgelöst werden.

Oft bleibt die Erkrankung über Jahre bestehen und endet nicht selten tödlich.

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MEDIZIN

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Univ.-Doz. Dr. Gerhard Pölzl ist Leiter der Ambulanz für Herzinsuffizienz/ Herztransplantation an der Universitätsklinik Innsbruck. Er initiierte das „HerzMobil“-Projekt mit und ist medizinisch für die Projektleitung und das Konzept verantwortlich.

Pölzl ist unter anderem Experte auf den Gebieten der Herztransplantation und der Kardiomyopathie, einer Gruppe von Krankheiten des Herzmuskels.

C

hronische Herzinsuffizienz-Patienten sollen nach dem Krankenhausaufenthalt mithilfe des „HerzMobil“-Projekts, das vom Innsbrucker Kardiologen Gerhard Pölzl geleitet wird, besser versorgt werden. „Die Krankheit zeigt verschiedene Symptome, die auf eine Herzfehlfunktion zurückgehen“, erklärt der Kardiologe. Beispielsweise vertragen die Betroffenen Belastungen nur mehr schwer, auch Atembeschwerden oder Wassereinlagerungen in den Organen sind Symptome der Krankheit.

Die Ursachen für die Herzfehlfunktion sind vielfältig: Zu einer Herzinsuffizienz kann in letzter Konsequenz jede Herzerkrankung führen, wie zum Beispiel ein Infarkt, eine langjährige Bluthochdruckerkrankung oder eine Herzklappenerkrankung. „Herzinsuffizienz ist eine Krankheit, die nur selten gänzlich geheilt werden kann“, so Pölzl. „Sie begleitet einen Menschen über viele Jahre und verläuft in vielen Fällen tödlich.“ Deshalb brauche es ein Lang-

ten auf die Geräte ein, klärten sie über die Krankheit auf und betreuten sie kontinuierlich weiter. Täglich maßen die Teilnehmer nun Gewicht, Blutdruck und Puls. Die Vitalwerte wurden mittels drahtloser Kommunikation auf das Handy übertragen, das zu diesem Zweck nah an die Geräte gehalten werden musste. Ohne weiteres Zutun des Patienten sendete das Mobiltelefon die Werte über einen Server der TILAK an den betreuenden niedergelassenen Netzwerksarzt. Dieser konnte die Werte seines Patienten am Computer einsehen. Und dies geschah mindestens einmal pro Woche.

Falls Gewicht, Blutdruck oder Puls des Patienten bestimmte Grenzwerte überschritten, alarmierte das Computersystem den niedergelassenen Arzt.

Dieser konnte von seinem Arbeitsplatz aus sofort eingreifen, indem er den Patienten kontaktierte, ihn in seine Praxis bestellte oder indem er den mobilen Herzinsuffizienz-Pflegekräften weitere Anweisungen gab.

Gerhard Pölzl

„Herzinsuffizienz ist eine Krankheit, die nur selten gänzlich geheilt werden kann.“ zeitkonzept für die Betreuung solcher Patienten. „Das hat es bisher nicht in institutionalisierter Form gegeben. Weder in Tirol noch sonst wo in Österreich“, meint der Kardiologe. Diese Lücke versucht das Netzwerk von „HerzMobil“ nun zu schließen.

Die Idee für „HerzMobil“ entstand laut dem Mediziner schon 2009 in Zusammenarbeit mit dem „Austrian Institute of Technology“ (AIT), einer außeruniversitären Forschungseinrichtung. 2012 startete eine erste Pilotstudie mit zehn Patienten in Tirol, nach deren Abschluss folgte eine Machbarkeitsstudie bis September 2014 mit 67 Patienten.

Fernüberwachung bei Herzinsuffizienz Die Teilnehmer der beiden bisherigen Studien bekamen bei der Entlassung aus dem Krankenhaus jeweils eine Waage, ein Blutdruckmessgerät und ein Handy mit der „HerzMobil“-Applikation. Zu Hause schulten Herzinsuffizienz-Pflegekräfte die Patien44

Durch die frühzeitige Reaktion des Arztes konnte oft eine Aufnahme in das Krankenhaus verhindert werden. „Diese regelmäßige Überwachung gibt es sonst einfach nicht“, betont Ammenwerth. Zudem fühlten sich die Patienten der Versuchsphase gut betreut und sicherer im Umgang mit ihrer Erkrankung.

Kostenersparnis Ein weiteres Potenzial des Projekts sind Kosteneinsparungen: Drei Prozent aller Österreicher sind gegenwärtig schon an chronischer Herzinsuffizienz erkrankt; bei den über-70-Jährigen sind es sogar rund 15 Prozent. Jährlich müssen wegen der Krankheit hierzulande rund 30.000 Patienten in Spitälern aufgenommen werden. Nach der Entlassung kehren aber 25 Prozent binnen eines Monats aufgrund akuter Herzinsuffizienz ins Krankenhausbett zurück; 50 Prozent trifft dieses Schicksal

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health data

medication

in den ersten sechs Monaten. Vor allem wegen der teuren Krankenhausaufenthalte verursachte Herzinsuffizienz 2013 Kosten im Gesundheitssystem von geschätzten 400 Millionen Euro. Die Tendenz ist aufgrund der alternden Gesellschaft steigend.

Durch die Fernüberwachung der HerzinsuffizienzPatienten beim Projekt „HerzMobil“ wird erwartet, dass Wiederaufnahmen reduziert werden können.

Somit könnten auch in Zukunft Kosten im Gesundheitswesen gespart werden.

Damit bei Technik und Informatik nichts schiefgeht, evaluierte ein Team der UMIT rund um Professor Ammenwerth das „HerzMobil“-Projekt.

Sie ist Leiterin des Instituts für Biomedizinische Informatik und entwickelte federführend die evidenzbasierte medizinische Informatik mit. „Wenn wir neue Technologien im Gesundheitswesen einführen“, so Ammenwerth, „dann müssen wir sicher sein, dass sie mehr Vorteile als Risiken haben.“ Dafür sei es auch nötig, vorhandene Kenntnisse in neue Projekte und Studien einfließen zu lassen. „Und wenn dieses Forschungswissen nicht existiert, dann müssen entsprechende Studien gemacht werden“, sagt die Professorin. Die Wirksamkeit einer neuen Technologie zum Wohle des Patienten muss also zunächst wissenschaftlich getestet werden, bevor sie allgemein in das Gesundheitswesen eingeführt wird. Das ist die Kernidee der evidenzbasierten medizinischen Informatik.

well-being, activities, etc.

ID-Card 02 Mithilfe modernster Technologie werden HerzinsuffizienzPatienten in Tirol fernüberwacht. Bei einer Verschlechterung der Vitalwerte kann der Arzt vom Computer aus rasch eingreifen und zum Beispiel die Medikamentendosis anpassen.

kann eingespielte Arbeitsabläufe von Ärzten und Pflegern stören, Hardware oder Software können für die Anwender zu kompliziert sein oder überhaupt Fehler haben. In schlimmster Konsequenz kann sogar der Patient geschädigt werden. „Je näher die Technologie am Patienten ist, desto gefährlicher wird es“, so die Professorin. Deshalb müssten Chancen und Risiken in einem sinnvollen Verhältnis stehen, bevor eine neue Technologie im Gesundheitswesen eingeführt werde.

Evaluationsergebnis „Das Projekt ist von allen Beteiligten als positiv und zielführend empfunden worden“, erklärt Ammenwerth die Evaluationsergebnisse des „HerzMobil“Projekts. Wenige kleinere Probleme seien noch vor-

Elske Ammenwerth

„Wenn wir neue Technologien im Gesundheitswesen einführen, dann müssen wir sicher sein, dass sie mehr Vorteile als Risiken haben.“

Chancen und Risiken für die Gesellschaft „Generell erhofft man sich durch Technologie im Gesundheitswesen immer Effizienz- und Qualitätssteigerungen“, so Ammenwerth. Das Ziel sei insbesondere mehr Lebensqualität, kürzere Aufenthalte in den Krankenhäusern und eine bessere Einbindung des Patienten in seine Therapie. Damit lassen sich zumeist auch Kosten sparen.

Trotzdem entstehen auch Probleme bei der Einführung neuer Technologien in die Medizin: Sie

handen, jedoch sei es „vielversprechend“. Laut Pölzl sind die Rückmeldungen und Bemerkungen durch das Team der UMIT „außerordentlich wichtig“ für die Weiterentwicklung. Der Kardiologe hofft auf die Einführung der neuen Therapiemöglichkeit in ganz Tirol in den kommenden Jahren. Schlussendlich ließe sich das Konzept der Fernüberwachung des Patienten auch auf andere Krankheiten übertragen, wie zum Beispiel Diabetes, Bluthochdruck oder rheumatische Erkrankungen.

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Univ.-Prof. Dr. Elske Ammenwerth studierte zunächst Medizinische Informatik an der Universität Heidelberg und an der Fachhochschule Heilbronn. Seit 2005 leitet sie das Institut für Biomedizinische Informatik der UMIT. Die Evaluation von Informationssystemen, eHealth, eMedikation, Pflegeinformatik sowie IT-Management in Gesundheitseinrichtungen gehören zu ihren Forschungsschwerpunkten.

© AUSTRIAN INSTITUTE OF TECHNOLOGY

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„Ich bestimme selbst über mein Leben!“ Mit präventiven Hausbesuchen bei Menschen ab 70 Jahren wird in Tirol die Möglichkeit geboten, über Beratung ein selbstbestimmtes Leben zu Hause zu erleichtern. Entwickelt wurde dieses Vorzeigemodell an der UMIT.

© PRÄVENTIVE SENIORENBERATUNG

Von Ernst Spreng

funktionalen Gesundheit ein Beratungsgespräch durch diplomiertes Pflegepersonal aus den Tiroler Gesundheits- und Sozialsprengeln zu erhalten. Hierbei steht im Vordergrund, wie das Leben zu Hause auch im höheren Alter selbstständig und aktiv gestaltet werden kann.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass ältere Menschen oft Ängste haben, Unterstützung anzunehmen“, meint Eva Schulc von der UMIT, die in langjähriger interdisziplinärer Arbeit nun ein Modell geschaffen hat, wie diese präventiven Beratungen so gestaltet werden können, dass ältere Menschen sie ohne Vorurteile annehmen können.

01 01 In persönlichen Gesprächen werden ältere Menschen zu ihrer Lebenssituation befragt und ganz individuell beraten.

S

elbstständigkeit ist das höchste Gut älterer Menschen. Dieser prägnante Leitsatz unterstreicht das Tiroler Konzept der präventiven Hausbesuche bei Menschen ab 70 Jahren, das am Institut für Pflegewissenschaft der UMIT in den vergangenen Jahren entstanden ist. Die Idee hinter dieser aktiven Seniorenberatung ist, dass ältere, zu Hause lebende Menschen die Möglichkeit haben, angeleitet von einem durchgeführten Assessment (= Befragungsinstrument) zur individuellen 46

Keine Bevormundung „Wir wollen ältere Menschen dazu ermutigen, sich beraten zu lassen“, erzählt Eva Schulc weiter. „Darum ist es uns auch wichtig, dass sich die Senioren selbst aktiv beim Gesundheits- und Sozialsprengel melden, wenn sie einen präventiven Hausbesuch in Anspruch nehmen wollen.“ Es geht also weder um Bevormundung noch um Beurteilungen einer Lebenssituation. Wie mit den Informationen aus diesem Hausbesuch umgegangen wird und was daraus entsteht, das entscheidet schlussendlich der ältere Mensch selbst. „Vor den Beratungsgesprächen wird der Klient über seinen subjektiv empfundenen Gesundheitszustand und seine soziale Situation befragt.

Wenn eine diplomierte Pflegeperson dann Beratungsbedarf sieht, wird über gesundheitliche, soziale, finanzielle und rechtliche Möglichkeiten aufgeklärt“,

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erläutert Eva Schulc. Darum richtet sich dieses Modell vor allem an Menschen, die noch nicht von Gesundheits- und Sozialsprengeln gepflegt und betreut werden.

Tirolweit Im Frühjahr dieses Jahres hat der Tiroler Landtag einstimmig beschlossen, dieses Konzept in Zukunft tirolweit über die 62 Gesundheits- und Sozialsprengel und fünf Vereine, die in der Seniorenbetreuung und -pflege in Tirol tätig sind, als zusätzliches Angebot in den „Leistungskatalog mobile Pflege und Betreuung“ aufzunehmen. In den kommenden Wochen werden jetzt an der UMIT die ersten diplomierten Pflegepersonen in Seminaren für die Durchführung von präventiven Hausbesuchen geschult. „Das Interesse ist sehr groß, die ersten Seminare waren innerhalb kürzester Zeit ausgebucht“, erzählt Eva Schulc.

Erste Modelle für die präventiven Hausbesuche entstanden in Vorarlberg und Salzburg. Mit dem flächendeckenden Angebot – basierend auf den Studien der UMIT – wurde in Tirol nun ein echtes Parademodell geschaffen. „Wir haben mit dem Team an der UMIT die Studie zwischen 2011 und 2013 erstellt“, erzählt Eva Schulc. „Das Land mit Gesundheitslandesrat Dr. Bernhard Tilg hat sehr schnell auf die Ergebnisse reagiert und diese in die Realität umgesetzt.“

Dr. Eva Schulc ist Physiotherapeutin, Sport- und Gesundheitswissenschafterin und promovierte Pflegewissenschafterin. Von 2006 bis September 2014 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pflegewissenschaft, seit Oktober dieses Jahres ist sie am Institut für Gerontologie und demographische Entwicklung an der UMIT tätig.

Dr. Eva Schulc

„Wir fragen nicht nach einem Arztbrief, sondern wir fragen den Klienten, wie er selbst seinen Gesundheitszustand und sein soziales Umfeld einschätzt.“

Selbstbestimmung Der wichtigste Punkt bei den präventiven Hausbesuchen ist, die Selbstbestimmung und die Würde des älteren 47

Menschen zu respektieren. „Wir fragen nicht nach einem Arztbrief, sondern wir fragen den Klienten, wie er selbst seinen Gesundheitszustand und sein soziales Umfeld einschätzt“, erklärt die Pflegewissenschaftlerin. Die gemeinsame Suche nach gesundheitsbezogenen, individuellen und Umfeld bezogenen Ressourcen und Entwicklungschancen steht im Vordergrund. „Wir zeigen nur Möglichkeiten auf, wie man auch in hohem Alter sein Leben selbstbestimmt zu Hause verbringen kann. Ob diese genutzt werden, entscheidet der ältere Mensch selbst“, so Schulc, der es auch wichtig ist, dass in diesen Beratungen gemeinsame Ideen entstehen, die zu einer Entlastung im Alltag führen. Von Bedeutung – so die Pflegewissenschaftlerin – sind die präventiven Hausbesuche nicht nur für den älteren Menschen selbst, sondern vielfach auch für deren pflegende Angehörige. „Darum ist es uns auch so wichtig, dass die Senioren selbst diesen ersten Schritt machen. Der Impuls, sich beraten zu lassen, soll vom Menschen selbst ausgehen und nicht von seinem Umfeld.“ Schulc hofft darauf, dass möglichst viele Senioren und Seniorinnen in den nächsten Monaten von dieser neuen Möglichkeit erfahren und die präventiven Hausbesuche für gesundheits- und lebensbezogene Beratungen annehmen. „Wir verkaufen nichts, wir nehmen nichts weg, wir zwingen nichts auf – wir helfen durch Beratung, damit die Selbstständigkeit als höchstes Gut älterer Menschen so lange wie möglich erhalten bleibt“, stellt Eva Schulc klar.

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Neue Medikamente gegen Krebs Das Forschungsprojekt OPTATIO beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Medikaments gegen das Multiple Myelom – eine Blutkrebsart, die bis dato unheilbar ist.

Von Sylvia Ainetter

U

nheilbar. Mit dieser Diagnose müssen Patienten des Multiplen Myeloms, einer Krebserkrankung des Blutes, umgehen. Doch ein Forschungsprojekt an der Medizinischen Universität Innsbruck macht Hoffnung: OPTATIO (OPtimizing TArgets and Therapeutics In high risk and refractOry Multiple Myeloma – also das Optimieren von Zielen und Therapien bei Hochrisiko-refraktären multiplen Melomen) befasst sich damit, neue Medikamente für Myelom-Patienten zu entwickeln.

In den vergangenen zehn Jahren konnte durch neue Wirkstoffe die Lebensdauer der Myelom-Patienten deutlich verlängert werden – was sich jedoch noch immer nicht verhindern lässt, sind Resistenzen gegen die derzeit verfügbaren Chemotherapeutika. Genau hier hakt das EUForschungsprojekt OPTATIO ein.

Das Projekt besteht seit 2012, –

Ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Willenbacher ist der wissenschaftliche Koordinator von OPTATIO.

„Die Tumorzellen finden im Knochenmark ideale Bedingungen – ihre Umgebung schützt sie sogar und unterstützt sie im Wachstum.“

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zwölf Kliniken und Unternehmen aus Österreich, Deutschland, Tschechien, Ungarn und Spanien arbeiten zusammen. Mit der Koordination ist Ao Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Willenbacher von der Klinik für Innere Medizin V am Landeskrankenhaus Tirol betraut. „Das Projekt läuft nun aus, doch Anträge für Folgeprojekte liegen bereits in Brüssel“, erzählt er. Dass eine Fortführung der Arbeit notwendig ist, scheint klar auf der Hand zu liegen. Medikamentenforschung ist langwierig“, sagt Willenbacher, „wir haben aber schon erste Ergebnisse in den präklinischen Studien.“ Arbeit an Patientenproben Beim Multiplen Myelom handelt es sich um eine Erkrankung des Blutes, die im Knochenmark entsteht.

In bisherigen Studien wurden die Tumorzellen oft isoliert betrachtet, OTPATIO konzentriert sich aber

© K. PFALLER – HISTOLOGIE U. EMBRYOLOGIE INNSBRUCK , W. WUNDERLICH, B. HUBER

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01 Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von Myelomzellen in simulierter Knochenmarksumgebung.

Die rundlichen Zellen sind die Krebszellen, die Knochenmarkszellen sind flach.

01

auch auf ihre Umgebung. Denn diese spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und bei der Entwicklung der Krebszellen. „Die Tumorzellen finden im Knochenmark ideale Bedingungen – ihre Umgebung schützt sie sogar und unterstützt sie im Wachstum“, so der Spezialist. „Die Tumorzellen selbst verändern sich sehr schnell und entwickeln gegen die meisten Substanzen auch rasch Resistenzen“, erklärt Willenbacher, „die Zellumgebung scheint aber recht konstant zu sein.“ Aus diesem Grund suchen die Forscher nun nach Substanzen, die die Interaktion zwischen den Tumorzellen und den Zellen der Umgebung stören. „Wir konnten beobachten, dass manche Substanzen im Test nur wirken, wenn die Zellen in ihrem so genannten micro environment sind.

Bei isolierten Zellen richten die gleichen Substanzen nichts aus“, erzählt der Wissenschaftler. Das lässt

„Im Meer finden sich chemische Verbindungen, die so komplex sind, dass wohl niemand auf die Idee käme, sie zu synthetisieren.“

Multiples Myelom Das Multiple Myelom ist eine Erkrankung des Knochenmarks und tritt gehäuft ab dem 55.

Lebensjahr auf. Die Tumorzellen beeinträchtigen die Blutbildung und das Skelett. Patienten leiden unter Blutarmut, Abgeschlagenheit und sind anfällig für Infekte. In Europa und den USA erkranken jährlich 50.000 Menschen am Multiplen Myelom. Am Landeskrankenhaus Innsbruck sind derzeit etwa 250 Patienten in Behandlung.

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darauf schließen, dass die Zellumgebung eine größere Rolle spielt als ursprünglich gedacht.

Geforscht wird an Patientenproben aus ganz Europa. Die auszutestenden Wirkstoffe kommen vom spanischen Pharmaunternehmen PharmaMar, das sich auf Substanzen aus dem Meer spezialisiert hat. „Im Meer finden sich chemische Verbindungen, die so komplex sind, dass wohl niemand auf die Idee käme, sie zu synthetisieren“, so Willenbacher. Tausende chemische Substanzen wurden bisher ausprobiert – marine Extrakte ebenso wie Reinsubstanzen. Es wurden auch bereits einige Stoffe gefunden, die auf die Tumorzellen wirken. Diese Kandidaten werden nun im letzten Schritt auch an Mäuse- und Hühnerembryos getestet, um die Erfolg vielversprechendsten für eine spätere klinische Studie am Menschen herauszufiltern.

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Wolfgang Willenbacher

„Manche Medikamente wirken bei dem einen Patienten sehr gut, bei einem anderen aber nicht. Derzeit ist das ein Ratespiel, welche Substanz für welchen Patienten geeignet ist.“

Suche nach den Biomarkern Derzeit arbeiten die Wissenschaftler noch mit Modellen. Sie suchen auch nach Biomarkern, die einen Zusammenhang zwischen Krankheitsverlauf und der Umgebung der Krebszellen zeigen. Diese „Zellprofile“ werden weitergezüchtet, so dass sich die Myelomzellen im Reagenzglas gleich weiterentwickeln wie im Patienten. Mittels dieser Methode versuchen die Wissenschaftler für die Zukunft ein Testsystem zu entwickeln, das es erlaubt, jedem Krebspatienten die für ihn beste Behandlung zukommen zu lassen. „Manche Medikamente wirken bei dem einen Patienten sehr gut, bei einem anderen aber nicht. Derzeit ist das ein Ratespiel, welche Substanz für welchen Patienten geeignet ist“, erklärt der Medizi-

OPTATIO OPTATIO (OPtimizing TArgets and Therapeutics In high risk and refractOry Multiple Myeloma) vereint zwölf Partnerinstitutionen aus Österreich, Deutschland, Tschechien, Italien, Ungarn, Großbritannien und Spanien und läuft im 7. Europäischen Rahmenprogramm ab.

Wissenschaftlicher Koordinator des Konsortiums ist Dr. Wolfgang Willenbacher von der Klinik für Innere Medizin V der Medizinischen Universität Innsbruck. OPTATIO ist ein Ergebnis intensiver Zusammenarbeit der Medizinischen Universität, des Zentrums für personalisierte Krebsforschung Oncotyrol und des Tiroler Krebsforschungsinstituts, die alle auch Partner im Konsortium sind. Die Innsbrucker Firma CEMIT ist für das Projektmanagement zuständig.

Die Partner: • Medizinische Universität Innsbruck, Österreich • Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Deutschland (UW) • Masaryk University Brno, Tschechien • Universität Bari, Italien • Szent István and Szent László Hospital of Budapest, Ungarn • Tiroler Krebsforschungsinstitut, Österreich • ProQinase/KTB Tumorforschungs GmbH (ProQinase), Deutschland • Vichem Chemie Research Ltd., Ungarn • Oncotyrol, Österreich • PharmaMar Ltd., Spanien • The Binding Site GmbH, Deutschland • Cemit – Center of Excellence in Medicine & IT GmbH, Österreich

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ner. Durch einen neuartigen Test soll sich das ändern.

Das Projekt verfolgt also zwei Ziele: Einerseits sollen neue Medikamente entwickelt werden, die nicht wie bisher auf die Tumorzellen wirken, sondern auf die Interaktion zwischen Tumorzellen und deren Umgebung. So könnten künftig Resistenzen gehen die Wirkstoffe vermieden werden. Das zweite Projektziel ist ein Testsystem, mit dem bereits vor Beginn der Behandlung geklärt werden kann, welcher Wirkstoff beim Patienten am besten anschlägt.

Um diese Ziele zu erreichen, ist aber noch etwas Zeit nötig. Das Forschungsteam hofft, in den nächsten Jahren mit den ersten klinischen Studien am Patienten starten zu können.

Und die Patienten hoffen mit.

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Die Fehler der anderen Aus den Erfahrungen anderer zu lernen, ist in jedem Beruf wichtig.

Mit „Fälle-für-Alle“ wurde eine Onlineplattform geschaffen, auf der sich Hebammen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz anonym austauschen können.

Von Barbara Wohlsein 01

Ü Martina König-Bachmann, MHPE, fhg-Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol GmbH → Studiengangsleiterin → FH-Bachelor-Studien-

gang Hebamme

→ Lehrgangsleiterin

Master of Science in Advanced Practice Midwifery → Lehrgangsleiterin Akademische Hebammen für perinatales Management → Fortbildungskoordinatorin Familienhebamme → Private Praxis für Psychotherapie/ Existenzanalyse → Supervisorin/Coach

ber Fehler spricht man nicht gerne – auch nicht in der Geburtshilfe. Und wenn doch, dann geht es in erster Linie um Schuldzuweisungen. Gerade Hebammen bleiben nach kritischen Ereignissen oft mit Selbstvorwürfen, Angst und Unsicherheit zurück. „Genau in diesen Fällen ist es wichtig, das Erlebte einerseits fachlich aufzuarbeiten, die Betroffenen aber auch emotional aufzufangen“, erklärt Martina König-Bachmann, Studiengangsleiterin des FH-Bachelor-Studiengangs Hebamme an der fhg-Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol GmbH. Zu diesem Zweck wurde die Onlineplattform „Fälle-für-Alle“ ins Leben gerufen, auf der sich seit 2013 Hebammen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz austauschen können – und das völlig anonym. „Diese Anonymität ist wichtig, um die Hemmschwelle zu reduzieren und sicherzustellen, dass geschilderte Fälle nicht ungewollt einer Person oder einem Ort zugeordnet werden können“, so König-Bachmann. Es gehe nämlich nicht um einzelne Fehler einer einzelnen Person, sondern um kritische Situationen, die jeder Hebamme begegnen können. „Ganz im Sinne des Leitspruchs ‚Es müssen nicht alle Fehler selbst gemacht werden‘ soll die Plattform dabei helfen, Ereignisse zu dokumentieren, zu analysieren und zu reflektieren“, erläutert König-Bachmann. Dass zu den einzelnen Fällen auch relevante Fachliteratur-Auszüge gepostet werden, erhöht den Lern-Benefit der Website.

01 Kritische Ereignisse in der Geburtshilfe werden auf Fälle-für-Alle“ geteilt und ” aufgearbeitet. 02 Die Onlineplattform ist ausschließlich für Hebammen zugänglich.

Weltweit einzigartig Der Fokus ist auf das Ziel gerichtet, die Gesundheit der Frauen, Kinder und Fa52

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Martina König-Bachmann

© SHUTTERSTOCK.COM

„Ich glaube, es ist ganz wichtig, Hebammen an einen besseren Umgang mit Fehlern heranzuführen.“ milien sowie der Hebammen zu verbessern und zu stabilisieren. Ein wichtiger Punkt ist, dass auf „Fälle-für-Alle“ nur Ereignisse geschildert werden, in denen niemand wirklich zu Schaden gekommen ist. Fälle, die ein rechtliches Nachspiel haben könnten, werden nicht veröffentlicht. König-Bachmann: „Vielmehr geht es um kritische Situationen, wie zum Beispiel, dass beinahe eine Medikamentenampulle verwechselt würde, weil sie einer anderen ähnelte.“ Die Plattform ist im Moment ausschließlich für Hebammen zugänglich und dadurch weltweit einzigartig. Etliche medizinische Institutionen haben bereits mit der Einführung eines CIRS (Critical incident reporting system – ein Meldesystem für kritische Zwischenfälle) begonnen. Obwohl Krankenhäuser in der Regel ihre MitarbeiterInnen zur Qualitätssicherung verpflichten, bestehen dennoch speziell im deutschsprachigen Raum noch Defizite im Bereich der Geburtshilfe und des Hebammenwesens. „Diese CIRS-Programme, die es in Kliniken gibt, werden von Hebammen nicht so genutzt, wie es eigentlich sein könnte, da möglicherweise aufgrund von hierarchischen Strukturen oft Hemmungen und Scham dominieren. Da überwiegt oft die Angst, verurteilt oder bloßgestellt zu werden“, erklärt Martina König-Bachmann.

Einfach und anonym Um die Plattform den Bedürfnissen der Nutzerinnen anzupassen, wurde bereits im Dezember 2011 eine Onlineumfrage gestartet, in der 831 Hebammen aus Österreich, Deutschland, Südtirol und der Schweiz nach ihren Erwartungen und

Wünschen in Bezug auf ein Online-Fallberichtssystem befragt wurden. „Hier haben wir festgestellt, dass das System vor allem einfach zu bedienen und anonym sein muss“, berichtet König-Bachmann.

Derzeit gibt es auf „Fälle-für-Alle“ 31 registrierte Mitglieder – darunter finden sich auch Hebammenverbände, die wiederum an ihre Mitglieder die erforderlichen Zugangsdaten weitergeben. „Natürlich wünschen wir uns noch mehr Beiträge, allerdings muss man hier geduldig sein. Nicht zuletzt ist es für eine Hebamme auch Arbeit, sich an einem freien Tag vor den Computer zu setzen und einen erlebten Fall zu verschriftlichen.“ Martina König-Bachmann ist jedoch vom Mehrwert dieser Arbeit überzeugt: „Ich glaube, es ist ganz wichtig, Hebammen an einen besseren Umgang mit Fehlern heranzuführen. Bei unseren heutigen Studentinnen wird es vielleicht schon ganz normal sein, dass man kritische Erfahrungen auch online mit anderen Hebammen teilt.“ Bis dahin versuchen König-Bachmann und ihre Kolleginnen aus Deutschland und der Schweiz, mögliche Hemmschwellen, die einer Plattform-Nutzung im Weg stehen, abzubauen. „Da ist vielleicht auch das Gefühl, dass ein Erlebnis ‚nicht relevant genug‘ sein könnte. Es gibt aber nichts, das nicht relevant ist. Etwas ganz Kleines kann in der Geburtshilfe ganz große Folgen haben.“ Außerdem soll das Portal so benutzerfreundlich wie möglich werden.

An mangelndem Einsatz wird das Projekt „Fälle-für-Alle“ mit Sicherheit nicht scheitern. „Wir Hebammen haben einen langen Atem“, verspricht Martina KönigBachmann mit einem Lächeln.

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ZUM SCHLUSS

Innovation braucht ...

Von Eva-Maria Hotter

… Kreativität: Manche vermuten sie sei angeboren, andere glaub en jeder könne diese Fähigkeit in gewissem Maße erlernen. Kreativität ist schöpferische Begabung, Weitblick – das Über-den-Tellerrand-Hinausblicke n.

Erfindungen sind keine Grenzen gesetzt. Beste s Beispiel ist der Japaner Kenji Kawakami, Grün der der satirischen Chindogus-Bewegung. Diese Bezeichnung leitet sich aus dem Japanischen ab und heißt übersetzt so viel wie „seltsames Gerät“.

Erfindungen müssen nicht nützlich sein – Hauptsach e: kreativ, für das alltägliche Leben verwendbar, real und witzig.

… Einzigartigkeit: … den richtigen Ort: Der Deutsche Johann Philipp Reis kreierte 1861 sein „Telephon“. Eine Zeit, in der noch kräftig in die Telegraphieentwicklung investiert wurde. Den großen Erfolg konnte erst Alexander Graham Bell mit einem weiterentwickelten Telefonmodell 15 Jahre später verbuchen.

… Schutz:

Achtung: Reden ist SilPatent anmelden! Aber Nur, wenn die Idee bis ber, Schweigen ist Gold! tentamt geheim bleibt, zur Anmeldung beim Pa n. Ein Patent ist ein kann sie geschützt werde befristetes Ausschlieh tlic territoriales und zei ndsätzlich auf das ßungsrecht, das heißt gru chränkt und bis zu majeweilige Staatsgebiet bes äEs gibt auch ein Europ ximal 20 Jahre gültig. t, ten Pa s ale Internation isches beziehungsweise den für ht rec utz n Sch wobei sich hierbei um kei , sondern es ist lediglich elt nd ha ll dba Er zen gan hren für 148 Länder. ein zentralisiertes Verfa r ein Patent auch gar Für manche Erfinder wa sweise profitierte der nicht möglich. Beispiel , Erfinder des Comow itn Russe Alexej Pasch Jahre 1985, anfänglich puterspiels „Tetris“ im n Erfolg, da es damals in nicht von dem immense vates Eigentum gab. pri der Sowjetunion kein

… den passenden Zeitpunkt: Manche Erfindungen waren ihrer Zeit voraus. So erging es auch der amerikanisch-österreichischen Erfinderin (und dem Hollywoodstar) Hedy Lamarr. Ursprünglich gedacht für den zweiten Weltkrieg, entwickelten sie und George Antheil das Frequenzsprungverfahren. Auch auf das Patent vergaßen sie nicht. Doch die Idee wurde erst 20 Jahre später wieder aufgegriffen, nachdem das Patent bereits abgelaufen war. Noch heute wird dieses Verfahren verwendet um Handys abhörsicher zu machen.

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Bin ich überhaupt der Erste mit dieser Idee? – Ist der Einfall somit neu? Die Geschichte zeigt: Immer wieder gab es Parallelerfindungen. Unabhängig voneinander. Der Langsamere hatte hier stets das Nachsehen. 1876 soll Alexander Graham Bell mit seiner Telefon-Patentanmeldung seinem größten Konkurrenten Gray nur um zwei Stunden zuvorgekommen sein.

… Glauben an die eigene Idee! Das Festhalten an der eigenen Idee, sprich Ausdauer und Geduld, ist eine wertvolle Tugend. Oft wurden Erfinder nach revolutionären Einfällen belächelt oder glaubten zu wenig an sich selbst. John Walker, Erfinder des Streichholzes, soll zu wenig an seine Erfindung geglaubt haben und meldete kein Patent an. In weiterer Folge wurde von der großen Konkurrenz am Markt verdrängt.

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