IM PORTRÄT
René Heinersdorff Boulevardwurst vom Feinsten
STECKBRIEF Name: Heinersdorff Vorname: René geboren: 29.9.1963 in Düsseldorf Beruf: Privattheatermanager, Schauspieler, Regisseur, Autor Kinder: Joel (12) aus erster Ehe mit Jeannine Burch, Oscar (6), Carla (3), Hugo (1) mit Schauspielerin Tanja Schleiff Verheiratet: ja Kindheitserinnerung: „Charlies Tante“ mit Ingrid Braut und Alfons Höckmann. Ich war etwa acht und mit meiner Mutter dort. Mein Vater hatte es nicht so mit Boulevard-Theater.
René Heinersdorff muss unseren Termin leider verschieben. Nach vorn, denn er wird bald für längere Zeit nach Dresden zu einem Gastspiel aufbrechen. Wir treffen uns also spontan gleich am nächsten Tag vor seinem Theater an der Kö in den Schadow-Arkaden, denn ich war dort noch nie und neugierig, die Spielstätte sozusagen „offline“ zu sehen. Der Hausherr sperrt auf, schaltet das Licht ein, zeigt mir den Bühnenraum. „Wirkt nicht groß, fasst aber über 400 Leute.“ Das Theater an der Kö gründete er 1994 – „da war ich gerade noch 30. Es wurde nämlich kurz vor meinem 31. Geburtstag eröffnet“. Inzwischen leitet er drei Boulevardtheater: in Köln, Düsseldorf und seit kurzer Zeit auch in Essen. Heinersdorff bezeichnet sich selbst als „Boulevardwurst“ und war lange Zeit überall der Jüngste: der jüngste Regisseur, im Deutschen Bühnenverein, bei den Rotariern … Von außen betrachtet nur logisch, denn Heinersdorff wächst in einem kulturell anregenden und vielfältigen Umfeld auf: Die Mutter leitet ein Boulevardtheater in Köln, der Vater – wie Heinersdorffs Großvater und Bruder gelernter Klavierbauer – betreibt eine Konzertagentur. Trotzdem ist sich der junge René unsicher, ob die Bühne etwas für ihn ist, und wendet sich an den Schauspieler Harald Leipnitz um Rat. Der stellt ihm einige Aufgaben, René bereitet sich vor. Ergebnis: Leipnitz bietet ihm an, ihn selbst zu unterrichten. „Den Weg würde ich generell nicht empfehlen, aber für mich hat es gepasst. Die Schauspielschulen waren damals eher politisch agitativ unterwegs und vermittelten wenig Handwerk. Stimmausbildung, Fechten, Tanzen habe ich mir dann selbst dazuorganisiert.“ Wobei ihm wieder sein Background half. Regie führte er das erste Mal mit 25 – für Elisabeth Wiedemann, die sich ihn gewünscht hatte. „Sie war meine Mentorin. Und eine Wahnsinnige“, lächelt Heinersdorff. 1992 schrieb er sein erstes Stück. „Davor hatte ich schon Stücke adaptiert und übertragen, wobei man ja immer wieder an Grenzen stößt. Deshalb habe ich mich selbst drangesetzt. Allerdings zuerst unter falschem Namen.“ Der lautete Byron Smith, und damit erzählt Heinersdorff vielleicht mehr von sich, als ihm bewusst ist. Die Mischung aus
dem romantischen englischen Dichter mit seinen leidenschaftlichen, mutigen und zugleich rastlosen Helden und dem Wald-undWiesen-Namen „Smith“ passt zu ihm: Da ist einerseits die tiefe Begeisterung für das Theater und den Kulturbetrieb, jedoch gepaart mit einer äußerst sympathischen Mischung aus freundlicher Zugewandtheit und Bodenständigkeit. So antwortet Heinersdorff zum Beispiel auf die Frage, worauf er stolz ist: „Auf gar nichts!“ Nach einigem Nachdenken: „Dass ich zu den Frauen aus ehemaligen Beziehungen noch immer ein gutes Verhältnis habe. Ich betreibe das bewusst und versuche Wege zu finden, weiter gut miteinander umzugehen. Das ist wahrscheinlich meiner Harmoniesucht geschuldet.“ Die ausgleichende Waage Heinersdorff gerät deshalb nie in heftige Auseinandersetzungen: „Dazu bin ich zu konziliant. Ich brülle auch als Regisseur nie rum.“ Und wenn er in Stress gerät? „Im Beruf kenne ich keinen Stress – da bleibe ich eigentlich immer ruhig. Stress empfinde ich eher im Privatleben, wenn viele Leute was von mir wollen.“ Was in einem Beziehungsgeflecht, das im Grund aus dem Theater-Allroundtalent Heinersdorff, zwei Schauspielerinnen – seiner Ex-Frau Jeannine Burch und seiner Lebensgefährtin Tanja Schleiff – und vier Kindern besteht, durchaus schon mal vorkommen kann. Und wobei kann sich Heinersdorff entspannen? „Beim Rennradfahren. Und natürlich beim Schreiben.“ Natürlich? „Ja, überall sonst muss man sich ja an alle möglichen Gegebenheiten und Bedingungen anpassen, beim Schreiben habe ich tatsächlich das Heft in der Hand.“ Auf der Bühne an der Kö sieht man ihn übrigens wieder ab Ende Januar: in „Rita will es wissen“ mit Jeanette Biedermann.
Text: Pia Arras-Pretzler Bild: Andreas Endermann
Libelle | Januar 2017
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