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Wird das Vaterland derzeit unruhig …?

von Professor General in Ruhe Horst Pleiner

Seit dem 24. Februar läuft eine von Präsident Putin mediengerecht spektakulär befohlene Spezialmilitäroperation russischer Truppen auf dem Gebiet der selbstständigen, demokratischen Republik Ukraine. Es handelt sich dabei um einen gewaltsam ausgetragenen Konflikt und keinen „Krieg“, denn ein solcher wurde nicht erklärt, weder von Moskau noch von Kiew. Daneben aber läuft ein wirtschaftlicher, moralisch-ideologischer und medialer Konflikt zwischen den „Sanktionsverhängern“ und dem „Sanktionsempfänger“ Russland, der auch Österreich voll einbezieht. Das zwingt die österreichische Bundesregierung zu argumentativen „Volten“ und einem offensichtlich kaum bewältigbaren Balanceakt zwischen der Erhaltung von Putins Wohlwollen zur Sicherstellung der Gasversorgung und einiger anderer wirtschaftlicher Einnahmequellen österreichischer Firmen und einer deklarierten „Solidarität“ mit den Maßnahmen und Bekenntnissen der übrigen Mitgliedstaaten der EU und vor allem der NATO, wobei bei einem Großteil der EU-Staaten eine „Doppelmitgliedschaft“ besteht, die ihre sicherheits- und verteidigungspolitischen Konsequenzen hat. Vor denen aber in Österreich, gerade wie die letzten Wochen beweisen, gerne die Augen verschlossen werden. Man tut so, als wäre die EU ein eigenständig verteidigungspolitisch handlungsfähiges und -williges System und man selbst, zumindest im Rahmen der „irischen Klausel“, darin „aktiv“ beteiligt, so weit es das Neutralitätsrecht eben zulässt. So mancher ausländische Kommentar bezeichnet diese Haltung Österreichs als Farce oder eben als unverhohlene Trittbrettfahrerei. Hat doch selbst der Bundeskanzler Nehammer davon gesprochen, dass die EU und damit auch die NATO Österreich schützen werde und Österreich sich im Rahmen der Neutralität solidarisch erweisen werde. Das ergibt eine spannende, um nicht zu sagen unlösbare Gemengelage und einen sicherheitspolitischen Seiltanz besonderer Art. / Nun hat diese Putin’sche Spezialmilitäroperation hektische Betriebsamkeit bei den europäischen Regierungen ausgelöst, um einerseits die Verteidigungsfähigkeit im Rahmen des Artikels V des NATO-Vertrages wesentlich zu stärken, im Falle Deutschlands durch Beschaffung der amerikanischen F-35-Flugzeuge eine „nukleare Teilhabe“ auch nach der Außerdienststellung der materialschwachen „Tornados“ sicherzustellen, und andererseits der Ukraine durch Lieferung von Panzer- und Fliegerabwehrwaffen (nicht zu vergessen auch die österreichische Lieferung von Schutzausrüstung und humanitären Erfordernissen) die Ablehnung von Forderungen nach Flugverbotszonen usw. irgendwie zu „versüßen“. Denn schon mit der allerersten äußerst rasch erfolgten Erklärung der NATO, „man werde nicht militärisch in der Ukraine eingreifen“, hat man Putin den Blankoscheck für die strategisch gefahrlose Nutzung des gesamten Spektrums von Aktionen gegen und in der Ukraine ausgestellt. Der wird von Putin auch nach alter marxistischer Vorgangsweise ausgenutzt, bis hin zur „Alarmierung“ von Nuklearkräften zur Steigerung der Eskalationsfurcht in den europäischen Mitgliedern der EU und NATO, worauf dann die NATO mit der Drohung geantwortet hat, man werde jeden Übergriff auf eine Grenze eines aktuellen NATO-Mitgliedes „entsprechend“ beantworten. / Ist die NATO tatsächlich bereit, für „Kiew oder Riga zu sterben“? Jeder möge für sich selbst die Antwort suchen. Was bedeutet das also? Die NATO verstärkt die Präsenz an Bodentruppen in einigen Mitgliedstaaten im Osten um jeweils einige tausend Mann. Die sind eine Art „Stolperstein“, so wie es dereinst die „Allied Mobile Force“ war. Aber hat die russische Armee überhaupt die zahlenmäßige Stärke, um eine Offensivhandlung auf NATO-Gebiet zu setzen? Auch die russische Armee hat in den letzten Jahren die Anzahl an Kampftruppen (motSchB, PzB, AufklB) deutlich verringert und dafür die Feuerkraft und andere Unterstützungsdienste wie Artillerie, Salvenwerfer und Raketen massiv verstärkt. Vielleicht hat man da auch Erfahrungen aus Syrien mit dem Zusammenschießen und Zerstören von Städten vor dem behutsamen Vorgehen der In-

fanterie umgesetzt, und wer die aktuellen Vorgänge um Mariupol oder Charkiw beobachtet, wird sich dieses Eindrucks nicht erwehren können. Erstarkt ist in den letzten Jahren die russische Luftwaffe, und ganz besonders gefährlich sind die neuen Cruise Missiles, die es sowohl auf Einheiten der Marine als auch auf mobilen Starteinrichtungen zu Lande gibt. Die haben Reichweiten bis 2.500 Kilometer und darüber und ihre Fähigkeiten schon vor Jahren demonstriert. Damals flogen 24 derartige CM aus dem Gebiet des Kaspischen Meeres über den Iran und Irak nach Syrien und haben dort 14 Ziele sehr genau getroffen. US-Analytiker waren damals ob der Reichweite usw. mehr als erstaunt, und im aktuellen Konflikt kamen diese CM aus dem Schwarzen Meer auch schon zweimal zum Einsatz. Man lege also die 2.500 Kilometer über Europa und siehe den „gefährdeten“ Bereich. Dabei wäre zu bedenken, dass der am schwächsten „gesicherte“ Luftraum zwischen Ukraine und Kerneuropa über der Slowakei, Ungarn und Österreich liegt. In den letzten Tagen hat daher die Deutsche Bundeswehr relativ still und leise Abwehrsysteme des Typs „Patriot“ in die Slowakei verlegt und begonnen nachzudenken, ob man nicht das israelische, einsatzerprobte Abwehrsystem „Iron Dome“ beschaffen sollte? Nur die österreichische Luftraumüberwachung kann gegen Ein- oder Überflüge leider nur wenig und bei Nacht nichts unternehmen. Aber die Luft- und Raketenangriffe gegen Ziele nur in der Ukraine erfolgen derzeit fast nur bei Nacht. Daran ändert auch die Aussage eines Sprechers des ÖBH nichts, man habe die vor Kurzem bis fast nach Zagreb fliegende Drohne stets am Radar verfolgt, und würde eine solche Drohne österreichischen Luftraum verletzen, dann werde sie abgeschossen. Man habe ein Programm, das gewährleistet, ein solcher Abschuss würde nicht verbautes Gebiet betreffen. Man darf aber nicht übersehen, dass man hoffentlich eine ausreichende Anzahl an Munition auf Lager haben sollte. / Die Schwierigkeiten hinsichtlich einer klaren sicherheits- und verteidigungspolitischen Konzeption verdeutlichen Aussagen deutscher Generale der jüngsten Zeit. So sah sich der Inspekteur des Heeres GenLt Mais mit dem aktuellen Heer als mehr oder weniger blank dastehend, und kurz darauf war von „offizieller“ Seite zu vernehmen, die Bundeswehr sei sehr wohl in der Lage, alle aktuell an sie zu stellenden Anforderungen zu erfüllen. Also was ist daraus abzuleiten: Es geht immer um die Frage, durch wen welche Maßnahmen gegen welchen Aggressor gesetzt werden sollen. Genau das wird in Wahrheit nicht nur in Deutschland kaum konkret definiert und nur verschwommen angesprochen. Das ist auch das Problem des Österreichischen Bundesheeres. Man formuliert auch im offiziellen Bundesheer die Ziele verschwommen. / So wurde in dem mehrfach angesprochenen Zustandsbericht vom Herbst 2019 auf eine durch mangelnde Fähigkeiten vorhandene Schutzlosigkeit und daraus erwachsende politische und militärische Risken hingewiesen. Man sei von einer Fähigkeit zur militärischen Landesverteidigung drastisch entfernt und das bringe den Verlust der Fähigkeit zur Teilnahme an internationalen Friedensstabilisierungseinsätzen sowie die Nichterfüllung der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Neutralitätsverpflichtungen usw. mit sich. Aber wo ist die konkrete Fähigkeit definiert, die das ÖBH im Rahmen der Sicherheitspolitik erfüllen und welche Maßnahmen unter welchen Rahmenbedingungen es gewährleisten muss oder soll? An keiner einzigen Stelle der offiziellen Dokumente wird auf die konkrete Wahrnehmung der Hinderungspflichten verwiesen, die dem immerwährend neutralen Österreich de facto auferlegt sind. Immerwährend bedeutet aber, im Sinne einer Vorwirkung die Mittel für eine solche Wahrnehmung der Hinderung am Boden und in der Luft bereits hier und heute bereitzustellen, um keine Zweifel an der Entschlossenheit Österreichs aufkommen zu lassen, diese Wahrnehmung im Falle des Falles auch tatsächlich zu realisieren. / Das wäre das „Mindestmodell“ einer österreichischen Heeresstruktur: Verbände zur Überwachung einer zu definierenden Ausdehnung der Grenzen wären da erforderlich und dazu eine Anzahl von „harten“ Kernen zum Einsatz an Hotspots oder zur Beendigung von Neutralitätsverletzungen bei Tag und Nacht. Für diese Überwachung wären Milizeinheiten eine zweckmäßige und sinnvolle Lösung. Aber dazu müssten sie relativ rasch (also in drei bis vier Tagen als funktionierende Einheiten) verfügbar sein, eine organisatorisch ausreichende Zahl ›

ZUM AUTOR

Professor General in Ruhe Horst Pleiner geb. 1941 in Salzburg; Hum. Gymnasium Salzburg, Matura 1959, eingerückt FJgB 29 Glasenbach am 1. 10. 1959, EF-Ausbildung, OA-Kurs Kaisersteinbruch, MilAk ab 1. 8. 1960, Ausmusterung am 22. 9. 1963, Leutnant zur Jägerschule Saalfelden, versch. Verwendungen, zuletzt HLO PzAbw. 6. GStbK 1969–1972. LVAk Ass Kdt LVAk, Lehroffizier StbD und Vers Taktik; KursKdt 8. GstbK, HptLO Taktik, LO Operative Führung und op. GStbD, 1978 Stv Ltr OpAbt/GStbGrp B, 1979/80 Kdt LWSR 32, wieder BMLV Op/Fü; AbtLtr FüAbt, 1990 Ltr GStbGrp B, 1999 Stv GTI, 2000–2002 GTI, dann Ruhestand

an Gruppenkommandanten u. a. Kaderpersonal besitzen (daher keine rasch zugeteilten Militärakademiker) und ausreichende Fernmelde- und Kfz-Ausstattung aufweisen. Das bedeutet aber die regelmäßige Durchführung von Truppenübungen zur Bildung eines Einheitsgefühls und Erhaltung des Ausbildungsstandes. Wenn man zwei oder mehr Wochen benötigt, um diese aufgebotenen Einheiten der Miliz mit gutem Gewissen einsetzen zu können, dann erfüllen sie ihren Zweck eben nicht. / Und das Geschrei hinsichtlich des Schadens in der Wirtschaft durch Truppenübungen möge verstummen. Dereinst wurden pro Jahr mehr Truppenübungen abgehalten, als es derzeit für das gesamte Bundesheer erforderlich wäre, und kein Betrieb ist deshalb zusammengebrochen. Auch bei der Aufbietung 2020 von 13 Milizeinheiten blieb der wirtschaftliche Niedergang aus. Es handelt sich also um ein klares Scheinargument. Den „Salzburger Nachrichten“ vom 26. März war auf Seite 2 zu entnehmen, dass der Abg. z. NR Stögmüller (Grün) erneut der Rückkehr zu den Truppenübungen eine entschiedene Absage erteilt hat, und kurz danach fand sich am 29. März im „Kurier“ erstaunlicherweise die Zustimmung zu drei Monaten für Truppenübungen – schnelle Wandlung und ungewöhnliche Einsicht in Erfordernisse des Milizsystems und wohl auch das Unbehagen nach dem Beginn der aktuellen russischen Spezialoperation über nunmehr denkbare und früher für Grün und andere undenkbare Entwicklungen in verteidigungspolitischer Hinsicht. / Dieser Zustimmung des Koalitionspartners zu Truppenübungen wird sich auch die ÖVP nicht verschließen können, ist sie doch jene Partei, die sich stets so sehr für die Wehrpflicht und noch mehr für den verfassungsmäßig vorgesehenen Aufbau des Bundesheeres nach dem Milizprinzip eingesetzt hat. Dabei erhebt sich die Frage, ob die Vertreter dieser Auffassung auch die Erläuterungen zu dem Verfassungsbeschluss verstanden haben, denn damals (als das Prinzip beschlossen wurde) stand eine Bereitschaftstruppe von 12.000 oder 15.000 Mann außer Diskussion. Die war natürlich erforderlich, um rasch verfügbar zu sein, im Falle des Falles. Und die Miliz waren damals in der ersten Stufe rund 200.000 Mann, heute geht es vielleicht um maximal 30.000. / Also es braucht beides, eine rasch verfügbare Kerntruppe und eine ausreichende Miliz für echte Aufgaben, denn der stets beschworene „Schutz der strategischen Infrastruktur“ ist überholt, und für die paar Terroristen sollten grundsätzlich eine reaktionsschnelle Polizei und eine wirkungsvolle nachrichtendienstliche Aufklärung genügen. Das „Schreckgespenst“, plötzlich Hunderten bis Tausenden militanten Terroristen im Inneren gegenüberzustehen, möge man verbannen, das ist nur ein militärischer „Wunschtraum“ zur Rechtfertigung des Andenkens mili-

tärischer Einsätze im Inneren. Die echte Gefahr hingegen ist der elektronische Terrorismus und den erleben wir mal weniger, mal stärker ohnedies hier und heute. Dagegen hilft aber kein Checkpoint mit „Halt wer da“. / Man kann auch die Neutralität nicht verteidigen. Wird ein tatsächlicher Angriff erfolgen, so ist Österreich nicht mehr neutral, sondern Konfliktpartei und kann sich Unterstützung suchen, wo es will. Ob es dann allerdings diese Unterstützung finden würde, steht auf einem anderen Blatt, wenn es bis dahin sich bezüglich militärischer „Mitwirkung“ stets hinter der Neutralität „versteckt“ hat. Das beinhaltet auch die aktuelle Euphorie über eine neu zu bildende „Eingreiftruppe“ der EU, die bis 2025 „stehen“ soll und an der sich (angeblich) auch das Bundesheer beteiligen soll. Allerdings wurde schon auf die „Logistik“ verwiesen und humanitäre Mitwirkung, und das in einer Eingreiftruppe, sagen wir im bedrohten Baltikum oder Ostpolen? Da wären wir eben nicht mehr neutral, sondern Konfliktpartei, oder bestehen da Vorstellungen, wenn dann doch geschossen würde, ziehe man sich schnell zurück? Das war doch schon bei den Vorbereitungen der EU Battle Group der Fall, die an sich eine Fehlkonstruktion nur zur Beruhigung einiger Argumentationen gedient hat. Sie kam nie (!) zum Einsatz, auch nicht, als man 2021 aus Afghanistan chaotisch abziehen musste und sie einen dringend nötigen Beweis ihrer Effizienz hätte liefern können. / Verschiedene Abg. z. NR fordern regelmäßig eine Europäische Armee ein. Ihnen erschließt sich der verteidigungspolitisch vorhandene Zusammenschluss von EU und NATO leider nicht und es wird keine singulären „Europäischen Verbände“ geben. Es wurde sogar in dem Zusammenhang ein Berufsheer erwähnt. Hat man sich überlegt, was das bedeutet? Keine Nationalarmee, sondern eine Söldnertruppe? Wer wird sich dafür melden? Von rechts außen bis links außen, von Soldatenspielern, Killertypen, Rassisten usw. würde es nur so wimmeln, und die würden bald manchen das Fürchten lehren. / Es geht auch immer um die „Eigenständigkeit“ einer europäischen Verteidigung, also ohne Mitwirkung und Abhängigkeit von den USA. Aber die Europäer verfügen nach wie vor nicht über die erforderlichen strategischen Komponenten dafür, und auch wenn von 100 Milliarden Euro in Deutschland und 70 Milliarden woanders gesprochen wird, das ist nur ein Bruchteil des tatsächlichen Bedarfes zum Aufbau strategischer Komponenten, von der zeitlichen Dimension ganz abgesehen. Ich verweise auf Anschaffungen wie F-35, atomare Teilhabe, „Iron Dome“ und modernste Mehrzweckkampfschiffe, da sind 100 Milliarden schnell aufgebraucht, und noch immer bestehen dann wesentliche Defizite. / Man verabschiede sich auch vom herkömmlichen archaischen Kriegs- und Gefechtsbild. Man sieht bereits jetzt die Wirksamkeit der Drohnen, der Cyberdomäne, des Informationskrieges, der weitreichenden Spezialmunition, des Einsatzes von Satelliten, und man benötigt darauf ausgerichtete Strukturen und Waffengattungen. Man denkt hier noch viel zu sehr rückwärtsgewandt, konventionell. Der so viel beschworene hybride Krieg ist keine „neue“ Form, er ist die typische Entwicklung zwischen Technik und Taktik auf aktuellem und zukünftigem Stand, die sich wellenförmig präsentiert. Daher wäre das Gejammere über Reformen der Strukturen usw. unangebracht, ein wirksames Heer benötigt ständige Reformbereitschaft und das Abgehen von Überkommenem. / Das gilt auch für die Ausschöpfung der „allgemeinen“ Wehrpflicht. Es ist voll an der Zeit, diese auch auf weibliche Staatsbürger auszudehnen. Den jungen Damen kann es so wie den jungen Herren freigestellt werden, den Dienst im Heer oder im Zivildienst abzuleisten. Wer wird denn in absehbarer Zeit die fehlenden 70.000 bis 90.000 Pflege- und Betreuungskräfte stellen, wenn nicht dieses weibliche Potenzial? Damit könnte sich das diplomierte Personal auf seine Hauptaufgaben beschränken, die Ärzte von administrativer Tätigkeit entlastet werden und den jungen Damen auch nützliche Dinge fürs Leben und Empathie vermittelt werden. Man wird in Österreich nur durch eine solche Maßnahme einen „Betreuungsnotstand“ verhindern können. Abgesehen davon zwingt die erneute Einführung der Truppenübungen keine Notwendigkeit zur Verlängerung des Zivildienstes, da die Wehrpflichtigen sich freiwillig für Army oder Civil Services entscheiden, kann die Zeitdauer so bleiben. ›

/ Man möge, soferne absehbar eine Erhöhung des LV-Budgets zustandekäme, sich zunächst auf Maßnahmen zur Verbesserung der Schutzausrüstung der Soldaten, der Kommunikationsmittel sowie der Fahrzeuge beschränken und gleichzeitig sich einer ehrlichen Diskussion über Ziele und Maßnahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik stellen. Dabei wird es auch um zukünftige Strukturen gehen müssen. Die aktuell losgetretene mediale Diskussion um die heranstehende Gliederung mit zwei Generaldirektionen unter ziviler Leitung im BMLV und darunter dann einem ChdGStb und daneben sieben oder acht Direktionen zeigt in aller Deutlichkeit, dass man diese neuartige (wenn auch schon lange von Seite des BKA angestrebte) zivile Struktur des BMLV und die Nachordnung der militärischen Führung unterhalb einer politischen Ressortführung, unter einem zivilen Generalsekretär und unter zwei zivilen Generaldirektionen, die „für die Frau Bundesminister“ zeichnen, nicht unter allen denkbaren Gesichtspunkten geprüft hat. Es geht an dieser Stelle gar nicht darum, die eine oder andere Struktur zu präferieren: Funktionieren muss das, und zwar rasch und effizient auch und vor allem „in Zeiten der Krise“, egal ob nun Terrorismus, Omikron, Pest, Cholera oder Putin. Es sollte auch durchdacht werden, ob aktuelle Strukturen und Vorhaben mit den Feststellungen auf Seite 45 der „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2021“ des BMLV in Einklang mit den aktuellen Herausforderungen zu bringen sind. Da heißt es: „Angesichts der Herausforderungen, die nicht mehr alleine national bewältigt werden können, muss der Trend zu Kooperationen als Grundprinzip der Verteidigungspolitik weiter verstärkt werden. Viele der auch für Österreich relevanten Krisen sind nur in Zusammenarbeit mit anderen Staaten und Staatenbündnissen lösbar. Dies lässt sich meist nur durch die aktive Mitwirkung Österreichs an der Weiterentwicklung der GSVP beantworten. Kooperation darf in diesem Kontext allerdings nicht als Einbahnstraße verstanden werden, sondern es bedarf auch der Aufstellung entsprechender Fähigkeiten, um Kooperationen eingehen zu können. Wer auf Solidarität anderer zählt und europäische Sicherheitspolitik mitgestalten will, muss auch selbst in der Lage sein, relevante Beiträge zu erbringen.“ / Großartig formuliert und leider wenig Aussage. Das gilt es zu klären, was wird mit der erneut in Stein gemeißelten Neutralität, will man aktiv dabei sein, und wenn ja, womit. Nur Logistik wird zu wenig sein. Welche Fähigkeiten kann man in absehbarer Zeit einbringen, gerade in die europäische Eingreiftruppe? Meint man das ernsthaft oder zieht man sich dann mit härteren Komponenten oder ganz zurück, wenn es „sensibel“ wird, oder versteckt man sich dann wieder hinter dem bekannten Ruf nach dem „UN-Mandat“? / Auf Seite 47 wird zum Bundesheer eindeutig festgestellt: „Im Mittelpunkt steht der Einsatz des Bundesheeres zum Schutz der Lebensgrundlagen, der kritischen Infrastruktur und der demokratischen Freiheiten. Auch weiterhin muss das Bundesheer in seiner Gesamtheit die nationale Handlungsreserve der Republik in Krisensituationen darstellen.“ Weiter oben findet man noch den Satz: „Für Österreich bedeutet dies, dass neben der primären Aufgabe der militärischen Landesverteidigung auch weiterhin der Ruf nach Assistenz- und Unterstützungsleistungen des Bundesheeres ergehen wird.“ Kein Wort von der Wahrnehmung der Hinderungspflichten am Boden und in der Luft (auch bei Nacht!) und kein Wort zu den konkreten Vorstellungen der Landesverteidigung. Dafür hat man sich eingehend mit sieben Umfeldszenarien im Jahr 2035 auseinandergesetzt. Lobenswertes Unterfangen, wird aber der aktuellen Herausforderung nicht gerecht, und es darf angemerkt werden, keines der sieben Szenarien beinhaltet eine Weiterentwicklung der aktuell eingetretenen Lage in Europa! Es wird zweckmäßig sein, sich nachdrücklich damit auseinanderzusetzen und dann die erforderliche Reform der Sicherheitspolitik, der Verteidigungspolitik, der Ziele, Strategie und operativ-taktischen Konsequenzen bis hin zu den Strukturen usw. anzugehen. Aber die Zeit drängt, Putin hat bisher nicht nur einmal auch die Baltischen Staaten in Äußerungen „angedacht“, und wer weiß, was er uns noch an unerwünschten Entwicklungen am Balkan als „Schutzmacht“ Serbiens dann an der DrinaGrenze und gegenüber dem kroatischen und bosnischen Teil von Bosnien-Herzegowina bescheren könnte. Man bleibe wachsam.

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