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Der Handel am Weg zurück Die einen manövrieren geschickt durch die Krise, andere scheitern
from medianet 27.11.2020
by medianet
Gibt es einen Weg aus der großen Leere?
Ein Lockdown ist kein Spaziergang. Während manche Händler geschickt durch die Krise manövrieren, stehen andere vor dem Abgrund.
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••• Von Christian Novacek
Fraglos: Der Handel wird in Zeiten der Coronakrise gebeutelt wie nie zuvor. Verlierer und Gewinner scheinen schnell einsortiert: Textil, Schuhe, Spielwaren, Buchhandel, Blumenhandel, Sporthandel – alle auf der
Verliererstraße. Profitieren sollten die Baumärkte, der LEH und massiv der Onlinehandel. Aber stimmt das auch so?
Der Textilhändler TK Maxx, der europäische Ableger der USamerikanischen KaufhausKette
TJ Maxx und per definitionem in der Krise ein Verlierer, macht in der SCS an einem normalen
Samstag rd. 50.000 € Umsatz.
Vor dem düsteren Corona
Hintergrund waren es aber rd. 70.000 €. Also alles nur Gerede und die Starken schaffens eh wieder?
Rainer Trefelik
WKÖ Sparte Handel
Beim genaueren Hinschauen offenbart sich: Es kommt wohl auf Schnelligkeit und Strategie an. TK Maxx hat sein Sortiment nämlich an die Krise angelehnt und neben der günstigen Mode flugs das Heimtextilienangebot erweitert – und das ist in Zeiten von Cocooning ein Boomsortiment erster Güte.
Geschicktes Manövrieren
TK Maxx ist aber nicht das einzige Beispiel für erfolgreiches Reüssieren in bewegter Zeit – trotz vermeintlicher Krisenanfälligkeit. Matvei Hutman, Vorstand und Eigentümer Palmers Textil AG: „In der schlimmsten Wirtschaftskrise der letzten Dekaden konnten wir nicht nur alle Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter erhalten, sondern auch zusätzliche mit der Gründung unseres Tochterunternehmens Hygiene Austria mit der Lenzing AG schaffen.“
Desgleichen verliefen die Monate Juli und August 2020 in den Palmers Filialen prima – mit einem flächenbereinigten Wachstum von +9,6%. Auch der September sowie der Oktober 2020 brachten Wachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Conclusio, in Form gebracht von Palmers: „Das zeigt, dass wir uns in diesen wirtschaftlich volatilen Zeiten und einem kompetitiven Umfeld nach wie vor auf dem richtigen Weg befinden.“ Wie bei TK Maxx trägt hier das Vordringen in den Heimtextilienmarkt Früchte, der Wäschekonzern hat in diesem Bereich das Format „Palmers Home“ gelauncht.
Große Ungewissheit
Klar wäre es jetzt unangebracht „Super, Corona!“ zu deklamieren – denn in der Gesamtbetrachtung befindet sich der Handel in einer bewegten Zeit, die speziell dadurch drückt, dass sie am Horizont ein großes Fragezeichen malt. Im Kontext kommt logischerweise Ungleichbehandlung nicht so gut an: Während andere Branchen, die aufgrund des Lockdowns ihren Betrieb vorübergehend schließen mussten, mit 80% Umsatzersatz entschädigt werden – egal ob Gastronomie, Hotellerie, Friseure oder Glücksspielkonzerne –, wird der Handel mit einer Staffelung zwischen 20 und 60% abgefertigt.
© Intersport

In der Krise braucht’s Bewegung
Thorsten Schmitz
Geschäftsführer Intersport
Der Sportartikelhandel ist noch mitten in der Lösung der Corona- Herausforderungen – für eine abschließende Beurteilung ist es daher zu früh. Intersport hat immer alle Maßnahmen der Regierung mitgetragen und Sicherheitskonzepte, die weit über das geforderte Maß hinausgehen, entwickelt. Für uns steht die Gesundheit unserer Kunden an oberster Stelle. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass viele unserer Händler in enorme Bedrängnis geraten, vor allem wenn das so wichtige Wintergeschäft nicht oder nur eingeschränkt stattfinden kann. Wir hoffen daher weiterhin auf Unterstützung der Bundesregierung in diesen Belangen. Denn eines steht fest: Wir alle werden die Krise nur meistern, wenn wir zusammenhalten und vor allem, wenn wir uns alle ausreichend bewegen, auf unseren Körper achten und das genau ist das Anliegen, das wir als Intersport verfolgen. Für die Einstufung gelten die Kriterien Rohertrag, mögliche Aufholeffekte sowie die Verderblichkeit der Ware.
Schwer angeschlagene Branchen wie der Mode und Schuhhandel wurden zuletzt in höhere Stufen gerückt. „Für den heimischen Handel ist der harte Lockdown in den beiden umsatzstärksten Monaten des Jahres existenzgefährdend; daher hoffen wir nun auf zeitnahe Überweisungen der Gelder aus dem Umsatzersatz, damit vor allem die doppelten Gehälter bedient werden können. Pro LockdownWoche verliert die Branche fast eine Milliarde Euro“, kommentiert HandelsverbandGeschäftsführer Rainer Will die Gesamtsituation.
Lob für Maßnahmen
Eine positive Einordnung der Lage kommt indes von der WKÖ: „Der erweiterte Umsatzersatz sowie der Fixkostenzuschuss II sorgen dafür, dass wir Händlerinnen und Händler wieder eine Zukunftsperspektive haben“, ist Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel, überzeugt. Er findet: „Das ist gut, richtig und wichtig.“
Dass Fördern ein Gebot der Stunde ist, wird auch von den Vertretern des Onlinehandels nicht infrage gestellt. UnitoChef Harald Gutschi dazu: „Meines Erachtens ist es absolut richtig und wichtig, dass man hohe Staatsschulden in Kauf nimmt, um ausreichend staatliche Förderungen vergeben und Instru
mente wie etwa die Kurzarbeit ermöglichen zu können. Denn würde die Bundesregierung anders agieren, hätten wir nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern auch eine Sozialkrise.“
Stimmiger Fixkostenzuschuss
Bei den Instrumenten, die die Regierung jetzt einsetzt, steht neben dem Umsatzersatz der Fixkostenzuschuss II an vorderster Stelle. „Die ‚Light‘Version bis höchstens 800.000 Euro kann bereits seit 23. November beantragt werden, der vom Handelsverband vehement geforderte Verlustausgleich bis drei Millionen Euro voraussichtlich ab Dezember“, erläutert Will.
Erfreulich sei, dass die Forderung nach einer linearen Entschädigung ab 30% Umsatzentfall umgesetzt wurde. „Das macht den Fixkostenzuschuss II zu einem passgenaueren Instrument nicht nur für den Handel, sondern für alle Branchen.“
Ungeklärte Ungerechtigkeit
Neben der Freude über die Entschlossenheit der Regierung beim Fördern werden Verbesse
© Robert Harson/Billa Merkur Österreich Auch Lebensmittel im Zustelldienst können sich in der Krise stark etablieren.

rungspotenziale geortet. Mithin fragt sich Gutschi: „Warum erhalten Gastronomen 80 Prozent ihres Umsatzes aus dem Vorjahr und haben zudem die Möglichkeit, Takeaway anzubieten – aber Buchhändler zum Beispiel dürfen keine kontaktlose Abholstation installieren und bekommen noch dazu weniger Umsatzentschädigung? Ich hätte dem stationären Handel – je nach Branche – ebenfalls Umsatzentschädigungen in der Höhe von 40 bis 80 Prozent ermöglicht.“
Und auch aus der Sicht des Handelsverbands ortet man Verbesserungspotenzial – speziell in der Krisenkommunikation. Will hofft: „Es muss uns gemeinsam gelingen, wieder Zuversicht zu erzeugen. Die Staatshilfen
Die Gastronomie darf Takeaway anbieten, aber Buchhändler dürfen keine kontaktlose Abholstation installieren und bekommen weniger Umsatzentschädigung.
Harald Gutschi
Unito können für viele das Schlimmste abfedern, nun muss man, darauf aufbauend, auch bei den Konsumenten dieses Klima der Zuversicht fördern. Denn Konsum ist auch Psychologie und nur so schaffen wir es, die rapide gestiegene Sparquote zu reduzieren und in Transaktionen umzuwandeln, die Arbeitsplätze sichern.“
Umsatzstarke Woche weg
Aber auch der eine oder andere Teufel im Detail des Förderungspakets gehört ausgetrieben, etwa bei der Umsatzentschädigung: „Für die Berechnung der Umsatzentschädigung wurde nur der Vergleichszeitraum November 2019 herangezogen, jedoch nicht die umsatzstarke erste DezemberWoche 2019 – obwohl der harte Lockdown bis 6. Dezember 2020 gilt“, weiß Will.
Mehr als 6.500 stationäre Handelsbetriebe sind akut von der Insolvenz gefährdet. „Wir können nur hoffen, dass der überarbeitete Fixkostenzuschuss II ein Händlersterben im Frühjahr 2021 verhindern wird. Da kommt eine gewaltige Herausforderung auf uns zu, die wir nur gemeinsam stemmen können“, so Will abschließend.
Schnell & unbürokratisch
Dieser Herausforderung gewachsen sind jedenfalls die Lebensmittelhändler. Der Gewinnerseite wohl gewahr, hat etwa Rewe Platz in einigen Filialen gemacht, um dem Spielwarenhandel die nötige Spielfläche fürs Weihnachtsgeschäft zur Verfügung zu stellen.
Iris Schurin, Unternehmenssprecherin Rewe International AG, ist mit den Regierungsmaßnahmen zufrieden: „Es gibt einen guten Informationsfluss, und unsere Anliegen werden sei
Die Beschaffung von ausreichend Desinfektionsmittel und MundNasenSchutz für die österreichische Bevölkerung war für uns im ersten Lockdown ein enormer Kraftakt.
Ines Schurin
Rewe International
tens der Regierung ernst genommen. So haben wir zu Beginn des Lockdowns sehr schnelle und unbürokratische Hilfe vom österreichischen Bundesheer erhalten, das uns in der Logistik tatkräftig unterstützt hat.“
Im ersten Lockdown mussten Prozesse aufgesetzt und gezwungenermaßen sehr schnell auf Anforderungen und politische Maßnahmen reagiert werden. „Allein die Beschaffung von ausreichend Desinfektionsmittel und MundNasenSchutz für die österreichische Bevölkerung in dieser kurzen Zeit war für uns ein enormer Kraftakt“, so Schurin. „Trotz verständlichem Zeitdruck wäre hier ein besseres Verständnis für Grundbedingungen im Handel wünschenswert.“
Wirtschaftsfaktor
VÖZ, ÖZV und VRM haben eine Studie beauftragt, die die wirtschaftliche Leistung von Printmedien abbildet.
WIEN.In einer neuen Studie haben die Wirtschaftsforscher des Instituts Economica im Auftrag der Branchenverbände VÖZ, ÖZV und VRM die gesamthafte volkswirtschaftliche Bedeutung von Printmedien in Österreich erforscht. Die Studie zeigt ein umfassendes Bild dieser gesamten Wirtschaftsleistung.
Die Studie beschäftigt sich mit dem Kerngeschäft der Printmedien, dem Verlegen von Zeitungen und Zeitschriften, und analysiert anhand unterschiedlicher Zahlen und Daten, die Beschäftigungseffekte, Umsatzerlöse, Wertschöpfungsketten und fiskalischen Effekte der Printmedien in Österreich.

Spezialfall Printmedien
Printmedien sind, wie die Daten zeigen, nicht mit dem Verlegen von Büchern oder Software vergleichbar. Daher werden sie in einschlägigen Erhebungsinstrumenten oft nur stark vereinfacht und wenig realitätsnah abgebildet. So werden insbesondere die Verflechtungen mit der heimischen Wirtschaft drastisch unterschätzt. Hinzu kommt, dass Unternehmen, die Zeitschriften
© APA/Georg Hochmuth Gerald Grünberger ist seit 2006 Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ).
und Zeitungen verlegen, häufig auch andere verbundene Bereiche abdecken, wodurch eine klare Abgrenzung und eindeutige Zuordnung zu direkten oder indirekten Effekten häufig erschwert wird. Die EconomicaStudie soll diesbezüglich Abhilfe schaffen.
1,8 Milliarden Euro Nettoerlös
Die Zahlen zeigen, dass die Printmedienbranche in Österreich im Jahr 2019 mit 7.559 Beschäftigten einen direkten Netto-Umsatzerlös von 1,8 Mrd. € erzielte; daraus leitet sich ein direkter Wertschöpfungsbereich von 601,3 Mio. € ab. Da das Verlegen von Zeitungen sowohl in der vorgelagerten als auch der nachgelagerten Wertschöpfungskette mit einer Vielzahl anderer Sektoren verbunden ist, werden auch in diesen Branchen wirtschaftliche Effekte ausgelöst. So ist die erzielte Bruttowertschöpfung 1,21 Mrd. €, die mit 19.874 Arbeitsplätzen zusammenhängt. Die Bruttowertschöpfung ergibt sich aus dem Bruttoproduktionswert, vermindert um den Wert der benötigten Vorleistungen. Daraus lässt sich schließen, dass pro direkten Arbeitsplatz in der österreichischen Printmedienbranche 1,6 Arbeitsplätze mehr gesichert werden. Nicht berücksichtigt ist der gesamte Zustellbereich.
Wichtiger Arbeitgeber
„Die vorliegende Studie beweist klar, jeder in Print investierte Euro sichert zahlreiche Arbeitsplätze“, sagt Dieter Henrich, Geschäftsführer des Verbandes der Regionalmedien Österreichs (VRM) und betont weiters: „Und das nicht nur in Print-Verlagen, sondern auch in der übrigen Wirtschaft. Gerade öffentliche Stellen sollten sich dessen bewusst sein.“
Ein weiterer wesentlicher Teil der Studie beschäftigt sich mit dem fiskalischen Effekt von Printmedien in Österreich. So werden in Österreich insgesamt durch Printmedien 621,2 Mio. € an Steuern generiert.
Bedeutende Wertschöpfung
VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger zeigte sich über die Ergebnisse der Studie erfreut. „Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich auf, wie beschäftigungsintensiv die Printbranche ist und welche bedeutenden steuerlichen und WertschöpfungsEffekte von Medienhäusern verlegerischer Herkunft generiert werden. Selbstverständlich werden wir diese Fakten auch politischen Verantwortungsträgern zur Verfügung stellen, wenn es um die Beurteilung von Themen wie Umsatzsteuerreduktion oder Presseförderung geht“, so Grünberger. (red)
marketing & media
Schokoladenseite Der neue Markenauftritt von Obscura für Ritter Sport 22 Start Die Strategie hinter den neuen Beteiligungen der MediaPrint-Gruppe 28
© APA/Rastegar Bewegt Julia Wippersberg: Video wird immer wichtiger bei der APA-OTS 14
Zahl der Woche

Regierung will einen Bundes-Etat einführen
Türkis-Grün schreibt Kommunikationsmaßnahmen über gut 210 Mio. € erstmals in klassischen Pitches aus. 10
Kreativ 30 Mio.
Media 180 Mio.
Werbeetat der Regierung
Zwei Ausschreibungen der Bundesbeschaffungsagentur lassen Agenturen aktuell aufhorchen: 30 Mio. € wird die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren für Kreativleistungen, 180 Mio. für Media ausgeben. Dafür ist man nun auf der Suche nach jeweils drei Agenturen. Was die Branche davon hält und wo es vergaberechtliche Grauzonen gibt, lesen Sie im Blattinneren.

Digital first Die letzten Monate waren von Neuerungen geprägt – auch für W1. 20
© IP Österreich/Christoph Meissner
