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Vom Arzt erklärt
Zellen auf Abwegen
Obwohl sie seit über 200 Jahren bekannt ist, gibt die Endometriose Medizinern bis heute Rätsel auf. Ein neuer Therapieansatz verspricht Linderung der schmerzhaften Erkrankung.
Starke Periodenschmerzen können Symptom einer Erkrankung sein, die acht bis zehn Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter betrifft: der Endometriose. Sie entsteht, wenn sich Zellen, ähnlich der Gebärmutterschleimhaut, außerhalb der Gebärmutterhöhle ansiedeln und dort den Reizen des Hormonzyklus folgen. Diese Endometrioseherde sind nicht nur körperlich unangenehm, erklärt Primar Dr. Peter Widschwendter vom Endometriosezentrum am Landeskrankenhaus Hall: „Die Betroffenen leiden, werden aber häufig nicht ernst genommen.“
Vielfältige Symptome
Bei etwa 85 Prozent der Frauen äußern sich die Beschwerden entlang des Zyklus. Starke Schmerzen während der Periode, beim Geschlechtsverkehr oder auch bei Stuhlgang und Wasserlassen sind die Folge. Bei 15 Prozent treten die Schmerzen unspezifisch auf, außerhalb von Menstruation und Eisprung. Die Intensität sagt nichts über die Schwere des Befundes aus, weiß Widschwendter: „Die Schwierigkeit bei der Erkrankung ist vor allem, dass viel Endometriose nicht zwingend viel Schmerz und wenig Endometriose wenig Schmerz heißt.“
© Klaus Maislinger
Primar Univ. Prof. DDr. Peter Widschwendter
ist seit 2019 Abteilungsvorstand für Gynäkologie und Geburtshilfe am Landeskrankenhaus Hall sowie Leiter des dortigen zertifizierten Endometriosezentrums.auf die Krankheit.
Richtungswechsel
Die gängigste Entstehungstheorie ist die retrograde Menstruation: Blut und Schleimhaut fließen nicht nur nach außen ab, sondern auch über die Eileiter nach innen in den Bauchraum. „Warum die Zellen dann bei der einen Frau anwachsen und bei der anderen nicht, weiß man nicht“, so Widschwendter. Man gehe aber von genetischen Faktoren aus, die die Ansiedelung der Zellen begünstigen, da es unter anderem zu familiären Häufungen kommt.
Weitreichende Problematik
Symptomvielfalt und Verharmlosung machen die Feststellung der Krankheit langwierig, weiß der Experte: „Studien aus dem deutschsprachigen Raum zeigen im Schnitt acht bis zehn Jahre Zeitverzögerung bis zur Diagnosestellung.“ „Das hat auch einen volkswirtschaftlichen Charakter“, fügt er hinzu. Zum einen durch Krankenhausaufenthalte und Operationen, zum anderen durch Einschränkungen der Betroffenen im Arbeitsleben. Diese können zu Anfeindungen führen, erklärt der Mediziner, da Endometriose weniger offensichtlich sei als etwa ein gebrochener Fuß und damit auf weniger Verständnis trifft.
Frühdiagnose
Früherkennung und Behandlung von Endometriose sind fachübergreifende Problemstellungen, daher kooperiert das Endometriosezentrum Hall mit dem eutopsInstitut der Universität Innsbruck.
Das Institut befasst sich mit der Prävention und Früherkennung von Krebs. Gemeinsam untersucht man die genetischen Faktoren hinter Endometriose und den Einfluss von Ernährung auf die Krankheit.
Eine weitere Belastung entsteht, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt: Bei 40 Prozent der Frauen, die Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden, findet man die Erkrankung.
Hilfe für Körper und Geist
Im Klinikum Hall setzt man auf breite Therapie der vielschichtigen Krankheit. „Wir nennen es ENDO 8, das ist ein Wortspiel für 8 wie achtsam und acht verschiedene Abteilungen, die sich um die Patientinnen kümmern“, erklärt Widschwendter den neuartigen Ansatz. Während die Endometrioseherde in teils hochkomplexen Eingriffen operativ entfernt oder mittels Hormongabe gedämpft werden, bietet man den Frauen parallel Schmerz-, Physio- und Psychotherapie an. Man erhofft sich, durch diese Gesamtbehandlung den Erfolg der einzelnen Methoden zu begünstigen. Teil der Therapie ist auch, Akzeptanz für den chronischen Charakter der Krankheit zu schaffen. „Es ist wichtig, dass man realistische Ziele formt“, so
Widschwendter. TEXT: THERESA KIRCHMAIR
Dr. Peter Widschwendter