Wie ein Federstrich das Selbstverständnis eines Staates entlarvt
Jahre Kriegsende und Wiederherstellung der Republik, 70 Jahre Staatsvertrag, 70 Jahre Neutralitätserklärung und 30 Jahre EU-Beitritt. Das Jahr bietet eine geballte Ladung symbolträchtiger Jubiläen. Etwas bemüht wirkt dabei der Verweis auf den „60. Nationalfeiertag“, denn gefeiert wird hier ja offensichtlich nicht das politische Ereignis des Neutralitätsbeschlusses von 1955, sondern dessen symbolische Aufladung mit den zehn Jahre später eingeführten Feierlichkeiten. Wobei sich auch diese oft schamhaft hinter „Fit mach mit“ versteckten. Dass man hier offenbar auch das Gedenken selbst feiert, zeigt etwas platt auf, dass sich nicht jeder der gefeierten Jahrestage aus eigener Würde trägt, sondern zurechtgebogen wird, um in eine runde Jubiläumsschablone zu passen.
/ Politisch motivierte Erinnerungskultur trifft auf Zahlensymbolik, und gerade deshalb fällt auf, was nicht gefeiert wird: etwa die Sichtbarkeit der Streitkräfte, deren Parade zum Nationalfeiertag 2025 auf der Wiener Ringstraße abgesagt wurde. Spargründe heißt es offiziell. Klingt plausibel, ist es aber nicht. Was hier als haushaltspolitische Notwendigkeit verkauft wird, ist in Wahrheit ein politischer Rückzieher, Ausdruck tiefsitzender Verlegenheit im Umgang mit militärischer Präsenz und eines fortwirkenden Unbehagens gegenüber dem Gedanken staatlicher Selbstbehauptung. In einem Jahr voller Gedenkrituale zur Freiheit und Souveränität fällt ausgerechnet das sichtbarste Zeichen nationaler Verteidigungsbereitschaft unter den Tisch. / Zurück zum Geldargument: In einem normierten Budget, das das Jahr im Voraus durchplant und natürlich die Parade berücksichtigt hat, ohne einen Cent mehr zu bekommen, ist eine Parade auf einmal „zu teuer“. Wenn man scharf argumentiert: Jene Parade, die schon voriges Jahr politisch groß angekündigt wurde, sie koste eigentlich gar nichts (zusätzlich)! Das Geld war da und bleibt da, es wird nicht mehr und es kann kaum etwas anderes damit gemacht werden.
Die Wahrheit ist simpler: Es geht nicht ums Geld. Es geht um eine tief verwurzelte Angst vor sichtbarer Wehrhaftigkeit. Es geht um billigen politischen Aktionismus, der sich nach der Zustimmung in antimilitaristischen Milieus verzehrt. Das alte Mantra der 68er „make love, not war“ schleicht noch immer herum, ohne zu begreifen, dass das kein sicherheitspolitisches Konzept ist, welches der Realität standhält. Eine Militärparade würde Investitionen sichtbar machen. Man könnte dem Bürger am Nationalfeiertag zeigen, dass sein Steuergeld nicht nur versickert, dass man es mit der Neutralität ernst meint, dass man etwas für den Schutz des Landes tut. Stattdessen bleibt der Ring leer. Ein symbolisches Vakuum, das signalisiert: Wir trauen uns nicht. Was in diesem Fall abgesagt wurde, war nicht einfach nur ein militärischer Aufmarsch. Es war ein politisches Signal – nämlich das bewusste Zurückweichen vor der Realität einer Welt, in der nach wie vor militärische Stärke zählt. Dahinter steht die immer noch verbreitete Illusion, ein Staat könne sich in einem geopolitisch brutalen Zeitalter behaupten, ohne durch militärische Präsenz eine glaubhafte Abschreckung aufzubauen.
/ Wer noch immer glaubt, dass ein lauter Ruf nach „Frieden!“ ausreicht, um Drohnen, Raketen, Bomben oder hybride Angriffe aus dem Alltag zu verbannen, der verkennt die Lage. Krieg lässt sich nicht wegwünschen – er ist eine Realität, der man sich stellen muss. Wer eine vernünftige Abschreckungspolitik will, muss zwei Dinge mitbringen: Geld und Bekenntnis. Ersteres steht auf jeder Budgetseite. Zweiteres ist Mangelware. Die Parade wäre ein öffentliches Bekenntnis gewesen: zu den Frauen und Männern in Uniform, zur Sicherheitsarchitektur des Landes, zur Bereitschaft, sich wehren zu können. Stattdessen wird genau dieses Bekenntnis gestrichen. Aber ein Staat, der sich schämt, seine Verteidigung zu zeigen, hat bald nichts mehr zu verteidigen.
Ein Kommandant, den man spürt.
mit
Weiterer Meilenstein in langjähriger Zusammenarbeit mit der Bundeswehr
Aufbauplan ÖBH2032+ und die Erneuerung der Luftstreitkräfte sowie Luftverteidigung
Tage –Schule als Ort der Resilienzbildung
Traditionspflege im Verteidigungsressort. Die Notwendigkeit einer aktiv gelebten Militärkultur 27
Wo sind sie geblieben?
Zur Abschreckung benötigt man nicht nur Atomwaffen, sondern vor allem Soldaten
Internationale Lage: Der NATO-Gipfel in Den Haag und Europas Schwäche
Namentlich gezeichnete Beiträge und Ausführungen des „Wächters“ müssen sich nicht mit der Meinung des Herausgebers decken.
Offenlegung gemäß § 24 und § 25 Mediengesetz: Die Zeitschrift befindet sich zu 100 Prozent im Eigentum der Österreichischen Offiziersgesellschaft, Schwarzenbergplatz 1, 1010 Wien. Die Richtung der überparteilichen Zeitschrift ist durch die Statuten der ÖOG bestimmt und bezweckt Informationen in Wort und Bild zu
Vorwort
Sehr geehrte Kameradinnen und Kameraden, sehr geehrte Leserinnen und Leser!
Ein Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die aktuelle Ausgabe des Offiziers: Personal und Personalgewinnung. Kaum ein Beitrag kommt ohne diesen zentralen Aspekt aus, und das zeigt, wie sehr die Frage nach Menschen, Motivation und Nachwuchs über die Zukunft unseres Bundesheeres entscheidet.
/ Wir beleuchten das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So finden Sie in dieser Ausgabe Analysen zu Mobilmachungsstärken Europas im historischen Vergleich ebenso wie Überlegungen zur Unternehmenskultur des Bundesheeres – ein Bereich, in dem die Traditionspflege fest verankert ist. Das Militärkommando Oberösterreich stellt Initiativen vor, mit denen junge Menschen für den Wehrdienst begeistert werden sollen. Zwei Handelsakademien boten im Rahmen der „Sicherheitstage“ Einblicke, wie sich die Idee der Umfassenden Landesverteidigung und sicherheitspolitische Überlegungen aktiv in den Schulalltag integrieren lassen. Und im Interview mit Oberst Fleischmann, der nach über zwanzig Jahren das Akademikerbataillon verlässt, wird deutlich, wie sehr Führungspersönlichkeiten das Bild des Bundesheeres prägen.
/ Ein weiterer Baustein für Personalgewinnung und Motivation sind großangelegte Übungen. Mit der Wald4tel25 hat die Theresianische Militärakademie 2025 eine Schießund Lehrübung durchgeführt, die ganz im Zeichen des modernen Gefechtsfeldes stand – und doch an Techniken erinnert, die vielen noch aus der Zeit des Kalten Krieges vertraut sind. Klassische militärische Einsatzarten, robuste Abläufe und die Ausrichtung auf Landesverteidigung: All das unterstreicht, dass sich das Bundesheer auf Fähigkeiten zurückbesinnt, die angesichts der aktuellen geopolitischen Lage wieder an Aktualität gewinnen.
/ Dazu passend finden Sie Beiträge zum Aufbauplan 2032+ aus Sicht der Luftstreitkräfte sowie eine Analyse des NATO-Gipfels in Den Haag, die Europas Schwächen in der Verteidigungsbereitschaft verdeutlicht. Das Titelbild dieser Ausgabe – die Abwehrbereitschaft während der Wald4tel25 – steht sinnbildlich für die Herausforderungen, die vor uns liegen. Europa wie auch Österreich haben noch Schritte zu gehen, um auf künftige Bedrohungen vorbereitet zu sein.
/ Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und danke allen, die durch ihre Beiträge, Erfahrungen und ihr Engagement diese Ausgabe bereichert haben.
Mit kameradschaftlichen Grüßen,
Mjr Dr. Anna Kaiser Chefredakteurin
Brief des Präsidenten
Täglich grüßt das Murmeltier – von Kommission zu Kommission
Vor 15 Jahren, im Herbst 2010, begann aus wahltaktischen Gründen – eine Wien-Wahl stand bevor – die Diskussion über die Abschaffung der Wehrpflicht. Einerseits überraschend, andererseits die Fortsetzung einer Politik, die schon in der Regierung Schüssel I (ÖVP-FPÖ, 2000–2003) eingeleitet wurde. In der 2001 unter Minister Herbert Scheibner (FPÖ) beschlossenen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin wurde ein NATOBeitritt als Option genannt. Kanzler Wolfgang Schüssel erklärte am Nationalfeiertag 2001: „Die alten Schablonen – Lipizzaner, Mozartkugeln oder Neutralität – greifen in der komplexen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts nicht mehr.“
/ Unter Minister Günther Platter (ÖVP) in der Regierung Schüssel II (2003–2007) wurden verpflichtende Truppenübungen erst ausgesetzt, dann mit 1.1.2006 völlig abgeschafft. Grundlage waren Empfehlungen der Bundesheer-Reformkommission unter Helmut Zilk (2004), die die Landesverteidigung stark reduzieren wollte –nach dem Motto „Wir sind nur von Freunden umgeben“. Kampftruppen sollten primär für Auslandseinsätze bereitstehen. Es ging nicht mehr um den „Bürger in Uniform“, der die Heimat schützt, sondern um Berufssoldaten mit rascher Verfügbarkeit (z. B. KPE).
Mythos Vorwarnzeit
Direkte Bedrohungen schienen überwunden. Man glaubte, Gefahren früh genug zu erkennen und binnen zehn Jahren die Verteidigungsfähigkeit wiederherstellen zu können. Putins Rede 2007 in München oder Russlands Georgien-Krieg 2008 hätten Warnsignale sein können. Doch unter den Kanzlern Alfred Gusenbauer und Werner Faymann (beide SPÖ) wurde das Heer weiter geschwächt. Legendär blieb das SPÖ-Plakat im
Wahlkampf 2006. Es zeigte einen Eurofighter und wahlweise den Text: „Hier fliegt Ihre Pensionserhöhung/ Hier fliegt Ihre Studiengebühr“. Die Wehrpflichtdebatte unter Minister Norbert Darabos (SPÖ) war dann symptomatisch. Minister Gerald Klug (SPÖ) musste Anfang 2014 eingestehen: „Wir haben den Boden des Fasses erreicht.“
/ Wegen Budgetkürzungen auf 0,5 % des BIP durch Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) erfolgte im Herbst 2014 ein Kahlschlag, von dem sich das Bundesheer bis heute nicht völlig erholt hat. Die zeitgleich stattfindende Annexion der Krim wurde einfach ignoriert. Nach entsprechender ÖOG-Kritik trat Spindelegger aus der OG Wien aus – das Budget blieb minimal. Noch 2019 lehnte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im ORFSommergespräch eine Erhöhung des Heeresbudgets auf 1 % des BIP ab, da „der Panzerkampf im Weinviertel nicht mehr das Zukunftsbedrohungsszenario“ sei.
Wehrhaftes Österreich
Angesichts politischer Ignoranz ergriffen die wehrpolitischen Vereine die Initiative. 2010 begann die Zusammenarbeit, die im Sieg bei der Volksbefragung 2013 gipfelte. 2015 wurde der „Dachverband der wehrpolitischen Vereine Österreichs“ gegründet, die „Plattform Wehrhaftes Österreich“ umfasst heute über 20 Vereine mit ca. 250.000 Mitgliedern. Bei der 10-Jahres-Feier im Beisein von Generalstabschef Rudolf Striedinger wurde auf Erfolge zurückgeblickt. Als Sprecher dieser größten Bundesheer-Lobby erfüllt mich das mit Stolz. Der Festvortrag von Franz-Stefan Gady („Die Rückkehr des Krieges“) unterstrich jedoch die Notwendigkeit, materielle („Aufbauplan 2032+“) und personelle Anstrengungen („Mission Vorwärts“) zu intensivieren.
Wehrdienst-Kommission
2025
Die ÖOG kritisierte stets die Abschaffung der verpflichtenden Truppenübungen. Ohne Mannschaftsdienstgrade fehlen Zusammenhalt und Kampfkraft, zudem verlassen motivierte Kommandanten das Heer. Diese Probleme dokumentierte auch der Rechnungshof 2022. Dennoch blieb es beim Prinzip Freiwilligkeit, obwohl das Wehrgesetz (§ 21 Abs. 3) eine zwangsweise Einberufung von bis zu 12 % eines Jahrgangs erlauben würde.
/ Im Juni 2025 – rund 20 Jahre nach der Abschaffung – nahm eine Kommission unter Leitung von GenMjr Erwin Hameseder und Bgdr Walter Feichtinger ihre Arbeit auf. Ihr Auftrag: „Modelle zur Weiterentwicklung des Wehr- und Zivildienstes sowie zur personellen Befüllung der Miliz.“ Bis Jahresende sollen drei Vorschläge an Ministerin Klaudia Tanner vorliegen. Der Dachverband und die ÖOG wurden nicht einbezogen, lediglich ein kurzfristiges Informationsgespräch fand statt.
Das „Österreich-Jahr“ Manche Medien vermuteten, mein Vorschlag für ein neues Modell habe zum Ausschluss geführt. Tatsache ist: In einem „Presse“-Interview regte ich ein „Österreich-Jahr“ an, was zu großem Medienecho und einem ZIB-2-Interview führte.
Das Modell: Stellungs- und Dienstpflicht für alle Staatsbürger – Männer und Frauen. Der jährliche Bedarf an Grundwehrdienern (z. B. 20.000) wird nach militärischen Kriterien festgelegt. Zuerst werden Freiwillige berücksichtigt, dann geeignete Taugliche nach Wertungsziffern. Die übrigen Tauglichen leisten Zivildienst. So ließen sich Personalengpässe in beiden Bereichen überwinden.
/ Für den Wehrdienst schlage ich ein „8+4-Modell“ vor: acht Monate Grundwehrdienst zur Ausbildung mit sofortiger Einsatzfähigkeit plus vier Monate verpflichtende Milizübungen
zur Sicherung der Durchhaltefähigkeit. Bei Gleichbehandlung der Geschlechter wäre auch eine Gleichstellung von Wehr- und Zivildienst hinsichtlich der Dauer konsequent. Ein Malus für Zivildienst durch längere Dauer entfiele. Denkbar wäre eine gemeinsame Einstiegsphase mit Ausbildung in Staatsbürgerkunde, Erste Hilfe und Zivilschutz, was die staatliche Resilienz insgesamt stärkt.
/ Zur Frage der Frauenbenachteiligung: Bei 18- bis 20-Jährigen bestehen weder bei Schul- noch bei Berufsausbildung Unterschiede. Während des Österreich-Jahres sind
Entlohnung und Aufstiegschancen ident. „Care-Pflichten“ spielen in diesem Alter kaum eine Rolle. Vielmehr eröffnen sich Frauen neue Berufswelten jenseits klassischer Rollen. Gerade die skandinavischen Länder, Vorreiter bei Gleichberechtigung, sind auch bei der Wehrpflicht am innovativsten. Und welches Modell wird kommen? Bleibt alles ganz anders? Wir werden sehen …
Mag. Erich Cibulka, Brigadier Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft
Mit Sicherheit bestens beraten.
Stephan Paul 050 350 - 21567 0664 / 829 74 48 s.paul@wienerstaedtische.at Am Spitz 10, 1210 Wien (Eingang Schwaigergasse)
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Ihre Sorgen möchten wir haben.
WALD4TEL25
Ein Sommer wie damals
Rund 2.100 Soldaten aus sieben Staaten, 50 Panzer und gepanzerten Fahrzeuge, in etwa 250 Räderfahrzeuge sowie acht Luftfahrzeuge nahmen vom 16. bis 27. Juni auf dem Truppenübungsplatz ALLENTSTEIG an der größten Verbandsübung des Bundesheeres im Jahr 2025 teil, bei der nach Jahren des Übens von Schutzszenarien nun die Kernaufgaben der militärischen Landesverteidigung, Angriff und Verteidigung, geübt wurden. – Wie „damals“. / ALLENTSTEIG, Ende Juni 2025. Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel. Der Boden bebt. Staubfahnen steigen hinter den Gebüschzeilen auf. Panzergrenadiere stoßen unter dem Feuerschutz der Kampfpanzer in Richtung KÜHBACH. Die Partei Rot ist, aus Osten kommend, zum Angriff nach Bereitstellung angetreten. Wenig später sind die Angriffsspitzen an der COPL (Combat Outpost Line, neudeutsch für Gefechtsvorpostenlinie) angelangt und werden durch die Gefechtsvorposten der Partei Blau abgenutzt. Die Infanterie Blau hat mittlerweile die ausgebauten Stellungen in der FEBA (Forward Edge of Battle Area, neudeutsch für Vorderster Rand der Verteidigung) bezogen. Der Bataillonskommandant des Akademikerbataillons hat sich mit der „Beweglichen“ in den Gefechtsstreifen begeben, um den Einsatz seiner Kräfte zu koordinieren. Nach dem Durchbrechen der COPL bleiben immer mehr Gefechtsfahrzeuge von Rot im Raum KÜHBACH durch das Zusammenwirken von Sperren und Panzerabwehrlenkwaffen liegen. Der Angriffsschwung ist gebrochen. Die verbliebenen gepanzerten Fahrzeuge müssen das Gefecht abbrechen und sich zurückziehen. Blau hat den ersten Ansatz erfolgreich abgewehrt! Das Drehbuch sagt, dass Rot wieder angreifen wird. Die Partei Blau wird bereit sein.
Stellungsbau und Panzergraben Zeitsprung. Rund zwei Wochen früher. Erste Teile des Akademikerbataillons und die diesem unterstellte Pionierkompanie WIEN (Miliz) sind in ALLENTSTEIG eingetroffen und beginnen gemeinsam mit dem Pioniermaschinenzug des Pionierbataillon 3 mit dem Erkunden, Anlegen und Ausbau von Stellungssystemen für die Partei Blau. Laufgräben, Stellungen für PAR, MG sowie Gruppenunterstände, aber auch Feuerstellungen für den schweren Granatwerferzug werden bis Angriffsbeginn in die Erde des Truppenübungsplatzes gegraben. Bis zum Ende der Schanzarbeiten werden dabei in circa 4.000 Mannstunden rund 600 Kubikmeter Erde bewegt. Die Pioniere haben am Ende ihres Einsatzes in etwa 250 Festmeter Holz für den Bau von Unterständen und Stellungen verbaut. Klassischer Stellungsbau. Dazu
wurden Panzerigel und Stachelbandrollensperren verlegt. So wie „damals“. / Neu war aber, dass über die Verteidigungsanlagen Netze gespannt und Gitter angebracht wurden. Unmengen von Tarnnetzen wurden über die Stellungssysteme gespannt – als Schutz vor Aufklärung durch und gegen den Angriff von Drohnen. Eine Anpassung an das veränderte Gefechtsbild, das uns Soldaten bestens von den Bildern des aktuellen Ukraine-Konfliktes bekannt ist.
Der schwere Granatwerfer in der gegrabenen Feuerstellung.
Neu war auch, dass Teile der Stellungssysteme nicht mehr klassisch mit Holz, sondern mit einem modularen Kunststoffsystem ausgebaut wurden. Eine der Erprobungen, für die der Rahmen der Großübung verwendet wurde, um das System in der Praxis unter möglichst realistischen Gefechtsbedingungen zu testen.
Pioniere der Pionierkompanie WIEN (Miliz) beim Errichten eines Gruppenunterstandes.
Sprengung des Panzergrabens.
Neben dem wiederentdeckten Stellungsbau wurde auch seit Jahrzehnten wieder die Sprengung eines Panzergrabens in Vorbereitung auf das bevorstehende Antreten der Partei Rot durchgeführt. Geplant und ausgeführt wurde diese Sprengung durch die Pionierkompanie WIEN. Nach der Vorsprengung und dem anschließenden Laden der Bohrlöcher wurde vor Publikum der Panzergraben gesprengt, welcher danach von den Übungsteilnehmern besichtigt wurde. In den Köpfen wurden Bilder erzeugt.
Blau bezieht Übungsraum
Rund sieben Tage später. Montag der ersten Übungswoche, 06:30 Uhr in Wiener Neustadt. Zwei Jahrgänge des Akademikerbataillons der Theresianischen Militärakademie sind zur Standeskontrolle am Maria-Theresien-Platz angetreten. Ebenfalls angetreten sind Offiziere von Fachschulen und der Miliz, die in den beiden folgenden Übungswochen den Bataillonsstab verstärken werden –so wie ich, der ich in der ersten Übungshälfte den stellvertretenden Bataillonskommandanten vertreten und dann als Leiter des Hauptgefechtsstandes meinen Dienst tun werde. Der Bataillonskommandant, Oberst Fleischmann, begrüßt die Angetretenen und schwört sie für die kommenden zwei Wochen ein. Es ist seine letzte Übung vor seiner Versetzung in den Ruhestand in diesem Jahr. Eine Übung so wie zu Beginn seiner verschiedenen Funktionen im Akademikerbataillon. Eben eine Übung wie „damals“. Der Kreis der Geschichte schließt sich.
/ Gelotst durch die Militärpolizei beginnt wenig später der Konvoi, bestehend aus Pinzgauern, Lkws und
Puch-Gs, seinen Marsch in Richtung Waldviertel. Ein Konvoi wie „damals“. Und trotz des betagten Alters vieler der Fahrzeuge erreicht die Kolonne nach rund drei Stunden Fahrzeit den Übungsraum. Vollzählig. Ohne technische Gebrechen.
/ So romantisch sich dies hier liest, zeigt es aber auch den unheimlich großen Investitionsbedarf. Zum Vergleich: Die als 3. Jägerkompanie eingegliederte 3. Kompanie des Wachbataillons (DEU) verlegte unter anderem mit seinem geschützten Gruppenfahrzeug MUNGO auf die Übung. Damit bewegt sich die Besatzung splitter- und flachfeuergeschützt. Da können Pinzgauer und Puch-G nicht mithalten. Das gleiche Bild bietet sich bei der persönlichen Schutzausrüstung: Während die besagte Kompanie durchgehend mit Plattenträgern ausgerüstet und somit geschützt ist, „schützt“ den Großteil der österreichischen Soldaten die Kampfweste.
Die oben erwähnte Erprobung des Grabensystems ROMOLD war nur eine mehrerer Neuerungen, die zum ersten Mal in einem solchen Umfeld zum Einsatz kamen.
/ So wurden die beiden Teilsysteme Frontline und HQ des Führungssystems SitaWare zum ersten Mal durchgehend von der Ebene Kompanie bis auf Ebene Brigade zum Einsatz gebracht. Die Einzeichnungen von Lagemeldungen am Frontline-Tablet, mit dem jeder Kompaniekommandant sowie der Bataillonsstab ausgestattet
war, ersetzten den Funkverkehr in diesem Bereich. Nach stabsdienstlicher Bearbeitung durch das Bataillon hatte somit auch die Brigade unmittelbar ein klares Lagebild. Feueranforderungen wurden in Chats an die Feuerleitung der Brigade übermittelt und während dort noch der Beurteilungsprozess lief, konnte parallel dazu die Panzerartillerie ihre Berechnungen und die Vorbereitungen für das Abarbeiten des Feuerauftrages durchführen. Eine enorme Zeitersparnis.
Kombinierte Übung FTX und
CAX
Anders als „damals“ setzten sich beide Parteien aus realen Kräften sowie aus Kräften in der Computersimulation zusammen. So war es möglich, eine Brigade in der Verteidigung sowie divisionsstarke rote Kräfte darzustellen. In der Field Training Exercise – kurz FTX –standen sich das Akademikerbataillon und die Kampfgruppe 35 gegenüber. Letztere bestand aus jeweils einer Kompanie Panzergrenadierbataillon 35 und 13, einer Kompanie Panzerbataillon 10, je einer Infanteriekompanie der Garde und der Heeresunteroffiziersakademie und einer Aufklärungskompanie.
/ Die Computer Aided Exercise –kurz CAX –, also der simulationsge-
Technische Innovation: Das Grabensystem ROMOLD wird erprobt.
Deutsche Infanteristen mit ihrem Gruppenfahrzeug MUNGO.
Der Kommandant des Akademikerbataillons bei der Befehlsausgabe.
stützte Teil der Übung, wurde am Führungssimulator in WEITRA durchgeführt. Hierbei standen sich jeweils eine gemischte Brigade gegenüber. Geführt wurden hier durch die beiden Brigadekommanden jeweils nur die Bataillonskommanden, die dann für alle ihre Teile die Simulation bedienten.
Lehrvorführung
Den Abschluss der Übung vor der Reorganisation und Rückverlegung bildete am Freitag die Lehrvorführung durch die mechanisierte Kampfgruppe 35. Dabei wurde der Angriff eines gemischten Grenadierbataillons unter Einbindung der Luftstreitkräfte und Pyrotechnik vorgeführt. Den Zusehern wurden dabei wichtige Bilder vermittelt. Bilder, die das letzte Mal bei der Lehrvorführung „Kampf der verbundenen Waffen“ 2019 den Soldaten und vor allem den künftigen Offizieren vermittelt wurden. Bilder, die man in dieser Art nicht bekommt, wenn man aus einem Stellungssystem verteidigt. Bilder, die man schon gar nicht bekommt, wenn man nur am Simulator übt.
„Siegesparade“ oder ein letzter Gruß
Noch ein letztes Mal während der WALD4TEL 25 zittert der Boden der Panzerstraße und Staub erfüllt die Luft. Die gepanzerten und ungepanzerten Fahrzeuge der Partei Rot, gerade noch bei der Lehrvorführung im Raum KÜHBACH im Einsatz, sind auf dem Rückmarsch in Richtung Lager KAUFHOLZ. Knapp vor Camp MANNSHALM wird nochmals gehalten und die Fahrzeuge werden „aufkolloniert“. Offiziere aller Übungs-
„Aufkollonierte“
teile haben eine Überraschung für den scheidenden Kommandanten des – bei dieser Übung siegreichen – Akademikerbataillons vorbereitet. Dieser hat gemeinsam mit Offizieren des Stabes und langjährigen Wegbegleitern an der Panzerstraße Aufstellung bezogen. Und dann beginnt der – heuer wohl leider einzige, und für ihn in dieser Funktion letzte – Vorbeimarsch. Minutenlang rasseln die Kettenfahrzeuge am Defilierungspunkt vorbei. Erfreut, stolz, aber auch gerührt nimmt der Kommandant die Ehrbezeugung und den Gruß der Fahrzeugkommandanten entgegen. Ein würdiger Schlusspunkt einer Übung „wie damals“ und einer langen Soldatenkarriere.
Zusammenfassung
Der Weg zu der von unserer Frau Bundesministerin eingeforderten herzustellenden Abwehrbereitschaft des Heeres ist klar. Die Einsatzarten Angriff und Verteidigung werden – auch im großen Rahmen – wieder geübt. Auf der WALD4TEL25 wurden Bilder erzeugt, sei es beim Sprengen und der anschließenden Besichtigung des Panzergrabens, sei es beim Anlegen der Stellungssysteme oder sei es wie bei der abschließenden Lehrvorführung Angriff der mechanisierten Kampfgruppe 35.
/ Es zeigte diese Übung aber auch deutlich, dass bis zum Erreichen des Zieles ÖBH 2032+ noch viel zu investieren und zu tun ist. Moderne, splittergeschützte Fahrzeuge, die flächende-
ckende Einführung der modernisierten Sturmgewehre sowie eine zeitgemäße Mannesausrüstung für alle Soldaten sind nur einige Beispiele für den offensichtlichen Investitionsbedarf.
/ 2032+ verlangt aber auch, dass die Miliz in die Lage versetzt werden muss, gemeinsam mit den präsenten Kräften in einen Einsatz gehen zu können. Dazu bedarf es aber, auch bei der Miliz die Ausrüstung und Ausstattung auf dasselbe Niveau zu bringen wie bei den präsenten Kräften. Dazu bedarf es, dass die Miliz wieder mehr und im Verbund mit präsenten Kräften übt. Die Einbindung von Milizsoldaten und -einheiten, wie hier bei der WALD4TEL25, aber auch schon bei SCHUTZSCHILD24, STEINFELD23 und EISENERZ22, im Rahmen einer Großübung auf allen Ebenen vom Bataillonsstab abwärts, ist für beide Seiten wichtig und lehrreich.
ZUM AUTOR
Obstlt Michael SELLNER
• ET EF X/93
• Milizoffizier
• Absolvent FüLG 2 2023
• dzt. stvKdt JgB W2 „Maria Theresia“
• Zivilberuf: Leiter Controllingabteilung
Panzergrenadiere nach dem Einbruch in das Stellungssystem beim Grabenkampf.
Ein Kommandant, den man spürt.
Abschiedsinterview mit Oberst Gerhard Fleischmann, Kommandant des Akademikerbataillons der Theresianischen Militärakademie
Mit der offiziellen Kommandoübergabe am 29. Oktober 2025 endet eine Ära: Oberst Gerhard Fleischmann übergibt nach exakt 20 Jahren und sechs Monaten das Kommando über das Akademikerbataillon der Theresianischen Militärakademie. Generationen von Berufsoffizieren sind in dieser Zeit durch seine Hände gegangen.
/ Wir treffen Oberst Fleischmann in seiner Kanzlei an der Militärakademie in Wiener Neustadt. Ein großer Tisch dominiert den Raum – jener Tisch, an dem über Jahrzehnte hinweg die militärische Ausbildung geplant wurde. An der Wand die dem Bataillon gewidmete Fahne der Stadt, die Abzeichen ausgemusterter Jahrgänge, Erinnerungen an Verwendungen und Einsätze. Daneben ein Flipchart mit den ersten Skizzen für die große Übung „Wald4tel25“ – jene Verteidigungsübung, die ihm ein Herzensanliegen war und die für ihn den Kreis seiner Laufbahn schließt.
Der Offizier: Herr Oberst, Sie gehen heuer nach einer langen und prägenden Karriere in den Ruhestand. Wenn Sie zurückblicken – wie beschreiben Sie Ihre Zeit als Kommandant des Akademikerbataillons?
Obst Fleischmann: Wir haben gerade die wöchentliche Flaggenparade durchgeführt. Wenn ich da in die Gesichter schaue, stehen da Menschen in der Einteilung, von denen einige noch gar nicht auf der Welt waren, als ich schon im Burghof gestanden bin …
Ich habe immer gesagt: Ich will kein „Frühstücksdirektor“ sein. Also nur da sein, zwar Kommandant sein, aber nicht bemerkbar. Das war ich nie. Weder als Jahrgangskommandant noch als Ausbildner – und natürlich auch nicht als Bataillonskommandant. Ich war Kommandant, aber gleichzeitig auch immer Ausbildner. Wir haben die Curricula geschrieben, ich war draußen bei der Ausbildung, bin nicht nur gekommen, habe geschaut und bin dann wieder verschwunden; man hat mich immer gespürt.
Ich bin Infanterist, das ist mein Handwerk, das habe ich von der Pike auf gelernt. Fordernd sein, ausbilden – das war mir immer wichtig. Sonst wäre ich nie hierhergekommen. Auf meinen Türschildern stand über 38 von 46 Dienstjahren „Kommandant“: Zugskommandant, Kompaniekommandant, Kurskommandant, Lehrzugskommandant, Jahrgangskommandant, Bataillonskommandant. Nicht jeder will das. Ich wollte das immer. Die meisten Kommandanten des Akademikerbataillons sind nach drei, vier Jahren weitergegangen. Das wollte man auch von mir. Aber ich wollte bleiben. Ich wollte Kommandant und Ausbildner sein, die Ausbildung der Berufsoffiziere in einer Hand halten. Da war ich stur. Und so übergebe ich am 29. Oktober nach 20 Jahren und sechs Monaten das Kommando.
Im Kreis der Stabsoffiziere nach gelungener Einsatzführung.
Wie hat sich die Offiziersausbildung mit den unterschiedlichen Generationen von Fähnrichen verändert?
Man muss mit der Zeit gehen, ohne die eigenen Prinzipien über Bord zu werfen. Ich bin nicht mit allem einverstanden – aber es ist der Lauf der Zeit. Als ich 1984 ausgemustert wurde, als Kind des Kalten Krieges, war das militärische Bild klar. Seit 1979 gab es die Raumverteidigung; Jagdkampf, Verteidigung aus Sperrstellungen – so sind wir gedrillt worden. Unser ganzes Verhalten damals war auch ein anderes als heute. Wir haben alles geschluckt, wir haben einfach gemacht. Wir haben natürlich auch geschimpft –aber wir wussten um die Konsequenzen, wenn etwas nicht gemacht wurde.
/ Heute gibt es mitunter Probleme im Verständnis des Soldatenberufs. Für mich gehören dazu die klassischen Soldatentugenden, auf die ich immer Wert gelegt habe: Tapferkeit, Mut, Beharrlichkeit, Pflichterfüllung, Loyalität. Diese Tugenden machen den Beruf seit Jahrhunderten aus. Sie ändern sich nicht. Darauf baut das ganze System auf. Ohne diese geht es nicht.
/ Heute wird vieles hinterfragt. Auch als Kommandant wird man mit Ansichten konfrontiert, die man nicht immer gut findet. Aber man wächst damit. Man wächst mit der Zeit.
Generationen österreichischer Berufsoffiziere sind durch Ihre Hände gegangen. Was macht diese Aufgabe so besonders – und vielleicht auch herausfordernd?
Jeder Berufsoffiziersanwärter ist drei Jahre an der Militärakademie. Er durchläuft ein System, das auf zwei Säulen steht: die akademische Ausbildung und die Truppenoffizierslehrgänge. Die Lehrgänge, die großen Übungen – das machen wir, meine Offiziere, ich und das Personal der Truppe, das uns dabei un-
terstützt. Das Soldatenhandwerk lernt man nicht im Lehrsaal, dafür muss man ins Gelände. Wir schreiben die Curricula, wir planen, wir gestalten. Beide Säulen – Studium und Praxis –müssen ineinandergreifen. Das Kognitive allein reicht nicht. Im Krieg zählen Herz, Hirn und das Tun.
/ Wir haben in Österreich ein einzigartiges System. Bei uns verbinden wir Studium und militärisches Handwerk, beides muss ineinandergreifen. In anderen Armeen wird vorher oder nachher studiert – nicht gleichzeitig Studium und Handwerk. Dieses Gleichgewicht zu halten, erfordert Fingerspitzengefühl. Vor einigen Jahren hat mir ein deutscher General gesagt, dass ich eine einzigartige Möglichkeit habe. Wir könnten die Offiziersanwärter, die drei Jahre lang bei uns sind, erziehen und formen. Mit der militärischen Erziehung beginnen. Früher war das leichter, heute ist es schwieriger.
/ Aber das Ziel war und ist immer klar. Über drei Jahre hinweg ist genau festgelegt, was ein Offizier lernen muss. Wir passen die Ausbildung natürlich auch an die geopolitische Lage an. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist das Wort „Kriegstüchtigkeit“ wieder in aller Munde. Wir müssen überlegen, Gefechtstechnik wieder stärker zu betonen – von der Einzelausbildung bis zur Kompanie.
Welche Herausforderungen sehen Sie in den kommenden Jahren speziell für die Offiziersausbildung an der Militärakademie?
Unser größtes Problem ist das Personal. Bei den Offiziersanwärtern an der Militärakademie sind wir aber auf dem richtigen Weg. Im August haben wir 105 neue Offiziersanwärter aufgenommen. Ideal wären 120 bis 130 pro Jahrgang – das mal drei, das können wir hier an der Akademie gut bewältigen.
/ Ich habe auch die Zeit erlebt, als wir nur 30 Fähnriche
pro Jahrgang hatten. Das war schlimm. Insgesamt waren es damals nicht mehr als 80 bis 90. Da herrschte andauernd Urlaubsstimmung, so ruhig war es in der Burg. Das war für mich und für alle anderen furchtbar. Aber wir haben diese Zeit überbrückt. Bei den schwachen Jahrgängen haben wir uns für die gefechtstechnische Ausbildung viel Unterstützung von der Truppe geholt, um auf Kompanie-und Bataillonsebene –mit 500 bis 600 Soldaten – üben zu können. Die Fähnriche haben dabei wie auch heute, die ihrem Jahrgang entsprechenden Funktionen übernommen.
/ Wir binden bei unseren Übungen auch die Miliz ein, vor allem Offiziere im Bataillonsstab, aber auch Stabsunteroffiziere der Miliz der Unteroffiziersakademie. Das hat sich sehr gut bewährt. Die Miliz ist mittlerweile – um einen Begriff aus der Wirtschaft zu verwenden – Stammkunde. Genau diese Mischung macht unsere Übungen so erfolgreich. Bei der Wald4rtel25 hatten wir eine deutsche Kompanie dabei, ebenso hat uns die Pionierkompanie Wien, eine Milizkompanie, beim Bau der Unterstände unterstützt. Ohne entsprechendes Know-how geht Verteidigung einfach nicht.
/ Eine weitere große Herausforderung ist der Umgang mit Drohnen als Waffe. Gerade mir als Infanteristen tut das weh. Früher wusste man, dass man sich vor Steilfeuer und Artillerie schützen muss. Heute sind es die Drohnen. Dem haben wir bei der Wald4tel25 auch Rechnung getragen – nicht großflächig, aber doch. Drahtsperren und Tarnmaßnahmen, die Drohnen abhalten können, waren ein wesentliches Thema der Übung. Es geht um die passive Bekämpfung dieser furchtbaren Waffen.
Die Übung Wald4tel25 war auf Ihren Wunsch hin eine klassische Verteidigungsübung. Was bedeutet sie für Sie?
Ich bin froh, dass diese Übung so stattgefunden hat. Für mich war es ein Beginn – auch was die Ressourcen betrifft. Von diesen robusten Übungen braucht es mehr. Ich war nie ein Fan der Zeit von der Wende bis 2022, als die Einsatzart Schutz im Fokus stand. Für mich war das Thema überstrapaziert. Militärische Ausbildung muss in den klassischen Einsatzarten verankert sein: Verteidigung, Angriff, Verzögerung, Stellungsbau, Einsatzführung und vieles mehr. Damit haben wir jetzt wieder auf Kompanie-und Bataillonsebene begonnen. Auf der Teileinheitsebene haben wir das immer gemacht – aber eben im Kleinen. Das gehört forciert, wann, wenn nicht jetzt! Auch mit den neuen Waffensystemen, die jetzt beschafft werden. Es gab Zeiten, da waren Graben, Marschieren und Schießen fast suspekt. Mich hat das nie tangiert. Verteidigung umfasst alles: Planung, Ausbau, Kampfführung ... Von mir aus könnte man das jedes Jahr machen. / Im Jahr 2022 haben wir mit der Übung Eisenerz wieder angefangen, mit den Schießlehrübungen der Militärakademie ins freie Gelände, zur Zivilbevölkerung, zu gehen. Dafür waren die Übungen der Militärakademie früher in ganz Österreich bekannt. Mit der Übung Steinfeld folgte im Jahr 2023 der Angriff von zwei Bataillonen in Wiener Neustadt. Mit der Wald4tel25 haben wir uns zu einer robusten Lage gesteigert. Mit solchen Szenarien werden wir in Zukunft auch wieder hinaus ins freie Gelände gehen, hin zur Bevölkerung. Graben,
Panzerigel aufstellen etc. – so wie in den 1990ern. Das wird wiederkommen.
Bei den feierlichen Ausmusterungen sind die jungen Leutnants dafür bekannt, sich kreative – manchmal auch freche – Streiche einfallen zu lassen. Welcher ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Da gäbe es vieles. Schon als Jahrgangskommandant steht man ja durchaus im Mittelpunkt. Ich habe immer gesagt: Ich will wissen, was passiert, man muss nicht krampfhaft nach etwas suchen, das nicht passt. Und bei nicht allem mache ich mit. Auch das Feuerwerk war immer ein schöner, fast schon traditioneller Ausdruck des Abschlusses, der Jung und Alt gleichermaßen angesprochen hat – auch ohne Ausmusterungsstreich. Es gab natürlich eine Vielzahl humorvoller Einlagen: vom Singen des „Kufsteinliedes“ aus der Bewegung – das konnte ich natürlich – bis hin zum „Ö3-Mikromann“ vor ein paar Jahren – das war erste Klasse. / Unvergessen bleibt mir der Jahrgang „Kinsky“, Ausmusterungsjahrgang 1994. Ich war damals Fahnentruppkommandant mit Blick zum Kinsky-Denkmal. Plötzlich fliegt die Büste in die Luft – Scheinwerfer, Rauch, wie in Hollywood. Ich dachte mir: Das darf nicht wahr sein! Die spinnen ja! In Wahrheit hatte der Jahrgang in der Nacht zuvor eine täuschend echte Attrappe aufgestellt und präpariert. Als sie hochging, habe ich mir im ersten Augenblick gedacht, die sind doch völlig verrückt.
Was wünschen Sie dem Akademikerbataillon, das Sie über zwanzig Jahre lang geprägt haben, für die Zukunft? Ich wünsche dem Bataillon alles Gute. Dass es seinen Auftrag weiterhin erfüllt, auch in schweren Zeiten. Denn das Bataillon und seine Ausbildung sind immer wieder hinterfragt worden: Wozu, weshalb, warum machen wir das? Diese Zeiten waren mühsam. Aber mit Beharrlichkeit haben wir geschafft, dass das Akademikerbataillon nicht abgeschafft wurde. Und ich wünsche mir, dass etwaige künftige Diskussionen genauso im Nebel verschwinden wie jene der Vergangenheit.
Das Interview führten Obstlt Michael Sellner und die Chefredakteurin am 25. August 2025.
Oberst Fleischmann bei der feierlichen Ausmusterung der jungen Leutnante.
Weiterer Meilenstein in langjähriger Zusammenarbeit mit der Bundeswehr
Seit Jahren arbeitet die Offiziersgesellschaft mit der Bundeswehr bzw. deren Reservistenverband eng zusammen. Dazu gehört ein abwechselnder jährlicher Besuch, weshalb heuer eine österreichische Delegation, nominiert von OG-Bundes- und Landesorganisationen, zu einem Partnerschaftsseminar nach Deutschland eingeladen war.
/ Als erster Teil fand eine Podiumsdiskussion an der Unteroffiziersschule der Luftwaffe in Heide statt. Dabei tauschten deutsche, dänische und österreichische Vertreter – darunter OG-Präsident Bgdr Erich Cibulka und der Vorsitzende des Reservistenverbandes Obst Patrick Sensburg, vormals Mitglied des Bundestages – ihre Standpunkte unter anderem zur künftigen Entwicklung der globalen Sicherheit, der Ausrüstung und der Wehrpflicht aus.
/ Mancher deutsche Kamerad blickt „neidvoll“ nach Österreich, wo die allgemeine Wehrpflicht (für männliche Staatsbürger) trotz Diskussionen nicht abgeschafft oder ausgesetzt, sondern bekanntlich per Volksbefragung sogar noch zusätzlich demokratiepolitisch legitimiert wurde. Freilich war damit nicht automatisch die Schaffung idealer struktureller und rechtlicher Rahmenbedingungen verbunden, wie in Hinblick auf die Dauer der Wehrpflicht. Unsere Nachbarn setzen derzeit sehr viel Energie dafür ein, Freiwillige als
Berufs- und Zeitsoldaten, aber auch als Reservisten (entspricht am ehesten unserer Miliz) zu gewinnen. Der Erfolg dürfte dabei je nach Region und Waffengattung unterschiedlich ausgeprägt sein. Es ist durchaus ein gewisser Zulauf vorhanden, der aber den Bedarf (noch?) nicht decken kann.
/ Dänemark beschreitet hingegen einen völlig anderen Weg als Deutschland. Dort wird sogar die Wehrpflicht für Frauen eingeführt, wodurch sie wirklich „allgemein“ wird. Aus dem ersten Erfahrungsbericht anlässlich der Diskussion sind die Widerstände gering und man blickt dem kommenden Zulauf zahlreicher weiblicher Kameraden sehr optimistisch entgegen.
/ Mögliche Gründe für die kolportierte positive Stimmung sind vielleicht: die andere kulturelle Prägung, eine größere Selbstverständlichkeit, als Frau einen Beitrag zur Landesverteidigung zu leisten oder auch rechtliche Rahmenbedingungen, die für eine grundsätzliche (und nicht nur punktuelle oder anlassbezogene) Gleichstellung zwischen Frauen und Männern sorgen.
/ Aus Sicht der österreichischen Delegation belegen die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen und Erfahrungswerte der anderen beiden Länder den Einsatz unserer OG für ein möglichst praxisgerechtes Ausmaß der Wehrpflicht. Es wird interessant sein, die Erfahrungen mit der allgemeinen Wehrpflicht in Dänemark zu verfolgen und mögliche Schlüsse für eine Weiterentwicklung des Wehrdienstes in Österreich zu ziehen.
/ Der zweite Teil des Seminars war die Eröffnung der Kieler Woche. Im militärischen Rahmen hielt unter anderem Vizeadmiral Frank Lenski (Befehlshaber der Flotte) ein Referat, in dem er die Herausforderungen für Europa skizzierte.
Anlässlich der Kieler Woche konnten zahlreiche Marineschiffe inspiziert werden.
Er sieht eine zentrale Rolle der deutschen Flotte in Bezug auf die Ostsee und weiteren Bedarf für eine Stärkung der Verteidigungsbereitschaft, auch durch die Gewinnung freiwilliger Reservisten sowie die enge Zusammenarbeit.
/ Im Hafen von Kiel präsentierte sich die Marine mit mehreren unterschiedlichen Schiffen: Zum Beispiel die beeindruckende Fregatte Bayern und viele weitere, vom Hohlstablenkboot bis zum Versorgungsschiff. Auch weiter angereiste Marineschiffe aus Dänemark, Frankreich und dem Baltikum sowie Schiffe anderer Behörden (Zoll) konnten besichtigt werden.
/ Das Seminar bot eine ausgezeichnete Gelegenheit, den eigenen Horizont vor allem in Bezug auf die Zukunft des Wehrdienstes sowie auch auf die uns naturgemäß weniger bekannte Form der Seestreitkräfte zu erweitern.
ZUM AUTOR
Obstlt Detlef Wimmer ist Vizepräsident der Offiziersgesellschaft Oberösterreich.
Young Reserve Officers Workshop (YROW) 2025
Von 26. Juli bis 1. August 2025 fand in der spanischen Hauptstadt Madrid der diesjährige Young Reserve Officers Workshop (YROW) 2025 statt. Eingebettet in den Sommerkongress der Interallied Confederation of Reserve Officers (CIOR) versammelte der YROW 63 junge, engagierte Miliz- und Reserveoffiziere aus 14 NATO-Mitgliedsnationen sowie aus der Partnerschaft für den Frieden (PfP). Ziel war es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aktuelle sicherheitspolitische Entwicklungen näherzubringen und den multinationalen Austausch zu stärken. Auch Österreich war dieses Jahr wieder mit einer Delegation vertreten –darunter drei Offiziere, die aktiv am YROW 2025 teilnahmen. Das inhaltliche Spektrum des Workshops war breit gefächert und vereinte strategische Fragestellungen mit praxisnahen Einblicken in militärische Abläufe und die internationale Zusammenarbeit.
/ Der Workshop machte vor allem eines deutlich: Die geopolitische Lage ist ernst. Instabilität, wachsende Spannungen und sicherheitspolitische Unwägbarkeiten prägen das internationale Umfeld. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass gerade deshalb internationale Kontakte und der persönliche Austausch mit Kameradinnen und Kameraden anderer Streitkräfte – insbesondere aus Europa – von unschätzbarem Wert sind. In mehreren Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden, aber auch im persönlichen Austausch abseits des offiziellen Programms entwickelte sich ein intensives und von gegenseitigem Respekt getragenes Miteinander, geprägt vom gemeinsamen Ziel, einen Beitrag zur internationalen Sicherheit zu leisten und die Miliz als leistungsfähige Ressource zu stärken. / Den Geist der Veranstaltung spiegelte das bekannte Zitat von Winston Churchill wider: „To be a reservist is to be twice a citizen.“ Es unterstrich vor allem den Stellenwert der Miliz als unverzichtbare Säule moderner Streitkräfte. Angesichts neuer und komplexer Bedrohungen wurde einmal mehr sichtbar, wie unverzichtbar funktionierende Milizsysteme und starke Reservekomponenten für die Verteidigungsfähigkeit und Reaktionsstärke moderner Armeen sind.
YROW-Gruppenfoto beim Besuch der Heeresfliegertruppe der spanischen Landstreitkräfte (FAMET) in COLMENAR VIEJO.
Ein inhaltlicher Höhepunkt war das wissenschaftliche Symposium zum Thema „Threats and Opportunities: NATO and the South“. In einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion wurden die aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklungen und regionalen Interessen insbesondere mit Blick auf den geopolitischen Süden fundiert beleuchtet und kritisch hinterfragt.
/ Für die österreichische Delegation war der YROW 2025 mehr als eine reine Ausbildungswoche. Er war ein klares Bekenntnis zur Rolle der Miliz im zukünftigen sicherheitspolitischen Gefüge. Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen, hybrider Bedrohungen und globaler Krisen zeigt sich mehr denn je: Es braucht Milizsoldatinnen und -soldaten, die über nationale Perspektiven hinausdenken, international vernetzt sind und Verantwortung übernehmen wollen. Der persönliche Austausch mit Kameradinnen und Kameraden aus anderen Streitkräften, das gemeinsame Reflektieren sicherheitspolitischer Entwicklungen und das Teilen von Erfahrungen bilden dafür eine unverzichtbare Grundlage.
/ Anmerkung der Redaktion: Der vollständige Bericht und Bilder zum Sommerkongress 2025 sind auf der Website der ÖOG unter oeog.at/cior2025 abrufbar.
Oberösterreich hat 1,5 Millionen Einwohner, 2023 ein Bruttoinlandsprodukt von 82 Milliarden und ist Exportmeister. Industrie, Wirtschaft, Energie, Forschung und Bildung haben höchste Standards. Die Bevölkerung ist fleißig, unternehmungslustig und konsensorientiert. Das Bundesheer genießt hohes Vertrauen.
/ Das Bundesheer ist ein Spiegelbild des Landes. Im Befehlsbereich 4 befinden sich einige technik-, wissens-, innovations- und leistungsstarke Kommanden, Verbände und Dienststellen. Es sind dies zwei Brigadekommanden, Panzer, Panzergrenadiere, Luftunterstützung mit Hubschraubern und Transportflugzeugen, Teile der Luftraumüberwachung, eine Ergänzungsabteilung mit einer Stellungskommission, die Heeresunteroffiziersakademie sowie Lehrelemente, ein Heereslogistikzentrum, Simulation, Heeresmunitionsanstalt, Personalgewinnung, Feldambulanz, Fliegerwerft, Fliegerlogistik, das Militärkommando mit seinen Betriebsstaffeln, ein Jägerbataillon Oberösterreich der Miliz, Milizanteile, Übungs- und Schießplätze, ein internationaler Flughafen und einige weitere Dienststellen des Bundesheeres. / Gemäß dem Aufbauplan 2032 des Bundesheeres wird das Militärkommando Oberösterreich Verbände im Einsatz führen. Am Fliegerhorst in Hörsching werden Transportflugzeuge C-390, Transporthubschrauber UH-60 M, Jettrainer, Drohnen mittlerer Reichweite, zeitweise auch Eurofighter stationiert. Die modernisierten Kampfpanzer Leopard bleiben in Wels. In Ried sind die modernisierten Ulan Schützenpanzer, und nach Freistadt kommen Fliegerabwehrpanzer Skyranger. Die Heeresmunitionsanstalt Stadl-Paura wird ausgebaut und in Linz zieht das Heerespersonalamt ein. Alle Standor-
te sind autarker geworden. Erhebliche Summen werden in Ausrüstung und Infrastruktur investiert. Oberösterreich wird damit ein Eckpfeiler der Landesverteidigung der Republik Österreich sein. Das Kommando hat seine Führungsfähigkeit während Covid-19 mit den Grenzkontrollen und Assistenzen, mit der Übung „Recon Summit“ 2023 und zuletzt bei der Überprüfungsübung „Donauwelle 2025“ unter Beweis gestellt. Die Planungen und Umsetzungen sind im Laufen.
/ So weit, so gut. Dennoch gibt es eine herausfordernde Entwicklung. Obwohl die Bevölkerung eine starke militärische Landesverteidigung will, leisteten 2024 über 50 % der tauglichen Staatsbürger den Wehrersatzdienst, sprich Zivildienst. Es ist dies eine Entwicklung, die über die letzten Jahre stetig weiterläuft und sich ändern
muss, soll nicht die Wehrfähigkeit in Frage gestellt werden.
/ Bei einer Befragung einer Gruppe von überwiegend jungen Männern, aber auch jungen Frauen aus allen Regionen Oberösterreichs stimmten jüngst alle Gruppenmitglieder der Bedeutung der Militärischen Landesverteidigung und des Dienstes beim Bundesheer absolut zu. Auch wird das Ansehen des Bundesheeres als hoch bewertet. Zugestimmt wurde auch der Aussage, dass die Welt immer unsicherer wird sowie eine größere Wehrhaftigkeit und mehr Zusammenhalt in der Bevölkerung erforderlich wären. Auf die darauffolgende Frage, ob man den Wehrdienst leisten würde oder geleistet hätte, war die Zustimmung dann sehr gering. Obwohl das Engagement beim Bundesheer als unverzichtbar und wichtig bezeichnet wird, geht man
Militärkommando Oberösterreich muss Verbände führen können.
doch zum Zivildienst und wundert sich vielleicht ein bisschen, dass der Wehrdienst eigentlich logischer gewesen wäre. Bei Nachfrage, warum man eigentlich so entschieden hat, kam sinngemäß von den meisten die Antwort, dass ihnen die Bedeutung in dieser Klarheit noch keiner persönlich vor Augen geführt hätte.
/ Es steht also das Warum im Mittelpunkt. Einen Hinweis haben wir demnach bereits erhalten: Die Bedeutung des Wehrdienstes muss in aller Klarheit persönlich und direkt vermittelt werden. Es ist wichtig, die Umfassende Landesverteidigung in die Schulen zu bringen und überzeugend zu erläutern. Die Informationsoffiziere in Oberösterreich sind sehr engagiert. Sie können jedoch bei Weitem nicht alle Schulen in Oberösterreich abdecken. Deshalb wurde so angesetzt, gleich die Lehrerinnen und Lehrer zu Informationsoffizieren auszubilden und einzusetzen. Ein Hochschullehrgang „Demokratieverständnis im Sinne der Geistigen Landesverteidigung“ in Kooperation zwischen der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz und dem Militärkommando Oberösterreich ist bereits gelaufen, der nächste schon in Vorbereitung. Unterstützt wird die Initiative von der Frau Bundesminister für Landesverteidigung, dem Bildungsministerium und der Bildungsdirektion Oberösterreich. Die Absolventen, Lehrerinnen und Lehrer sowie einige Angehörige des Bundesheeres, wurden offiziell zu Informationsoffizieren ernannt und unterrichten im Gegenstand Geschichte im Rahmen der Politischen Bildung die Umfassende inklusive der Militärischen Landesverteidigung. Das wird in der Anzahl jedoch noch weit nicht ausreichen. Daher wird eine Initiative aus Oberösterreich zum Bildungsministerium vorbereitet, um die Geistige Landesverteidigung zum Unterrichtsprinzip in allen Schulen Österreichs zu erklären, um damit eine entsprechende Breite und Tiefe in möglichst rascher Zeit zu haben.
/ Professor Bernhard Heinzelmaier, der seit Jahren die Einstellungen von Jugendlichen beforscht, hat bei seinem Vortrag in Hörsching gemeint, dass die Entscheidung für oder gegen
den Wehrdienst eigentlich schon im Volksschulalter entsteht. Man müsste demnach bereits dort ansetzen. Nicht umsonst sind alle anderen Einsatzorganisationen in den Volksschulen vertreten. Gemäß Heinzelmaier wird die Entscheidung zwar bei der Stellung erneuert und kann dort von wesentlichen Änderungen beeinflusst werden, beispielsweise, weil man doch nicht tauglich ist, doch nicht Kraftfahrer werden kann oder etwa, weil man weit weg vom Wohnort einrücken muss, doch sonst bleibt die Entscheidung bestehen. Wenn man zur Stellung geht, dann ist die Entscheidung grundsätzlich also schon gefallen. Als Hypothese gilt, dass sich jemand eher zu einer Organisation hingezogen fühlt, die ihm attraktiv und vertrauenswürdig erscheint und dessen Vertreter einem sympathisch sind. Daher muss man versuchen, schon möglichst frühzeitig einen derartigen Eindruck zu erwecken. Mit einem Rock-Konzert, wie es von Camouflash, der Rock-Band der Militärmusik Oberösterreich, in Hörsching im Rahmen des Schulschlusskonzertes „Rock-theBase“ stattgefunden hat, kann man viele junge Menschen erreichen und ein positives Bild von der Kaserne und dem Bundesheer zeichnen. Insbesondere alle Volksschulen zu erreichen, ist für uns schlichtweg aus Kapazitätsgrün-
den unmöglich. Die Einsatzorganisationen in Oberösterreich unterhalten dazu entweder eigene Abteilungen mit hauptamtlichen Betreuern und betreiben oftmals zusätzlich ihre eigenen Jugendorganisationen.
/ Die Präsenz des Bundesheeres bei Veranstaltungen wie Messen mit Informationsständen, öffentliche Angelobungen, Tage der Schulen, Girls' Day und Schulkonzerte der Militärmusik Oberösterreich sind sehr wichtig, wobei ein Boys' Day zu überlegen ist, weil man mit diesen Initiativen Interessierte informieren und für den Wehrdienst gewinnen kann. Leistungsschauen und Informationsstände sind beeindruckend, bieten jedoch nicht die Möglichkeit des tatsächlichen Erlebens. Auch ist zu bedenken, dass sich viele von Präsentationen nicht beeindrucken lassen und eher über andere Eindrücke und Erfahrungen ihre Entscheidung treffen. Ein gemeinsames Erlebnis, einen ersten intensiven und positiven Eindruck, für den man bekanntlich nur eine Chance hat, kann man über ein „Rock-the-Base“-Konzert vermitteln. Ein Konzert kann bunt, abwechslungsreich und personenbezogen erscheinen. In Oberösterreich wurde die Jugendarbeit bei den Heeressportvereinen wesentlich intensiviert. Die Vereine werden teilweise überrannt und
Geistige Landesverteidigung ist Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit.
können gar nicht alle aufnehmen. Auch die ersten sportlichen Erfolge stellen sich schon ein. Kinderbetreuungen werden in den Kasernen angeboten, durchgeführt vom Militärkommando Oberösterreich sowie seiner Militärpfarre. Auch hier bieten sich Gelegenheiten, das Bundesheer für die Kinder erlebbar zu machen.
/ Davon unbenommen ist es wichtig, dass in einen innovativen Stellungsbetrieb investiert wurde. Die neuen Untersuchungsmethoden, die raschen Ergebnisse und ein vernünftiges Verhalten gegenüber den Wehrpflichtigen, Verhaltenstraining, Renovierung des Gebäudes sowie Kooperation mit der Gesundheitsholding des Landes sind nur einige der Initiativen, die in Linz erfolgten. Festzustellen war, dass dennoch einige Wehrpflichtige gegenüber der Familie und Freunden die Stellung an sich gerne als Absagegrund hernehmen. Insbesondere dann, wenn ein Druck besteht, den Wehrdienst zu machen, man selbst dies aber nicht möchte. Die Stellung dürfte nunmehr eigentlich nicht mehr als Grund gelten können, dass man den Wehrdienst nicht macht. / Es kommen noch weitere Faktoren zum Tragen. In einem Hochtechnologieland, wie es Oberösterreich nun einmal ist, erscheint das Bundesheer mit seinem derzeitigen Ausrüstungsstand
noch als weniger modern und damit weniger attraktiv. Doch das sollte sich bereits ändern, weil das neue Gerät zuläuft. Das dauert natürlich noch, aber die Attraktivität des neuen Gerätes wird anziehend wirken. Die Verdienst- und Karrieremöglichkeiten in Oberösterreich sind in der Wirtschaft sehr hoch. Beim Bundesheer sind sie vergleichsweise niedriger. Die exportorientierte Wirtschaft Oberösterreichs wird von den Entwicklungen und den neuen Zöllen im Verhältnis mehr betroffen sein. Sie ist jedoch flexibel und
schlagkräftig und wird sich darauf einstellen. Daher müsste man bei den Verdienstmöglichkeiten beim Bundesheer weiter anpassen und nachbessern. / Die jungen Leute sind heute einerseits international vernetzt, doch sind sie andererseits örtlich und regional stark verbunden. Viele sind beim Sport, in der Musik, bei der Feuerwehr etc. engagiert. Der Wehrdienst bringt ein Pendeln mit sich, das der Zivildienst nicht verlangt. Dazu kommt, dass in Oberösterreich viele Standorte geschlossen wurden und ganze Regionen, ganz Linz, sogar ganze Viertel, keine Kaserne in der Nähe haben. Die jungen Oberösterreicher tun sich schwer, während des Wehrdienstes den Beruf und die Freizeit wie gewohnt weiterzuführen. Es liegt in der Natur des Wehrdienstes, dass der Sportverein, die Freiwillige Feuerwehr, der Beruf, die Ausbildung, das Studium, sogar die Beziehung zurückstehen müssen.
/ Die Zivildienstorganisationen in Oberösterreich haben darüber hinaus ein perfektes Angebotssystem für die jungen Männer etabliert, das von den Schulen über regionale Beratungszentren bis hin zu attraktiven Internetauftritten reicht und vom Land Oberösterreich erheblich unterstützt wird. Die Beratung erfolgt individuell und mit persönlichem Bezug. Bei der Stellung kann man Wünsche hinsichtlich des Termins und des Ortes der Einberufung äußern. Ein Effekt des Überhandnehmens mangelnder Bereitschaft zur
Kinderbetreuung macht offenkundig, wie die Jungen ticken.
Botschafter an die Jugend – Militärmusik OÖ im Schloss Orth.
Ableistung des Grundwehrdienstes dürfte sich auch eingestellt haben, weil natürlich in den Familien und im Freundes- und Bekanntenkreis immer weniger Wehrdienstleistende sind und dadurch die Vorbildwirkung nachlässt. Wenn der Großvater, der Vater, die Onkeln und Freunde Zivildienst geleistet haben, dann wird man sich als junger Mann eher dafür entscheiden.
/ Bemerkenswert ist auch, dass der Bedarf an Zivildienern ständig größer wird. Somit steigt das Engagement der Zivildienstorganisationen dementsprechend stetig genauso an. Die Zivildienstorganisationen rechnen schon jährlich mit ihren zusätzlichen Prozenten an Zivildienern. Es darf daher schon die Frage gestattet sein, warum es seit Jahrzehnten jährlich einen höheren Bedarf an Zivildienern gibt. Die Zivildienstorganisationen setzen sich gegenüber der Politik stark dafür ein, den Dienst für die Zivildiener zu verbessern. Gerne wird transportiert, dass ein Zivildiener wesentliche Nachteile gegenüber dem Grundwehrdiener hätte. Viele sehen sich daher veranlasst, sich noch mehr für den Zivildienst einzusetzen.
/ Ein allfällig zu erwartender Effekt von Wehrbereitschaft durch die Bedrohungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg blieb hinter den Erwartungen zurück. Für die Republik Österreich, für unser gemeinsames Vaterland, eine glaubwürdige Verteidigungswilligkeit gegenüber möglichen Aggressoren zu zeigen, scheint nicht eingetreten zu sein. Viele meinen, das Land soll verteidigen wer will, nur nicht ich. Die Wehrdienstleistenden sind daher unser größter Schatz und das Wertvollste, was das Bundesland hervorbringt. Diese jungen Männer treffen ihre Entscheidung ganz bewusst und entgegen dem gesellschaftlichen Zeitgeist. Ich begegne gestandenen Männern, die ihre Entscheidung aus Überzeugung zur Republik, zur militärischen Landesverteidigung und zum Bundesheer treffen. Ihnen gebührt die höchste Anerkennung, der tiefste Respekt und das größte Lob aller. Nehmen wir uns der jungen Männer noch mehr an! / Unsere Ressortchefin hat für die Attraktivierung des Wehrdienstes Immenses geleistet. Eine intensive Ursa-
chenforschung mit Berücksichtigung von Anregungen, Wünschen, Vorschlägen, Beschwerden etc. wurde zusätzlich laufend durchgeführt und viele Maßnahmen gesetzt. Motto: Nichts darf unversucht bleiben. Es ist anzunehmen, dass die Entwicklung hin zum Zivildienst dadurch abgeflacht wurde. Es bleibt jedoch festzustellen, dass viele Ursachen außerhalb unserer Einflussmacht liegen. Es geht nicht alleine darum, wie lange ein Grundwehrdienst dauert. Die jungen Männer sollen zum Bundesheer gehen und einrücken! Denn die Milizarmee, die präsenten Kräfte und die Auslandseinsätze funktionieren nur, wenn wehrentschlossene junge Männer einrücken. Wenn es immer weniger werden, dann wird der Wehrdienst von selbst unattraktiver, weil beispielsweise die Dienste auf weniger Soldaten aufgeteilt werden müssen.
/ Das Bundesheer in Oberösterreich wird sich weiterhin um seine Jugend im Bundesland annehmen. Es wurde bereits umgedacht, wir müssen uns um die ganz Jungen kümmern. Neue Methoden sie zu erreichen, werden bereits erfolgreich umgesetzt. Das Bundesheer zeigt sich hierzu sympathisch, bunt und attraktiv. Doch das Bundesheer in Oberösterreich kann den Zeitgeist und die gesellschaftspolitischen Entwicklungen nicht alleine umkehren. Bei allem Verständnis um den Bedarf und die Notwendigkeiten der Zivildienstorganisationen, die ge-
samtstaatlichen Prioritäten haben sich verschoben. Es kann nicht sein, dass man automatisch mit jährlichen Zuwächsen an Zivildienern rechnet. Um den Aufbauplan umzusetzen, müssen die Maßnahmen rasch greifen. Daher muss man auch über eine Deckelung des Zivildienstes nachdenken dürfen. Nur mit einem glaubhaften Bundesheer bleiben wir wehrhaft! Dazu braucht es überzeugte und wehrwillige Grundwehrdiener, Berufs- und Milizsoldaten, getragen von einer wehrhaften Gesellschaft und Bevölkerung.
Aufbauplan ÖBH2032+ und die Erneuerung der Luftstreitkräfte sowie Luftverteidigung
Nach vielen Jahren der fehlenden Ressourcen gilt es, signifikante Fähigkeitslücken des Österreichischen Bundesheers (ÖBH) zu schließen. Das Streitkräfteprofil „Unser Heer“ zeigt die Richtung und durch das LandesverteidigungsFinanzierungsgesetz werden die finanziellen Ressourcen bereitgestellt. Der Aufbauplan ÖBH2032+ definiert die Umsetzung und somit die Erneuerung der Luftstreitkräfte.
/ Auf Grund der geänderten strategischen Rahmenbedingungen legt das Bundesheer den Fokus wieder auf die militärische Landesverteidigung und muss die Zeit nutzen, um die Fähigkeit zum Kampf wiederherzustellen. Diese ist abgeleitet von den Vorgaben der Bundesregierung durch das Streitkräfteprofil „Unser Heer“ und das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz sowie die Grundsatzdokumente der Europäischen Union (EU).
/ Während der vergangenen 30 Jahre hat das Bundesheer eine stetige Reduktion seines Umfanges und Minderung der Fähigkeiten zur Kampfführung durchlaufen. In wesentlichen Bereichen hat die Kompetenz zur militärischen Landesverteidigung stark gelitten und es besteht umfassender Nachholbedarf.
/ Die militärische Landesverteidigung ist bestimmend für das künftige Bundesheer und dient der Abwehr überwiegend subkonventioneller, souveränitätsgefährdender Angriffe auf die Republik Österreich und die österreichische Bevölkerung in den Domänen Land, Luftsowie Cyber-Raum und im Informationsumfeld, die nur mit militärischen Mitteln abgewehrt werden können. Hingegen ist der sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsatz eine Unterstützung der Exekutive zur Abwehr eines Angriffes auf die Souveränität Österreichs, welcher von außen gesteuert wird.
Der Aufbauplan des ÖBH2032+ ist das Schließen von Fähigkeitslücken, welches das Bundesheer befähigt, aktuellen und zukünftigen Bedrohungen zu begegnen, um Österreich und seine Bevölkerung zu schützen. Dies umfasst die Abwehr konventioneller Bedrohungen, aber auch hybrider Bedrohungen, wie beispielsweise von subkonventionell agierenden Kräften, Angriffen im Cyber-Raum, aus der Luft oder im Informationsumfeld.
/ Mit dem Aufbauplan ÖBH2032+ ist die Umsetzung des Streitkräfteprofils „Unser Heer“ in militärische Fähigkeiten geplant. Dabei sind drei Aspekte wesentlich, um die Anforderungen an militärische Kräfte im sich ständig verschlechternden Sicherheitsumfeld zu erfüllen:
• ausreichend qualifiziertes und motiviertes Personal;
• ausreichende Ausbildungs-, Übungs- und Betriebserfordernisse;
• moderne und zukunftsweisende Fähigkeiten bei der Truppe.
Für den Einsatz von hochkomplexen Waffensystemen sowie den Erhalt der Fähigkeiten ist ein qualifiziertes sowie motiviertes Personal in der entsprechenden Quantität erforderlich. Das Personal muss im Fokus des Fähigkeitsaufbaues liegen. Dieses Personal muss eine hohe Einsatzbereitschaft und einen hohen Ausbildungsstand haben. Höhere Entlohnung und Förderungsmaßnahmen sind daher im Personalbereich als Anreiz unabdingbar. Die Mobilmachungsstärke von 55.000 Soldatinnen und Soldaten wird vorerst beibehalten.
/ Der jahrzehntelange Investitionsrückstau bei der Infrastruktur macht eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich, um einen qualitativ hochwertigen Rahmen für die Ausbildung und
Einsatzvorbereitung des Bundesheeres zu gewährleisten. Kasernen und Fliegerhorste sind auch auf ihre Rolle als Einsatzbasen für die militärische Landesverteidigung auszurichten. Der erhöhte Schutzbedarf für militärische Einrichtungen lässt sich aus der erhöhten hybriden Bedrohung (vor allem aus der Luft) ableiten.
/ Die Anforderungen an die Ausrüstung sind eine große Herausforderung. Dabei wird in drei Kernbereiche investiert:
• Verbesserung der Mobilität der Einsatzkräfte;
• Erhöhung des Schutzes und der Wirkung für die Soldaten;
• Steigerung der Autarkie und Nachhaltigkeit zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft.
Die Mobilität der Einsatzkräfte ist ebenso von entscheidender Bedeutung. Bei der taktischen Luftmobilität werden die C-130-„Hercules“-Transportflugzeuge durch vier Embraer C-390 ersetzt. Die altgedienten Hubschrauber „Alouette“ III und OH-58 „Kiowa“ werden durch die Leonardo AW-169 „Lion“ sowie die AB-212 durch neue Black Hawks UH-60M ersetzt, um eine Zweiflottenstrategie umzusetzen. Die aktive Luftraumüberwachung soll vor allem ergänzt bzw. verstärkt werden. Moderne überschallfähige Kampfflugzeuge sollen zukünftig eine permanente aktive Luftraumüberwachung bis hin zur Luftverteidigung gewährleisten. Der moderne Advanced Jet Trainer/Fighter Attack (AJT/FA), die Leonardo M-346FA, soll eine durchgehend nationale Militärpilotenausbildung und die Luft-Boden-Wirkung erfüllen. Bei einer Luftraumsicherungsoperation bis hin zur Luftverteidigung werden die M-346FA gegen Luftfahrzeuge im mittleren Geschwindigkeitsbereich und in geringeren Höhen
eingesetzt, um die Kampfflugzeuge „Eurofighter“ zu ergänzen.
/ Die deutliche Fähigkeitserweiterung der bodengebundenen Luftabwehrtruppe zu Schutz und Wirkung umfasst die Befähigung zum Schutz vor und zur Wirkung gegen Drohnenangriffe, die Kampfwertsteigerung der Fliegerabwehrkanonen sowie die Beschaffung und Einführung von Fliegerabwehrlenkwaffensystemen mittlerer Reichweite (bis 50 km). Gemäß dem Regierungsprogramm sollen auch Systeme großer Reichweite (über 50 km) berücksichtigt werden, jedoch bedarf es dafür einer Sonderfinanzierung. Dadurch wird im Bereich der bodengebundenen Luftabwehrtruppe eine noch nie vorhandene Fähigkeit geschaffen. Die European Sky Shield Initiative (ESSI), an der insgesamt über 20 Staaten teilnehmen, ist eine historische Chance für Österreich, um das erste Mal von einer ernsthaften Luftverteidigung zu sprechen. Der Wiederaufbau der Begleitschutzfähigkeit durch den Flugabwehr-Pandur 6x6 („Skyranger“) zum Schutz der Bodentruppen ergänzt diese Fähigkeit.
/ Die Luftaufklärung als Mittel für alle Teilstreitkräfte hat hohe Priorität.
Es sollen Drohnen unterschiedlicher Klassen sowie ein Remote Piloted Vehicle (RPV) in Form eines Airborne Ground Surveillance and Reconnaissance (AGSR), also ferngesteuert und luftgestützt, in mittlerer Höhe und mit langer Einsatzdauer (über 24 Stunden) eingeführt werden.
/ Das Bundesheer und somit die Luftstreitkräfte müssen in der Krise funktionieren, wenn „sonst nichts mehr funktioniert“. Autarkie und Nachhaltigkeit bei den Kasernen und Fliegerhorsten kommt in diesem Zusammenhang zusätzliche Bedeutung zu. Dies umfasst militärspezifische, auf Einsatzerfordernisse ausgelegte Infrastruktur sowie (Sonder-)Bauten, Schutzbauten in militärischen Einrichtungen und die Verbesserung der militärischen Sicherheit (z. B. Überwachungsanlagen). Für die Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit von Kasernen und Fliegerhorsten ist eine Bevorratung aller Versorgungsgüter für zumindest 14 Tage erforderlich. Dabei ist auch eine funktionierende Sanitäts- und Logistikorganisation für den Einsatz wichtig.
/ Die Luftstreitkräfte sollen befähigt werden, in einem künftigen Konflikt
auftretende Bedrohungen aus der Luft abzuwehren, die Lufthoheit zu wahren, um die Souveränität der Republik Österreich zu verteidigen und die österreichische Bevölkerung zu schützen. Die Modernisierung und Neuausrichtung erfolgt evolutionär und wird mehrere Jahre dauern. Dennoch ist es das Personal, welches all diese Modernisierungen, Ausbildungen und Einsatzvorbereitung absolvieren und umsetzen wird, um die Luftstreitkräfte fit für das Jahr 2032+ zu machen.
Generalmajor Mag. Gerfried Promberger, MSS Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte und Air Chief des Österreichischen Bundesheeres.
Leserbrief: Allgemeine Wehrpflicht
Es wäre jetzt wohl an der Zeit, über eine Ausschöpfung der „Allgemeinen Wehrpflicht“ nachzudenken, d. h. diese auch auf Frauen auszuweiten, um mehr Potenz für Gestaltungsmöglichkeit zu haben.
/ Der Blick in den Spiegel der Vergangenheit zeigt, dass der Zugang für Frauen zum Dienst im Militär besonders ab dem 18. Jahrhundert äußerst beschränkt bis verwehrt war. Jedoch verschafften sich immer wieder als Männer verkleidete Frauen Eingang in diese Männerdomäne.
/ Ein wenig bekanntes österreichisches Beispiel unter den als Mann getarnten Soldatinnen ist Johanna
Kettner. Sie trat 1747 in die kaiserliche Armee ein und wurde für ihren tapferen Einsatz in den Kämpfen von Piacenza zum Korporal befördert. Maria Theresia gewährte ihr sogar eine lebenslange Pension.
/ Seit 1998 können Frauen freiwillig im Rahmen eines Ausbildungsdienstes im Bundesheer dienen. 662 betrug die Zahl im März 2022.
/ Nach diesem historischen Seitenblick zurück in die Gegenwart. Man verabschiede sich von der „Allgemeinen Wehrpflicht“ nur für männliche Staatsbürger. Den jungen Frauen steht es wie den jungen Männern frei, Dienst im Heer oder Zivildienst zu leisten. Die
Wehrpflicht würde für Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen sorgen. Das Bundesheer hätte einen größeren Spielraum durch mehr Kräfte, dadurch wäre ein Freispielen von „Kämpfern“ möglich und dem Zivildienst stünde ausreichend Personal für den Pflege- und Betreuungsbereich zur Verfügung. Auch das Anwerben wäre dann effizienter.
Danke an Brigadier i.R. Ambros Eigentler für die Anregung zum teilweisen Abdruck eines Leserbriefes, der bereits am 06.10.2022 in der „Tiroler Tageszeitung“ veröffentlicht wurde, als Ergänzung zum Thema Wehrpflicht auch für Frauen „Der Offizier" 2/25.
ZUM AUTOR
Sky Shield –Europas Schutzschirm und Österreichs Rolle
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die europäische Sicherheitsarchitektur erschüttert und die Verwundbarkeit der Staaten gegenüber Bedrohungen aus der Luft deutlich gemacht – sei es durch Drohnen, Marschflugkörper, ballistische Raketen oder Hyperschallwaffen. Als Reaktion darauf wurde 2022 von Deutschland die European Sky Shield Initiative (ESSI) ins Leben gerufen, ein Projekt zum Aufbau eines verbesserten europäischen Luftverteidigungs- und Raketenabwehrsystems. Auch Österreich beteiligt sich daran; die Teilnahme ist im aktuellen Regierungsprogramm verankert.
/ Trotz der geographischen Lage – das Land ist, abgesehen von der Schweiz und Liechtenstein, vollständig von NATO-Staaten umgeben – bleibt die sicherheitspolitische Realität komplex. Denn Österreich ist neutral und keinem Militärbündnis beigetreten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Bevölkerung und kritische Infrastruktur aus eigener Verantwortung zu schützen. Sky Shield bedeutet in diesem Kontext, einen Schutzschirm über Österreich zu spannen, der Bedrohungen abwehrt und Souveränität wahrt.
/ Bislang beteiligen sich 24 europäische Nationen an der Initiative. Ziel ist es, gemeinsam jene Waffensysteme zu beschaffen und deren Betrieb sicherzustellen, die für eine moderne Luftverteidigung erforderlich sind. Dabei wird berücksichtigt, welches Land welchen Bedarf hat und über welche Fähigkeiten es verfügt. Durch diese koordinierte Beschaffung entstehen mehrere Vorteile: Zum einen wird die Interoperabilität erhöht, da die Staaten auf kompatible Systeme und Munition zurückgreifen können und sich im Einsatzfall unterstützen. Zum anderen wirkt sich die Zusammenarbeit finanziell positiv aus. Größere Bestellmengen reduzieren die Anschaffungskosten, während gemeinsame Logistik, Instandhaltung und Materialerhaltung die Betriebskosten senken. Dennoch trägt jede Nation ihre jeweiligen Anteile selbst.
/ Im Kern zielt die Initiative auf den Aufbau einer mehrschichtigen Luftverteidigung. Militärisch wird hier von drei Abfangschichten gesprochen, die nach Reichweite und Höhe definiert sind. Systeme kurzer Reichweite sichern einen Bereich bis 15 Kilometer Distanz und bis sechs Kilometer Höhe. Mittelstreckensysteme decken 15 bis 50 Kilometer bei maximal 25 Kilometern Höhe ab. Systeme großer Reichweite schließlich schützen über 50 Kilometer hinaus und bis in Höhen von 35 Kilometern.
/ Für Österreich bestehen in allen drei Bereichen Fähigkeitslücken. Diese sollen durch den Aufbauplan ÖBH 2032+ sowie durch die Teilnahme an Sky Shield schrittweise ge-
schlossen werden. Dabei geht es sowohl um den Aufbau neuer Kapazitäten als auch um die Stärkung vorhandener Fähigkeiten. Österreich leistet so einen Beitrag zum europäischen Schutzschirm und erhöht zugleich die eigene Verteidigungsfähigkeit.
/ Ein oft diskutierter Punkt ist die Vereinbarkeit mit der Neutralität. Im Juli 2023 unterzeichnete Verteidigungsministerin Klaudia Tanner mit ihrer Schweizer Amtskollegin eine Absichtserklärung zur Teilnahme, im Mai 2024 folgte ein Memorandum of Understanding. In einer Zusatzerklärung wurde festgehalten, dass sich beide Länder zwar an gemeinsamen Beschaffungs- und Ausbildungsmaßnahmen beteiligen, operative Maßnahmen jedoch ausgeschlossen bleiben. Damit ist gewährleistet, dass Österreich weder Teil eines Militärbündnisses wird noch fremde Stützpunkte auf eigenem Staatsgebiet zulässt.
/ Die Bedrohungslage, der Sky Shield begegnen soll, ist konkret: Unbemannte Systeme, fehlgeleitete Drohnen, militärische Luftfahrzeuge oder ballistische Raketen können jederzeit auch den österreichischen Luftraum betreffen. Für deren Abwehr gilt ein klarer Grundsatz: Die Waffenauslösung erfolgt ausschließlich national und nur gegen Ziele im österreichischen Luftraum. Ein Eingreifen anderer Staaten ist weder vorgesehen noch zulässig. Damit bleibt die Entscheidungshoheit über Leben und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in nationaler Hand.
/ Sky Shield ist somit weit mehr als ein militärisches Beschaffungsprogramm. Es stellt ein sicherheitspolitisches Signal dar: Österreich bleibt neutral, aber nicht schutzlos. In Abstimmung mit europäischen Partnern entsteht ein Schutzschirm, der das Land widerstandsfähiger gegen Bedrohungen aus dem Luftraum macht und zugleich die eigene Souveränität wahrt.
Sicherheitspolitische Tage
Schule als Ort der Resilienzbildung
Sicherheitsbewusstsein ist kein angeborenes Merkmal – es muss gebildet, gepflegt und im gesellschaftlichen Diskurs verankert werden. In einem Europa, das zunehmend unter dem Druck geopolitischer Verschiebungen, digitaler Bedrohungen und wirtschaftlicher Erpressbarkeit steht, ist die Fähigkeit zur sicherheitspolitischen Selbstvergewisserung ein strategischer Imperativ. Für einen neutralen Staat wie Österreich bedeutet das nicht weniger als die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle in einer krisenanfälligen Weltordnung.
Standeskontrolle BHAK Füsi und BHAK Eisenstadt.
Die Sicherheitspolitischen Tage, die vom 25. bis 27. Februar 2025 in der Daun-Kaserne in Wiener Neustadt stattfanden, sind genau in diesem Geist entstanden. Sie verbanden schulische Bildung mit strategischem Denken, junge Perspektiven mit militärischer Realität und juristische Kompetenz mit sicherheitspolitischer Analyse. In einer dreitägigen, strukturiert aufgebauten Veranstaltung wurden zentrale Fragen der Umfassenden Landesverteidigung (ULV) diskutiert, reflektiert und bearbeitet – nicht im klassischen Frontalunterricht, sondern durch eigenständige, praxisnahe Projektarbeit.
/ Das Projekt wurde getragen von zwei Ausbildungsstätten mit komplementären Schwerpunkten: der BHAK für Führung und Sicherheit in Wiener Neustadt mit Fokus auf sicherheitspolitischer Bildung und der JusHAK
Eisenstadt mit juristischer Spezialisierung. Diese Verbindung ermöglichte eine tiefgehende, interdisziplinäre Bearbeitung sicherheitspolitischer Fragestellungen durch Schülerinnen und Schüler zweier dritter Klassen, die in gemischten Teams arbeiteten. / Was dieses Projekt besonders macht, ist die einjährige Vorbereitungszeit, in der gemeinsam mit Experten aus Militär, Recht, Wissenschaft und Pädagogik vier komplexe Arbeitspakete entwickelt wurden – zugeschnitten auf aktuelle, reale Herausforderungen Österreichs. Es wurde von Beginn an großer Wert daraufgelegt, dass die Inhalte nicht abstrakt oder historisch rückwärtsgewandt sind, sondern dass sie sich direkt auf die sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lagen der Gegenwart beziehen. Genau das unterscheidet die Sicherheitspolitischen Tage von herkömmlichen Bildungsformaten.
Krisen begreifen – Sicherheit verstehen: Projektarbeit auf strategischem Niveau
Die vier Themenbereiche – Ressourcenknappheit, Neutralität und Rüstung, Künstliche Intelligenz und Cyberkriminalität sowie Wirtschaftskriege – wurden von den Schülergruppen in strukturierter Eigenverantwortung bearbeitet. Jedes Arbeitspaket verlangte die Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Fakten, rechtlichen Rahmenbedingungen und sicherheitspolitischen Implikationen. Unterstützt durch moderne Werkzeuge wie KI-gestützte Recherchesoftware, SWOT-Vorlagen, Risikobilder des Bundesheeres und aktuelle politische Lageberichte, arbeiteten die Gruppen inhaltlich auf bemerkenswertem Niveau.
/ So wurden etwa bei der Auseinandersetzung mit Ressourcenknappheit die verwundbaren Abhängigkeiten Österreichs von externen Energie-
und Rohstoffquellen analysiert, einschließlich möglicher geopolitischer Erpressbarkeit durch Drittstaaten. Neben wirtschaftlichen Aspekten – etwa Preisvolatilität, Importabhängigkeit oder Lieferkettenstabilität – wurden auch rechtliche Unsicherheiten thematisiert, etwa im Hinblick auf Vertragsbindungen in Krisenfällen oder auf die Rolle der EU-Energiepolitik in Bezug auf nationale Autonomie. Als sicherheitspolitisches Ergebnis wurde u. a. empfohlen, strategische Reserven auszubauen, Resilienz durch Diversifikation zu fördern und gesetzliche Vorsorgemechanismen zu schaffen.
/ Im Themenfeld Cyberkriminalität und Künstliche Intelligenz wurden Fragen der digitalen Gefährdungslage aufgearbeitet – von Ransomware-Attacken über KI-gestützte Desinformation bis hin zu Angriffen auf kritische Infrastrukturen. Die Schülerinnen und Schüler bewerteten die rechtlichen Spielräume im Umgang mit KI-Systemen, diskutierten Datenschutz in sicherheitsrelevanten Szenarien und entwickelten sogar politische Verbesserungsvorschläge.
/ Das Paket Neutralität und Rüstung konzentrierte sich auf die zentrale Frage, wie Österreich seine traditionelle Neutralität in einer zunehmend polarisierten Welt aufrechterhalten kann – ohne in sicherheitspolitische Isolation zu geraten. Hier standen völkerrechtliche Grundlagen, politische Entwicklungen rund um EU-Kooperationen und internationale Abkommen ebenso im Fokus wie die kritische Reflexion über den tatsächlichen Zustand der österreichischen Verteidigungsfähigkeit.
/ Im Bereich Wirtschaftskriege analysierten die Schülergruppen, wie wirtschaftliche Machtinstrumente –etwa Sanktionen, Rohstoffzugänge oder globale Abhängigkeiten – als Teil sicherheitspolitischer Strategien eingesetzt werden. Die Ergebnisse
mündeten in konkrete Vorschläge, etwa für ein staatlich koordiniertes Frühwarnsystem für ökonomische Bedrohungen.
Erarbeitung der Inhalte (gemischte Gruppen).
Einen wertvollen inhaltlichen Rahmen gaben zwei hochkarätige Vorträge: Oberst Seiser eröffnete das Projekt mit einer systematischen Einführung in die Umfassende Landesverteidigung, wobei er deren vier Säulen anschaulich darstellte und die Bedeutung der „geistigen Landesverteidigung“ besonders hervorhob –als bewusste Auseinandersetzung mit Werten, Demokratie und staatlicher Verantwortung. Im Anschluss erläuterte Oberst Wolf den aktuellen Risikobericht und stellte zentrale sicherheitspolitische Entwicklungen im europäischen und globalen Kontext dar. Dabei betonte er insbesondere die zunehmende Komplexität der Bedrohungslage – von Cyber-Angriffen über geopolitische Machtverschiebungen bis hin zur Destabilisierung von Lieferketten. Beide Vorträge lieferten den Schülergruppen eine fundierte Grundlage für ihre thematische Arbeit.
/ Alle Gruppen erarbeiteten in intensiver Gruppenarbeit eine 25-minütige Abschlusspräsentation, die am dritten Projekttag vor hochrangigen Vertretern des Österreichischen Bundesheeres abgehalten wurde. Dabei wurden nicht nur Analysen präsentiert, sondern auch eigene politische Empfehlungen ausgesprochen – getragen von der Überzeugung, dass Sicherheitspolitik kein abstraktes Konzept, sondern konkrete Zukunftsgestaltung ist.
Die Bandbreite der Beiträge, ihre fachliche Qualität und der reflektierte Umgang mit teils heiklen sicherheitspolitischen Themen machten klar: Junge Menschen können Verantwor-
tung übernehmen – wenn man ihnen das nötige Vertrauen, die Werkzeuge und die richtigen Fragen gibt.
Präsentationstag vor Vertretern des ÖBH.
Zukunftsperspektive, Verstetigung und Projektteam
Die Sicherheitspolitischen Tage sollen künftig alle zwei Jahre stattfinden. Ein begleitender QualitätsmanagementZyklus stellt sicher, dass die Inhalte laufend überprüft, weiterentwickelt und an neue Entwicklungen angepasst werden – sei es im militärischen, rechtlichen oder technologischen Bereich. Ziel ist es, das Projekt zu einem festen Bestandteil einer zukunftsfähigen sicherheitspolitischen Bildungskultur zu machen – schulisch verankert, inhaltlich aktuell und methodisch anschlussfähig.
/ Generalmajor Mag. Anton Wessely war der Impulsgeber und Initiator dieses Projekts. Die Bildungsdirektion Burgenland, vertreten durch MMag. Bernd Hochwarter, unterstützte die Entwicklung maßgeblich. Ein besonderer Dank gilt Mjr Mag. Manfred Weigert, dem Direktor der BHAK für Führung und Sicherheit, für seinen engagierten Beitrag zur Organisation.
/ Die inhaltliche und organisatorische Verantwortung lag beim Projektteam:
• OltExp Mag. Bernd Szekely (BHAK Eisenstadt)
• Julia Mötz MSc (WU) (BHAK für Führung und Sicherheit)
• Olt Mag. Raphael Messner (BHAK für Führung und Sicherheit)
• RA Mag. Alexander Putzendoppler (BHAK für Führung und Sicherheit)
• Mag. Iris Strobl (BHAK Eisenstadt)
Sie haben gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern gezeigt: Sicherheit ist kein Zustand, sondern eine Aufgabe – und Bildung ist ihr wirksamstes Instrument. Denn: Sicherheit beginnt
im Kopf. Und Bildung ist ihre erste Verteidigungslinie.
• Lehrer für Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Informatik an der BHAK-Eisenstadt
• Lektor für Finanzmathematik, Grundlagen der Digitalisierung und Betriebswirtschaft an der FH Burgenland
• Militärexperte für Bildungsinformatik (AusbG)
ZUM AUTOR
Traditionspflege im Verteidigungsressort
Die Notwendigkeit einer aktiv gelebten Militärkultur
Auf den Ausführungen von ObstdIntD Mag. Mörtz in der Zeitschrift der Österreichischen Offiziersgesellschaft „Der Offizier 4/2024“ aufbauend, soll der gegenständliche Bericht als Ergänzung gesehen werden, den der Autor – als Offizier, Militärhistoriker und mehrjähriger Referent für Militärkultur in der Zentralstelle des Verteidigungsressorts – hier einbringt. Ziel des Beitrages ist es, dem Leser die gültigen und maßgebenden Grundlagen und Rahmenbedingungen der Traditionspflege im Ressort näherzubringen und vor allem die Notwendigkeit für eine aktive und zeitangepasste Traditionspflege aufzuzeigen. / Der Begriff der Militärkultur, der weder im Militärlexikon noch in Wikipedia aufgenommen ist, wurde unter anderem in einer Anlage zum Militärstrategischen Konzept 2014 wie folgt definiert: „Militärkultur ist als spezielle Kultur von militärischen Organisationen anzusprechen. Sie beruht auf Traditionen, Werten, Normen sowie militärischen Tugenden und kommt vor allem im Einsatz, aber auch im Frieden in der Art und Weise des militärischen Handelns aller hierarchischen Ebenen zum Ausdruck.“ In der strategischen Betrachtung wurde Militärkultur in die Teilbereiche Militärgeschichte, Militärischer Dienstbetrieb und Militärethik gegliedert. Einen Aspekt der Militärgeschichte nahmen die Tradition und die Traditionspflege ein. An dieser Stelle ist, um den Titel des Beitrages zu erklären, zu erwähnen, dass das Aufgabenfeld der Kultur einer Organisation auf strategischer Ebene anzusiedeln und zu behandeln ist. Dies gilt im zivilen Umfeld ebenso wie für militärische Organisationen, da sie doch für das gesamte System – Zentralstelle und Bundesheer, Soldaten und Zivilbedienstete – richtungsweisend ist. Militärkultur schafft eine Identität nach innen und eine Identitätsbehauptung nach außen. „Was für eine Person der Charakter, ist für eine Organisation die Kultur“, so Edgar Schein.
Traditionserlass
Die aus dem Jahr 2010 stammende „Anordnung – Traditionspflege im Bundesheer“ stellt den seit Bestehen des Österreichischen Bundesheeres in der Zweiten Republik letzten und gültigen Erlass dar. Dabei ist der Terminus der Tradition in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Traditionspflege zu sehen. Tradition selbst ist hiebei schon als eine reflektierte Form der Geschichte zu betrachten. Während sich Geschichte nicht verändern lässt, kann sich die Perzeption auf diese von Mensch zu Mensch bzw. von Standpunkt zu Standpunkt unterscheiden. Damit entstehen oftmals divergente
Geschichtsbilder. Mit der Weitergabe von gleichbleibenden Werten und Normen sollen künftige Generationen positiv beeinflusst werden. Wer aber definiert diese Konstanz bzw. Stabilität? Hinzu kommt, dass in einer Organisation wie dem Österreichischen Bundesheer – welches unter dem Primat der Politik steht und als Teil der Gesellschaft dieser dient –Tradition kein rein innermilitärisches Thema ist und sein kann. Tradition steht im Einfluss von Politik und der Bevölkerung. Sie muss eine Rechtskonformität aufweisen und den Gesetzen bzw. Grundpfeilern wie der Bundesverfassung oder den Menschenrechten entsprechen. Daher müssen Soldatinnen und Soldaten, in einer postheroischen Gesellschaft, die immer mehr auf das Individuum fokussiert, als „Bürger in Uniform“ durch Dialog und Transparenz mit ihrem Umfeld interagieren und auf die für sie und die Organisation entscheidenden kulturellen Werte hinweisen.1 Das Wissen über die eigene Kultur – und die eigene Tradition – ist im Umgang mit den Menschen, als die wertvollste Ressource des Ressorts, und in der Auftragserteilung an die Soldaten unerlässlich. / Um mit ihren vergangenheitsbezogenen Orientierungshilfen hinkünftig eine leistungssteigernde und motivierende Wirkung zu erzielen, ist es notwendig, dass die Traditionspflege einer ständigen Interpretation unterzogen wird. Dabei dürfen „immergültige“ soldatische Tugenden und Werte (Mut, Tapferkeit, Kameradschaft, Disziplin etc.) nicht über Bord geworfen werden. Für ihre Zweckdienlichkeit hat sie kontext- und zeitabhängig zu sein. Der persönliche Bezug, das Verständnis und die Greifbarkeit – örtlich und zeitlich –unterstützen die Effektivität. Dies sei hier am Bespiel der Kasernennamen dargestellt. Die Benennung einer militärischen Liegenschaft nach „Montecuccoli“ in Vorarlberg würde ebenso wenig Sinn ergeben wie eine „Erzherzog Johann Kaserne“ in Wien. Den zeitlichen Aspekt abdeckend bezeugt das Muster einer Kaserne der Deutschen Bundeswehr in Hannover. Im Jahr 2018 wurde die „Emmich-Cambrai-Kaserne“ (Referenz auf den General der Infanterie Otto von Emmich – Beförderung 1909 – und die Panzerschlacht bei Cambrai im Ersten Weltkrieg) in „Hauptfeldwebel Lagenstein Kaserne“ (einen in Afghanistan gefallenen Personenschützer) umbenannt. Erst der persönliche Bezug macht Geschichte erlebbar. Somit ist es sinnvoll und notwendig, dass sich Traditionen und die Traditionspflege weiterentwickeln.
/ Tradition als wertebezogene Auswahl der Geschichte zu verstehen, lässt das Erfordernis nach der Festlegung von traditionsbildenden Elementen entstehen. Im bereits erwähn- ›
1 Anm.: Das Militär als „Subkultur“ einer Gesellschaft hat sich jedoch von anderen „Subkulturen“ zu differenzieren. Um seine spezifischen Aufgaben auch im Einsatzfall zum Schutz der Bevölkerung erfüllen zu können, darf das nachvollziehbare latente Harmoniebedürfnis einer Gesellschaft nicht umfassend in das System inkorporiert werden.
ten Erlass zur Traditionspflege wurden folgende Bereiche der österreichischen Militärgeschichte hiezu definiert:
• das Bundesheer der Zweiten Republik (einschließlich der B-Gendarmerie) mit seinen nationalen und internationalen Einsätzen
• die Streitkräfte der Ersten Republik
• die k.(u.)k. Armee
• die Garnison, die Waffengattung, das Bundesland
Diese taxative Aufzählung ist abschließend UND prioritär zu verstehen. Dies bedeutet, dass keine anderen Phasen traditionsbildend sein dürfen. So können das Dritte Reich und die Deutsche Wehrmacht für das Bundesheer nicht traditionsbildend sein. Wohl können aber vorbildhafte und im Einzelfall zu prüfende Verhaltensweisen von Österreichern in der Deutschen Wehrmacht und von Männern und Frauen des proösterreichischen Widerstandes ein Element der Traditionspflege sein.
/ Außerdem hat das Österreichische Bundesheer der Zweiten Republik gemäß der Reihung das Schwergewicht in der Traditionspflege einzunehmen. De facto wird der k.(u.)k. Armee verhältnismäßig jedoch ein wesentlich höherer Stellenwert zugemessen als vorgesehen. Die jeweilige Garnison bzw. die Waffengattung werden hinsichtlich der Verortung von Traditionen dem Bundesheer der Zweiten Republik vorgezogen und die Phase der Ersten Republik ist eine kaum beachtete. Bilder von Schlachten (z. B. Aspern und Lissa) und Portraits von Heerführern (z. B. Conrad und Radetzky) aus k.(u.)k.-Zeiten prägen die Gänge von Liegenschaften, Musikstücke wie von Carl Michael Ziehrer sind fixe Bestandpunkte eines jeden Militärkonzerts, Kasernennamen reichen meist tief in die Ära der alten Armee hinein und die Patrone der Jahrgangsnamen an der Theresianischen Militärakademie enden mit dem Untergang der Habsburgermonarchie.
/ Wiewohl die stete Interpretation und die Prüfung der Zweckmäßigkeit von Traditionen stattzufinden haben, ist für die Etablierung einer Kultur bzw. einer Tradition vor allem der Faktor Zeit notwendig. Sie entwickeln sich nicht von heute auf morgen. Hinzu kommt die Frage: „Kann eine Person schon vor ihrem Ableben traditionswürdig sein?“ Wie in der Definition schon festgestellt, wäre zumindest ein Generationensprung hiefür notwendig. Die unterschiedlichen Generationen wiederum machen eine zeitangepasste Weitergabe gleichsam schwierig. Wird ein Militärakademiker von einem Lehroffizier, der selbst noch in Zeiten der Raumverteidigung aktiv war, ausgebildet, die militärstrategische Lage jedoch die Schutzoperation in den Vordergrund stellt und anstatt von RM-130 Raketen-Werfern plötzlich eine europäische Initiative zu Sky Shield entsteht – abgesehen von dem technischen Unterschied aber verbunden mit multinationalen Kooperationen – könnte von einem clash of generations gesprochen werden. Für die Anknüpfung in längst vergangene Zeiten mag vor allem für Soldaten – die dafür ausgebildet sind, ihren Auftrag im Ernstfall bis zum Tode zu erfüllen – das Argument sein, im Kampf ihre Vorbilder zu suchen, um Mut zu finden und dadurch vielleicht ihr Überleben zu sichern. Da die Einsätze zur militärischen Landesverteidigung des Bundesheeres nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch an einer Hand abzuzählen sind, erschiene es schwierig,
persönliche Vorbilder zu finden, die dementsprechend traditionswürdig wären.
Leitbild zur Traditionspflege
Daher wurde im Jahr 2017 unter Einbindung der militärhistorischen Denkmalkommission, der Akademien, Schulen und Kommanden der oberen Führung das Leitbild zur Traditionspflege erlassen. Gerade in einem Zeitalter, welches durch einen ständigen Wertewandel und Paradigmenwechsel gekennzeichnet ist, ist ein Gedenken und eine Anknüpfung an eine durch Werte und Normen geprägte Militärgeschichte zur Erhaltung von Stabilität und Verortung notwendig. Traditionspflege dient Soldatinnen und Soldaten in der Armee eines demokratischen Staates zur Stärkung von Einsatzbereitschaft und Kameradschaft sowie der Kommunikation mit der Zivilgesellschaft. / Ziel sollte es sein, wie im Traditionserlass angeordnet, den Fokus der Traditionspflege als Teil der gelebten Militärkultur auf die aktuelle Periode des Bundesheeres und auf die Leistungen, wie beispielsweise an die seit sechs Jahrzehnten ständige Teilnahme an zahlreichen In- und Auslandseinsätzen zu richten und diese verstärkt zu würdigen, ohne jedoch die Vergangenheit auszublenden. Die Schaffung und Erhaltung von Freiheit und Frieden in der Welt ist eines der Hauptanliegen des Österreichischen Bundesheeres. Es bietet nicht nur für die eigene Bevölkerung Schutz und leistet Hilfe, wo immer es notwendig ist, sondern wirkt weit über die österreichischen Staatsgrenzen hinaus tatkräftig an Maßnahmen zur Wahrung der Menschenrechte mit. Wie bereits dargestellt, ist gelebte Tradition nach innen und außen nur dort sichtbar und verständlich zu machen, wo persönliche Erinnerungen bestehen oder Erlebnisse damit verbunden werden.
/ Für eine erfolgreiche Traditionspflege müssen die eingesetzten Mittel hiezu selbsterklärend sein. Sind der Hintergrund und die Verständlichkeit gegeben und sichtbar, werden diese von den Zielgruppen positiv konnotiert. Die Berücksichtigung der regionalen Hintergründe und der Bezug zur Zivilbevölkerung stellen einen entscheidenden Faktor in der positiven Umsetzung dar. Für die Umsetzung wurden beispielsweise die Benennungen von Liegenschaften, Traditionsnamen, Terminfindung von Traditionstagen und Kasernenfesten oder die Referenz bei Ansprachen und bei öffentlichen Auftritten angeführt. / Dem Ansinnen des Leitbildes wurde alsbald Rechnung getragen und dies wurde von den Dienststellen umgesetzt. So fand unter anderem die Verleihung von Traditionsnamen für zwei militärische Liegenschaften statt. Die „Rossauer Kaserne“ erhielt im Jänner 2020 durch die Frau Bundesministerin den Traditionsnamen „Bernardis-Schmid“ und das Amtsgebäude Stiftgasse wurde in „Stift Kaserne – General Spannocchi“ umbenannt. Damit war auch die Vermittlung verbunden, welchen Auftrag das Bundesheer für die Gesellschaft erfüllt. Es beschäftigt sich kritisch mit seiner eigenen Vergangenheit und würdigt die Leistung von Personen, die im Widerstand gegen die NS-Diktatur gekämpft haben. Auch die Umbenennung der Conrad-Kaserne in „Amtsgebäude Steiner“ ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Dabei geht es nicht darum, dass Offiziere der „Alten Armee“ als nicht mehr opportun angesehen werden oder in Ungnade gefallen sind. Vielmehr sollen soldatische Tugenden und demokratische Haltungen ›
Das Ehrenmal des Österreichischen Bundesheeres, 2019 in der Ehrenhalle des Heldendenkmals errichtet, steht im Zeichen einer gegenwartsund zukunftsorientierten Erinnerungskultur und Wertorientierung des Bundesheeres in einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft. Als Ort des Gedenkens repräsentiert es auch die Aufgaben und die Verantwortung des Österreichischen Bundesheeres in Staat und Gesellschaft.
an Personen der Zweiten Republik geknüpft und in den Vordergrund gestellt werden. Die Theresianische Militärakademie widmete dem Leitbild folgend die bis dahin meist leerstehenden Aulen in der Burg einmal den Inlands- und einmal den Auslandseinsätzen. Außerdem wurde eine Diskussion über die Umbenennung der Großhörsäle nach Personen bzw. Funktionen aus dem Bundesheer der Zweiten Republik gestartet. Auch an der Heeresunteroffiziersakademie wurde den Bestrebungen folgend ein deutliches Zeichen gesetzt. So wurden durch die Absolventen der Kaderanwärterausbildung „zeitgenössische“ Lehrgangsnamen gewählt, um ein Bewusstsein für die jüngere Geschichte und die darin enthaltenen Anknüpfungspunkte zu schaffen: 2021 – Gendarmerieschule OÖ II, 2019 – Paul Decombe, 2018 – Mount Hermon.
Verständnis für die Traditionspflege
Die Anordnungen „von oben“ werden aber nur dann umgesetzt und vor allem gelebt werden, wenn diese bei den Soldaten verständlich ankommen und von ihnen bejahend aufgenommen werden. Die Vorgaben sind ähnlich den Feuerbereichsgrenzen und der Hauptschussrichtung im Feuerbefehl anzusehen; was ist erlaubt, was nicht, in welche Richtung sollte es gehen. Die zentrale Person im Prozess der Umsetzung der Traditionspflege ist der Einheitskommandant. Er kann und muss Militärkultur in seinem Bereich vorleben und verständlich transportieren – im Frieden, vor allem aber im Einsatz. Durch den direkten persönlichen Kontakt zum Kader und den Grundwehrdienern obliegt es ihm, die anvertrauten Soldaten positiv in diesem Sinne zu beeinflussen. Dafür ist ein Verständnis für diese Thematik notwendig. So setzen sich die Militärakademiker im Rahmen der Lehrveranstaltung der Polemologie unter anderem mit den Begriffen der Militärkultur und der Traditionspflege auseinander. Ähnliches geschieht an ausgewählten Lehrgängen an der Landesverteidigungsakademie. Ein Mangel an Wissen führt dazu, dass sich bewusst oder unbewusst ein Nährboden für staatsfeindliche Tendenzen ergibt und sich Personen oder Organisationselemente selbst „Vorbilder“ schaffen, die jedoch oftmals mit dem Gedankengut des Ressorts nicht vereinbar sind. Daher erscheinen eine Auseinandersetzung, Diskussion und Bearbeitung dieser
Aspekte auf oberster militärischer Führungsebene als unerlässlich. Im Zuge der Reorganisation der Zentralstelle wurde mit September 2023 das Referat Organisationskultur, welches auch das Themenfeld der Traditionspflege bearbeitet, aufgestellt. Im Sommer 2025 wurde der Arbeitsplatz eines Fachexperten für Militärkultur beim Leiter Sektion I – Generaldirektion für Verteidigungspolitik etabliert. Darüber hinaus berät die Militärhistorische Denkmalkommission die Ressortleitung in Thematiken der Traditionspflege. Dieser Personenkreis arbeitet aktuell an der Erstellung eines neuen Traditionserlasses – der derzeit gültige wird de jure nach 15 Jahren außer Kraft gesetzt – einer militärhistorischen Datenbank und leitet einen Prozess für Militärkulturentwicklung zur Optimierung der Leistungsfähigkeit der Streitkräfte ein.2
Conclusio
Die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit, mit opportunen Traditionselementen, schlussendlich mit der eigenen Kultur erscheint gerade hinsichtlich der Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte für das Verteidigungsressort mehr als für jedes andere Ressort als immanente Aufgabe. Werte und Normen – sofern sie nicht als Begleitmusik auftreten und anderswertige Schwächen kompensieren sollen, sondern im Dienstbetrieb aktiv gelebt werden – tragen dazu bei, dass das Österreichische Bundesheer seine verfassungsmäßig verankerte Richtung, seine Stabilität und seine Textur nicht verliert. Sie bilden und unterstützen die „innere Haltung“ der Angehörigen des BMLV und des Bundesheeres als geistiges Fundament. Dadurch wird das Ressort intern wie extern als attraktiver Arbeitgeber – die Steigerung der Attraktivität ist durch die Frau Bundesministerin in mehreren Weisungen vorgegeben und ist auch ein Ziel des Aufbauplans ÖBH 2032+ –positioniert und wahrgenommen. Das Charakteristikum des attraktiven Arbeitgebers ist ein wesentliches hinsichtlich der Personalgewinnung, vor allem für den Bereich „Member get Member“, und der Personalbindung. Des Weiteren unterstützen Werte und Normen die Anknüpfung und die Verbindung zur Gesellschaft mit dem Zweck, das Vertrauen in die sachgemäße, rechtkonforme und ethisch wertkonforme Umsetzung seiner Aufgaben zu stärken.
/ Das Bundesheer nimmt Bedacht auf seine Vergangenheit, lebt in der Gegenwart im Rahmen der sich ständig verändernden Einflussfaktoren eine zeitgemäße Gedenkkultur und verpflichtet sich zu einem zukunftsorientierten Selbstverständnis.
2 Anm.: Im BMI wurde hingegen mit 1. Juli 2022 in der Rechtssektion die Abteilung (!) III/S/3 – Historische Angelegenheiten – etabliert.
ZUM AUTOR
Wo sind sie geblieben?
Zum Abschrecken benötigt man nicht nur Atomwaffen, sondern vor allem Soldaten, Soldaten und nochmals Soldaten!
Das Konzept der Abschreckung begegnet uns überall. Im Tierreich finden sich zahllose Beispiele dafür, wie Beutetiere Angriffe von Fressfeinden abzuschrecken versuchen, indem sie beispielsweise große Rudel bilden und die Schwächsten in die Mitte nehmen. Auch souveräne Staaten setzen auf Abschreckung. Der Vergleich mit dem Tierreich kommt Ihnen vielleicht bekannt vor. Man könnte etwas ironisch das Nordatlantische Verteidigungsbündnis hernehmen und sich die NATO als Rudel vorstellen, welches auch die Schwächsten, in dem Fall allerdings das neutrale Österreich, in die Mitte nimmt und damit schützt. Dreh- und Angelpunkt für eine funktionierende Abschreckung ist die Fähigkeit zu und die glaubwürdige Vergeltung (damals im Kalten Krieg als „massive retaliation“ bezeichnet). Dieser Mechanismus der Abschreckung durch eine glaubwürdige Landesverteidigung wirkt durch eine Bewaffnung mit Atomwaffen, aber vor allem auch durch die Bereitstellung von rein zahlenmäßig einem potentiellen Gegner überlegenen konventionellen Streitkräften. / Klammern wir bewusst die Diskussion über die nukleare Abschreckung aus und fokussieren uns auf die Abschreckung mit ausreichend vorhandenen konventionellen Streitkräften. Hierzu müssen wir uns zurückerinnern an die Zeit des Kalten Krieges, als in Europa fast alle Staaten personalstarke Friedensstreitkräfte und für den Mobilmachungsfall ansehnliche Einsatzarmeen zur Abschreckung vorbereitet hatten. Wirft man einen Blick auf die Tabelle 1: Mobilmachungsstärken (Mob) ausgewählter Staaten in Europa (ohne Sowjetunion, aber einschließlich der Türkei) im Jahre 1986, so kann man sofort erkennen, dass der Großteil der europäischen Staaten – die USA und die Sowjetunion,
welche auch starke Streitkräfte im europäischen Teil der NATO und des Warschauer Paktes disloziert hatten, ausgenommen – ansehnliche Militärpotentiale angehäuft hatte. Das Gleichgewicht des Schreckens während des Kalten Krieges wurde so gewährleistet. Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass auch Österreich damals nicht gänzlich untätig blieb und mit dem Raumverteidigungskonzept zumindest auf dem Papier eine äußerst innovative Idee entwickelt hatte, das Land im Anlassfall verteidigen
zu wollen. Während des Bestehens dieses Konzeptes blieb es allerdings Stückwerk, nämlich ohne eine ausreichende Befüllung mit Soldaten und mit Waffensystemen, welche auf der Höhe der damaligen technischen Entwicklung waren. Erst gegen Ende des Kalten Krieges gab es Lenkwaffen und Abfangjäger in homöopathischen Dosen. Dem Raumverteidigungskonzept blühte allerdings während dieser Zeit ein jähes Ende, denn spätestens mit dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 endete der Kalte Krieg
Auf die Zukunft schauen. Sonnenlicht
Tabelle 1: Friedens- und Mobilmachungsstärken (Mob) ausgewählter Staaten in Europa (ohne Sowjetunion, aber einschließlich der Türkei) im Jahre 1986
Türkei 47,3 400.000 936.000
Griechenland 9,8 130.000 400.000 Portugal 10,1 50.000 190.000
Frankreich 55,3 330.000 800.000
Großbritannien 55,8 318.000 280.000
Spanien 38,2 240.000 1 Million Italien 57,1 250.000 800.000
Tabelle 2: Friedens- und Mobilmachungsstärken (Mob) ausgewählter Staaten in Europa (ohne Russland, Weißrussland und Ukraine, aber einschließlich der Türkei) im Jahre 2024
QUELLE: TRUPPENDIENST TASCHENBÜCHER NATO, WARSCHAUER PAKT UND NEUTRALE STAATEN EUROPAS; IISS: THE MILITARY BALANCE 1987. DIE FRIEDENSTÄRKE WURDE AUF MONATLICH VERFÜGBARE TRUPPEN BERECHNET. FARBENERKLÄRUNG: GRÜN (NEUTRAL ODER BLOCKFREI); BLAU (NATO); BRAUN WARSCHAUER PAKT)
und man war in Österreich insgeheim froh, dass man nun weniger in das Militär investieren musste.
/ Der wohl größte Verlierer des Kalten Krieges ist und bleibt auf absehbare Zeit Moskau, welches nach dem Zerfall der Sowjetunion (1986: 22,4 Millionen km² und 287 Millionen Einwohner) sehr rasch auf Russland (2024: 17 Millionen km² bei 143 Millionen Einwohner) zurechtgestutzt wurde und dabei den Verlust von 5,4 Millionen km² und mehr als 150 Millionen Menschen hinnehmen musste. Im Vergleich dazu umfasst die Europäische Union der 27 Mitgliedsstaaten 4,14 Millionen km² und hat rund 448,80 Millionen Einwohner. Dies und die Osterweiterung der NATO haben die Verantwortungsträ-
QUELLE: IISS: THE MILITARY BALANCE 2025 UND TRUPPENDIENST ONLINE. DIE FRIEDENSTÄRKE WURDE AUF MONATLICH VERFÜGBARE TRUPPEN BERECHNET.
FARBENERKLÄRUNG: GRÜN (NEUTRAL ODER BLOCKFREI); BLAU (NATO)
ger in Moskau dem Westen bis heute nicht verziehen und sie führen seitdem einen hybriden Krieg gegen die Feinde von einst. Mit dem signifikanten sicherheitspolitischen Bedeutungsverlust Moskaus ging auch ein Niedergang der ehemaligen Streitkräfte der Sowjetunion einher. 1986 betrug die Friedensstärke 4,2 Millionen Soldaten und man verfügte über 5,5 Millionen ausgebildete Reservisten. Das Russland von heute hat lediglich 1,5 Millionen Soldaten Friedensstärke und rund 2 Millionen ausgebildete Reservisten verfügbar, was zwar immer noch eine ansehnliche Streitmacht darstellt, aber wie man im aktuellen Krieg in der Ukraine sieht, Zweifel über den Einsatzwert aufkommen lässt, da sich Russland im
Angriffskrieg gegen die Ukraine äußerst schwer tut, eine Entscheidung herbeizuführen und zumindest aktuell mit der vorhandenen Friedensorganisation keine Ressourcen hat, einen weiteren Kriegsschauplatz bedienen zu können.
/ Nach dem Ende des Kalten Krieges gegen Ende der 1980er-Jahre hat man überall in Europa begonnen, die Streitkräfte abzurüsten – siehe hierzu Tabelle 2: Friedens- und Mobilmachungsstärken ausgewählter Staaten in Europa (ohne Russland, Weißrussland und Ukraine, aber einschließlich der Türkei) im Jahre 2024 – bis nach rund 35 Jahren der konventionelle Krieg wieder nach Europa, wenn auch weit im Osten, zurückkam. Sehr rasch wurde
Tabelle 3: Gegenüberstellung der Mobilmachungsstärken (Mob) 1986 und 2024 und das daraus resultierende Fehl
Staat Mob 1986 Mob 2024 Fehl Türkei
von den Politikern eine Herstellung der Kriegstüchtigkeit der einzelnen europäische Staaten gefordert. Mit dieser Forderung ging aber auch eine gewisse Ratlosigkeit einher, denn das erforderliche Geld für den Ankauf von Waffen wird man bald irgendwie aufbringen können, der Aufwuchs der einzelnen Streitkräfte in Europa auf Einsatzstärke zu Zeiten des Kalten Krieges dauert jedoch zumindest ein Jahrzehnt, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Wollte man auf die einstigen Einsatzstärken kommen, wäre dies eine Gewaltanstrengung, welche im Lichte der Aussetzung der Wehrpflicht und des Wehrunwillens in den meisten europäischen Staaten wohl nicht von Erfolg gekrönt sein werden wird. Siehe hierzu die Bedarfe in Tabelle 3: Gegenüberstellung der Mobilmachungsstärken 1986 und 2024 und das daraus resultierende Fehl. Bei der Betrachtung der ansehnlichen Zah-
len in der Spalte Fehl denkt man unwillkürlich an das so ins Ohr gehende Lied „Wo sind sie geblieben?“, welches von Marlene Dietrich gesungen zu Weltruhm kam. Heute wissen wir, dass, Gott sei Dank, die in der Gegenüberstellung fehlenden Soldaten nicht auf dem Schlachtfeld geblieben sind; sie zeigt uns allerdings den Niedergang des Militärs in West-, Mittel- und Osteuropa nach dem Ende des Kalten Krieges. Denn man ergänzte nicht die in Wehruntauglichkeit entlassenen Soldaten durch neu beorderte Soldaten. / Hat man für eine Abschreckung nicht genügend Soldaten verfügbar, dann bleibt nur mehr eine atomare Aufrüstung, und zwar auch von jenen Staaten, welche bislang noch nicht laut über eine atomare Bewaffnung nachgedacht haben. Staaten wie Österreich spielen da nicht mit, denn zur Realisierung einer Atomwaffe benötigt es
mehr als nur einen kleinen Forschungsreaktor. Da eine atomare Bewaffnung für Österreich unrealistisch scheint, bleibt nur zu hoffen, dass die Verantwortungsträger sich ähnlich verhalten werden wie so mancher Fleischhauer zur Blütezeit dieses Gewerbes, wenn etwas mehr Fleisch als von der Kundschaft bestellt auf der Waage gelandet ist. Damals fragte der Fleischhauer seine Kundschaft: „Darf’s ein bisschen mehr sein?“ Im Angesicht der neuen Bedrohungslage müssen sich die politischen Verantwortungsträger auch diese Frage stellen und sich selbst die Antwort geben: „Es muss wesentlich mehr sein!“, zumindest in einer ersten Ausbaustufe das Doppelte von heute und später erneut das Doppelte, dann wären wir mit der Mob-Stärke des Bundesheeres wieder bei der Mob-Stärke des Jahres 1986 angelangt.
• 2003 Promotion an der Uni Wien (Sozial- und Wirtschaftswissenschaften/Volkswirtschaft)
• 2008 Habilitation aus Militärwissenschaft an der Militäruniversität in Budapest
• Hon. Universitätsprofessor der Universität für Öffentliche Dienste in Budapest
• 2020 bis 2025 Chefredakteur der Zeitschrift „Der Offizier"
Internationale Lage:
Der NATO-Gipfel in Den Haag und Europas Schwäche
Ende Juni 2025 fand der wegen der transatlantischen Spannungen mit großer Aufmerksamkeit verfolgte NATO-Gipfel in den Niederlanden statt, der eigentlich nur zwei direkt miteinander verknüpfte Ziele verfolgte. Nämlich die Gunst des US-Präsidenten zu erhalten und dafür die Verpflichtung einzugehen, die Verteidigungsausgaben der NATO-Mitgliedsstaaten bis 2035 auf 5 % des BIP mehr als zu verdoppeln. Unterstützt wurden diese Ziele mit einer Übernachtung für den prunksüchtigen D. Trump im königlichen Schloss und mit einer auf einen Tag zusammengestrichenen Sitzungsordnung, da der 47. US-Präsident kein Freund langer Konferenzen sein dürfte. Eine Bekräftigung der NATOMitgliedschaft der Ukraine und, was noch schwerer wog, die beim letzten Treffen in Washington eigentlich vereinbarte Erarbeitung einer neuen Russlandstrategie der Allianz, konnten wegen US-amerikanischer Widerstände nicht verabschiedet werden.
/ Die 5 %-BIP-Marke gilt vor allem deswegen, weil sie D. Trump im vergangenen Winter forderte und natürlich auch, weil die europäischen Streitkräfte wieder aufgerüstet werden müssen. Wie bekannt, schlüsselt sich dieser Wert in 3,5 % reine Verteidigungsausgaben und in weitere 1,5 % verteidigungsrelevante Programme wie Verkehrswege, Häfen, Cyberabwehr und die Unterstützung für die Ukraine auf. Dieser Bereich wird leichter zu erfüllen sein, da kreative Budgetexperten in den europäischen Hauptstädten hier viel integrieren können, wohingegen die verbleibenden 3,5 % schon eine wesentlich größere Hürde bilden. Wenig überraschend deckt sich dieser Wert mit dem aktuellen US-Wehrbudget und Trump hat am Gipfel unmissverständlich erklärt, dass die 5 % für sein Land nicht gelten, da die USA die NATO ohnehin schon zu lange unterstützt hätten. Faktisch endete der Gipfel eigentlich erst wenige Tage später in Washington, wo Trump und NATO-Generalsekretär Rutte verlautbarten, dass die USA nun doch wieder Waffen an die Ukraine liefern würden, die aber die europäischen Verbündeten zu bezahlen hätten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird die von Budgetnöten und EU-Defizitverfahren geplagte österreichische Bundesregierung froh gewesen sein, nicht dem nordatlantischen Bündnis anzugehören, da dies bedeutend billiger kommt. / Warum die Europäer derart rasch die Vorgaben aus Washington akzeptieren, kann leicht durch die sicherheitspolitische Schwäche Europas erklärt werden, die die unterwürfigen Lobpreisungen Ruttes an Trump noch einmal unterstrichen. Dies geschah teils aus eigenem Verschulden, weil wir es verabsäumt haben, die sich in den 1990er-Jahren entwickelnde Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zu einem schlagkräftigen Instrument der EU auszubauen, teils aber auch wegen anhaltenden Widerstands aus den USA, aus Großbritannien und aus Osteuropa gegen eine europäische
Konkurrenzorganisation zur NATO. Und so richteten wir uns eben unter dem US-Rüstungsschirm für lange Zeit gemütlich ein, der im Gegensatz zu einer „echten“ GASP auch die österreichische Neutralität nicht bedrohte.
/ Die daraus resultierende Abhängigkeit von Washington hat nun weitreichende Auswirkungen. Sie schwächte auch die EU beim Handelsstreit, weil wir hoffen müssen, dass Trump „bei der Stange bleibt“. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, wird sich schon in wenigen Wochen zeigen. Irgendwann im Spätsommer/Herbst wird die US-Regierung die „global force posture review“ abschließen, eine Art Überprüfung der weltweiten Aufstellung ihrer Streitkräfte. Sollte diese zum Ergebnis führen, dass rasch bedeutende US-Kontingente aus Europa abgezogen und wahrscheinlich in den Indo-Pazifik gegen China verlegt werden müssen, dann haben wir ein Problem. Denn wir werden noch länger nicht in der Lage sein, die dadurch hervorgerufenen Lücken selbständig schließen zu können. Ein überstürzter Rückzug der USA aus Europa wäre für die Führung im Kreml dann sehr verlockend, in Europa weiter vorzufühlen, wobei ein Ansatz am Balkan mit seinen eingefrorenen Konflikten für uns die gefährlichste Variante wäre. Voraussetzung dafür ist allerdings ein russischer Sieg in der Ukraine. Doch sobald dieser errungen sein sollte, muss mit solchen Szenarien gerechnet werden.
Dr. Otto Naderer, ObstdhmfD i. R. ist stellvertretender Chefredakteur von „Der Offizier“.